Ex-Appendix: Assoziierte und Numerarier. Ein Beitrag zur Numeraritis

31. August 2015

Ich möchte eine sehr interessante Eigenheit unterstreichen, die Nacho erwähnt. In einem seiner letzten Beiträge hat er sich, so wie früher, ohne Schärfe, aber auch ohne Zurückhaltung, ein wenig über die Numeraritis beschwert, ein Wort, das er sich offenkundig aus dem Ärmel geschüttelt hat.

Was wollte er mit diesem Wort ausdrücken? Er selbst kann, besser als jeder andere, erklären, was er damit gemeint hat. Deshalb, lieber Nacho, wende ich mich direkt an dich, dass du uns bitte erklären möchtest, was ich vermute, da es sicherlich für alle interessant ist. Ohne deine Antwort vorwegzunehmen oder deine Freiheit zu beschränken, erlaube ich mir ein langes und umfangreiches Zitat aus „El ogro cariñoso(„Der liebenswerte Menschenfresser. Klartext über das OD“) zu bringen:

Job Fernández zitiert Carlos Albás Mínguez, was Antonio Perez Tenessa Alberto Moncada gesprächshalber erzählte (Ogro cariñoso, S. 170 f.):

Er erzählte mir (sagt Alberto Moncada),  dass er (Pérez-Tenessa) während vieler Jahre eng mit den Vater Escrivá zusammengearbeitet habe und dass seine – Escrivás natürlich -  große Sünde der Stolz gewesen sei…

Er erzählte mir vom Adelstitel des Marquis de Peralta und dem Baron von San Felipe, den ständigen Anspielungen, dass er ein „Verwandter des hl. Josef von Calasanz sei, und dass er den Titel nicht für die Hochzeit seines Bruders  Santiago erhalten konnte, den er zum Grabesritter macht, damit er mit einer besonderen Uniform heiraten könne; er sagte mir, dass das  Opus Dei ein mittelalterliches Klassenbewusstsein hätte; es sein ein Werk für die Reiche und für die Intellektuellen; er erzählte mir von den Unterschieden zwischen Numerarierin und den Assoziierten, dass sie voneinander zu trennen wären, was für ein Despot Escrivá gewesen sei, und vor allem, stolz, ohne Demut.

Er erwähnte mir gegenüber,. dass er zu sagen pflegte: „Macht euch bewusst, dass ihr während eures Lebens verschiedene Päpste kennenlernen werdet, aber Gründer des Opus Dei gibt es nur einen.” (Wenn ich ihn höre, tauchen massiv die Erinnerungen an die wenigen male auf, die ich mit ihm beisammen war, und ich erinnere mich an Dinge, die mir bisher unbedeutende erschienen waren..) In keinem Moment verteidigte er das Werk, auch wenn er zugab, dass es Gutes an ihm gab. . Ich versicherte, dass sie ohne jeden Zweifel den Gründer heiligsprechen würden: „Die katholische Kirche spricht immer alle Gründer und Gründerinnen heilig, wie unbedeutend sie auch sein mögen, und das Opus Dei interessiert sie sehr, sowohl vom Geld her als auch kulturell, und vor allem, weil sie Macht haben ”. (Carlos Albás Minguez, erwähnt in seinem Buch Opus Dei, der Pfusch des Teufels, Kap. 1, was Alberto Moncada darüber das Zeugnis von Pérez-Tenessa über Escrivá sagte).

Das Fettgedruckte und die Unterstreichungen sind von mir, denn es ist das erste Mal, dass ich aufrichtige Worte von einem Menschen höre, der an der Spitze des Opus gestanden hatte (er war Generalsekretär) wie unbedeutend für Escrivá die Assoziierten tatsächlich waren.

Auch wenn er andererseits von ihnen sprach und den Mund voll nahm wegen einer angeblichen Aufrichtigkeit, betrog er uns mit pompösen Worten wie diesen: im Opus Dei sind wir alle gleich und essen alle aus dem gleichen Kochtopf…”, oder der Ausspruch „ich möchte, dass meine Söhne, die Assoziierten, durch das große Tor zum Priestertum eingehen…”, (damit man sie anschließend „Koadjutoren“ nennt, würde ich meinen) und andere Nettigkeiten dieser Art.

Die Würde eines Marquis, das Streben nach dem Adelsdiplom, der Elitismus und alle äußeren Anstrengungen des Opus, gesellschaftlich und ökonomisch zu glänzen, schienen mir immer mit dem Status eines durchschnittlichen Assoziierten unvereinbar – und ich spreche jetzt nicht von Ausnahmen oder seltenen Vögeln, obwohl es auch die gibt – mit bescheidener Herkunft, durchschnittlicher gesellschaftlicher Stellung, guter, aber keiner herausragender Erziehung  und einer Familie als Hintergrunde, die gut war, aber dem Opus nicht „helfen“ konnte, kurz, der nicht in das raffinierte barocke Ambiente passt, in dem sich die „Arbeit“ des Opus entfaltete.

Es ist nicht erstaunlich, dass er davon träumte, dass es für jeden Numerarier vier Assoziierte und 20 Supernumerarier geben solle, mit dieser Idee bombardierten sie uns in den Kurzen Kreisen und in den Konvivenzen der sechziger, siebziger und achtziger Jahre… es war ein Traum. Es pfeifen immer weniger Assoziierte, und die es gibt, laufen davon.

Worüber ich mir allerdings sicher bin, ist, dass es sehr wohl in der alltäglichen Praxis innerhalb des Opus zu lächerlichen Situationen kommt, die die Künstlichkeit dieser Klassengesellschaft bloßstellen, welche die Mitglieder des Opus in derart absurde Kategorien einteilt. Es gibt auf dieser Seite genügend Literatur, die belegt, was ich meine.

Irgendwie bleibe ich bei dem, was ich schon bei vielen Gelegenheiten ausgedrückt habe: Es ist zur Genüge erwiesen, dass Escrivá am 2. Oktober 1928 auch nicht im Entferntesten an die Assoziierten dachte. Die tauchten erst  1949 auf – lediglich 20 Jahre später, als eine Unter­gruppe von Mitgliedern, deren Charakteristiken und deren Daseinsberechtigung nicht „passen“. Je mehr Mühe man sich gibt, es uns glauben zu lassen, in einem Werk, das für die Reichen gemacht war, für die „Aristokratie der Intelligenz“,  wie es sich von Anfang an selbst definierte.

Ich komme zum Schluss. Warum denke ich, dass das Wort „Numeraritis”, das Nacho geprägt hat, sehr treffend ist? 

An erster Stelle wegen der Parallele zur bösen „Familiosis”, die wir alle kennen. Wenn die „Familiosis” nach dem Geist Escrivás bei einem Mitglied des Opus zurückzuweisen ist, so wäre die „Numeraritis” im Umfeld der Numerarier gleichfalls zu tadeln.

Außerdem sind einige Numerarier der Überzeugung, dass sie nur aus dem einzigen Grund, dass sie nämlich Numerarier sind, schon etwas Besonders wären, höhere Wesen in Bezug auf Intelligenz, Charakter oder Führungsqualitäten, und wenn diese Qualitäten auch da und dort Realität sein mögen, so sind sie nicht notwendigerweise an die Kondition eines Numerariers geknüpft. Das trifft so sehr zu, dass ich es wage zu sagen, dass bestimmte Numerarier diese Überzeugung in sich tragen, auch wenn sie bereits das Opus verlassen haben.

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