Gervasio: Institutionelle und private Armut

1/05/2015

Die institutionelle Armut des Opus Dei zeigt sich in den Wohnungen der Numerarier, in den Einkehrhäusern (früher nannte man sie Exerzitienhäuser); dort wohnt man aber nicht, sondern es gibt dort lediglich, abgesehen von den Exerzitien, auch noch andere Aktivitäten, die aber alle nur kurz dauern, höchstens einen Monat. Sie sind nicht allein für Numerarier bestimmt, sondern für alle Arten von Personen – Männer und Frauen, immer getrennt – und für unterschiedliche Programme. Die Supernumerarier und Assoziierten organisieren sich ihr Zuhause – zum Unterschied von den Numerarierin – nach ihrem Geschmack ein. Das Opus Dei gibt ihnen hierzu keinerlei Hinweise und organisiert nichts für sie.

In vielen Etagen für Numerarier, in denen ich gewohnt habe, öffnet übrigens eine hervorragend uniformierte Angestellte die Türe, wenn jemand anläutet...

Irgendwann einmal dürfte sich eine peinliche Situation ergeben haben, und da das Mädchen keine Angst haben solle, wenn es die Tür öffnet, hat die hohe Obrigkeit entscheiden, dass sie von einer zweiten Angestellten begleitet sein müsse. Das Ergebnis war eindrucksvoll. Man läutet, und es erscheinen gleich zwei Hausangestellte in einer Uniform mit dem unvermeidlichen schwarzen Krepp und mit weißer Schürze und mit weißem Kragen. Ein lebendes Bild. Ich erinnere mich an eine Marquise, die sicherlich finanziell gut gestellt war, und eine Fürstin, die noch besser gestellt war, die noch besser dran war, war angesichts eines solch überfeinerten Personals höchst erstaunt, als sie einen kranken Neffen besuchten. Sie konnten sich nicht davon überzeugen, dass der Junge in Armut lebte; sie nahen nur. dass hier reichlich und hervorragend gekleidetes Personal zur Verfügung stand.

Meiner Meinung nach ist die Lebensweise in den Häusern des Opus Dei nicht nur luxuriös. sondern vielmehr antiquiert. Als die erwähnten Damen in einem „Einkehrhaus“ des Opus Dei übernachteten, machten sie die unangenehme Erfahrung, dass es keine Zimmer mit Bad gab, was heute doch die Minimalanforderung an eine Unterkunft ist, wenn man nicht als Zweisterne-Motel für Lastkraftfahrer gelten will. Das Opus hätte jedenfalls in der Belle époque eine gute Figur gemacht, als Hausangestellte noch nicht als Luxus galten – es gab sie allenthalben, schlecht bezahlt und rechtlos, dafür waren Badezimmer eben noch nicht üblich, auch nicht in den besten Häusern.

In den Etagen der Numerarier schätzt man die feinen Unterschiede, wenn jemand wirtschaftlich besser gestellt, ist auch wenn man das nicht sofort merkt. Das Haus ist besser, und man hat einen etwas höheren Rahmen für die Ausgaben. Das Essen ist besser, die Verwaltung bedient das Telefon und den Eingang; in den Häusern der Studenten ist das Service nicht ganz so ausgereift.

Man muss jetzt natürlich noch dazusagen, das nur die Leute mit einem gewissen sozialen und wirtschaftlichen Status Leitungsposten innerhalb des Opus Dei bekommen. Der Leiter bekommt das beste Zimmer, üblicherweise mit eigenem Bad. Klar! Die Leiter der Delegation und der Regionalkommission haben tolle Wohnungen und eine ganz ausgefeilte Bedienung. Klar! Wenn es Bischöfe gibt, die in einem Palast leben, da möchte dann die Regionalkommission natürlich nicht hintanstehen. Klar!

—    Was heißt beten? fragte ich ein Kind, das sich auf die Erstkommunion vorbereitete.

—    Beten heißt, das Herz zu Gott zu erheben und ihn um Gnade (span. mercedes) zu bitten, sprach der Katechismusschüler.

—    Jetzt verstehe ich, warum die Bischöfe einen  Mercedes brauchen, war die Schlussfolgerung des Jungen.

Der Gründer hat es nie bis zu einem Bistum gebracht; zu einem Mercedes schon. Es war ein Geschenk von Castelli, dem, der ihm Villa Tevere umgebaut hat. Wie denn auch nicht! nachdem er so viel Geld bekommen hat, kann er sich zumindest „um einen Wagen für den Vater“ kümmern.

Für die dienstbaren „Auxiliarinnen“ gibt es intern eine Regelung die Armut zu leben, die sich sehr von den Numerarierinnen unterscheidet. Die Auxiliarinnen tragen schlechtere Stoffe, mehr aus Prinzip als aus Sparsamkeit. Dieser Standesdünkel kommt aus einer Epoche, als man gerade die Eisenbahn erfunden hatte. Das Opus Dei hatte und hat Probleme, sich an das Handy zu gewöhnen, an Computer und Tablets, an Kreditkarten und an Privatautos, an den Mangel an häuslichem Personal und überhaupt an die neue Zeit. Mir wurde erzählt, dass del Portillo in Spanien  sehr viele Numerarier um sich versammelte und sie dazu aufforderte, auf  ihr Privatauto zu verzichten.  Ob mit oder ohne Chauffeur, davon schweigt die Fama. Aber ich schweife schon wieder ab. Sprechen wir von den beiden Formen, als Numerarierin zu leben.

Vermutlich verlangt man von beiden Kategorien der Numerarierinnen, dass sie die „Tugend der Armut“ auf die gleiche Weise leben, eine Tugend, die Escrivá erfunden hat. Bisher hatte es diese Eigenschaft noch nicht unter die Tugenden geschafft; sie ist ein Faktum, kein Habitus (Vgl. Gervasio Otra vez sobre pobreza, 24-II-2012). Beide müssen die Armut leben, denn angeblich haben beide die gleiche Berufung. Ich nehme an, dass man nicht verlangen wird, dass die Auxiliarinnen die Tugend der Armut intensiver leben, indem sie z. B. armseliger daherkommen. Sie leben sie auch nicht weniger intensiv, weil sie auf weniger verzichtet haben wie die reichen Numerarierinnen, weil sie ohnedies aus der Unterschicht stammen. Schließlich haben alle zusammen die Tugend der Armut zu leben, auch wenn man das den einen ansieht und den anderen nicht.

Sei dem wie es wolle, die Art, wie im Opus Dei die Armut gelebt wird, hängt von  der Art der „Profess“ ab, mit der sich die Mitglieder in das Opus Dei eingliedern, sei es nun als Numerarier, als Assoziierter, Supernumerarier, Auxiliarin oder  aber Numerarierin. Die Profess einer Auxiliarin unterwirft diese Frau von Seiten der Institution besonderen Anforderungen hinsichtlich der Armut, die sich von denen der Numerarierinnen und Numerarier klar unterscheiden.

Dem Opus Dei als Supernumerarier beizutreten bedeutet keine besondere Verpflichtung zur Armut. Jeder Supernumerarier organisiert sich seine Finanzen selbst  und  leistet lediglich einen Beitrag, der seinen Möglichkeiten entspricht. Zur Orientierung sagt man ihm, er möge jeden Monat das geben, was sie für ein Kind aufwenden würden. Sie sollen das Werk so ansehen, als wäre es ein weiteres Kind, so sagt man ihnen. Zur Ergänzung sagt man ihnen dann noch gelegentlich, was noch gebraucht wird.

In den Statuten von 1950 findet sich für die Numerarier und Assoziierten eine ähnliche Regelung wie für Ordensangehörige, wenn es sich auch um ein einfaches und nicht um ein feierliches Gelübde handelt. Bei feierlichen Gelübden muss der Profess auf seinen gesamten Besitz verzichten, bei Kongregationen mit einfachem Gelübde ist das nicht der Fall. Er hat die Verwaltung seiner Güter und die Verfügung über Usus und Ususfructus Dritten zu übertragen, das wohl. Und genau derselben Regelung waren auch wie Numerarier und Assoziierte unterworfen. Ich erinnere mich, dass sie mich bei meiner ersten zeitlichen Profess – bei uns heißt das Oblation – gefragt haben, ob ich eine Kuh hätte – jawohl, eine Kuh mit vier Beinen und zwei Hörnern. Ich sagte entschlossen nein, allerdings war ich genauso verwirrt, als wenn sie mich gefragt hätten, ob ich einen Pantoffel der Madame Pompadour besäße. Ich weiß  nicht, was sie gemacht hätten, wenn ich eine Kuh gehabt hatte. Sie hätten mich da aber sicher nicht ins Studienzentrum gehen lassen.

Alles, was ein Mönch erwirtschaftet, erwirtschaftet er für seinen Orden, und sein Institut bekommt auch alles, was er in Form einer Pension, einer Subvention oder Auszahlung von Krankengeld etc. bekommt (vgl. Canon 668). Derselben Ordnung waren wir Numerarier unterworfen, so lange, bis die Prälatur und die Statuten von 1982 kamen.

Man weiß sehr gut, welchen Aufwand an Eingaben, Bitten und theatralischen Einlagen der Gründer geliefert hat, damit das Opus Dei einen anderen juristischen Rahmen als das Säkularinstitut bekommt. Zu seinen Lebzeiten hat er es nicht erreicht, und dann musste sich sein Nachfolger, del Portillo, darum kümmern. Der Gründer hat dabei weniger konstruktive Vorschläge geliefert, als dass er gesagt hat, was er nicht will: kein Säkularinstitut, keine Gelübde, nichts, was das Opus Dei in die Nähe von Orden mit einfachen Gelübden rücken könnte. Unter Zeitdruck oder weil es unter den wachsamen Augen des Vatikans geschah, wurde in den Statuten  von 1982 (vgl. Nr.  94) für alle Arten von Mitgliedern des Opus Dei  - ohne zwischen Numerarierin, Assoziierten und Supernumerariern zu unterscheiden - die Art, die Armut von Supernumerariern zu leben, wie sie oben beschrieben wurde, verbindlich gemacht

Eine solche Handhabung des Besitzes hätte da hat den Vorteil, dass man dem Heiligen Stuhl die Laien, Diakone und Priester des Opus Dei als gewöhnliche Gläubige darstellen kann, und das ist besser, als sie hätten ein Armutsgelübde oder das Substitut eines Armutsgelübdes. Wenn man dem Opus Dei als Numerarier oder Assoziierter beitritt, ändert sich weder der juristische Status, dass man etwas besitzen dürfte, noch die Fähigkeit zu arbeiten und das so Erwirtschaftete zu verwalten und darüber zu verfügen. Das könnte auch jeder andere machen, der mit dem Werk sonst nichts zu tun hat, für seine persönlichen Bedürfnisse und die seiner Familie sorgen, und die vom  Opus Dei geben ihren beiden Ordinarien – dem von der internationalen  Prälatur und dem von der territorialen Diözese – in Form einer Spende, was sie für angebracht halten. Alle können Besitz haben, verwalten und verschenken.

Uns Numerarierin und Assoziierten hat man heimtückisch verschwiegen, dass wir gemäß den Statuten von 1982 die Armut genau so zu leben haben wie die Supernumerarier, dass wir nämlich nach Maßgabe unserer eigenen Bedürfnisse dem Werk jene Mittel zur Verfügung stellen sollten, die wir für angemessen hielten. Aber in den folgenden Ausgaben des Katechismus des Werkes berief man sich immer nur auf die alte Regelung, die dem Gelübde der Armut bei den Orden und geweihten Personen entspricht. Namentlich in der letzten Ausgabe wurde uns wieder mitgeteilt, dass die Numerarier und Assoziierten verpflichtet wären, ihr gesamtes Einkommen der Prälatur zur Verfügung zu stellen, und dabei beruft man sich mit einem unglaublichen Zynismus auf eben die Statuten von 1982.

Kurz, man hat den Heiligen Stuhl betrogen, und genau so hat man auch uns Numerarier und Assoziierte betrogen. Schon nach kurzer Zeit war der Lack ab; auf die Dauer lässt sich eben nichts verheimlichen. Der jetzige Prälat, Echevarría, fühlte sich also veranlasst, die Statuten von 1982 durch ein Dekret zu ändern, dessen Nummer für das Protokoll 6/69 ist, ein Dekret, durch das für Numerarier und Assoziierte die alte Art, die Armut zu leben, erneuert wird. Ich hatte nie die Gelegenheit es zu lesen, obwohl ich es wollte. So wie man uns als Numerarier und Assoziierte auf betrügerische Weise die Änderung unseres  wirtschaftlichen Status verheimlicht hat, so jetzt – jetzt bin ich aber schon draußen – die Kehrtwendung. Ebenso hat man dem Heiligen Stuhl verheimlicht, das man die Armut nicht auf die Weise lebt, die er approbiert hat, sondern wie in den Zeiten des Säkularinstituts, und man gibt auch nicht zu, dass es ein Dekret 6/69 gibt. Was für eine Angeberei mit absichtlichen Unklarheiten!.

Der derzeitige Prälat ist sich, wie ich erfahren habe, nicht ganz sicher , ob sein Dekret 6/69 ehrenhaft ist,  und er hat in einem Beisammensein mündlich mitgeteilt, dass die Numerarier und Assoziierten nicht verpflichtet sind, ihr ganzes Gehalt an die Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz und  Opus Dei abzuliefern. Echevarría muss irgendetwas in der Richtung gesagt haben, mit diesem kleinen Rasseln zwischen einem Nasal- und Gutturallaut, der für ihn so charakteristisch ist und der bei ihm manchmal vorkommt. Bestenfalls hat er nicht sueldo („Gehalt“), sondern regüeldo („Rülpser“) oder cuerdo(„klug“) gesagt. Man wird es erfahren. In jedem Fall ist er ein oraculum vivae vocis  — eine Wortspende des Prälaten kann zwar nicht als Rechtsquelle durchgehen, außer sie wird niedergeschrieben und von zwei Zeugen bestätigt. Es macht auch nicht den Eindruck, dass dieses Dekret, das den Statuten widerspricht, gültig sein könnte; es ist auch nicht ordnungsgemäß promulgiert. Die Verwirrung wird zelebriert.

Wie sagt doch ein englisches Sprichwort so schön, alte Sünden werfen lange Schatten, old sins cast long shadows. Der alte Trick, man könne angeblich die Folgen eines Betrugs dadurch verwischen, indem man einen neuen begeht, funktioniert fast nie. Nunmehr wirft der alte Betrug seinen Schatten sogar schon  auf den Vatikan, der die Statuten des Opus Dei 1982 anerkannt hat. Da der Heilige Stuhl seine Aufsichtspflicht wahrnehmen muss, hat er zu verlangen, dass die Statuten, die von ihm approbiert wurden, auch eingehalten werden. Sie sollen sich doch nur auch an das halten, was ihnen angeblich so lange Zeit ein Anliegen war: Wir brauchen kein Gelübde der Armut. Die Frage ist vor allem, ob der Ausgabezettel zumutbar ist, und ob man sein Gehalt der Prälatur abliefern muss. Wenn man sie als Priester, Diakone oder aber als Laien inmitten der Welt ernst nehmen soll, sollen sie dies durch ihr Verhalten zeigen und nicht das eine behaupten und das andere tun.  

So ist es, wenn ich nicht falsch informiert bin. Die Autoritäten der Prälatur haben kein Problem damit, wenn man Unterschiede beim Patrimonium und beim beruflichen Einkommen der Numerarier und Assoziierten macht. Die Numerarier haben es anscheinend stillschweigend akzeptiert, dass sie ihr ganzes Gehalt abliefern; bei den Patrimonialgütern sind sie sich nicht ganz so sicher, dass sie sie abgehen oder nicht mehr selbst verwalten wollen. Manchmal rät man ihnen nicht einmal dazu. Dabei muss man bedenken, dass es einige Numerarier gibt, bei denen die Verwaltung des Erbes ungleich mehr Zinsen abwirft als irgendein Arbeitseinkommen, in welcher Position man auch immer sein mag. Solche Numerarier sind hochwillkommen, gepriesen und werden verhätschelt. Da übersieht man dann gerne den einen oder anderen Fehler, wenn jemand die Tugend der Armut auf eine so vorbildliche Art und Weise lebt. Hoch die reichen Numerarier! Solange jedenfalls, als sie die Früchte ihres Einkommens dem Werk überlassen, auch wenn sie, das weiß man dann schon, sie selbst verwalten und auch etwas für sie selbst davon abfällt. Man wird ihnen niemals ganz trauen können; so wie Goyo Ortega. Damit man einem Numerarier vertrauen kann, muss er arm sein, in dem Sinn, dass er ohne Lohn für das Werk arbeitet und nicht sozialversichert ist. Er hat nicht einmal ein eigenes Grab. So vermeidet man Versuchungen  gegen die Beharrlichkeit und Bedenken gegen den absoluten Gehorsam. Manche bleiben im Werk, weil sie keine andere Chance haben.

 

Mögen sie nun die Einkünfte aus ihrem ererbten Vermögen dem Werk abliefern oder nicht, oder nur zum Teil, es entstehen dadurch jedenfalls nachteilige Situationen für andere Numerarier, und darüber sagt der Codex Iuris Particularis Operis Dei nichts aus. Ich nehme – als hypothetisches Beispiel – einen Anwalt in einer Kanzlei. Der Numerarier, der dieses Anwaltsbüro leitet, kann als Absetzposten die Gesellschaft mit verschiedenen Ausgaben belasten - Reisen, Geschenke, Autos, Gemälde, Arbeitsessen oder einfach nur Bankette, ein Gefallen für einen Neffen etc.; wer von seinem eigenen Einkommen leben muss, kann sich all das nicht leisten. Folglich entstanden, ohne dass es eine gerechtfertigte Grundlage dafür gäbe, zwei Arten von Armut für Numerarier und Assoziierte: Die, die für Geld arbeiten gehen, und diejenigen, die aus ihrer Erbschaft saftige Renditen ziehen. Wer mehr darüber lesen will, möge den Beitrag von Julio vom 26. März 2008 lesen, der einfach keinen Ausgabezettel mehr abgab: Así dejé la cuenta de gastos.

Der Numerarier, der ein Anwaltsbüro leitet – ich meine hier niemand Bestimmten, es handelt sich um einen hypothetischen Fall – hat Geldbewegungen; das heißt, er gibt Lohn monatlich ab, den er sich selbnst zuteilt. Tatsächlich entscheidet er somit darüber, was er dem Werk hingibt. Außerdem ist jeden Monat der Ausgabezettel abzugeben. Er kann sogar bei bestimmten Ausgaben um Rat fragen, wie es ein bestimmter Supernumerarier bei mir gemacht hat: Er fragte mich, welches Deo er kaufen solle. Es gibt ein Deo, das billiger ist. Das teurere reizt die Haut nicht, das billigere schon. Was soll man tun?  Ich, der ich von Natur gutmütig bin, habe ihm empfohlen, das teurere zu nehmen. Ihr seht, ich bin befugt, Ratschläge zum Thema der Armut zu erteilen.

Heute bin ich das nicht mehr; heute erschein mir all das als eine Dummheit. Das ganze Thema der Armut im Opus Dei kommt mir vor wie ein Dummheit.  Eine Dummheit ist wohl auch dieser Eid, das Versprechen, der Vertrag (Gelübde ist es sicher nicht), die man ablegt, wenn man zum „Eingeschriebenen Mitglied – das ist eine Gruppe von Numerariern, noch handverlesener als die anderen – die darin besteht nicht zuzulassen, dass es im Opus Dei ein Peculium  gibt  (vgl. das  Caeremoniale Operis Dei). Was geschieht mit dem erwähnten Numerarier, der sein Geld von seiner eigenen Anwaltskanzlei oder einem anderen Patrimonium bezieht? Aus dem gleichen Grund erscheint mir auch der Ausgabezettel eine ziemliche Dummheit.

Ich schweife ab. Die Regelung in Bezug auf die Armut der Numerarier und Assoziierten, die sich auf Geldbewegungen mit dem Patrimonium bezieht, ist ebenso sanft entschlafen wie die sogenannten „gemeinschaftlichen Werke” und die „Hilfswerke“, von denen in den alten Katechismen des Werkes bis 1959 die Rede ist und die man heute nicht mehr erwähnt. Über die Entwicklung dieser „Gemeinschaftlichen Werke“ und der „Hilfswerke“ referiert Saralegui ausführlich in  El Opus Dei y los negocios.

Anfangs wollte der Gründer die unbedingte Kontrolle über die Unternehmen, die die Leute des Opus Dei leiteten, er setzte Mitglieder der Regionalkommission oder Personen seines Vertrauens in diese Firmen und vereidigte sie etc. Später sah er ein, dass die Personen seines Vertrauens einfach inkompetent waren und ineffizient waren. Schließlich ging er dazu über, seine „reichen Söhne“ um Geld zu „bitten“ – die Numerarier, die Assoziierten, die Supernumerarier, wie es sich ergab, und er dispensierte sie mit „väterlicher Fürsorge“ von minderen apostolischen Aufträgen, die auch von anderen Personen wahrgenommen werden können, damit sie sich aufs Reichwerden konzentrieren können. Logisch! Eine Kuh ist noch keine Milchkuh. Ich habe eine Milchkuh. Es ist keine beliebige Kuh. Sie gibt mir die Milch zur Jause. Was für eine Kuh! Die Situation eines Numerariers, der frei ist, um sich eben den Geschäften eines Numerariers mit Aufträgen zu widmen, ist ganz ähnlich.

Ich kenne keinen Heiligen, der eifriger Geld sammelte als Sanjosemaría. Wenn das ein Ausdruck der Tugend der Armut sein soll, dann hat er diese Tugend in heroischem Ausmaß gelebt. Er sagte von sich selbst, dass er durchlöcherte Hände habe, dass ihm das Geld zwischen den Fingern zerrinne. Die Region Spanien musste ihm – ich erinnere mich nicht mehr, ob zu seinem Namenstag oder zu seinem Geburtstag – jedes Jahr eine Million Peseten schenken, und das war damals eine hübsche Stange Geld. Ein richtiger Franz von Assisi, aber in der Variante fundraising man.

Jesus sagte zu dem reichen Jüngling – dem traurigen Vogel, wie ihn Sanjosemaría nannte —„verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach” (Mt. 19,21). Er sagte nicht zu ihm: „Gib mir alles, was du hast, und du wirst einen Schatz im Himmel haben“. Er sagte: „Gib es den Armen“.  Da gibt es einen gewissen Unterscheid in der Sache, nicht nur in der Betonung. Der Gründer hat sich so aus der Affäre gezogen: „Ich bin arm“, „wir sind arm“, „das Werk ist arm und wird immer arm sein“, „für uns, für die Armen“.  „Ich habe viele Apostolate und nicht genug Geld für sie alle“. Das Ergebnis ist, dass man im Werk applaudiert, wenn jemand Geld bringt; wenn jemand der Pfarre oder den Armen Geld spendet, bekommt er eine „brüderliche Zurechtweisung“. Das ist das Hauptproblem. Die Erfindung der „Tugend der Armut“ dient zu nichts anderem als Geld für das Werk Gottes aufzutreiben. Deshalb richten sich das Opus und seine Apostolate vor allem auf Leute mit Geld aus. Je reicher sie sind – das scheint das Kriterium zu sein – umso mehr Möglichkeiten haben sie, die „Tugend der Armut“ zu leben.

Schließlich sind die angesprochenen Freiheiten rein theoretisch. Was die testamentarische Verfügung über den Besitz betrifft, haben sogar die Ordensleute mit einfachen Gelübden die volle Freiheit zu testieren, wie sie wollen (vgl. Canon 668). Im Opus Dei sagt man nur, dass du die Freiheit hast ein Testament zu errichten; aber sie sagen dir auch, was darin stehen soll, wer die Vollstrecker sind und an welchen Notar du dich wenden musst. Außerdem muss man den Leitern eine Kopie des Testaments aushändigen. Kurz, sie zwingen dich, ein „tugend­haftes“ Testament aufzusetzen, also eines, das mit der Tugend der Armut in Einklang steht.  Ist das Freiheit? Theoretisch hast du immer noch die Möglichkeit am nächsten Tag zu einem anderen Notar zu gehen und ein anderes Testament aufzusetzen, aber du hättest kein gutes Gefühl dabei.

Judas war ein Schuft; er bediente sich an der gemeinsamen Kasse. Je mehr hineinkam, desto mehr blieb für ihn. Schlussendlich verriet er sogar den Herrn um Geld. Das ist Verrat. Maledictus qui facit Opus Dei fraudulenter (Jer 48,10). Auch wir Ehemaligen dürfen fluchen, denn wir haben es erlebt, wie die Heilige Schrift unter Zuhilfenahme heuchlerischer Phrasen verfälscht wird. Wir haben niemanden betrogen und uns an niemandes Geld bereichert. Wir sind einfach nur gegangen.

Gervasio