Mali: Zwei Anwerbungsversuche durch das Opus Dei


6. Februar 2015

Zu Beginn dieser Woche bin ich durch puren Zufall auf eure Seite gestoßen (ich könnte nicht einmal sagen wie, denn ich suchte nichts, was in Zusammenhang mit dem Opus stand), und seitdem habe ich Stunden über Stunden mit der Lektüre dessen verbracht, was ich hier fand, die Zeugnisse und die Dokumente. Dieses Thema interessiert mich sehr, denn von Kindheit an hat das Opus Dei in mir immer den größten Widerwillen und Misstrauen hervorgerufen, obwohl es in meiner Familie gut angesehen war.

Ich habe dieser  Organisation niemals angehört oder mich ihr angenähert, aber zweimal in  meinem Leben bin ich daran angestreift, und  ich möchte meine diesbezüglichen Erfahrungen mitteilen, denn vielleicht können sie jemandem helfen…

Als ich dreizehn Jahre alt war, entschieden sich meine Eltern mich auf ein Sommercamp zu schicken. Wir hatten unsere Sommer immer in den Bergen verbracht, und ich war gerne dort gewesen, und deshalb war ich über diese Entscheidung überhaupt nicht begeistert, aber da ich noch ein Kind war, bleib mir keine Wahl. Meine Mutter ist sehr religiös und hat eine große Andacht zu Josemaría Escrivá (sie hat sein Buch, ich weiß den Namen nicht, auf dem Nachttisch liegen, und viele Gebetszettel mit seinem Foto quer durch das Haus verteilt), und so dachte sie, der beste Ort, wo sie mich hinschicken könnte, wäre ein Lager vom Opus, das drei Wochen dauerte.

Ich war von dieser Idee schockiert. Ich wollte auf kein Lager gehen, und schon gar nicht auf eines vom Opus. Ich war katholisch erzogen worden und ging in eine Schule, die von Nonnen geleitet wurde, und ich freute mich des Lebens. Ich lebte in einem entspannten Umfeld, alles war einfach und normal. Mit dem Opus Dei assoziierte ich eine Radikalität, die sich mit meiner Lebensform schlug. Meine Mutter wies mich immer zurecht, wenn ich diesen Verein, ohne ihn noch näher zu kennen, als eine Sekte bezeichnete; für sie war das Opus wundervoll, sie machten viele gute Dinge, nichts daran war schlecht, und eine Sekte war es schon gar nicht. Ich fragte sie damals, warum sie denn nicht vom Opus sei, wenn das so ein toller, wundervoller Ort sei? Sie verstand es mir immer auf diese Frage auszuweichen oder das Gespräch zu beende. Heute, ich bin 28 Jahre alt, habe ich noch immer keine klare Antwort auf diese Frage.

Ich fuhr also auf dieses Lager. Heute denke ich mit einer gewissen Nostalgie daran, weil es schon so lange her ist, aber damals waren es schlimme drei Wochen, gewürzt mir aufregenden Geschichten, die mich nicht schlafen ließen. Ich will nicht ins Detail gehen und möchte  nur sagen, dass ich als schlankes Mädchen hingefahren bin und dort fünf Kilo abnahm, sodass ich mir für die Heimreise einen Gürtel ausborgen musste, um die Hose nicht zu verlieren.

Gegen Ende der Veranstaltung hielt mich eine der Monitorinnen im Gang des Busses zurück und sagte mir, dass sie an den Samstagen und am Mittwoch  nachmittags Kaffeetrinken hätten; da könnte ich meine Freundinnen vom Lager wiedersehen, es sei immer sehr lustig, und es wäre schade, wenn wir den Kontakt verlören. Als ich das hörte, läuteten bei mir sämtliche Alarmglocken. Da ich nicht wusste, wie ich im Bus an ihr vorbeisollte, hielt ich sie längere Zeit hin und sagte dann, das wäre klasse, ich würde eines Tages vorbeikommen. Tatsächlich dachte ich aber nicht daran, mich dort blicken zu lassen, aber das traute ich mich nicht zu sagen.

In Madrid nahmen mich meine Eltern in Empfang, und beim Abschied sagten  die Monitorinnen meiner Mutter, dass sie dieses Kaffeetrinken veranstalteten. Während der Fahrt nach Hause und während vieler Wochen danach kam meine Mutter immer wieder auf dieses Thema zu sprechen, warum ich nicht hinginge, das wäre doch eine gute Gelegenheit, die beißen nicht, und wenn es mir nicht gefiele, sollte ich eben nicht mehr hingehen und fertig, es wäre sicher eine tolle Atmosphäre dort, bla, bla, bla. Mit meinen 13 Jahren Jahren und ohne genau zu wissen, wovor ich da um jeden Preis davonlaufen wollte, sagte, ich wollte nicht, dass sie mich „absorbieren“. Es war pure Intuition. Sie insistierte, und ich wich aus – das war mein Leben lang zwar nicht die Haltung Gott gegenüber, aber gegenüber der Religion. Je größer der Druck war, desto größer der Widerstand. Das wollte meine Mutter niemals einsehen. So insistierte sie, und irgendwann vergaß sie auf dieses Anliegen. Gott sei Dank!

Ich korrespondierte auch eine Zeitlang mit einer Freundin aus dem Lager, und sie schrieb mir immer wieder, wir sollten uns an diesen bewussten Nachmittagen wiedersehen. Ich ging nicht hin, weil ich dieses verfluchte Kaffeetrinken mittlerweile hasste. Ich weigerte mich schon aus Stolz, diesem ständigen Druck nachzugeben.

Der zweite Kontakt geschah auf der Universität. Ich studierte auf Wunsch meiner Eltern an der Universität San Pablo CEU. Ich kann mich über diese Institution nicht beklagen, ich erlebte dort eine wunderbare Zeit, lernte gute Freunde kennen und genoss meine Universitätsjahre; das einzige Problem war, dass meine Eltern festlegten, dass es die Universität CEU sein musste.

Generell war die Atmosphäre auf der Universität wunderbar, alles blitzsauber, normal, mit Leuten aller Art und von jeder Hautfarbe, wie es sein soll. Aber nach und nach sollte ich auch andere Dinge kennen lernen.

Als mich eines Tages eine meiner Klassenkolleginnen aus dem Privatgymnasium, das von Nonnen geleitet worden war und wo es nur Mädchen gab, zu einem Frühstück einlud, das der Universitätskaplan ausrichtete. Sie beschrieb es als etwas Tolles und Unterhaltsames, für alle zugänglich und als eine Einrichtung, die bestens geeignet war, um sich in das Universitätsleben zu integrieren.Ich weiß nicht mehr, ob es ein Montag oder ein Donnerstag war. Tatsächlich gingens dann von zwei oder drei Mädchen  mit mir. Ich dachte, das wäre eine gute Art Leute kennenzulernen und Freundschaften zu schließen.

Das Frühstück war in einem, kleinen Raum, eigentlich war es ein Arbeitszimmer. Irgendjemand hatte Magdalenas und andere Bäckereien gekauft, es gab Saft, Milch, Kaffee und Kakao. Ich hatte keine Ahnung, wer all das gekauft hatte, und ich fühlte mich nicht gut, weil ich hier etwas konsumierte und selbst nichts beigetragen hatte. Das belastete mich ein wenig.

Zu Beginn wurde ein wenig über alles Mögliche geplaudert, über die Vorlesungen und über die Professoren, in einer lockeren und entspannten Atmosphäre. Aber dann begann  der Priester uns Neue, jede einzeln, über uns und unser Leben auszufragen, woher wir kommen, was wir hier machen, was wir vorhätten. Er war sehr liebenswürdig, und auch wenn er viel fragte,  wirkte es nicht aufdringlich oder übergriffig. Aber ich kam trotzdem kein zweites Mal frühstücken; ich hatte einfach keine Lust wiederzukommen.

Eines Tages, nicht lang danach, als ich mit ein paar Freundinnen unterwegs war, traf ich dieses Priester am Gang der Cafeteria wieder. Er blieb stehen, grüßte mich und fragte, warum ich nicht mehr frühstücken gekommen war. Ich log ihn an und sagte, dass ich zu beschäftigt gewesen sei und keine Zeit gehabt hätte. Er meinte, das sei schade, und dann fragte er uns, ob wir Lust hätten, auf  eine Konvivenz mitzufahren, die sie dieses Wochenende organisierten, oder eben das nächste, in den Bergen um Madrid. Es wäre eine tolle Stimmung dort, lauter junge Leute, es würde und viel geben und wäre eine großartige Erfahrung. Ich war aber schon mit meinen Eltern bei irgendeiner Konvivenz einer marianischen Gruppe gewesen, und das war eine Qual, und auch im Gymnasium, mit den Nonnen und mit Priestern, und ich hatte genug davon. Ich sagte nein zu ihm und nannte ihm eine Entschuldigung, die er aber sofort von Tisch wischte, ebenso wie meine zweite Ausflucht. ich wollte ihm nicht nur einfach so sagen, dass ich keine Lust hatte, denn ich wollte nicht schlecht oder als Egoistin dastehen. Er versuchte es noch mehrmals, immer mit dem gleichen Erfolg, so dass er sich schließlich geschlagen gab.

Die Situation wiederholte sich eines Tages, als er mich ansprach, als ich auf einer Bank in der Uni saß; er brauchte jemanden, um die Messe zu lesen. Das klingt wie eine Dummheit; für mich war es das nicht. Ich bin ziemlich introvertiert, und es kostet mich eine große Überwindung in der Öffentlichkeit zu reden. Für meine 18 Jahre war ich schon eine reife Persönlichkeit. Meine Handflächen begannen zu schwitzen, meine Gedanken setzten aus. Das sagte ich ihm, aber es war ihm egal. Er bat mich, ihm diesen Gefallen zu erweisen; ich sagte ihm, er solle jemand anderen fragen, mir ginge es nicht gut, aber er ging darüber hinweg. Er bedrängt mich immer wieder; aber ich gab nicht nach.

Das war der Wendepunkt in unserer Beziehung. Auf den ersten Blick merkte man nichts, aber es war anders. Er hatte mich immer angelächelt und war so liebenswürdig zu mir gewesen, er war immer stehengeblieben, um mit mir zu reden und mich zu fragen, wie es mir ginge, er hatte sich um mich bemüht und war aufmerksam gewesen, und plötzlich war da eine Wand zwischen uns. Er richtete nicht mehr das Wort an mich, ein schneller Gruß war alles, wenn wir einander zufällig auf den Gängen begegneten, was auch nicht so oft vorkam. Er benahm sich korrekt, und das war alles. Diese plötzliche Distanziertheit bedeutete für mich eine große Erleichterung, denn ich hatte schon befürchtet, dass er mich beschimpfen oder beleidigen würde. Ich müsste lügen, wenn ich nicht zugeben wollte, dass ich sehr erleichtert war, als er nichts m ehr von mir wollte, mich zu keinem Frühstück mehr einlud, zu keinen Konvivenzen, nicht einmal in die Messe. Funkstille. Es war mir, als wäre eine Last von meinen Schultern genommen. Als er mich endgültig aufgab, konnte ich aufatmen.

Das war das zweite Mal, dass ich auf einem Umweg mit dem Opus Dei zusammentraf. Dieser Priester hatte eine unerträgliche Art, sich an Menschen heranzumachen, und zwar an ganz bestimmte Menschen (Leute mit Geld, die gut angezogen waren, wichtige Personen mit Einfluss und Prestige innerhalb und außerhalb der Universität, und in diesem Mikrokosmos konnte man auf einzelne Menschen so schon einen gewaltigen Druck ausüben. (merkwürdigerweise war er es, der mir bei der Abschlussfeier das Diplom in die Hand drückte, umgeben von Dozenten und Professoren).

Das waren die beiden einzigen Male in meinem Leben, da ich diese Wahrnehmung hatte: ein subtiler, aber spürbarer Druck, gegen den sich mein ganzes Selbst auflehnte, wie ein Wirbekl, der alles verschlingt, was er erwischt.

Ich denke, dass das hier eine wunderbare Seite ist, vor allem weil sie mir Gelegenheit gegeben hat, mir diesen Wirbel anzuschauen. ich habe von außen beobachtet, was ihr von innen her erlebt habt; ich fühlte mich davon abgestoßen und habe mich davon befreit. Ich wünschte, diese Seite wäre bekannter, zum Beispiel bei Menschen wie meiner Mutter, die , liebenswert und blauäugig, wie sie ist, an allen Dingen nur die Fassade und das Gute sieht und die nicht wahrhaben will, dass nicht alles so wie auf dem Prospekt ist, das alles Menschliche auch seine Schattenseiten hat, und sie wäre mit der allerbesten Absicht imstande gewesen, ihre eigeneTochter dort hineinzustoßen.

Wenn jemand freiwillig zum Opus Dei geht und genau weiß, was er da tut, und mit allem einverstanden ist, und ihn  das erfüllt und glücklich macht, so erscheint mir das wunderbar, aber nur, solange es keinen Betrug gibt, keine Manipulation, keine Nötigung, wenn bei niemandem der Wille gebrochen wird, denn dann verliert diese Idee jeden Sinn, seinen Daseinsgrund, und verwandelt sich in etwas Destruktives und Schädliches, das genaue Gegenteil dessen, was es anfangs hätte sein sollen.

mali