Josef Knecht: Tabakmissbrauch als Zeichen einer angeblich laikalen Mentalität

6. April 2016

Ich fühle mich verpflichtet, auf die leidenschaftliche Kritik Supos vom vom 4.4.2016 an meinen Ansichten über den Tabakmissbrauch (16.02.2015) bei den Numerariern des Opus zu antworten. Zunächst einmal gebe ich Supo bei seiner grundsätzlichen Auffassung recht: Niemand, außer Don Alvaro, wurde zum Rauchen genötigt. Ich selbst habe beispielsweise nie geraucht, und es hat mich auch niemand dazu verpflichtet. In meinem Beitrag habe ich wörtlich geschrieben, dass sich die laikale Mentalität der männlichen Mitglieder des Opus nicht nur beim Rauchen zeigte, um sich vom dem Ordensleuten zu unterscheiden, sondern auch, dass wir uns frei entscheiden konnten, ob wir rauchen oder nicht. Ich zitiere wörtlich: „Auf dieser Seite haben uns Haenobarbo, E.B.E., Gervasio und viele andere die Widersprüche zwischen der offiziellen Version des Opus aufgezeigt, laut der seine Mitgliedergewöhnliche Christen inmitten der Welt seien, und dem tatsächlichen Leben seiner zölibatären Mitglieder, das dem Leben der Ordensleute in vielen Aspekten sehr nahe kommt oder mit ihm identisch ist. Deshalb wies man die männlichen Laien des Opus immer ganz besonders auf dieses Detail hin: Sie waren frei zu rauchen oder nicht, und das sei ein Zeichen, dass sie keine Ordensleute seien. Das ist ein Detail, das ein wenig der vorher geäußerten These zu widersprechen scheint. Tatsächlich ist das aber überhaupt kein Widerspruch, denn zu denken, dass man nur wegen der Zigarette ein Laie sei, ist eine gigantische Dummheit”. Ich habe das ganz klar ausgedrückt, aber Supo hat sich darüber aufgeregt und mir in seinem Zorn Dinge Vorgeworfen, die ich so nicht gesagt habe.

Wenn wir Numerarier auch nicht zum Rauchen verpflichtet waren, das Beispiel, das uns der Gehorsam des rauchenden Don Alvaro gab, ließ es als „guten Geist“ erscheinen (den Escrivás, versteht sich), wie ein Lockmittel, um das „geregelte Verhalten“ nachzuahmen, das Msgr. Escrivá Portillo anempfohlen hatte. Diese Geste des Gehorsams von Seiten Don Alvaros wurde in den Beisammenseins der Zentren und in den Bildungsvorträgen als eine epische Geste präsentiert, die es wert sei nachgeahmt zu werden – nicht verpflichtend, aber als Zeichen „guten Geistes“ bei denen, die den „laikalen Geist“ des Gründers mit der gleichen Treue wie Don Alvaro leben wollten.                                                                                                            

Die Leiter des Opus haben niemanden zum Rauchen genötigt, wohl aber verpassten sie dem Rauchen ein stimulierendes und „übernatürliches“ Image, das viele verführte, vor allem ganz junge Menschen. Deshalb haben die nicht ganz unrecht, die auf dieser Seite in jüngster Vergangenheit unterstrichen haben, dass das Opus den tabakmissbrauch unter seinen männlichen Mitgliedern den Tabakmissbrauch in den 60er, 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gefördert hat, und sogar die Leiter des Opus selbst mussten im Verlauf der 90er Jahre die schmerzhafte Erkenntnis mach, dass viele rauchende Numerarier gesundheitlich schwer beeinträchtigt waren oder an Lungenkrebs starben, und da verblasste dann auch das epische Beispiel Don Alvaros, und man empfahl den Rauchern eher, von ihrer Gewohnheit loszukommen. Ich sage es ungern, weil ich Supo persönlich sehr schätze: Er irrt sich, wenn er diese Realität der 60er, 70er und 80er Jahre leugnet, als es sehr viele Berufungen zum Opus gab und viele männliche Mitglieder aus unterschiedlichen Gründen sehr viel rauchten, und einer davon war das „laikale“ Beispiel des Gehorsams Don Alvaro.

Ich sage es noch einmal, es ist nicht übertrieben, dass sich eine Reihe von Professoren der Universität von Navarra, Numerarier ziemlich lautstark oder auch stillschweigend ärgerten, als das Rauchen in den Gängen und Bibliotheken der Universität verboten wurde. Ich könnte Namen nennen, aber ich werde es aus Gründen der Diskretion nicht tun. Endlich akzeptieren logischerweise alle das Rauchverbot, einschließlich der Bewunderer der epischen Geste Don Alvaros. Die Zeiten haben sich gewandelt. Das Schlimme am Opus ist aber, dass die wenigen Wendungen zum Positiven, die hier Wurzeln schlagen, reichlich spät kommen, nachdem viele traumatische Erfahrungen machen mussten und die raue Wirklichkeit spürbar wurde.

Der Beitrag von Supo hat mein Gedächtnis angeregt. Wenige Tage, nachdem in der Universität von Navarra an den Wänden jeder Aula Schilder mit der Aufschrift „Rauchen verboten“ aufgehängt worden waren, geschah eine lustige Anekdote. Ein Professor, ein namhafter Numerarier, an dessen Namen ich mich nur eben nicht erinnere, fand es nicht unpassend zu rauchen, während er seine Vorlesungen hielt, indem er öffentlich dem Verbot zuwiderhandelte, das noch dazu schriftlich an einer Wand der Aula festgehalten war, und er hielt unerschütterlich an seiner überholten Gewohnheit fest, während des Unterrichts zu rauchen. Gewiss, er rauchte mit großer Eleganz, so als erholte er sich, während er inhalierte. Das Lustige war, dass einer der Schüler heimlich mitfilmte, als der Professor während der Vorlesung rauchte. Und das Schild „Rauchen verboten“ war groß im Bild zu sehen. Dieses Video kursierte wie ein Lauffeuer unter dem Studenten und im Lehrkörper; wir lachten alle, als wir es sahen, und es blieb, was es war: eine Anekdote.

Schlussendlich akzeptiere ich, dass Supo eine größere Stringenz in unseren Formulierungen eingefordert hat, wenn wir hier schreiben. Ich bin kein Psychologe, und deshalb kann ich mich hier irren, obwohl ich manchmal in medizinischen Fachzeitschriften von einem Zusammenhang zwischen  Tabakmissbrauch und psychischen Erschöpfungszuständen gelesen habe. Wie Supo wohl weiß, ist das Leben der Numerarier, vor allem der jungen, voll von zahlreichen erschöpfenden Umständen, die eine unbefriedigende psychologische Kompensation durch den Griff zum Tabak  nahelegen können, vor allem in einem Umfeld, in dem das Beispiel Don Alvaros propagiert wurde; in diesem Fall kann die Gewohnheit zu rauchen entstehen oder sich verstärken, wenn man schon vorher geraucht hat, aufgrund erschöpfender äußerer Umstände und mehr durch das „Beispiel“ der anderen als durch ein persönliches Kriterium; das kann auch der Ausdruck einer Anpassung, einer Unterwerfung sein, weil man sich selbst nicht akzeptiert. Und wenn wir schon über Psychologie reden, täuschen wir uns nicht darüber hinweg, was in den 60er, 70er  und 80er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts eine historische Wirklichkeit war, nämlich der übertriebene Tabakmissbrauch der Numerarier.

Josef Knecht