Kapitel 8. HEFTIGES WACHSTUM

„WIR SIND MINISTER GEWORDEN!“ Mit diesen Worten begrüßte Escrivá 1957 die Ankunft der ersten Mitglieder des Opus Dei in der politischen Führungsetage unter der Diktatur. Schließlich nutzten sie die Gelegenheit, auf die sie sich bereits während der fünfziger Jahre vorbereitet hatten. Ein ehemaliges führendes Mitglied des Opus Dei kommentierte Escrivás Ausspruch „Sie haben uns zu Ministern gemacht!“ dahingehend, dass das Besitzergreifende darin vielleicht hässlich klingen mag, dass aber in diesen Moment die Leute des Werkes alles andere als Pessimisten waren. Diese seltsame Euphorie wurde nicht von allen geteilt und belastete das interne Klima. Heute betont man nur noch den großen Dienst, den die neuen Apostel der Gesellschaft erwiesen haben“. [Moncada, Alberto, El Opus Dei, una interpretación, Índice, Madrid, 1974, S. 35].

Sofort begann die Bildung unterstützender Teams, und ausgewiesene Mitglieder des Opus Dei, auch solche, die mit der Politiik gar nichts im Sinn hatten, erlaubten sich das eine oder andere Mitglied als Untersekretär oder Generaldirektor vorzuschlagen. [Moncada, Alberto, S. 35]. Es handelte sich definitiv  darum, die entscheidenden Positionen der Mitglieder auszubeuten, die jüngst in die Ministerien bestellt worden waren, indem man die Amtsräume in Startbahnen für Einfluss und Ernennungen verwandelte. Das Wort OPUS erhielt damals einen geheimen Nebensinn in der spanischen Bevölkerung, nämlich „Obra Para Uno Situarse“, „Werk, um sich einen Posten zu verschaffen. Parallel dazu entfesselte sich innerhalb des Opus Dei eine dauerhafte Strategie, Handelsgesellschaften zu gründen oder sich schon bestehender zu bemächtigen. [Moncada, Alberto, S. 25 ff.].

 Mit einem Numerarier des Opus Dei als Handelsminister genügt der Hinweis, dass es in diesem Ministerien einige Ernennungen gab, die mehr den internen Notwendigkeiten des Werkes Gottes als den üblichen politischen Kriterien für die Besetzung öffentlicher Ämter entsprachen. So wurde beispielsweise der Beauftragte für Versorgungsgüter und Transporte ins Handelministerium berufen, mit dem Geheimauftrag, den Anliegen der Hilfsgesellschaften des Opus Dei zu entsprechen oder sie zumindest anzuhören. Natürlich wurde ein Numerarier, der bereits Beamter war, ihm persönlich zugeteilt, der zugleich mit dem Regionaladministrator an den internen wirtschatlichen Sitzungen des Opus Dei teilnahm. Auch die Ernennung eines Mitglieds des Opus Dei zum Staatssekretär folgte in allererster Linie den Interessen des Opus Dei und dann erst denen des Ministeriums und der Regierung.

Über diese Zeit der Hochkonjunktur für das Opus Dei erzählt ein wichtiger Zeuge, dass „einige neue Numerarier aus Rom kamen, Italiener, mit Anweisungen vom Vater, damit Alberto Ullastres ihnen bei einigen geplanten Unternehmungen helfen solle. Sie kamen sogar mit dem Ansinnen, dass Alberto, der Handelsminister, die Angelegenheit in einem Haus des Werk mit ihnen besprechen solle, statt sie im Ministerium zu empfangen. Ich verweigerte das und wurde dafür schön angeschnauzt. Schließlich empfing sie Alberto und ich glaube, sie erreichten nichts, aber ich hatte die unangenehme Empfindung, dass der Vater einen gewaltigen Druck ausübte, nicht nur über unser Innenleben und unser Apostolat, sondern über die berufliche Tätigkeit der Mitglieder“. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei„, Plaza &:Janés, Barcelona, 1989, S. 15].

Der Gründer entschied sich nicht dazu, bei diesem Aufstieg zur Macht klare Spielregeln auszugeben und Grenzen zu setzen, und deshalb gab es von Anfang an Spannungen und Konflikte unerhalb des Opus Dei, weil es keine Korrdination unter den Mitgliedern gab. Da die Supernumerarier eine wichtige Rolle in der Politik und in der wirtschaftlichen Struktur der Hilfsgesellschaften zu spielen begannen, entstanden Konflikte vor allem in der sogenannten „Arbeit von St. Gabriel“, das heißt beim Apostolat mit Ehepaaren von Supernumerariern, bei denen die Frauen eine wichtige Rolle spielten. [Moncada, Alberto, „Los hijos del padrer„, Argos Vergara, Barcelona, 1977, S. 149]. Das meistgelesene interne Dokument im Opus Dei seit dem Februar 1957 war die Instruktion von St. Gabriel. Für die Mitglieder des Opus Dei war dies ein weiterer Beweis für die „Hellsichtigkeit des Vaters“, der das schon einige Jahre vorher gewusst hatte. Im  Werk ist man sich über die Datieruung dieses Dokuments nicht einige, das wie viele andere interne Dokumente aus Ignoranz ode aus Lust am Geheimnis undefiniert bleibt. Einige behaupten 1935, andere 1932, aber es ist sicher, dass die Endredaktion der Instruktion von St. Gabriel in den fünfziger Jahren in Rom erfolgte. Wie eine leitende Numerarierin mitteilt, begann Escrivá den Text im Mai 1935 zu redigieren und beendete ihn im September 1950. [Urbano, Pilar, El hombre de Villa Tévere, Plaza &. Janés, Barcelona, 1995, S. 381] In der Instruktion von St. Gabriel träumte Escrivá von einer großen Mobilmachung von Menschen und Geldern im Dienst des Werkes, um die Wirtschaft und die Politik der Welt zu beinflussen. In einer typischen Attitüde des Werkes behandelte man alles als einen Kreuzzug der Christianisierung der Finanzen und der Politik, mit dem Ziel, dass nach und nach die entscheidenden Posten mit Vertrauensleuten besetzt werden sollen, die von dieser Ideologie geprägt sind, von der Dienstge­sinnung, die das Opus Dei angeblich der Welt erweisen will. [Moncada, Alberto, „Los hijos del padre„, Argos Vergara, Barcelona, 1977, S. 141]. Die Instruktion von St. Gabriel war 1957 das meistgelesene Dokument, denn es began sich zu erfüllen und alle Mitglieder des Opus Dei ergingen sich in Lobpreisungen des Charismas Escrivá, seines prophetischen Sinns und seiner Voraussicht, dass sich das Werk in Spanien aus so bescheidenen Anfängen in der Wirtschaft und in der Politik der Diktatur so entfalten würde. [Moncada, Alberto, S. 145]. Eine andere Schrift, deren Text ebenfalls vom Gründer stammt, hieß „Instruktion über den übernatürlichen Geist des Werkes“. In ihr legte Escrivá, so wie in der Instruktion von St. Gabriel, einige Regeln fest, die die apostolische Ausrichtung des Opus Dei für alle Zeiten festlegen sollte: „In meinen Gesprächen mit euch habe ich wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass das Unternehmen, das wir auf die Beine stellen, kein menschliches Unternehmen ist, sondern ein großes übernatürliches Unternehmen, dass dazu geboren wurde, dass es buchstabengetreu alles so erfüllt, damit es sich ohne Überheblichkeit das Werk Gottes nennen konnte. „ [Vázquez de Prada, Andrés. „El fundador dels Opus Dei“, Rialp, Madrid, 1985, S. 145 und 156].

Kluge Zurückhaltung nach außen entsprach der üblichen Haltung des Opus Dei. So erzählen die Hagiografen Escrivás, dass 1957, als sich ein Kardinal verpflichtet fühlte, zur „ehrenvollen Ernennung“ eines der neuen Minister zu gratulieren, ihm Escrivá erwidert habe: „Von mir kommt es nicht, mich betrifft es nicht, mir ist es egal, ob er Minister oder Straßenkehrer ist, das Einzige, was mich intressiert, ist, ob er sich in seiner Arbeit heiligt“. [Berglar, Peter, „Opus Dei“, Rialp, Madrid, 1988, S. 234]. Innehalb des Opus Dei brüstete sich Escrivá allerdings mit den Triumphen seiner Söhne, und sein Ton war ein anderer, wenn er mit ihnen beisammen war. Die Vorstellung, so viele seiner Söhne an der Staatsspitze zu sehen, befreidigte seinen Ehrgeiz und schmeichelte seiner Eitelkeit, und sie wurde außerdem zu einer weiteren Komponente seines wachsenden Größenwahns. Später, bei einem Treffen mit vielen Personen in Pamplona während der sechziger Jahre, als sich ihm Mitglieder des Opus Dei näherten, um ihn zu bejubeln und ihm die Hand zu küssen, hatte er immer etwas Zeit für die VIPs. „Für dich einen Kuss, weil du Generaldirektor bist, für dich, weil du ein Unterstaatssekretär bist“, sagte er zu zwei Mitgliedern des Opus Dei, beide damals in hohen Ämtern des Handelsministeriums. [Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei, Plaza & Janés, Barcelona, 1987, S. 72. Auch in: Moncada, Alberto, „El Opus Dei, una interpretación, Madrid, 1974, S. 132].

Seit 1956 wurde es obligatorisch im Opus Dei, den Vater und Gründer mit einem Handkuss zu begrüßen, indem man das linke Knie zur Erde senkte als Zeichen der Verehrung, aber dieser Kniefall, den die Mitglieder des Opus Dei in seiner Gegenwart leisten mussten, wurde  bald durch eine neue Anordnung ersetzt, die am Zentralsitz in Rom ausgeheckt worden war und die die neue politische Situation seit 1957 widerspiegelt. Escrivá beschloss, dass ihn jedesmal, wenn er nach Spanien kam, die Autoritäten des Werks und die Minister, die dem Opus Dei angehörten, erwarten mussten. Und wenn er nicht mit dem Flugzeug nach Madrid kam, wo er in der VIP-Lounge empfangen wurde, war es sogar für die Mitglieder des Werks schockierend, als der Gründer mit dem Wagen kam und verschiedene Minster mit ihrem Begleitschutz ihm bis Irún an der französischen Grenze entgegenfahren mussten. Es war ohne Zweifel, wie es Zeugnisse ehemaliger Mitglieder des Werks belegen, eine Reminiszenz an das Verhalten mittelalterlicher Bischöfe, und wenn er schon keiner werden konnte, machte er sie wenigstens nach. [Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei„, Plaza &. Janés, Barcelona, 1987, S. 72].

Die Grenzen Spaniens bedeuteten ein Hindernis für die Ziele des Opus Dei. Geld für die Bedürfnisse des Zentralsitzes nach Rom zu schicken stieß auf gesetzliche Schwierigkeiten, die den Devisenexport einschränkten, und Escrivá gab Hinweise, wie sie zu überwinden seien. Und In den zehn Jahren zwischen 1947 und 1957 erledigten die Mitglieder des Opus Dei die „Post“, und jede Woche fuhren Männer und Frauen nach Rom, mit Gürteln voller Dollars und Brieftaschen voller Devisen. Es war natürlich gefährlich, Geld zu exportieren. Wenn der Verdacht bestand, einen solchen Schmuggel auch nur zu versuchen, beschlagnahmten die Zöllner das Geld, denn die Summe Geldes, die man legal außer Landes bringen durfte, überstieg nicht 3000 Pesetas, und wer bei einer Übertretung erwischt wurde, musste mit einer Verurteilung nach dem Währungsgesetz rechnen. Das damals gültige Gesetz über Währungsdelikte stammte aus dem Jahr 1938 und unterschied 15-20 unterschiedliche Delikte. Sein Ziel war, die Kapitalflucht zu ahnden, wie sie während des Spanischen Bürgerkriegs üblich geworden war. Es gab keinerlei rechtliche Garantien für die Angeklagten, denen, da es ein Kriegsgesetz war, auch keine Verteidiger zustanden, es gab kein öffentliches Verfahren und deshalb auch kein öffentliches Urteil, und schließlich war alles dem Ermessen des Richters überlassen. Dies waren die charakteristischsten Punkte des Gesetzes von 1938. Das Gesetz war sehr streng, wurde aber in der Praxis gemäßigt angewandt, wie es in Diktaturen zu geschehen pflegt. Wenn das Kriegsrecht für solche Delikte die Todesstrafe vorsieht, und sie an mehr als einem auch vollstreckt wurde, der sich gegen das Versorgungsgesetz vergangen hatte, so geschah dergleichen niemals bei der Übertretung des Währungsgesetzes, weil nur Vertreter der privilegierten Schicht daran denken konnten, es zu übertreten.

Escrivá war deshalb besorgt und wusste um diese Beschränkungen Bescheid, als er Franco 1949 besuchte; im Verlauf der Audienz erzählte er ihm von den Gebäuden, die sie in Rom errichten würden und die das Collegium Romanum Sanctae Crucis beherbegen sollten, das neue Seminar des Opus Dei am Zentralsitz des Opus Dei, und deshalb war es notwendig, Gelder aus Spanien für dieses große Projekt zu transferieren. Der General Franco schenkte mit seiner wohlbekannten „galizischen Diplomatie“ der Andeutung keine weitere Beachtung. Nachdem er diese Botschaft an den Diktator gerichtet hatte, nach dem Motto, dass ein angekündigter Verrat keiner sei, bat  Escrivá die „höheren Superioren“ des Opus Dei in Spanien, mit der nötigen Häufigkeit Geld zu schicken, damit die fianziellen Verpflichtungen Dritten gegenüber erfüllt werden könnten und das Opus Dei in Spanien erlitt einen heftigen Blutverlust, um Rom helfen zu können. [Tapia, María del Carmen, Tras el umbral, Ediciones B, Barcelona, 1994, S. 173-174]. Früher einmal, zu Beginn der fünziger Jahre, bat Escrivá erneut um eine Audienz im Palast El Pardo, um Franco direkt um Geld zu bitten, um die Errichtung des Zentralhauses des Opus Dei in Rom fertigstellen zu können, nachdem sich die Schwarzgeldkonten erschöpft hatten, über die Carrero Blanco in seiner Eigenschaft als Unterstaatssekretär verfügte, der getreue Matrose Francos.

Von da an ließen sich die Mitglieder des Opus Dei auf eine abenteuerliche Geschäftsführung ein, die sie illegale Operationen durchführen ließ, bei denen sie juristische Normen verletzten und sich andauernd auf irreguläre Praktiken einließen, bis hin zu schweren Verbrechen wie Bestechung und Unterschlagung. Das heißt, dass sich die Mitglieder des Opus Dei bewusst an jeder Art von Delikt beteiligten, und sie überschritt Grenzen, die sich einer Organsiation, die sich selbst katholisch nannte, von selbst verboten. Und das geschah nebenbei bemerkt in einem Land, das nach dem drei Jahre dauernden Bürgerkrieg völlig verarmt und erschöpft war. Da Escrivá eine rasche Entwicklung des Werks wünschte, ignorierte er, welche Verantwortung seine „Söhne“ eigentlich übernommen hatten“. Der Letztverantwortliche für alle diese Schelmereien und Schurkereien im Opus Dei war „der Vater“. Escrivá ermunterte sie und spielte eine bedeutende Rolle bei den Missbräuchen seiner „Kinder“, die zwar noch beteten, aber den Ansporn zur Askese mit der Bilanz ihrer Einnahmen verwechselten. Die Schurkerei wurde zum Prinzip für bestimmte Aktivitäten des Werks während der Zeit der beschleunigten Expansion unter der Diktatur Francos.

All das hatte für die Leiter und die Finanzstrategen des Opus Dei wenig Bedeutung, denn wichtig war das schnelle Wachstum, und alle Mitglieder des Opus Dei hatten diese Überlebensfrage bereits internalisiert, dass es daum ging, zu wachsen oder unterzugehen. Ein klares Beispiel bot ein Fürstentum aus dem Mittelalter in der Nachbarschaft Spaniens: Das Fürstentum Andorra wurde lange Zeit nicht als Finanzparadies wahrgenommen. Es war ein winziges Land mit Steuerfreiheit, in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien gelegen, allerdings mit dem Nachteil ungenügender Verkehrsverbindungen, und Transaktionen waren immer gefährlich. Nachdem man vorher verschiedene Methoden ausprobiert hatte, um Geldmittel aus Spanien über die portugiesische Grenze zu bringen oder sogar die Auslanddelegationen des Consejo Superior de Investigaciones Científicas zu nützen, vor allem die Delegation in Rom, lief die Ausfuhr von Geld ab 1957 in einem großzügigeren Maßstab, seit sich die Mitglieder des Opus Dei in wirtschaftlich bedeutsamen Regierungsämtern eingenistet hatten. Der Generalrat von Andorra, der Consell General de les Valls, widersetzte sich der Schaffung einer Bank, und nur der Nachdruck des spanischen Koprinzen und des Bischofs von Urgel, die von Personen aus dem Umfeld des Opus Dei bedrängt wurden, erlaubte es den Trägern der „Credit Andorra“ zu erhalten, worum sie gebeten hatten, und sie wurde vom Opus Dei als finanzielle Plattform ihrer Expansion in Europa einegsetzt, aber auch, um das Baufieber Escrivás am Zentralsitz in Rom zu befriedigen. Die Devisen in der Brieftasche und die Dollars im Gürtel, die für Rom bestimmt waren, waren kennzeichnend für die ersten Jahre seit 1947 und die fünfziger Jahre. Seit aber andererseits die Mitglieder des Opus Dei an der Macht waren und Ministerien leiteten, kam das Geld aus Spanien in Koffern.

Es gab ein Jahr im Wirtschaftsleben, das entscheidend für die Finanzen des Opus Dei war: 1956. Wegen einer Reihe von Umständen stürzten dieses Jahre alle wirtschaftlichen Hoffnungen in sich zusammen, mit denen man gerechnet hatte. In den Jahren unmittelbar vor 1956 konnte man sagen, dass die Mitglieder des Opus Dei im Finanzbereich einige ihrer strategischen Ziele erreichten. Es genügt, zwei oder drei signifikante Fakten zu erwähnen, um die Konstruktion einer Reihe eigener Unternehmungen zu belegen, unter ihnen die hervorragende Sociedad Española de Estudios Financieros (ESFINA) und die Eroberung der ersten Bank, des Banco Popular Español. Allerdings war die prekäre Fianzsituation des Werks knapp vor dem Zusammenbruch, als die Banken in diesem Jahr eine Reihe von Krediten im Gesamtvolumen von 60 Millionen Peseten fällig stellten. Die Exekution mit der Pfändung der Darlehen durch die großen spanischen Banken hätte den wirschaftlichen Ruin des Werkes und dann seiner Bürgen bedeutet. Dieses ganze Kartenhaus könnte leicht in sich zusammenstürzen, wenn sie nicht mit wirksamer politischer und wirtschaftlicher Unterstützung rechnen konnten, und es war damals, Ende 1956, als sich im Opus Dei die gebieterische Notwendigkeit erhob, dass sich die Mitglieder ganz der Politik zuwandten, um die Entwicklung der Geschäfte zu fördern, dringend Geld zu beschaffen, damit das Werk funktionieren und die heillos verfahrene finanzielle Situation in Ordnung gebracht werden könne. Die Botschaft Escrivás aus Rom war sehr einfach und beschränkte sich auf zwei grundlegende Anweisungen: viel Geld aufzustellen, um die Häuser und Apostolate zu finanzieren, vor allem die Errichtung des Kollegium Romanum vom Heiligen Kreuz innerhalb des Zentralsitzes des Werks in der Hauptstadt der katholischen Welt, und durch affilierte oder vertrauenswürdige Personen möglichst viele Machtzentren zu infiltrieren. [Ynfante, Jesús, „Opus Dei“, Grijalbo Mondadori, Barcelona, 1996, S. 227-228.].

Ende 1956 war das Opus Dei in der Lage, nicht nur Köpfe, sondern auch ein Programm anzubieten, um aus der wirtschaftlichen und politischen Misere herauszukommen, in der sich das Land befand, und dem hatte die Falange nichts entgegenzusetzen. [Tamames, Ramón, „La República. La era de Franco“, Alfaguara, Madrid, 1973]. So war die Lage, und nach einer Inkubationszeit von etwas mehr als als einem Jahr ernannte Franco am 25. Februar 1957 eine neue Regieung, in der er zwei Drittel der Minister austauschte, das heißt, von 18 Ministern wurden nicht weniger als zwölf ausgewechselt, und in das neue Team traten Mitglieder des Opus Dei ein. Neuartig an dieser Regierung war ein drastischer Plan, um die Wirtschaft zu stabilieren, der direkt von Mitgliedern des Opus Dei ausgearbeitet wurde. Die Bedeutung, Minister unter Franco zu sein, lag darin, dass die Exekutivgewalt in Spanien von Franco und seinem Ministerrat ausgeübt wurde, wobei de facto die Legislative und die Jurisdiktion ausgeschaltet waren und hier die alleinigen Entscheidungen der Diktatur fielen. Deshalb muss man den Regierungsumbildungen zur Zeit Francos Bedeutung zumessen, denn die Exekutivgewalt der nachfolgenden franquistsichen Regierungen sollte bestimmend für die Zeit sein, die dem politischen Geschehen unter der Diktatur noch blieb. [Tamames, Ramón, S. 494 und 473].

Bei der nächsten Umbildung der Exekutivgewalt im Jahr 1962 fanden sich auf der Liste der neuen Minister keinerlei neue Faktoren. Die neue Ministerliste bestätigte die Tendenzen, die sich 1957 gezeigt haten, mit nur einer Ausnahme, nämlich der Schaffung eines Vizechefs der Regierung, mit der für den Fall eines plötzlichen Todes Francos vorgesorgt war. Tatsächlich war das bedeutendste Faktum der Regierungsumbildung von 1962 die Zunahme des Einflusses des Opus Dei in der Regierung. Wenn es 1957 vorherrschte, so verstärkte und erweiterte das Opus Dei seinen Einfluss in der neuen Regierung, denn alle seine Minister blieben, und es kamen neue von der gleichen ideologischen Seilschaft dazu. Man muss anmerken, dass sie zur Gänze die für die Wirtschaft entscheidenden Positionen besetzten. Der politische Aufstieg des Opus Dei fiel mit einer Akzentuierung der Diktatur und größeren Zugewinnen für den „Geist des Werkes“ zusammen, während die falangistischen Fantasien einer „Einheitsklasse“ scheiterten. Das Opus Dei präsentierte sich als eine realistische politische Macht, wenig spekulativ, mit Neigung zur Technokratie und auf der praktischen Ebene mit gewissen Plänen zur wirtschaftlichen Entwicklung, die sich die spanischen Banken und Großindustrien rasch zu eigen machten. Das neue Kabinett zeigte den Aufstieg des Opus Dei angesichts des langsamen Verschwindens und der zahmen Opposition der Falange; und auch innerhalb des Franquismus überwand der Klerikofaschismus des Opus Dei den ursprünglichen Faschismus der Falange.

Der folgende Wechsel der Minister am 7. Juli 1965 bedeutete bloß eine einfache Wachablöse. Die Amtseinführung des Handelsministers war ein pittoresker politischer Akt, bei dem der scheidende Navarro Rubio zu seinen Untergebenen sagte: „Ich glaube, dass ich euch aufgeopfert habe, und ich gehe mit dem Schmerz, dass ich euch nicht genügend bedrängt habe.“. Beide Minister, der alte wie der neue, waren Supernumerarier des Opus Dei. Der neue Minister sagte zu seinem scheidenden Kollegen: „Dein Werk hinterlässt eine Spur. Du gehst, aber dein Werk bleibt. Es wird mit unzerstörbaren Lettern in die Geschichte der spanischen Wirtschaft eingeschrieben sein.“ Espinosa beendete seine Rede nicht mit dem falangistischen Slogan „Hoch Spanien“, sondern mit dem dem Werk gemäßeren „Gott in Spanien hochzuhalten“. Typisch für die Regierungsumbildung von 1965 war etwa die Ernennung des Numerariers Laureano López Rodó als Minister ohne Portfeuille, der seit 1957 in einer diskreten und zurückhaltenden politischen Position ausgehalten hatte. Dass er Kommissar für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung war, zeigt den Aufstieg von López Rodó, denn seine  „neue Hierarchie erlaubte es ihm, leichter rein administrative Hindernisse wegzuräumen, weil die Koordination nun in einer Hand lag“ . [Crónica de Pyresa, Madrid, 7. Juli 1965].

Mittlerweile kam es in Spanien zum Kampf um die Macht, und das Opus Dei setzte sich wie gewöhnlich durch, da es die Fäden der Macht von innen her zog. Damals ging der Finanzskandal rund um den Konzern Matesa hoch, der eine noch nie dagewesene Regierungskrise zur Folge hatte, die von den Falangisten weidlich gegen das Opus Dei gebraucht wurde. Als Konsequenz davon ergab sich am 29. Oktober 1969 der bisher größte Regierungswechsel unter Franco. [Tamames, Ramón, S. 528-529]. Die Regierungsumbildung von 1969, durchgeführt kurz nach der Desigierung von Juan Carlos de Borbón als des Erben Francos, hatte das politische Monopol des Opus Dei in Spanien zur Folge. Am folgenden Morgen erschien die Nachricht in einigen Schlagzeilen der spanschen Zeitungen: „Opus Dei stellt Mehrheit in der Regierung“ und „Im neuen Kabinett sind von insgesamt 19 Ministern 11 Mitglieder oder Sympathisanten der Organisation Opus Dei“.

Im Hinblick auf die politische Aktivität ihrer Kopllegen vom Opus Dei hatten drei Minister die Gelegenheit, sie über Jahre hinweg kennenzulernen, indem sie jede Woche mit ihnen beim Ministerrat am selben Tisch saßen, und sie kommentierten mehr oder weniger öffentlich die Präsenz der Mitglieder des Opus Dei in den Ministerräten der Diktatur. José Solís, der Verkehrsminister von  1957 bis 1969 war, kam dazu Franco selbst zu sagen, dass er „vermute, die Wirtschaft werde vom Opus Dei beherrscht“. [López Rodó, Laureano, „Memorias“, Plaza &.Janés, Barcelona, 1990, S. 311]. Fraga, Minister für Information und Tourismus von 1962 bis 1969, meinte seinerseits, dass „die unterschiedlichen Meinungen und die Verhaltensweisen, die die Mitglieder des Opus Dei einahmen, einem koordinierten Plan folgten, und dass sie ständig mehrere Personen auf geeigneten Schauplätzen des politischen oder wirtschaftlichen Schachbretts eingesetzt hätten“. [López Rodó, Laureano, S. 378] Und Castiella, der von 1957 bis 1969 Außenminister war, wagte es zu äußern, dass sich „das Opus Dei gern aller Dinge bemächtigen wolle“. [López Rodó, Laureano, S. 311].

Um zu verstehen, welche politische Macht das Opus Dei im Spanien des 20. Jahrhunderts erlangt hatte, muss man die Rolle der Freimaurerei im 19. Jahrhundert betrachten; diese historische Parallele zwischen dem Opus Dei und der Maurerei besticht. Tatsächlich breiteten sich im 19. Jahrhundert, wie Gerald Brenan ausführte, „die Logen soweit aus, dass sie fast das ganze Leben der Mittelklasse durchdrangen. Sie wurden zu einer fast typischen spanischen Institution wie die Inquisistion, das Heer und die Besoldungsgruppen der Beamten, die, da sie Anstellungen vermitteln können, in einem Augenblick enorme Zuwächse verzeichnen können, denn da sie die Regierung kontrollieren, verfügen sie über die Posten beim Militär und in der Bürokratie des Landes“. [Brenan, Gerard, „El laberinto español“, Ruedo Ibérico, París, 1962, S. 158]. Das Opus Dei erreicte in Spanien niemals eine solche gesellschaftliche Bedeutung, wie sie die Freimaurer im 19. Jahrhundert  hatte. Das Opus Dei präsentierte sich als die geheimnisvollste frankistische Organisation und seine Mitglieder waren so sehr von den geheimen Methoden, der Ideologie und der Propaganda verführt, dass zur Vermeidung von  Missverständissen nach der Regierungsumbildung von 1969 der Kardinal Vicente Enrique y Tarancón, Primas von Spanien und Erzbischof von Toledo, der Presse erkärte, dass sich nicht die Kirche mit der neuen Regierung kompromittiere, „sondern eine bestimmte Gruppe in ihr“. Das Informationsbüro des Opus Dei in Spanien seinerseits erklärte, dass das Opus Dei einen „ausschließlich geistlichen und apostolischen Charakter“ habe und dass es ganz am Rande jeder politischen Aktivität stehe, auch wenn einige seiner Mitglieder entscheidene Regierungsämter innehatten. Die Realität war anders als die offiziellen Erklärungen und Communiqués des Opus Dei; aber es sollte niemanden überraschen, dass die entscheidenden Machtzentren im Regime Francos von Mitgliedern des Werkes Gottes durchsetzt waren, denn das war klar die Konsequenz des Vorhabens, „Christus an die Spitze der menschlichen Tätigkeiten zu stellen“.

Die politische Bedeutung des Opus Dei in Spanien wuchs direkt porportional mir der Krise und dem Defizit der Institutionen des Francostaats, und es gewann gleichzeitig Autonomie und entscheidenden Einfluss. Andererseits war das grundlegende Ziel dieser Politiker, den Staat sehr im eigenen Sinn zu rationalisieren, mit dem Ziel, ihn den wirtschaftlichen Bedürfnissen unterzuordnen, im Unterschied zur Strategie der Falangisten, die während der ganzen Periode des Regimes Francos immer nur die Wirtschaft der Politik unterordnen wollten. [Estruch, Joan, S. 374]. In diesem ganzen Prozess hat das Werk Gottes aufgehört, Instrument zu sein, und es entwickelte eigene Ziele, und es erscheint fast natürlich, dass die Technokraten, die von Mitgliedern des Opus Dei gelenkt wurden, immer mehr als Partei „sui generis“ agierten und den Typen des Technokraten kreierten, der häufiger Politiker als Technokrat ist. Die Funktion, in vorletzter Instanz zu koordinieren und zu schmieren – die letzte war immer im Palast El Pardo – die während vieler Jahre die Mitglieder des Opus Dei im Staats ausgeübt haben, verwandelte sie in ein Druckmittel und verzerrte die politischen Mechanismen unten den Klassen und Interessensgruppen in Spanien. All das bewirkte klarerweise, dass sie sich in ihnen eine Haltung festigte, die tief totalitär war. Es schien klar, dass der gemäßigte Wirtschaftsliberalismus des Teams aus dem Opus Dei niemals in einen echten Wirtschaftsliberalismus münden würde. Daraus folgte klar, dass sie sich nicht deshalb die wichtigsten Ressorts der Verwaltung und der effektiven politischen Macht sicherten, um sie in demokratische Institutionen zu verwandeln, sondern dass sie nur die Diktatur reibungslos funktioniren ließen, um davon zu profitieren und nebenbei Vorteile für das Werk Gottes und seine dringenden „apostolischen“ Bedürfnisse zu lukrieren.

Als das Ende der Diktatur Francos absehbar wurde, hat man auch innerhalb des Opus Dei strategische Maßnahmen ergriffen, da ja die Mehrzahl der Mitglieder der Organisation in Spanien lebt und arbeitet. Von Rom aus – so erzählte ein ehemaliges Mitglied des Opus Dei – kamen vertrauliche Hinweise, wie man handeln solle. Eine von ihnen empfahl, einer der quasipolitischen Assoziationen des Franquismus beizutreten, um sie von innen zu beeinflussen. Diese Hinweise waren top secret, das heißt, sie kamen mit dem Hinweis, sie nach dem Lesen zu vernichten. [Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei, Plaza &.Janés, Barcelona, 1987, S. 74]. Wie ein ehemaliger hoher Funktionär des Werkes berichtet, ist die Geheimhaltung eine große Sorge der Chefetage des Opus Dei, und sie wird bei politischen Bereichen ebenso angewandt wie bei Interna, das heißt, nur einige ganz wenige an der Spitze wissen Bescheid und haben mit den unmittelbar Verantwortlichen zu tun, und die anderen werden mit Informationen knapp gehalten. Dies erreicht man vor allem durch die Kontrolle der Schriften und den Zugang zu den Anmerkungen und Avisos aus Rom. [Moncada, Alberto, S. 74].

Die Mitglieder des Opus Dei stellen es für gewöhlich so dar, mit schlechtem Gewissen und ganz systematisch, dass das Opus Dei ein „geistliches Phänomen“ sei und dass sich seine Mitglieder in „freier“ persönlicher Verantwortung dazu verpflichteten, was den Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams entspricht, abgesehen von seiner strikten Militanz, damit sie keinesfalls das Werk kompromittieren. Hierin liegt für die Verteidigung des Opus Dei. Bei den Mitgliedern geht es darum, nicht das Werk zu kompromittieren, das „von Gott“ ist und dem deshalb alles  andere untergeordnet ist, von den falschen Erklärungen über die Freiheit bis zu den obskuren Verpflichtungen, das Dienstgeheimnis zu wahren. Ein führendes Mitglied des Opus Dei meinte in einer Presseerklärung, dass es in dieser „Vereinigung Opus Dei vorkomme, was in jeder frommen oder sportlichen Vereinigung vorkommt, zum Beispiel denke ich an die Katholische Aktion oder an Real Madrid: Da gibt es Mitglied, das in einer Bank arbeitet, einer ist Präsident des Landtags, einer Lehrer und wieder ein anderer Sekretär des Rathauses von Navalcarrasco, und einer Büromechaniker und wieder ein anderer Bauarbeiter, etc. Und wo ist der Sinn, darauf besonders zu achten?“. [Pérez Embid, Florentino, „Monseñor Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás,].  Bald gab es die Entgegnung auf diese Frage, die das führends Mitglied des Opus Dei gestellt hatte; da man in den Zeiten der Diktatur Francos nur im Ausland publizieren konnte, erschien sie in der Zeitschrift „Ibérica“ in New York. Hier findet sich auch die Anekdote, mit der man sich in Spanien über die defensive Argumentationsweise der Mitglieder des Opus Dei lustig machte: „Einem Madrider, der sich bei einem Freund über eine Niederlage von Real Madrid ausweinte, antwortete dieser: „Sei nicht dumm, frag ein Mitglied des Opus Dei. Die erklären dir, dass der Tormann von Real Madrid das Tor bekommen hat und nicht Real Madrid selbst, also wurden sie nicht geschlagen“. [„Zeitschrift Ibérica“, New York, September 1965].

Abgesehen von der völligen Tarnung, die das Opus Dei über seine Struktur gebreitet hat, gibt es andere dunkle Punkte im Leben des Werkes Gottes auf Erden. Vielleicht der wichtigste davon ist die Truppenstärke, mit der es rechnen kann. Niemand kennt die Zahl der Mitglieder des Opus Dei, nicht nur die Hierarchie der Kirche und Kenner des Werks, sondern auch die überwiegende Zahl seiner Mitglieder. Nur ganz wenige Eingeweihte kenne diese geheimnisvollen Zahlen. Die tatsächliche Mitgliederzahl ist ein bestgehütetes Geheimnis im Opus Dei.

Seit 1982, mit dem Statut einer Personalprälatur, musste die Zahl der Mitglieder des Opus Dei den kirchlichen Autoritäten mitgeteilt werden. Um den Erfordernissen zu genügen, weist der offizielle Führer der Kirche, das Päpstliche Jahrbuch „Anuario Pontificio“, im Jahr 1986 unter der Rubrik „Personalprälatur“ als Priester 1.217 Priester, 56 Neupriester und 352 Seminaristen aus; und drei Jahre später, im Anuario Pontificio von 1989, findet sich ohne weitere Erklärung die Zahl von 74.401 Laien; wenn man hier noch die Priester und Seminaristen dazurechnet, ergibt sich eine Summe von rund 76.000 Mitgliedern. Und das Außerordentliche an dem Fall ist, dass diese fantastische Summe von über 70.000 Mitgliedern bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts fortgeführt wird.

Die Tatsache, dass die beiden Abteilungen juristisch noch nicht befriedigend in die Strukturen der Kirche eingepasst sind, erklärt, dass das Opus Dei keine genauen Angaben über Namen und Zahl der Mitglieder machen kann, die es in seiner männlichen oder weiblichen Abteilung hat. Freilich mussten sie, aufgrund ihrer neuen Rechtsform als Prälatur, dem einen oder anderen euroäischen Diözesanbischof oder  den Bischofskonferenzen in den Ländern, in denen sie arbeiten, Zahlen nennen, niemals aber Namen. Sicher ist, dass die Päpstlichen Jahrbücher eine Zahl von über 70.000 Laien angibt, die auf jeden Fall übertrieben ist, eine Methode, die das Opus Dei seit mehr als 40 Jahren anwendet, um seinen tatsächlichen Erfolg zu verschleiern. Es genügt ein Hinweis auf die nordamerikanische Zeitschrift „Life“ vom 18. März 1957, die Quellen aus dem Opus Dei zitiert und schon damals versichert, dass es 7.000 Numerarier, 12.000 Assoziierte, 2.500 Supernumerarier und 50.000 Mitarbeiter gäbe, in der ganzen Welt erreichten sie zusammen die fabelhafte Zahl von 71.500 Mitgliedern.  Seit das Opus Dei seinen Marsch zu politischen Macht angetreten ist, fälscht es systematisch die Zahl seiner Laienmitglieder, um zu vermeiden, dass die wahren Zahlen bekannt und analysiert werden.

Die Geschichte des Opus Dei lässt sich in zwei Etappen zusammenfassen, deren jede ein Vierteljahrhundert umfasst, mit einer Zwischenperiode von zehn  Jahren. In der ersten Etappe zwischen 1940 und 1965, die durch eine rasche Entwicklung gekennzeichnet ist, nahm das Opus Dei ohne Umschweife die Umstände im Spanien Francos an und gewann Einfluss, politische Macht und Reichtum, und es versuchte sich auch in ein religilses Monopolunternehmen zu verwandeln. Für diese Zeit der raschen Entwicklung, die allem in Spanien vor sich ging und die die Zeit von 1940 bis 1965 umschließt, gibt es gesicherte Daten, die belegen, dass 1941 gerade einmal drei Dutzend Mitglieder aufgenommen waren, 1942 waren ebenso viele knapp davor aufgenommen zu werden, das heißt, das Opus Dei machte sich damals starke Hoffnungen auf künftige Berufungen, die im Jahr 1943 annähernd die Zahl einhundert erreichten, einschließlich der Frauen und der Assoziierten. Drei Jahre später, 1946, waren es 268, davon 239 Männer und 29 Frauen. Zwischen 1947 und 1950 hatten die Beitritte einen großen Schub durch die Beitritte von Supernumerariern, Mitarbeitern und Dienerinnen und ereicheten die Zahl von 2.954 Mitgliedern, 2.404 Männern und 440 Frauen. [ „El itinerario jurídico des Opus Dei“, EUNSA, Pamplona, 1989, S. 195] Diese Ziffern umfassen auch 519 Supernumerarier und 163 Supernumerarierinnen. [„El itinerario jurídico“, S. 202]. Was die Internationalität betraf, so gab es 1950 außerhalb Spaniens, also konkret in Rom, nur 23 Mitglieder um den Gründer. [„El itinerario jurídico“, S. 196].

Später erlaubte die gewaltige Expansion des Opus Dei während der fünfziger und sechziger Jahre eine rasche Entwicklung, sodass das Opus Dei 1964 eine Mitgliederzahl von 25.000 erreichte, allerdings mit den Mitarbeitern. So erreicht die Zahl der Mitglieder „Gesellschaft der Freunde der Universität von Navarra“, der stärksten Organisation zur Unterstützung des Apostolats, in der die Mehrzahl selbst Mitglieder des Werks sind, im Jahr 1964 die die Ziffer 9.000 und überstieg Jahre später auch nicht 12.000 Mitglieder, obwohl sie im Opus Dei 20.000 Mitglieder hätten. Das größte Hindernis, warum das das Werk Gottes nicht massiv zulegt, sind seine eigenen bürokratischen Fußangeln, denn die Initiation neuer Mitglieder erfolgt langsam und komplex, und deshalb ist es lächerlich zu glauben, es könne sich ohne Weiteres in eine Massenbewegung verwandeln.

Während jeder Periode, wie Hegel lehrte, beginnt ein Prozess, der sich gleichzeitig als Prozess zeigt, der die Form  verleiht, und als Dialektik, die sie zu einer anderen Form überleiten lässt. Während sich ein spektakuläres Wachstum des Opus Dei vollzog, zeigten sich Anzeichen einer tiefen Krise; es entstanden vor allem Konflikte mit der Hierarchie der Katholischen Kirche, namentlich mit den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI. in den Zeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils. [Ynfante, Jesús, „Opus Dei“, Grijalbo Mondadori, Barcelona, 1996, S. 465.].

Es gibt daher in der Geschichte des Opus Dei eine Zwischenetappe, die Jahre zwischen 1965 und 1975, die den Höhepunkt bezeichnen, in denen sich aber schon ein gewisser Niedergang abzuzeichnen begann und das tatsächliche Wachstum ebeso wie die Möglichkeiten den Scheitelpunkt erreichten. 1970 war das Opus Dei auf dem Gipfel seines Ruhmes. Ein bezeichnendes Ereignis auf der Außerordentliche Generalkongress des Opus Dei, der von 1969 bis 1979 abgehalten wure, nicht weniger als zehn Jahre lang, in denen die Mitglieder die Zahl  25.855 erreichten, 13.487 Männer und 11.868 Frauen.

Aus dem Opus Dei selbst stammen Mitteilungen, dass es damals 12.000 Frauen aufwies, darunter Mitarbeiterinnen, Supernumerarierinnen, Assoziierte oder Oblatinnen und Numerarierinnen, ebenso aus Spanien wie aus anderen Ländern. Anzumerken ist, dass bei den Frauen vier Fünftel keine Numerarierinnen oder Assoziierte sind; ihre Bindung ist also geringer, und sie sind eher als Sympathisanten anzusehen und weniger als aktive Mitglieder des Opus Dei. Der Hauptgrund des Rückgangs bei den Frauen erklärt sich aus der Missachtung des weiblichen Geschlechts; man hat Frauen immer als untergeordnete Wesen betrachtet, seit der Grüdnung der weiblichen Abteilung 1942. Im Opus Dei quält man die Frauen, weil sie Frauen sind, vor allem dadurch, dass sie vollkommen kontrolliert werden.

In der zweiten historischen Etappe, die 1975 begann, wurden die Zeichen von Unordnung, Erschöpfung und Dekadenz in den Reihen des Opus Dei immer deutlicher, und diese Verfallserscheinungen fielen mit dem Tod des Gründers Escrivá und des General Franco zusammen. Die bis dahin anhaltend starke Expansion kam Ende der siebziger Jahre zu einem Halt, nahezu gleichzeitig mit dem Ende der Diktatur in Spanien und der Umwandlung zur Demokratie. Merkwürdigerweise blieb seit dieser zweiten Etappe, die eine Stagnation mit sich brachte, die Zahl der Mitglieder des Opus Dei für ein Vierteljahrhundert, bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, außerordentlich stabil.

Diese Zeit der Stagnation begann paradoxerweise, als das Opus Dei sehr  erfolgreich seinen Einfluss im Vatikan ausweitete, nachdem 1978 Papst Johannes Paul II. gewählt worden war, aber die politische und soziale Basis, auf die es sich stützte, war zu diesem Zeitpunkt bereits faul. Die Umstände, die sein regelloses Anhäufen von Macht und Einfluss ermöglicht hatten, erwiesen sich als so brüchig, dass das ominöse Opus Dei langsam und unerbittlich seinem Untergang entgegentrieb. Freilich sind die Mitglieder des Opus Dei nicht bereit, seinem Verschwinden zuzusehen, und versuchen sich mit allen Mitteln an die Zukunft anzupassen, innerhalb und außerhalb der Kirche. Das scheint deutlicher bei der Priesterkaste, die von 1.300 Klerikern gebildet wird und die das Opus Dei leitet und ist viel weniger bei den Laien-Mitgliedern evident, Numerarierinnen und Numerarier, bei Assoziierten und der breiten Basis der Pyramide, den Mitarbeitern und Sympathisanten.

Seit damals löst sich langsam der starke Zusammenhalt der internen Struktur auf; das zeigt sich am stärksten an den vielen Abgängen, die das Wirken stagnieren lassen. Das Hauptproblem des Opus Dei ist nicht die abnehmende Zahl der Beitritte, sondern die Stabilität der Berufungen, denn wenn auch viele beitreten, gehen auch viele wieder und verwandeln das Werk Gottes und Escrivás in ein Durchhaus, in die die Mitglieder sehr jung in großer Zahl eintreten, aber die es auch zahlreich in einem etwas reiferen Alter wieder verlassen. Viele der Abgänger sind gebildete Numerarier mit abgeschlossenem Studium, und das bedeutet für die Organisation einen furchtbaren Blutverlust und einen ernsthaften Grund für einen beständigen Niedergang.

Ein anderer Hinweis auf die Dekadenz ist die erhöhte Zahl „schlafender Mitglieder“, eine masonische Formel, im Opus Dei auf diejenigen angewendet, die zwar nicht ganz gehen, aber nicht mehr in den korporativen Werken mitarbeiten und sich vor allem den persönlichen Dingen widmen. Viele ältere Numerarier sind bereit zu gehen, ziehen es aber noch vor als „Schläfer“ dazubleiben oder in anderen Fällen auch eher Supernumerarier zu werden als den völligen Bruch zu vollziehen.

Eine ganze Reihe von Faktoren hat zuammen diesen Prozess interner Dekadenz und Erschöpfung ausgelöst, der die Expansion des Opus Dei einbremst, und die Konzentration auf eigene Privatschulen hat Menschen und Mittel gebunden, ohne Effekte zu zeigen, und man musste andere Apostolate einschränken, wie etwa das „Presseapostolat“, das im Spanien der sechziger Jahre blühte. Im November 1981, so melden es Quellen aus dem Vatikan, war das Opus Dei nur in 39 Ländern präsent, denn die Bischofskongregation sandte an diese 39 Länder einschlägige Hinweise des Papstes. [„El itinerario jurídico“, S. 442]. Umgekehrt versichern Quellen des Opus Dei, dass es  damals in über 80 Ländern der ganzen Welt vertreten war. Die Zahl der aktiven Mitglieder und vor allem der Sympathisanten „im Ausland“, Spanien nicht gerechnet, überstieg nie 10.000 Mitglieder, und auch von diesen waren viele spanischer Herkunft; die Hälfte der Mitglieder lebt in Europa, ein Drittel in Amerika, der Rest auf den anderen Kontinenten.

Für das Hundertjahrjubiläum und die Heiligsprechung des Gründers mussten die Zahlen erneut aufgebläht werden. So hatte sich das Werk nach internen Quellen, die nicht vertrauenswürdig sind, im Jahr 2002 auf den fünf Kontinenten mit 85.000 Mitgliedern aus über 80 Nationalitäten ausgebreitet. Die Zahlen passen nicht, wenn sie nämlich auch behaupten, dass nur eine Minderheit von 33.000 Spanier sind, dass es 4.000 Italiener seien etc. Um den Zeiten der Globalisierung zu entsprechen und auf spektakuläre Weise zu zeigen, dass sie auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch weiter wachsen, haben sie als Summe  für die aktiven Mitglieder über 2.000 Priester und 80.000 Mitglieder angegeben. Die Realität ist eine andere, denn in der Summe von 80.000 Mitgliedern sind ganze Familien enthalten, das heißt, man rechnet auch Minderjährige mit, bis hin zu den Babys der Supernumerarier und Mitarbeiter des Opus Dei.

Daraus lässt sich ableiten, dass sowohl das wirkliche wie das potenzielle Wachstum des Werkes Gottes mit dem Tod Escrivás ihren Zenit erreicht haben. Das Opus Dei lebt noch von den Zinsen einer Expansion zu einer Zeit des Klerikofaschismus, der nie mehr zurückkommen wird, und obwohl es als katholische Organisation zur Transparenz verpflichtet wäre, hält es eisern an seiner Heimlichtuerei fest, auch um die Flecken der Vergangenheit zu verhüllen. Wenn man dies aus einer historischen Perspektive betrachtet, erkennt man, dass Entstehung, Entfaltung und Niedergang des Opus Dei ein kurzes Abenteuer dargestellt haben, das nur etwas mehr als ein halben Jahrhundert gedauert hat.

Für das Opus Dei sind „Weltkrisen Krisen von Heiligen“, und deshalb ist da angebliche Wachtum unwiderruflich, seit Escrivá es unternommen hatte, eine Handvoll „seiner“ Leute in jeder menschlichen Tätigkeit unterzubringen, und es nützte eine beschleunigte Expansion während der Diktatur Francos in Spanien. Um das Panorama abzurunden, hat sich das Opus Dei eine falsche Geschichte erfunden, und es hat bei seinem Gründer begonnen.