DER UNTERGANG DES OPUS DEI

Marcus Tank, 5. Juli 2006

Illustration: Bruno Ganz in: „Der Untergang“ (Oliver Hirschbiegl, 2004)


Ich habe bisher erst einige sorgfältig durchdachte Exposés über das Werk vorgelegt Los engaños del Opus Dei (Die Betrügereien des OD) und La acción fundacional del Opus Dei (Der Gründungsvorgang des OD), weil ich zu verstehen suchte, was im Augenblick im Opus Dei abläuft. Ich habe einige Mitteilungen von Freunden erhalten, die meine „Handschrift“ erkannt haben und ihren Erfolg lobten, wie es einige andere hier auch schon gemacht haben.

Ich weiß nicht, bis zu welchem Grad das ein Hinweis für den Erfolg dieser Schriften ist, und ebenso wenig, ob es ein Hinweis darauf ist, dass ihre Thesen allgemein akzeptiert werden. Dieser Tage gab allerdings ein guter Freund einen Kommentar zu der „Katharsis“ ab, die das Werk im Augenblick erlebt, und verfasste als Insider eine Diagnose damit ich mit diesem Text mache, was mir das Beste erschien. Und ich dachte, das Beste wäre es, die Schrift mit seinen eigenen Worten zu betiteln und eins zu eins zu veröffentlichen. Mich hat es zum Nachdenken gebracht, denn ich sehe die Dinge wie er, er übertreibt nicht, und er hat recht. Ich schreibe seine Zeilen ab:

Es überrascht, dass trotz der tiefen und weit reichenden Krise, die das Opus Dei durchmacht, niemand in der Institution dieses Wort öffentlich ausgesprochen hat. Das Werk vergreist, es ist ein Jammer, wie viele Berufungen verloren gehen, aber niemand spricht von Krise. Dieses Wort wird weder in den Beisammenseins noch in den offiziellen Medien erwähnt, ganz im Gegenteil, man lobt, wie gut die Dinge überall gehen. Die, die in den Zentren bleiben, verzehren sich in Kummer, Einsamkeit und Unglück; viele flüchten sich in psychosomatische Krankheiten und werden psychologisch behandelt, aber es gibt keine Krise. Die Situation erinnert an den „Untergang“ totalitärer Regime: Plötzlich und ohne Vorankündigung kommt alles ins Rutschen, wie bei einer Lawine.

Ja, es gibt eine Krise, alle wissen es, sogar die Zuversichtlichsten.

Aber das Schlimmste ist, dass es hier nicht um die Krise der Religion in der Gesellschaft geht. Das Problem ist typisch für das Opus Dei, und es ist hausgemacht. In Wahrheit handelt es sich um eine Selbstzerstörung, den Willen, nichts zu erfahren und Lösungen für die offenkundigen Krankheitsbilder zu finden. Die Erklärung für diese „Vogel-Strauß-Politik“ kann ich mir vorstellen, ohne es ausdrücklich zu wissen; selbstverständlich liegt sie nicht an einem Mangel an Informationen. Ich nehme an, dass sie eine Folge der Vergöttlichung der Institution ist. Das Göttliche ist unzerstörbar, unfehlbar, makellos, und es kann keine angeborenen Defekte haben. Aus dem gleichen Grund kann sich auch der Gründer nicht geirrt haben. Wir stehen hier vor einem fanatischen Glauben, der sich völlig von der Wirklichkeit abgelöst hat. Man nimmt sie nicht wahr, ja sie scheint auch nicht einmal besonders zu interessieren. Die Wirklichkeit ist ausgeblendet, verscheucht, camoufliert, sie wird mit List verschwiegen. Mehr noch, wer die Wahrheit sagt, wird systematisch und auf organisierte Weise verfolgt, beiseite geschoben, isoliert. Bis zum Äußersten zeigt sich hier die Beziehung des Märtyrers zur Wahrheit; im Opus Dei gibt es wahre Märtyrer der Wahrheit.

Menschen, die nicht zum Werk gehören und mitbekommen, was hier geschieht, fragen sich, mit einem gewissen gesunden Menschenverstand, warum hier keine Reformen durchgeführt werden. Reformen? Das Wort sei uns fern! Es gibt nichts zu reformieren. Aber im Opus Dei ist nichts, wie es sein sollte, oder wie es angeblich einmal gewesen ist: weder der Geist, noch seine konkrete Ausformung, eine organische Entwicklung, auch nicht seine juridische Form. Es ist vollkommen klar erkennbar dass die Institution jede Orientierung verloren hat. Sie hat sich in ihren eigenen Netzen gefangen und weiß nicht mehr, was zu tun ist. Niemand, der einen Leitungsauftrag in der Prälatur hat, wagt es, dem Prälaten die Wahrheit zu sagen, aus Furcht, von seiner ehrenvollen Stelle entfernt zu werden. Sie lachen alle über das, was geschieht, auf Grund der heiligen Einheit, die im Werk gelebt wird, obwohl es völlig unangebracht wirkt. Und so gehen sie ihren „übernatürlichen Weg“ bis zur Liquidierung.

Während die leitende Klasse alle Hebel in Bewegung setzt, um innerhalb der Kirche das Image der Institution aufrecht zu erhalten, lösen sich die inneren Kräfte des Opus Dei auf. Die Numerarierinnen und Numerarier verfallen in eine immer größere Enttäuschung und leben ein unglücklichen Leben in der virtuellen Wirklichkeit, in die sie geraten sind. Das Familienleben ist eine Farce, in dem niemand das sagt, was er denkt, ein Theater, bei dem man physisch, aber nicht persönlich anwesend ist. Die wissen, wie es gehen könnte, werden immer mehr an den Rand des inszenierten Stücks geschoben. Es gibt immer weniger Nachwuchs. Wer könnte sich unter solchen Umständen schließlich auch eine solche Lebensform für andere wünschen?

Von außen betrachtet, sieht es aus, dass das Gebäude noch immer seine ursprüngliche Festigkeit aufweist, denn die Fassade ist großartig und gut in Schuss. Aber im Inneren zeigen sich Auflösungserscheinungen wie in einem Kadaver. Nachbarn hören Schreie, eigenartige Stimmen, und ein modernder Verwesungsgeruch hängt in der Luft, der befürchten lässt, dass im Dunkel der Nacht schlimme Dinge geschehen.

Und ich füge hinzu: Vielleicht könnte bitte jemand das Licht aufdrehen!

Marcus Tank

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