Kapitel 5. IM SCHATTEN DER DIKTATUR

 

ESCRIVÁ BETRAT das neu eroberte Madrid am 28. März 1939 auf einem Militärlastwagen mit der ersten Versorgungskolonne der Truppen Francos. So ging Escrivá ans Kriegsende heran und kehrte nach Madrid zurück, bereit, für immer die republikanische Vergangenheit Spaniens begraben zu helfen  und sein Werk nun endgültig zu konsolidieren und in die Vergangenheit zurückzugehen, ins Mittelalter oder allenfalls in die Zeit der ersten Christen. Mehr als eineinhalb Jahre waren vergangen, seit er seine Familie, seine Mutter und seine Geschwister verlassen hatte, um die erste Gründung des Opus Dei mit einer Initiationsreise durch die Pyrenäen fortzusetzen, und dann hatte er sich in Burgos, der Hauptstadt des Kreuzzugs, aufgehalten. José María Escrivá war nicht bereit auch nur eine Minute nach dem einmal erfolgten Kriegsende zu verlieren. Schließlich sollte sich ja jetzt sein Projekt umsetzen lassen, obwohl in der Krieg in Spanien lange Zeit gehemmt hatte und nun der Zweite Weltkrieg entfesselt wurde. Escrivá konnte überglücklich sein, als er im Triumph nach Madrid zurückkehrte, wo er von neuem seine Aktivität in den besseren Vierteln beginnen konnte. Die prekäre Lage der Nachkriegszeit bedeutete nichts im Vergleich mit der Vorkriegszeit. Als Aktivist auf der Seite der Sieger war Escrivá davon überzeugt, dass sein Projekt triumphieren würde.

Die Mutter und die Geschwister Escrivás waren in Madrid geblieben, sie litten während der Belagerung Hunger, und es war Isidoro Zarzano, der ihnen von seinem Gehalt als Eisenbahningenieur Wohnung und Lebensmittel zahlte. Die Archive mit der Korrespondenz und den ersten Dokumenten des Werks, für die damals ein Karton ausreichte, waren unter dem Bett der Mutter Escrivás versteckt gewesen. Nach der Rückkehr von José María zog die Familie vorübergehend im Patronat von Santa Isabel ein, Eigentum des Nationalen Erbes, denn Escrivá war hier wieder als Rektor eingesetzt worden; aber die Kirche und der Konvent waren während des Kriegs verbrannt, und Escrivá musste die Dienstwohnung des Rektors an die Kommunität abtreten, während das Kloster, vermutlich auf Rechnung des neuen Staates, wieder aufgebaut wurde.

Als er noch in Burgos war, nützte José María Escrivá mehrmals die Gelegenheit Schlachtfelder zu besuchen. Während einer seiner Reisen an die Front vor Madrid im Juni 1938 konnte Escrivá mit einem Feldstecher von Carabanchel Alto aus das letzte von ihm gemietete Haus in der Calle Ferraz sehen, und er hielt es für vollkommen zerstört, sodass er seiner Vorstellung nach von Null an neu beginnen musste. Als er allerdings nach Madrid zurückkehrte, erwies sich für Escrivá, dass sich das Haus in  Ferraz 16 zwar in einem beklagenswerten Zustand befand, wenn auch nicht „ganz zerstört“, wie später von den offiziellen Chronisten des Opus Dei übertrieben angemerkt wurde – denn so hatte es Escrivá „gesehen“. Die Fassade war mit Einschusslöchern übersät, Balkone und Fenster zerstört, und ähnlich sah das elegante Haus in der Ferraz-Straße aus, das Eigentum einer adeligen Familie war; es konnte nicht der Kontinuität der Arbeit des Werkes dienen, nicht weil es zerstört war, sondern weil es ihnen nicht gehörte und sie die Miete nicht bezahlt hatten, denn der Mietvertrag war unter prekären Umständen im Juli 1936 vom Verwalter der Familie, den Silva Azlor aus Aragonien, abgeschlossen worden, die nach Südfrankreich geflüchtet waren. Es war klar, dass weder das Haus bewohnbar war noch die Mitglieder des Werks über das Geld verfügten, das nötig war, um es zu regeln.

Im Juni 1939 ging Escrivá für einige Tage nach Valencia, um Exerzitien im Studentenheim Juan de Ribera in Burjasot zu halten, auf Einladung des Generalvikars der Diözese und Rektors des Kollegiums, Escrivá in Burgos kennengelernt hatte, als es die Hauptstadt des Kreuzzugs gewesen war. Das Kolleg Burjasot war ein wichtiges Widerstandsnest katholischer Studenten gegen die Republik gewesen, und aus diesen Exerzitien, die Escrivá für die Studenten hielt, die mehrheitlich fanatisiert waren, kamen die ersten Berufungen der Nachkriegszeit, sodass Valencia zu einem starken Zentrum in den ersten Zeiten des Werks werden sollte. Escrivá nützte seinen Aufenthalt auch, um die erste Auflage seines Büchleins „Der Weg“ vorzubereiten, die im September in Valencia erscheinen sollte.

„In den ersten Vierzigerjahren fuhr ich oft nach Valencia – erinnerte sich Escrivá bei einer bestimmten Gelegenheit – ich hatte damals keine menschlichen Hilfsmittel und diejenigen, die sich mit diesem armen Priester trafen, machten das Gebet, wo wir eben konnten, an einem einsamen Strand.“ Jahre später tauchten im Opus Dei Metaphern von Netzen und Booten auf, die eine besondere Bedeutung für die ersten Mitglieder hatten, denn „es erinnerte zutiefst an die ersten Christen“. [Vázquez de Prada, Andrés, „El fundador del des Opus Dei“, Rialp, Madrid, 1985, S. 202.] Das Werk, mit Escrivá an der Spitze, nahm für sich in Anspruch, zum Geist der ersten Christen zurückzukehren, denn die späteren Jahrhunderte bedeuteten für Escrivá eine Abweichung der Kirche vom rechten Weg.

Im Herbst 1939 ging mit mehr oder weniger großer Normalität die apostolische Arbeit unter Studenten weiter. Um die Anhänger des Werks und seine Sympathisanten zusammenzuhalten, wurden zwei Wohnungen im vierten Stock der Calle Jenner Nr. 6 in Madrid gemietet. Am Eingang des neuen Studentenheims DyA gab es eine Weltkarte mit einem Pfeilkreuz, das auf die vier Kardinalpunkte wies, wo hin sich nach den Vorstellungen Escrivás seine künftigen Apostolate richten würden.

Die Familie Escrivá richtete sich in einer andren Wohnung des zweiten Stocks derselben Liegenschaft ein, wo auch der Speisesaal der neuen Residenz war. Die Escrivás konnten nicht mehr in die Dienstwohnung des Rektors zurückkehren, da sie von den Nonnen benötigt wurde. Die Mutter und die Schwester José Marías kümmerten sich um gesamten Haushalt im neuen Heim in der Calle Jenner, sehr nahe beim Paseo de la Castellana, einer der nobelsten Zonen Madrids. Im Heim lebte man denselben „Geist der Familie“, besser gesagt den Pensionsgeist der Familie“, der vor dem Krieg im Wohnheim in der Calle Ferraz so gute Ergebnisse gebracht hatte und der half, die Spiritualität des beginnenden Opus Dei Gestalt werden zu lassen. Zu ihrer besten Zeit beherbergten die Escrivás in der Hungerzeit nach dem Krieg etwa dreißig Pensionäre in dem neuen Wohnheim  DyA in der Calle Jenner.

Die ersten Erfolge Escrivá in der Nachkriegszeit bestanden darin, Studenten um sich zu sammeln, vor allem aus anderen katholischen Organisationen, um sie zu einem Beitritt ins Werk zu überreden, „da es den anderen Organisationen überlegen“ sei, denen er sie Lauheit vorwarf, sich von den Feinden der Kirche überfahren zu lassen. In der Entwicklung vieler dieser jungen Leute gab es eine fundamentalistische Verpflichtung in moralischer und politischer Hinsicht, der Verweis auf die Acción Católica Nacional de Propagandistas (ACNP) war nötig, um nicht der Kollaboration mit der Republik verdächtigt zu werden. Die ultima ratio der jungen Aktivisten des Werks bestand darin zu erklären, dass es einer Ideologie der Eroberung bedürfe, da eine Ideologie des Bewahrens nicht die nötige Kraft hätte um die Menschen mitzureißen; freilich gab es zwischen den einen und en anderen keine großen Unterschiede, denn es handelte sich in den entscheidenden dingen um  dieselbe konservative Grundidee, die sie verteidigen mussten, aber das Opus Dei war hier aggressiver.

Die Feindseligkeit der Mitglieder des Werks gegenüber anderen ideologischen Sektoren der katholischen Ideologie war beständig vorhanden. Wenn die franquistische Christdemokratie die klassische Rechte Spaniens repräsentierte, so befand sich Escrivá auf der Ultrarechten. Im Opus Dei pflegte man zu sagen, dass es „ungleichmäßige Ausdrücke gibt, und einer davon sei Christdemokratie, so wie es eben Bilder gebe, die schief hängen, und krängende Schiffe“. Escrivá, wie einer seiner ersten Apostel erzählt, „stieß sich sehr an dem gewissen Liberalismus der Christdemokratie, er dachte, dass es sich um eine typische Deformation der Propagandistas handelte, denen deshalb, laut ihm, ideologisch nicht zu trauen war“ [Fisac, Miguel, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei, Plaza &: Janés, Barcelona, 1987, S. 61-62.]

Andererseits hatte der Bürgerkrieg in diesem Milieu eine gewisse Mythologie des heldentums geschaffen, und diese Vereinigung junger Männer stützte sich auf eine Reihe von eindrucksvollen Mythen, die ihr Leben dynamischer machten: den Katholizismus, die Rückkehr zum christlichen Sinn des Lebens, die Neubelebung aristokratischer Ideale, den spanischen Nationalismus etc. Das Spanien dieser neuen Kreuzzüge fand seinen eigenen Rhythmus, und die Strategie stand schon fest; es ging um die „Revolution von oben“, von der Universität, die von der Minderzahl, der „Aristokratie der Intelligenz“ ausging. Die Universität würde von da aus ihre Fühler ausstrecken, und hier lag auch das Werk Escrivás bereit, um von dieser Verbindung zu profitieren.

Unterdessen verließ Escrivá seinen jesuitischen Beichtvater Valentín Sánchez Ruiz, der zwischen 1935 und 1936 dem Werk seinen Namen gegeben hat, vielleicht ohne es zu merken, aus dem Werk Escrivá nun das Werk Gottes, wenn der Jesuit Escrivá bei seinen Besuchen, um zu beichten, immer freundlich fragte: Wie geht es mit diesem Werk Gottes? Die Zeiten hatten sich gegenüber der Vorkriegszeit gewandelt und Escrivá beichtete jede Woche bei José María García Lahiguera, der damals Regens des Seminars in Madrid und sehr befreundet mit dem Bischof von Madrid-Alcalá, Leopoldo Eijo Garay, war, und hier sah er einen direkten Zugang zur kirchlichen Hierarchie. Es schien symptomatisch, dass er ab 1940 nicht mehr bei dem Jesuiten Sánchez Ruiz beichtete, dem Autor eines „Sozialen Katechismus“,  der skizzierte, wie die Katholische Kirche die sozialen Einrichtungen beeinflussen und kontrollieren solle, und er wählte sich als Beichtvater einen ausgesprochen franquistischen Kirchenmann wie García Lahiguera, der seine Karriere als Erzbischof von Valencia beendete. 1964, noch als Bischof, ließ García Lahiguera ein Rundschreiben herausgeben, in dem er sagte, dass „unserem Führer als erster menschlicher Baumeister des Friedens jeder Dank und die Anerkennung aller gebühre, und so ist es recht, dies anzuerkennen und zu verkünden, und den Herrn zu bitten, dass er ihn noch viele Jahre erhalten möge“. In diesen Triumphalen Zeiten erhielt Escrivá, abgesehen von dem Rektorat an Santa Isabel, ein offizielles Amt auf Staatskosten durch seine Ernennung zum nationalen Rat im kürzlich gebildeten Consejo Nacional de Educación, dem nationalen Rat für Erziehung. Es handelte sich um ein politisches Geschenk des Erziehungsministers Ibáñez Martín, da der Gründer des Werkes vorgab, die Probleme der spanischen Universität perfekt zu kennen. Escrivá rühmte sich, als einziger Weltpriester im Consejo Nacional de Educación zu sitzen, zusammen mit drei Bischöfen und den Angehörigen verschiedener geistlicher Orden.

Wie er Jahre zuvor von Saragossa nach Madrid gegangen war, um ein angebliches Doktorat in Jura abzulegen, nützte Escrivá jetzt die euphorische Stimmung während der triumphalen Jahre der Nachkriegszeit, um einen akademischen Grad zu erhalten, was er vorher in zwölf Jahren nicht geschafft hatte. Seit April 1939 wurden an den spanischen Universitäten Kurse angeboten, um die im Krieg verlorenen Zeit aufzuholen, und so konnte Escrivá einige Prüfungen nachmachen, die ihm für den Magistertitel aus Jura fehlten. Es waren „patriotische Zeiten“, mit patriotischen Prüfungen. Wer zu den getürkten Prüfungen erschien und falsche Antworten, aber eine Liebe zur Heimat vorwies, hatte schon genug für seine Karriere geleistet. Mit dem Doktorat in Jura, das er zwei Monate später erlangte, im Dezember 1939, und Escrivá hatte endlich in Madrid jenen Studienabschluss erreicht“, und er erreichte so das Ziel, das ihn in die Hauptstadt Spaniens gebracht und für zwölf Jahre als Vorwand gedient hatte.

Die Dissertation handelte von der Äbtissin der Abtei Las Huelgas, und es genügte, dass er im Dezember 1939 eine Arbeit vorlegte, die er angeblich während seines Aufenthaltes in Burgos verfasst hatte und deren vollständiger Titel war: „Historisch-kanonische Studie über die kirchliche Jurisdiktion „nullius diocesis“ der Ehrwürdigsten Frau Äbtissin des Klosters Santa María la Real de las Huelgas“, um das Kalkül „ausgezeichnet“ zu erhalten. Wenn seine Dissertation im Dezember 1939 im Rahmen einer „patriotischen“ Prüfung durchgewunken wurde, so brauchte es weitere fünf Jahre, bis er die Arbeit mit Hilfe einiger seiner Anhänger soweit ausgearbeitet hatte, dass man sie als Buch veröffentlichen konnte. Den Wechsel des Themas der Arbeit rechtfertigte er damit, dass er seine Bibliothek und die Dokumentation bei der Zerstörung seines Hauses eingebüßt habe. Das kann aber so nicht stimmen, denn vor dem Krieg hatte er in seinem Zimmer nur Gebetbücher, und alle seine Unterlagen waren von seiner Mutter während des Krieges sorgfältig aufbewahrt worden. In diesen Zeiten reichte es aus, den Titel der Dissertation vorzuweisen, um aus politischer Gefälligkeit die Diplome zu erhalten. An den Universitäten herrschte ein derartiges Chaos, dass erst wieder im Jahr 1941 normale Zustände eintraten.

Um die bescheidene Ausgangslage seiner Familie vergessen zu lassen, entschloss sich Escrivá zudem in den triumphalen Jahren der Nachkriegszeit seinen Familiennamen zu ändern. José María Escrivá war weder mit seinem Vor- noch mit seinem Familiennamen zufrieden. Er scheint nach dem Bankrott seiner Familie 1925 eine gewisse Identitätskrise davongetragen haben, und das dürfte der Grund für die seltsamen Veränderungen an seinem Namen gewesen sein.

Er hatte sich bereits in seinen Studienunterlagen am Gymnasium von Logroño mit „José María Escrivá“ unterschrieben, mit einem v und Akzent, obwohl die akademischen Dokumente seinen Namen mit José María Escriba ausweisen, mit einem b und ohne Akzent, wie es auch im Taufregister steht, das an der Kathedrale von Barbastro verwahrt wird.

Während der Jahre des Triumphs, die die Sieger des Kreuzzugs in Spanien damals erlebten, führte Escrivá mit seinem Namen neue und erwünschte Veränderungen durch. In dem erwähnten Staatlichen Amtsblatt vom 16. Juni 1940 erschien auch der Antrag für seine Geschwister Carmen, José María und Santiago Escrivá Albás an das Bezirksgericht Nr. 9 in Madrid „um seinen Namen derart abzuändern, dass sie sich Escrivá de Balaguer nennen, um sich, wie im Eingangsschreiben ausgeführt ist, als Familie zu unterscheiden“. Die Rechtfertigung, die man dafür gab, war „da der Name Escrivá in der Levante und Katalonien gebräuchlich ist, was zu peinlichen Verwechslungen Anlass gibt, wird zum Familiennamen der Ort des Ursprungs dieses Zweigs der Familie hinzugefügt, die allen als Escrivá de Balaguer bekannt ist“. [Es gibt eine andere Version innerhalb des  Opus Dei, laut der der Gründer sich von der adeligen Familie Escrivá de Romní unterschieden wollte. Siehe Gondrand, Francois, „Al paso de Gott“, Rialp, Madrid, 1983, S. 167.] In dem Antrag wurde das Argument gebraucht, dass der Name Escrivá an der spanischen Ostküste und in Katalonien gebräuchlich sei, verrät einiges über die Allüren des Gründers des Werks, sich von seinen Namensvettern aus der Provinz abzugrenzen, als er sich in der Hauptstadt Spaniens etabliert hatte. Der Justizminister genehmigte die Namensänderung, zuerst für José María und Carmen Escrivá, durch Weisung vom 18. Oktober, und später für Santiago Escrivá, mit einer anderen ministeriellen Weisung vom 12. November 1940.

Wie Julio Atienza in seinem Adelslexikon („Diccionario Nobiliario“) anmerkt, geht der Name Escrivá von Valencia aus und stammt aus Frankreich; der Name Albás kommt gar nicht vor. Die gesetzliche Erlaubnis, den Namen zu ändern, betraf aber nur den seines Vaters, und da sein Vater in Fonz (Huesca) und dessen Vater in Balaguer (Lleida) geboren ist, war die Katalanisierung eine doppelte: von Escriba zu Escrivá, dazu kam der Zusatz de Balaguer. Umgekehrt erfuhr der Name der Mutter, der deutlich katalanisch ist, keine Veränderungen. Es ist eine weitere Paradoxie, dass jemand, der stolz darauf war, waschechter Aragonier zu sein und dass seine Familie schon seit den Zeiten der Krone von Aragonien hier ihre Wiege hatte, seinen ersten Familienamen gewaltsam katalanisierte.

Aber das waren nicht die einzigen Namensänderungen des Gründers des Opus Dei, denn er hieß auch nicht Josemaría, sondern José María und in seiner ständigen sorge um seine Namen hatte er beschlossen, beide Vornamen in einen zusammenzuziehen Josemaría, als Dank an den hl. Josef und Zeichen seiner Verehrung für die Jungfrau Maria. Das ist zumindest die Erklärung, die die offiziellen Chronisten des Opus Dei für die Namensänderungen der ersten Gründung des Werks zwischen 1935 und 1936 abgeben. Allerdings tat er das nach anderen Quellen einfach nur, um aufzufallen, denn in Spanien ist José genauso geläufig wie María. Andere Jünger erklärten dies damit, dass er mit beiden Namen zusammen an die Heilige Familie erinnern wollte.

Escrivá wandelte seine Identität, wie es ihm, beliebte, er unternahm es sogar, sein Curriculum vitae zu frisieren. In einem der seltenen autobiografischen Dokumente, die wir über den Gründer des Opus Dei besitzen, behauptet dieser 1943 in Bezug auf seine Tätigkeit während des Krieges, dass er „die Arbeit für die Seelsorge und das Opus Dei“ nie unterbrach, sondern dass es unter seiner Leitung heimlich unter der marxistischen Herrschaft und während des Kriegs in Spanien, zwischen 1936 und 1939, fortgeführt wurde, und dass sowohl er wie seine Jünger eine bittere Verfolgung erfuhren. Nachdem es ich auf kühne Weise gelungen war, in die Nationale Zone überzutreten, und zwar ihm selbst wie dem Opus, hob er die Moral und half der studierenden Jugend, die unter dem Krieg litt oder an ihm teilnahm. „Wie viele Wege führte ich  hierhin und dorthin, durch die Fronten des Krieges, manchmal vom Fieber verzehrt, musste er seines Amtes als geistlicher Vater walten!“.

Die apostolischen Aktivitäten der Nachkriegszeit sind auch eben dem autobiografischen Dokument aufgeführt, in dem Escrivá, der sich nicht scheute, seine eigene Person hochzuloben. Was die geistliche Leitung betrifft, deutet Escrivá an, dass er geistlicher Leiter vieler sehr wichtiger Personen sei, Leiter der Katholischen Aktion und anderer nationaler, katholischer und kultureller Unternehmungen, von Universitätsprofessoren und Studenten, von Priestern und sogar Ordensleuten, die sich an ihn wandten, weil sie ihn für einen Mann  hielten, der die „Gabe des Rates“ besaß. Oft hielt er auch Exerzitien und Einkehrstunden für Jugendliche und Kinder der Katholischen Aktion in Saragossa, Valencia, Lérida, Valladolid, León, Ávila, Madrid, etc. In Valencia übernahm er im Januar 1941 das Amt eines Geistlichen Leiters bei einem Treffen der Konsiliarien der Katholischen Aktion.

Laut Escrivá waren die geistlichen Exerzitien ein weiterer Aspekt des unermüdlichen Apostolats, das er seit einigen Jahren persönlich ausübte, und er hielt zahllose Exerzitien für Priester und Ordensleute, um die ihn die Hochwürdigsten Bischöfe und die Oberen der Ordensinstitute baten. Diese Arbeit leistete er auch für viele Seminaristen in den Diözesen  Ávila, Segovia, Vitoria, Pamplona, Madrid-Alcalá, Valencia, Lérida, etc. Während des Jahres Jahr 1940 hielt er Exerzitien für über tausend Priester, bei denen manchmal auch die Ortsbischöfe anwesend waren. Escrivá behauptete auch, dass er von den Professoren und Studenten vieler Städte gebeten worden war, Besinnungstage oder einen Einkehrtag abzuhalten: Er hob seinen jüngst geleisteten Beitrag zu den Konferenzen der Sommeruniversität Jaca hervor, die von der staatlichen Universität von Saragossa abhing. Um seine Arbeit unter Studenten zu erleichtern, wurde ihm vom Heiligen Stuhl das Privileg zuteil, einen tragbaren Altar zu verwenden; die Erlaubnis datiert vom 20. August 1940.

Schließlich weist Escrivá in dem autobiografischen Dokument über sich und einen Dienst als besondere Charakterzeichen auf die Kraft seines Geistes und das Geschick zu organisieren und zu leiten hin. Die ganz besondere Charakteristik seiner priesterlichen Arbeit sei eine ganz besonders großherzige Haltung gegenüber der kirchlichen Hierarchie, und er fördere in Wort und Schrift, persönlich ebenso wie öffentlich die Liebe zur Heiligen Mutter Kirche und zum Papst. [Escrivá, José María, Currículum Vitae, obispado de Madrid-Alcalá, Madrid, 28. Augusto 1943. In: El itinerario jurídico des Opus Dei, EUNSA, Pamplona, 1989, S. 521-524.]

in diesen Jahre des Triumphs erhielt Escrivá durch Vermittlung einer Empfehlung des Generaldirektors der Presse den Posten eines Professors für Ethik und Deontologie während des akademischen Jahres 1940-1941 an der neugeschaffenen Staatlichen Schule für Journalismus, als er bereits die außerordentliche Pfründe eines Mitglieds des Consejo Nacional de Educación hatte. Die Arbeit als Professor für Ethik und Deontologie strengte ihn nicht allzu sehr an, er hatte den Job nur angenommen, weil er das Geld für seine Familie brauchte, die aus seiner Mutter und aus seinen beiden Geschwistern bestand, da das Gehalt eines Rektor des Patronates winzig war. Escrivá war besessen davon, Presseapostolat zu machen, und dabei dachte er bestimmt daran, was mit der ACNP mit an der Tageszeitung „El Debate“ verdiente, aber auch an andere katholische Publikationen. [Moncada, Alberto, S. 41.] Aber während der Führer der ACNP, Ángel Herrera, auf sein Gehalt als Rechtsvertreter des Staates verzichtete, um als Journalist zu Arbeiten und „El Debate“ zu leiten, war Escrivá Professor an der Schule für Journalismus, um den wirtschaftlichen Notwendigkeiten seiner Familie entgegenzukommen, und aus dieser Perspektive repräsentiert das Opus Dei eine Mélange an Projekten, bei denen das Überleben des Gründers und seiner Familie die Hauptrolle spielten. Der Chef der ACNP, Ángel Herrera Oria, hatte Geist, Klasse, etwas, was Escrivá abging; denn als er seine Posten an der Schule für Journalismus erhalten hatte, interessierte er sich kaum noch für seine Dozententätigkeit, so wie es der erste Sekretär der Schule gutmütig beschrieb: „Ich glaube, er wäre ein großer Journalist geesen, hätten ihn nicht seine apostolischen Aktivitäten absorbiert“. [Gómez Aparicio, Pedro, Zeugnis, Hoja del Lunes, s. f., Madrid, In:  Bernal, Salvador, „Monseñor Josemaría Escrivá de Balaguer“, Rialp, Madrid, 1976, S. 88.] Dieses deutliche Beispiel der Vernachlässigung einer laikalen beruflichen Arbeit war so offenkundig bei Escrivá, dass sogar einer seiner Hagiografen feststellte: „Auch wenn er diese Arbeite mit Verantwortungsgefühl ausübte, war klar, dass dies nicht seine berufliche Widmung war. Er wollte nur Priester sein...“. [Bernal, Salvador, S. 88]. Escrivá konnte sich nicht um seine Kurse an der Schule für Journalismus kümmern, denn seine Hauptsorge war es, das Opus Dei voranzubringen.

Die Erstausgabe des Handbuchs erfolgte in Valencia im September 1939, denn hier gab es denk des Vikars der Diözese das notwendige Papier. Es handelte sich um die Neuformulierung des kurzen Textes, den er 1934 unter dem Titel „Consideraciones Espirituales“, „Geistliche Betrachtungen“, geschrieben hatte, mit den Erweiterungen, die er  in Burgos geschrieben hatte, als diese kastilische Stadt das Zentrum des Kreuzzugs Francos war. Das Manuskript ist kaum hundert Seiten dick. Erst mit der ersten Neuauflage, die in Madrid 1944 geschah,  erhielt das Büchlein sein Taschenformat, mit einer größeren Zahl von Seiten, und so blieb es bis ins 21. Jahrhundert.

Während der ersten Jahre war „Der Weg“ das einzige Buch, auf das man sich in der religiösen Unterweisung beziehen konnte, das die Aktivisten des Werkes Gottes seit 1939 besaßen. Es war die Zeit, in der die Biografie Escrivás mit der der Aktivisten des Opus Dei zusammenfiel. Von Anfang an verwandelte sich das Büchlein „Der Weg“ in ein vielzitiertes und ständig kommentiertes Brevier. Bald empfahl man den Mitgliedern des Werkes, ihrer Umgebung vom „Weg“ zu erzählen; aber man empfahl ihnen auch, ihr Exemplar nicht herzuborgen. Wer sich für das Buch interessierte, musste es kaufen, ein bequemer Weg, an Geld zu kommen, denn in der Nachkriegszeit hatte das Opus Dei noch nicht viel davon. Diese Regel, die beständig weiter angewendet wird, half den „Weg“ zu verbreiten, woran das Opus Dei höchst interessiert war, und es bewies damit zugleich einen gesunden Geschäftssinn. [Artigues, Daniel, „El Opus Dei en España“, Ruedo Ibérico, Pans, 1971, S. 36].

Wenn der Titel „Geistliche Betrachtungen“ vom Werk „De Consideratione“ des Bernhard von Clairvaux inspiriert war, so erinnert der Titel „Der Weg“ zweifellos an den „Weg der Vollkommenheit“, den Theresia von Avila für ihre Nonnen geschrieben hat, wie aus der ersten Ausgabe ersichtlich ist, die 1588 in Salamanca erschien. Das neue Büchlein Escrivás wurde in zwei Teilen komponiert, das erste umfasste die 434 Maximen der  „Consideraciones Espirituales“ und der zweite Teil, mit 565 Maximen, wurde zwischen 1934 und 1939 redigiert, als Escrivá schon mehr Erfahrungen gewonnen hatte, als er mit der Gründung des Werks beschäftigt war.

Das Büchlein „Der Weg“ präsentiert sich in Maximen, kurzen Sätzen, deren Zahl 999 eine besondere Bedeutung für Escrivá hatte, auch wenn das Werk betont, dass sie mit der Verehrung des Autors für die Allerheiligste Dreifaltigkeit zu tun hätte. Warum also  999 Maximen? Ist das nicht etwa eine kabbalistische Zahl? Escrivá genügte es nicht, sich eine esoterische Zahl auszusuchen (999 = 3 x 333), die unzweifelhaft einen masonischen oder kabbalistischen Ursprung hat, sie kam auch auf dem Umschlag der ersten Auflage vor, die 1939 in Valencia herauskam. erscheint das Zeichen 9, mit geraden Linien gezeichnet, sodass man es auch als Anagramm mit den Initialen des Wortes Opus lesen kann. [Carandell, Luis, Vida y milagros de monseñor Escrivá de Balaguer, Laia, Barcelona, 1975, S. 160-161.] Die Zahl ist zweifellos kein reiner Zufall und hat seine Inspiration wie bei der Kabbala in der jüdischen Tradition. In der christlichen Kultur war es Dante, der in seiner „Göttlichen Komödie“ exzessiven Gebrauch von der Zahl Neun und anderen Vielfachen von Drei machte. Wenn es so ist und die Dreizahl im „Weg“ eine Hommage an Dante ist, ist die Dreifaltigkeit in dem Büchlein Escrivás schlecht weggekommen. Die Beweggründe des Gründers des Opus Dei, die ja immer verschwiegen wurden, sogar in den ersten Zeiten des Werks, stützen die Hypothese, dass es sich um eine christliche Esoterik handelt. Im Weg kommen die drei Ebenen der Heiligkeit vor (Nr. 387), drei Etappen im Leben der Bildung (Nr. 382), zusammen mit den drei Dimensionen: Tiefe, Gewicht und Volumen (Nr. 279), abgesehen von den 999 Maximen, die das Büchlein enthält.

Aber die kabbalistischen Zahlenrätsel sind nicht alles; das Büchlein bietet insgesamt eine geheimnisvolle Deutung, die man nur aus einer mittelalterlichen Weltsicht heraus versteht. „Um aus den Weg Nutzen zu ziehen und ihn auch nur ihn zu verstehen, bedarf es beim Leser eines Minimums an christlicher Bildung, des Lebens der Frömmigkeit und der apostolischen Erfahrung, der Aufopferung für die Seelen“, so heißt es vorsichtig in der Anmerkung des Herausgebers des „Wegs“, und das heißt so viel wie, dass man eine besondere Vorbereitung braucht, um nicht zu sagen, den „Geist des Werks“.

Schon bei der Einleitung zur ersten Auflage garantierte Xavier Lauzarica, „wenn du diese Maximen in deinem eigenen Leben umsetzt, wirst du Ihm ohne Makel nachfolgen. Und mit Christen wie dir wird Spanien zur alten Größe zurückkehren, mit seinen Heiligen, Weisen und Helden“. Der Autor dieser Vorrede war Apostolischer Administrator der Diözese Vitoria, als er dieses Vorwort für Escrivá im März 1939 schrieb, noch einen Monat vor dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs. Lauzarica hatte den Bischof ersetzt, der die Ehre hatte, als erstes Mitglied der katholischen Hierarchie wegen seiner verbalen Ausfälle gegen die Zweite Republik 1931 aus Spanien vertrieben zu werden. Xavier Lauzarica wurde Bischof von Vitoria und Erzbischof von Oviedo, um später, nach seiner Pensionierung, in einem Irrenhaus interniert zu werden.

Die Maxime 683, die in der deutschen Übersetzung harmlos von „Christ“ spricht, heißt im Original „caballero cristiano“, „christlicher Ritter“; angesprochen ist der vorgestellte Leser des Büchleins. Es gibt auch Anspielungen auf den „christlichen Ritter“ in Nr. 390 [aber nur im spanischen Original: „die heilige Unnachgiebigkeit, die du… brauchst, um dein Leben mit der Unbefangenheit eines christlichen Ritters zu leben“; die deutsche Übersetzung lässt die Seltsamkeiten beiseite: „So erreichst du schließlich die heilige Unverschämtheit, die du paradoxerweise brauchst, um dein Christenleben taktvoll zu leben.“], im „nachgiebigen Ritter“ von Nr. 393 [deutsche Ausgabe: „ein Ehrenmann, der nachgiebig ist“], und die „caballeros cristianos“, die „christlichen Ritter“ in Nr. 379 [deutsch: „euer Leben als Christen, als Mann und Frau“]. Die Ritter, namentlich die Ordensritter, repräsentieren im Mittelalter die Synthese zwischen einer Berufsarmee und dem Christentum; deshalb „muss man einen Kreuzzug führen“ [in der Übersetzung „Feldzug“] (...) „Dieser Feldzug ist eure Sache“ [Im Original: „Dieser Kreuzzug ist euer Werk.“]  heißt es mehr oder weniger schmeichelnd in Nr. 121, und einer kindlichen Vorstellung entspricht auch der Kreuzritter mit dem „stattlichen Bart“ – im Deutschen heißt es dann nur mehr „mancher ausgewachsene Mann“ in Nr. 652 des „Weges“. Für diese christlichen Ritter gibt es einen mittelalterlichen Weg, den sie zu Pferd zurücklegen, eine Metapher, die in mehreren Maximen des „Wegs“ erscheint: dass du „"den Weg" verloren hast“ (Nr. 137), „der Grund, warum du vom Wege abkommst und stolperst und sogar fällst“ (Nr. 170), „deinen Weg“ (Nr. 255), „s ist die Staubwolke, die dein Sturz aufgewirbelt hat. Genug damit! Hat nicht der Wind der Gnade diese Wolke längst fortgeweht?...“ (Nr. 260), „du hast dich gut geschlagen! − Du bist vom Boden aufgestanden“ (Nr. 264), „der Krieg ist das größte Hindernis für einen bequemen Weg“ (Nr. 31l), „Hetzen, hetzen!- Schaffen, schaffen! ... Hetzen, schaffen!“ (Nr. 837), „mit der Hilfe Deiner erbarmenden Liebe wollen wir die Rinderherde in eine Legion verwandeln, die Schafherde in ein Heer......“ (Nr. 914).

Im Weg kommen auch die Waffen des mittelalterlichen Ritters vor: „Die allgemeine Gewissenserforschung gleicht der Abwehr. − Das Partikularexamen dem Angriff. − Das erste ist Panzerung, das zweite ein scharfes Schwert.“ (Nr. 238), „Angriffswaffe“ (Nr. 240), „eine Kette, eine schwergeschmiedete Kette“ (Nr. 170), „Ein brüchiges Werkzeug, das in Stücke geht, wenn man es anfasst?“ (Nr. 381), „Eine mächtige stählerne Keule in einem gepolsterten Futteral“ (Nr. 397), „der letzte Tropfen des Leidenskelchs“ (Nr. 182), „ein stählerner Sporn“ (Nr. 615), „scharfe und verletzende Zunge“ (Nr. 448; im Original heißt es „schneidend wie ein Beil“), „Die Geräte dürfen nicht verrosten. − Normen, um Schimmel und Rost zu verhüten, gibt es auch“ (Nr. 486), „Vielleicht ist sie nicht die Spitze deiner Waffe, aber zumindest der Griff.“ (Nr. 655).

Im „Weg“ begegnen auch mittelalterliche Festungen: „Diese Art des übernatürlichen Vorgehens ist echte Strategie. − Du führst den Krieg, die täglichen Gefechte deines inneren Lebens, in Stellungen, die weit vor den schweren Mauern deiner Festung liegen.“ (Nr. 307), „so stark wie eine ummauerte Stadt“ (Nr. 460), „der schönbehauene Stein eines Domes“ (Nr. 456), „die festen Mauern deiner Beharrlichkeit“ (Nr. 49), „die Türme und Mauern eines Gotteshauses“ (Nr. 269), „Steine, Quader, die sich bewegen, die fühlen und die einen ganz und gar freien Willen haben“ (Nr. 756), „ein alter Quaderstein, verborgen im Fundament“ (Nr. 590), „Und Steinquader, die im Verhältnis zur gesamten Masse wenig ausmachen“ (Nr. 823), „Dies ist der Schlüssel, um die Tür zu öffnen und in das Himmelreich einzugehen“ (Nr. 754).

Das Leben des Ritters, das Escrivá im „Weg“ beschreibt, ist ein „edles Leben“ (Nr. 254, in der offiziellen deutschen Übersetzung „gutes Streben“), „deine heutige Niederlage ist eine gute Übung für den endgültigen Sieg.“ (Nr. 263), „Kinder, Kinder von Königen, König, vor dem Großen König, „Vater Gott“, immer vor dem Großen König, deinem Vater-Gott“ (Nr. 265), „Du magst noch so mächtig sein. Deine Herrschaft scheint mir traurig und lächerlich, wenn du nicht Herr deiner selbst bist.“ (Nr. 295), „Berufungen zu Aposteln und Führungskräften zerstören“ (Nr. 411; im Spanischen steht „caudillos“, also einfach „Führer“), „Lorbeeren“ (Nr. 935), „Apostelheer“ (Nr. 602). Escrivá hat natürlich auch Francos Kreuzzug vor Augen: „Militärarzt“ (Nr. 361), „Der Krieg hat ein übernatürliches Ziel“ (Nr. 311), „An der Front vor Madrid: eine Gruppe von Offizieren, in fröhlicher Runde versammelt. Ein Lied klingt auf und noch eins und noch viele andere. Jener junge Leutnant [Anm.: Das war Alvaro Portillo] mit seinem dunklen Schnurrbart hörte nur das erste“ (Nr. 145). Und ganz gegenwärtig ist die Bedeutung des Führertums, die faschistische Hochachtung vor der Hierarchie, die in den dreißiger und vierziger Jahren in Europa boomte: „und du Leiter bist“ (Nr. 383; im Original heißt es „eres jefe“), „zum Führer geboren“ (Maxime 16), „wenn du die Regung verspürst, andere zu leiten“ (Nr. 365; im Original heißt es „Führer“, ser caudillo“), „So wirst du zuerst einmal Herr deiner selbst und dann Wegweiser und Führender“ (Nr. 19; im Spanischen „caudillo“, „Führer“), „Du spürst den Drang zu wissen..., zu führen..., kühn zu sein.“ (Nr. 24), „Führender Kopf bist du nur dann,...“ (Nr. 32; im Spanischen „caudillo“), „Führungskräfte“ (Nr. 411; im Spanischen „caudillo“), „Vermännliche deinen Willen, damit Gott dich zu einem Führenden macht.“ (Nr. 833; im Spanischen „caudillo“) und „Du hast mir gesagt, du wolltest Führender sein“ (Nr. 931).

Im „Weg“ erscheint ein solches Universum, das andererseits von Heiligen bevölkert ist, die ihren fixen Platz in der Geschichte Spaniens haben: „Das Las Navas und das Lepantos deines inneren Kampfes“ (Nr. 433), „Cisneros, Teresa de Ahumada, Íñigo de Loyola“ (Nr. 11), „Welche Gründe mag der arme Ignatius dem überlegenen Franz Xaver genannt haben?“ (Nr. 798), „das militärische Genie des hl. Ignatius“ (Nr. 931).

Um diese verwirrende Welt von Kreuzzügen und mittelalterlichen Rittern mit Führern zu komplettieren, schreibt Escrivá auch noch über den sekundären Wert, den er den Frauen beimisst: Es gibt Punkte im „Weg“, in denen Escrivá die Frauen auf übertriebene Weise preist, die er in der Praxis als inferior einstuft, ein Vorurteil, das das Opus Dei mit der Katholischen Kirche teilt. So kommt Escrivá dazu, in Maxime 982 zu sagen: „Stärker ist die Frau als der Mann und treuer in der Stunde des Leidens. - Maria Magdalena und Maria Kleophae und Salome! Eine Gruppe solch mutiger Frauen, eng geschart um die Schmerzensreiche Mutter - welch tiefgreifende Arbeit könnte man mit ihnen in der Welt leisten!“ und in Maxime 980: "Haben wir etwa nicht das Recht, eine Schwester als Frau mitzuführen wie auch die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?" Das sagte der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther. - Es ist unmöglich, die Mitarbeit der Frau im Apostolat gering zu achten.“.

Die Maxime 946 macht klar, dass sich Escrivá an die Männer, und erst in zweiter Linie an die Frauen des Opus Dei wendet: „Wenn ihr euch Gott in der Welt hingeben wollt, muß noch vor eurer Gelehrsamkeit die Frömmigkeit kommen (die Frauen brauchen nicht gelehrt zu sein; es genügt, dass sie klug sind); ihr müsst eng verbunden sein mit dem Herrn im Gebet; ihr müßt einen unsichtbaren Mantel tragen, der alle eure Sinne und jede eurer Kräfte umhüllt: beten, beten und beten; sühnen, sühnen und sühnen.“ Und all das dient dazu, die Herrschaft Christi auf Erden zu begründen.  Es gibt jede Menge Zitate im „Weg“: „Regnare Christium Volumus!“ (Nr. 11), „Pax Christi in regno Christi (Nr. 301), „wenn du das Reich Gottes suchst“ (Nr. 472), „die Verwirklichung des Königtums unseres Herrn“ (Nr. 832), „Königreich Jesu Christi“ (Nr. 905), „Herrschaft, Königreich“ (Nr. 906).

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der Klerikalismus Escrivás oder generell der Klerikalismus der Zeit bloß der Reflex eines mittelalterlichen Modells gewesen sei, der für uns Heutige überholt ist. Die Epoche des Kreuzzugs, indem das Opus Dei geboren wurde. hat Elemente der Vergangenheit an sich, aber sie trägt auch die unmittelbare Gegenwart des Klerikofaschismus an sich, mit einer Vision, die das Gedicht von Jaime Gil de Biedma zusammenfasst: „und dieselben reden, die Schrei, die Lieder sind wie das Versprechen einer anderen, einer besseren Zeit, sie bieten uns eine Rückfahrkarte ins 16. Jahrhundert. Welches Kind würde das nicht annehmen?“ [Gil de Biedma, Jaime, „Las personas del Verbo“, Seix Barral, Barcelona, 1982, S. 123.]

Schließlich muss man anmerken, dass Escrivá denen, die sich zu einem Kriegsdienst im Werk verpflichten, „ein Leben der Kindschaft“ verspricht, und praktisch handeln 10 % des Textes davon. Dieses Aussicht auf ein „Leben der Kindschaft“, zusammen mit einer Reise in die Vergangenheit, helfen zu verstehen, was ein Büchlein wie „Der Weg“ im Spanien von 1939 bedeutete. In einem Seminar der philosophischen Fakultät der Universität Madrid untersuchte eine Forschergruppe unter der Leitung des Ordinarius für Lateinische Philologie, Agustín García Calvo, die linguistischen Aspekte, wie Escrivás „Weg“ bei seinem Publikum ankam, und sie untersuchte sein Vokabular du seinen Stil. Laut dieser akademischen Arbeit enthält die Sprache dieses Werks Escrivá eine hohe Zahl an linguistischen Vernunftwidrigkeiten, sie zeigen das Irrationale als ein Grundmuster seiner Sprache. Eine formale Analyse des zeigt die Bedeutung fixer Redewendungen oder  Stereotypien. Man bemerkt auch, wie seine Eindrücklichkeit, sein rhetorischer Wert im Vagen, in der semantischen Unbeweglichkeit, im Zweideutigen und Unpräzisen liegt; aber diese Unbestimmtheit verbirgt auch etwas Bestimmtes, genau Definierbares. Bei den fixen oder stereotypen Anreden lassen sich zwei Klassen unterschieden: die einen waren mit der herrschenden Ideologie des Klerikofaschismus befrachtet, die insoweit keinen semantischen Wert haben, als sie beabsichtigen eine bestimmte Botschaft zu übermitteln; und andere sind nur deshalb eingefügt, um den Platz zu füllen, einen Gedanken zu Ende zu führen, aus rhythmischen Gründen. Escrivá macht Gebrauch davon, wie Hitler, wenn er in seinen Ausführungen gewisse Ausdrücke wie einen Refrain wiederholte. Nr. 520 ist ein Beispiel für ein rhythmisches Füllsel: „Katholisch, apostolisch, römisch! - Es gefällt mir, dass du sehr römisch bist. Und dass du den Wunsch hast, eine Romfahrt zu machen, "videre Petrum", um Petrus zu sehen.“.

Die Sprache des „Weges“ lässt sich also in eine „neutrale“ Sprache übersetzen, und dann zeigt sich, wie viele linguistische Mehrdeutigkeiten Escrivá in dem Büchlein verwendet hat.

Sie hatten sich bisher kaum um Politik gekümmert, aber mit gut getarnten klerikalen Absichten und ohne jede Transparenz unternahmen Escrivá und seine Gruppe einen ersten Vorstoß in das öffentliche Leben Spaniens durch den Dachverband für Wissenschaftliche Forschung, den Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC), und sie nützten diesen Organismus als Falltür, um auf die politische Szene der Nachkriegszeit in Spanien zu gelangen. Es war die Stunde gekommen, für die An- und Übergriffe während der Zweiten Republik Rache zu nehmen. Es ging darum, sich der kulturellen Organsimen zu bemächtigen, die während der Republik wirksame Arbeit leisteten, um die Erziehung zu modernisieren und die jenen kritischen Geist geweckt hatten, ohne den jedes Denken reine Fiktion ist. Deshalb fand der harte Kern der ersten Mitglieder des Werkes Escrivás in der Diktatur Francos vom ersten Augenblick an jede Unterstützung, um das kritische Potenzial zu beseitigen und die Wissenschaft und Forschung anscheinend zu klerikalisieren. So half das Opus Dei den CSIC zu gründen und bemächtigte sich des Apparats und der Einflussmöglichkeiten auf Intellektuelle, und es nützte diese Möglichkeit als einen mächtigen Angelhaken, um neue Mitglieder zu fischen und fand nebenbei eine ergiebige Finanzierungsquelle.

Auf den Universitäten lagen die Lehrstühle brach, und Organismen wie die Junta de Ampliación de Estudios war demontiert, die liberale Institution Libre de Enseñanza schien ausradiert. Eine hervorragende Konjunktur, die diejenigen nutzen sollten, die die Szene betraten. Ein führendes Mitglied des Opus Dei beschrieb sie später als „eine kleine, aber kompakte und beruflich gut ausgebildete Gruppe junger Menschen, die zum Opus Dei gehörten, angeleitet von Don Josemaría Escrivá mit einer sicheren und deutlichen Orientierung, die entscheidend eingriff, als es darum ging, wissenschaftliche Unternehmungen anzugehen“. [Pérez Embid, Florentino: Monseñor Josemaría Escrivá de Balaguer und Albás, fundador der Opus Dei“, Primer Instituto secular.  Separatum aus Bd. IV der Enzyklopädie „Forjadores del Mundo Contemporáneo“, Planeta, Barcelona, 1963 S. 5]. Die Orientierung innerhalb der Gruppe war sicher und die Vorsätze klar definiert. Escrivá wusste 1939, was er wollte, das heißt, er war sich seiner Vorhaben sicher. „Ich habe ihn oftmals sagen hören, dass  (...) das Wesen unseres Apostolats darin bestünde, in die zivilen Institutionen einzudringen, um sie von innen her umzuformen – so erklärte eines der ersten Mitglieder des Opus Dei-. Er hatte einen Satz, den er oftmals wiederholte: Wir werden mit den Mitteln und den Gebäuden des Staates arbeiten.“ [Fisac, Miguel. Zeugnis. In: Moncada, Alberto, S. 78.]

Zwei Maximen des Bücheins „Der Weg“ erhellen die Vorhaben des ehrgeizigen Gründers, die er 1939 hatte. Es scheint offenkundig zu sein, dass Escrivá an die roten Ziegelmauern der Fundación Nacional de Investigaciones Científicas zu Zeiten der Republik dachte, als er Nr. 844 des „Weges“ schrieb: Großartige Gebäude errichten?... Prächtige Paläste bauen?... Sollen sie errichten..., sollen sie bauen... Seelen! − Seelen lebendig machen... Für diese Gebäude... und für diese Paläste! Was für herrliche Häuser errichten sie uns!

“. Eine andere Maxime des 2Weges“ spricht dies im selben Sinn an: Bildung, Bildung! − Gut, soll uns keiner darin übertreffen, sie anzustreben und zu besitzen. Aber Bildung ist Mittel und nicht letzter Wert.“ (Nr. 345).

Für das entstehende Opus Dei bedeutete Bildung ein Mittel, und das gilt sogar für die Religion, obwohl sich die Mitglieder in Erklärungen ergehen, um das Gegenteil zu versichern. Sie akzeptieren jedenfalls sowohl die Religion wie die Bildung  zu ihrem Nutzen, um bestimmte Ziele zu erreichen, die sie auch mit anderen Mitteln erreichen könnten. Man muss dabei in Betracht ziehen, dass in anderen europäischen Ländern die Naturwissenschaften längst nicht mehr Gegenspieler der Religion waren. Aber das war in Spanien nicht der Fall, wo die Wissenschaft eng an den Kampf gegen den Klerikofaschismus gekoppelt war. Die Katholische Kirche leugnete, dass Wissenschaft und Religion einander ergänzen können. Diesem klassischen Widerspruch zwischen Wissen und Glauben folgt auch das Opus Dei, wie Nr. 836 des „Weges“ explizit ausdrückt: „Dem Feind als Sprachrohr dienen ist eine ausgemachte Idiotie; und wenn der Feind ein Feind Gottes ist, eine große Sünde dazu. – Deshalb werde ich auf beruflichem Gebiet niemals jene Wissenschaft loben, die als Plattform dazu benützt wird, die Kirche Gottes anzugreifen“. Oder in Nr. 750: „Hör zu, du, der du bis über die Ohren in deiner Wissenschaft steckst: Deine Wissenschaft kann mir die Existenz teuflischer Kräfte nicht wegleugnen. Meine Mutter, die heilige Kirche, hat ihre Priester viele Jahre lang täglich an den Stufen des Altares zum heiligen Michael beten lassen "contra nequitiam et insidias diaboli" − wider die Bosheit und Nachstellungen des Teufels.“.

Der Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) war damals ein außerordentliches und weltweit einzigartiges Unternehmen, das es unternahm, die Forschung in Spanien auf allen Ebenen zu fördern, und später erst entstanden in den entwickelteren Ländern Europas vergleichbare Körperschaften.  Und auch wenn das so nicht im Detail stimmen sollte – Europa versank zu dieser Zeit im Schutt des Zweiten Weltkriegs und konnte da nicht mithalten. Nach der Promulgierung zur Schaffung des CSIC am 24. November 1939 übernahm der Erziehungsminister die Präsidentschaft; Pater José López Ortiz, ein Musterbeispiel eines Klerikers, der franquistischer Aktivist war, den die Mitglieder des Opus Dei freundschaftlich „Onkel José“ nannten, wurde Vizepräsident, und für die Koordination zuständig war der zum Generalsekretär ernennte Numerarier José María Albareda. Hinter Albareda und „Onkel José“ stand Escrivá, dem es ein Anliegen war, seine Ideen möglichst bald umzusetzen. Der CSIC war ein unverhofftes Geschenk für das entstehende Werk, da es da Vakuum in der spanischen intellektuellen Szene ausnützte und weil es sich in die erste große Plattform für das Apostolat verwandelte. Darüber hinaus war der CSIC finanziell außerordentlich gut dotiert, wenn man ihn mit anderen Körperschaften dieser Zeit vergleicht, und das hervorragende Gehalt für die Forscher und dem Hamstern von Gehältern, indem man heimlich mehrere Funktionen besetzte, wurde eine Konstante unter den Mitgliedern des Opus Dei die den CSIC kontrollierten. Eine andere wichtige Einkommensquelle war die Konstruktion eines Zentralgebäudes und neuer Gebäude für die wissenschaftliche Forschung in Madrid. Es handelte sich um eine Operation, die den Interessen des Opus Dei entgegenkam: der Architekt erhielt sein Geld auf Rechnung, und parallel dazu bildeten andere Mitglieder des Opus Dei kleine Gesellschaften, alles mit der Erlaubnis des Gründers, um das notwendige Material für die Konstruktion zu liefern.

Die Formel, die Escrivá bis zum Überdruss wiederholte, war „man gibt aus, was man schuldig ist, auch wenn man schuldig bleibt, was man ausgibt“, und damit könnte man das ganze ökonomische Denken des Werkes zusammenfassen. Deshalb wollte auch Escrivá, der schon genug Wege zu Fuß durch Madrid zurückgelegt hatte, einen luxuriösen Wagen zu seiner Verfügung, „genauso oder größer wie den der Minister“, aufgrund seiner Stellung als Gründer und Vater. [Carandell, Luis, „La otra cara de! beato Escrivá“, Zeitschrift Cambio 16, Madrid, 16. März 1992].

Der große Schritt, den Escrivá unternahm, um die „Schlacht der Formung“ zu gewinnen, begann in Madrid, als das Opus Dei ein Haus mit drei Eagen und Garten mietete, an der Ecke der Sraßen Diego de León und Lagasca im vornehmen Stadtviertel Salamanca und nahe dem Sitz des CSIC. Die Besitzer der Liegenschaft drängten Escrivá ein Dokument des Bischofs über seinen kirchlichen Status vorzulegen, damit er den Vertrag unterzeichnen könne. [Bueno Monreal, José María, Testimonio, en Varios Autores, „Testimonios sobre elfundador del des Opus Dei“, Rialp, Madrid, 1993, S. 12]. Abgesehen von den drei Etagen im Wohnheim in der Calle Jenner, die bereits die volle Leistung erbrachten, mieteten sie eine weitere kleine Etage in der Straße nahe General Martínez Campos als Wohnsitz für die „älteren“ Mitglieder, die sich hier von den Studenten absetzen konnten. Das Haus mit drei Etagen und Garten in der Calle Diego de León verwandelte sich 1941 in das erste Studienzentrum für die Bildung der Numerarier. Die Eröffnung dieses Zentrums bedeutete die Trennung der akademischen und Hilfstätigkeiten von denen, die der eigentlichen intensiven Vorbereitung der Mitglieder dienten. Da sie schon  Wurzeln schlugen, erwarben sie es später. Das Zentrum in der Straße Diego de León wurde zum Zentralsitz des Opus Dei in Spanien.

So waren allein im ersten Jahr nach dem Krieg aus den anfänglich zwölf Aposteln mehr als 30 Mitglieder geworden, auch wenn sie die Beitrittsmodalitäten vereinfachen mussten: „Damals erlaubte der Gründer durch Dispens und ausnahmsweise die Abkürzung der Fristen für die Inkorporation ins Werk“, gab einer der dsamals Aufgenommenen zu. [Orlandís, José, „Años  de juventud en el Opus Dei“, Palabra, Madrid, 1991, S.102]. Ein anderes ehemaliges Mitglied, das sogar Generalsekretär werden sollte und dann das Opus Dei verließ, erzählt detailliert die Gründe des Wachstums: „Ich trat dem Opus Dei im Jahr 1940 bei und denke, das Werk blühte mehr als die andren religiösen Gruppen der Nachkriegszeit, die Apostolat unter den jungen Leuten der Mittelklasse machten, weil es mehr ihren Wünschen entsprach. Was boten die anderen? Im universitären Ambiente der Nachkriegszeit fühlten sich die Katholische Aktion und vergleichbare Organisationen zu schwach. Wie sagte ein Kollege von mir? Viel Frömmigkeit, wenig Studium, kein Handeln. Nach dem Krieg wollten die Leute etwas, das mehr Kraft hatte, und das Opus Dei bot den katholischen Studenten ein ideal, vergleichbar dem der Falange, halb Mönch, halb Soldat“.

„Viele von uns, die wir in der Nachkriegszeit an die Universität kamen, wollten eine völlig neue Etappe unseres Lebens und unseres Landes beginnen. Wir wollten etwas Bedeutsames vollbringen, Spanien groß machen, und wir hatten es uns in den Kopf gesetzt, Spanien und die Herrschaft Gott darzubringen. Heute verstehe ich, dass ein Teil dieses religiösen Eifers falsch war, aber die Kirchen waren voll und die Religion bot eine Rechtfertigung in der Gesellschaft. Bei den Jugendlichen vermischten sich Religion, Patriotismus und Härte. Um nur ein Detail zu erzählen: man hörte an der Universität von Valencia um zwölf Uhr mittags durch die Lautsprecher den Angelus, eine Initiative von José Manuel Casas Torres, Direktor von Radio Valencia und Mitglied des Werkes.“

„In dieses Milieu kam also eine sehr geheimnisvolle Institution, über die man absolut nicht sprechen durfte, die dir sagt, dass du von Gott auserwählt bist, dass du heilig sein kannst, dass wir die Wissenschaft zum Christentum bekehren und die besten Köpfe anwerben werden , mit einer militärischen Disziplin... und damit lockte er genügend Menschen an, vor allem die, die keine Sympathie für die Falange empfanden und denen er wenigstens etwas Ähnliches anbot. Andererseits bot dies ein attraktiveres Lebensmodell als das der Ordensleute. Laie sein, in der Welt zu leben, war eine zusätzliche Attraktion. Deshalb, denke ich, zündete das Opus Dei, und es gab 1942 bereits Häuser in Madrid, Barcelona, Valencia, Valladolid und Sevilla.“ [Pérez Tenessa, Antonio, Testimonio, en Moncada, Alberto, S. 94-95].

Die Zahl der Mitglieder des Opus Dei überstieg 1940 dennoch nicht drei Dutzend, wie man an jenem 2. Oktober sehen kann, als sich alle Mitglieder des Werkes in Madrid versammelten, um zusammen mit Escrivá das Fest der Schutzengel zu feiern. Das Werk brauchte noch Zeit, um 1941 die Zahl von 50 Mitgliedern zu erreichen, und es heißt in der Maxime 806 des „Weges“: „ich brauche 50 Menschen, die Jesus Christus über alles lieben“. Escrivá bezog sich im „Weg“ auf diese Anfänge in der Nr. 820: „Urteile nicht nach der Unscheinbarkeit des Anfangs“; und in Nr. 821: „Beachte gut, dass alles Große auf der Erde klein angefangen hat. − Was groß geboren wird, ist monströs und geht zugrunde.

Er zwang die 30 Mitglieder von 1940 zur Expansion, erleichterte den Beitritt neuer Mitglieder und eröffnete ein neues Studentenheim in Madrid, neben den zwei kleinen Etagen, dazu eines in Valladolid und ein anderes in Barcelona, dazu noch eines in Valencia. Wenn der Schutzherr der Anfänge des Opus Dei in Valencia der Generalvikar der Diözese war, so favorisierte es in Valladolid ein Kanonikus der Kathedrale, Kaplan an einem Gymnasium, und beide waren Kollegen Escrivás aus den gemeinsam verbrachten Zeiten in Burgos, als es die Hauptstadt des Kreuzzugs war.

Diese heimliche Arbeit „ohne Lärm“, auf die sich Escrivá bezog, und das hatte der Gründer des Opus Dei erfolgreich bewerkstelligt, mit dem persönlichen Zusatz „de Balaguer“, damit es keine Verwechslungen gebe, führte dazu, dass auch das Werk Indentitätsprobleme in dieser Zeit hatte. Freilich war der Anfang des Namens der Organisation, Werk Gottes, sehr einfach, wie bereits erwähnt wurde.

Escrivá pflegte regelmäßig bei seinem Geistlichen Leiter zu beichten, dem Jesuiten Valentín Sánchez Ruiz. Die rituelle Frage, mit der Escrivá bei seinen Besuchen bei dem Jesuiten empfangen wurde, war immer dieselbe: Wie geht es mit diesem Werk Gottes? Und hier war der Anfang der Bezeichnung Werk Gottes, um es von dem Apostolischen  Werk zu unterscheiden, in dem er arbeitete und es passte sehr gut zu dem Rhythmus und dem charismatische Sinn, den er ihm geben wollte. Bis zur diesem Zeitpunkt hatte er lediglich vom Werk gesprochen, in dem Sinn einer Arbeit oder eines apostolische Auftrags, aber ab 1936 benützte der den Zusatz „Gottes“, im Einklang mit der unumwundenen Frage seines Beichtvaters. Da schon das Apostolische Werk existierte, war seines auch ein „Werk“, aber eben kein apostolisches, sondern eben „von Gott“. Vom Apostolischen Werk zum Werk Gottes war nur ein Schritt, und Escrivá ging ihn, vermittelt durch seinen Beichtvater, ein Mitglied der kontroversiellen und mächtigen Gesellschaft Jesu. Wenn die Gründung des apostolischen Werks für männliche Studenten für Escrivá in Madrid schon vor dem Krieg feststand, so verbreitete sich der Ausdruck „Werk Gottes“, lateinisch Opus Dei erst später, nach dem Bürgerkrieg. Es war ein „Werk“ im Feminin, das sich dann – im Spanische  - ins Maskulin verwandelte, im Deutsche ist es „das“ Opus Dei. Man pflegte, wen man sich auf die Organisation bezog,  „das Werk Gottes“ oder „das Werk“, seltener auch „Opus Dei“ zu sagen. So verwandelte sich das umgangssprachliche „die Opus Dei“ in „el Opus Dei“, einen männlicheren Ausdruck, der besser zum faschistischen Geist der Epoche passte.

Wenn allerdings Kirchenmänner der Nachkriegszeit versicherten, dass es sich um einen liturgischen Ausdruck handelt, und das hat Escrivá nie dementiert, der innerlich über diesen glückliche Zufall tief befriedigt war, dass ihm der Zufall der Sprache hier zu Hilfe kam. Auch unabhängig davon hatten seine Kommentare ihre Bedeutung, denn der Ausdruck „Opus Dei“ wird im Hinblick auf die kultischen Handlungen im Presbyterium verwendet, dem „Allerheiligsten“ des katholischen Sakralraums,  und deswegen sprach es katholischer Intellektueller, José Luis López Aranguren, von einer „Bewegung, die es gewagt hatte, seinen Namen aus der Liturgie zu nehmen: Opus Dei, Gottesdienst.“ [Aranguren, José L. López, „El futuro de la Universidad“, Taurus, Madrid, 1962, S. 12.] P. Justo Pérez de Urbel, ein Benediktiner und später, als Aktivist Parteigänger Francos Abt von Cuelgamuros im monumentalen Valle de los Caídos, merkte an, dass „der Ausdruck Opus Dei ein halbes dutzend Mal in der Regel des hl. Benedikt vorkommt, aber in einem ganz anderen Sinn. Laut dem Gründer des Benediktinerordens darf im Kloster nichts „dem Opus Dei vorgezogen werden“; und in einer anderen ordnet der hl. Benedikt an, dass „nichts dem Opus Dei vorgezogen werden darf“. Für den hl. Benedikt ist Opus Dei also das Gebet, besonders das liturgische Gebet, der Dialog mit Gott und im weiteren Sinn  das spirituelle Leben“. [Orlandís, José, S. 102.] Andererseits bietet Lilí Álvarez, Theoretikerin der säkularen Spiritualität in Spanien, in dem Buch „In einem fremden Land“ eine andre Version, die sich von der vorigen unterscheidet, die aber genau das bezeichnet, was „Opus Dei“ im Sinn  des religiösen Kults ausdrückt: „So wie dichte Gitter, trennten wie Jalousien in den Abteien und Kathedralen das Schiff vom Presbyterium, also den Bereich, in dem die heiligen Mysterien des Opus Dei gefeiert werden, vom dem, in dem das Volk zusammenläuft und herumschlendert, zeigen ausdrücklich diese Distanz und Trennung, die bei den Gläubigen aufrechterhalten wird.“ [Álvarez, Lilí, „En tierra extraña“, Taurus, Madrid, 1964, S. 230.]

Hinsichtlich des Namens der Organisation verschwanden einige Zweifel in dieser Zeit, und das Wichtige für Escrivá und seine Jünger war, dass das Werk Gottes in der Umgangssprache männlicher wurde; in der Nachkriegszeit hieß es dann „el Opus Dei“.

Es sollte auf dem Feld der Erziehung sein, konkreter auf dem der akademischen Lehre, wo das Opus Dei die erste Unterstützung abseits des harten Kerns aus der Zeit der Republik erhalten sollte. Die Lehre, die die Katholische Kirche erteilte, hatte in Spanien mit wenigen Ausnahmen nahezu akademisches Niveau erreicht. Es bedeutete also einen kühnen Handstreich, dass ein universitärer Organismus wie der Oberste Rat für Wissenschaftliche Forschungen, der Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) 1939 unter die Kontrolle des Opus Dei und des franquistischen Erziehungsministeriums geriet. Man muss aber bedenken, dass es einer der Ziele des Kreuzzugs Francos war, die Universität zu erobern, die seit Jahrhunderten für die Kirche verloren war. Ein führendes Mitglied des Werks sollte später bei der Analyse der Situation von „einem Katholizismus sprechen, der es  „die Aufgabe unternahm, glorreich seine Kultur rechristianisierte“, und er ging auch soweit anzuerkennen, dass „wir, die wir mit Schrecken erlebt haben, wie der Katholizismus in einer liberalen politischen Ordnung in die Minderheit gedrängt wurde, können nicht schwanken, wenn wir die einzige mögliche Rettungsaktion durchführen: Die Durchtränkung des gesamten nationalen Lebens mit katholischen Geist“. [Calvo Serer, Rafael, „España sin problema“, Rialp, Madrid, 1957, S. 152 und 163.].

Auch wenn der CSIC von der Universität getrennt war, wurde er doch als universitäre Körperschaft betrachtet, und hier liefen die Fäden von Bewrbungen und Bestellungen zusammen, um die nach dem Bürgerkrieg verwaisten Lehrstühle zu besetzen, hier vergab man Stipendien und Zuschüsse, hier wurden Prämien zuerkannt und Fähigkeiten gefälscht. Das Werk Gottes durchdrang die Hochschule auf breitester Front, man ließ keinen Posten aus, und eines der Hauptziele nannte man den „Angriff auf die Lehrstühle“. Die Vorgangsweise beschränkte sich aber nicht auf die Universitätslehrstühle, sondern erstreckte sich auch auf andere elitäre Posten des neuen franquistischen Staates, z. B. im Staatsrat, in den die Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Wissenschaftler eintraten, aber es waren wenige im Vergleich mit den Mitgliedern des Opus Dei, die die Lehrstühle stürmten.

Was das franquistische Erziehungsministerium damit bezeichnete, die „Tore einer Generation weit öffnen, die sich nicht an den Fehlern der Vergangenheit beschmutzt hatte“, betraf in erster Linie die Lehrstühle an den Universitäten. Ein Großteil der fähigen Männer in Spanien, der größte Reichtum, den ein Land besitzt, Söhne des Volkes und deklarierte Republikaner und diejenigen, die sich dem Kampf gegen den Faschismus gewidmet hatten, wurden ausgelöscht. Die Exekutionen, der Kerker, Säuberungen, das war in Spanien der Preis für diejenigen, die gegen alles gekämpft hatten, was Franco repräsentierte. Das Panorama bei den Lehrstühlen war trostlos, vor allem in Madrid und Barcelona, wo hervorragende Männer gelehrt hatten und deren Lehrstühle sehr geschätzt waren. Es war dringend geboten, Professoren aus der Provinz, natürlich nur Parteigänger Francos, nach Madrid und Barcelona zu holen, um die „halbleeren Madrider Ränge – so ein Mitglied des Opus Dei – mit der Blüte der Provinzuniversitäten aufzufüllen“. [Fontán, Antonio, „Los católicos en la Universidad española actual“, Rialp, Madrid, 1961, S. 72.] Natürlich nützten die wenigen Mitglieder des Opus Dei die Möglichkeit dieser Neu- und Umbesetzungen, um die Löcher in den Listen der Ordinarien zu stopfen. José María Albareda zum Beispiel, Mitglied des Opus Dei und Generalsekretär des CSIC, tat sich im November 1940 leicht, den Lehrstuhl für Pharmazie an der Universität Madrid zu erhalten. Das  Mitglied des Opus Dei, das Pharmazie studiert hatte, besetzte jetzt einen Lehrstuhl für Mineralogie und Zoologie, zwei einigermaßen disparate Disziplinen, und das Ganze ist ein schöner Beweis dafür, wozu man bei diesen Kreuzzügen zur Eroberung der Wissenschaft fähig war. Albareda, Pharmazeut, Mitglied des Opus Dei, der seinerseits Sohn eines Apothekers war, erhielt auf eine solche Weise den Lehrstuhl für Angewandte Geologie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät und verwandelte sich in eine Koryphäe in Bodenkunde im Spanien Francos.

Die Mitglieder des Opus Dei, die in der Plattform des CSIC eine unübertreffliche Position hatten, besetzten die ersten Lehrstühle und verwandelten sie bald in politische Operationsbasen, und zwar in einem Maß, dass die Auswahlverfahren, span. „oposiciónes“, bald insgeheim „opusiciones“ genannt wurden. Später, um 1950, gab es in Rom einen Auftritt in der spanischen Botschaft beim Vatikan, als jemand in Gegenwart des damaligen Botschafters Ruiz Jiménez Escrivá gegenüber andeutete, dass das Opus Dei mit allen möglichen Mitteln die spanischen Lehrstühle im Sturm nahm, und der Gründer replizierte verärgert und versicherte mit Emphase, dass er nicht einsah, dass begabte junge Männer, die sich der Kirche geweiht hatten, sich für Professorenposten an obskuren Universitäten in der Provinz interessieren sollten, wobei sie ihr ewiges Heil für ein lächerliches Gehalt in Gefahr brächten.

Der Consejo Superior de Investigaciones Científicas diente dem Opus Dei auch als Bindeglied mit der Hierarchie der Katholischen Kirche in Spanien, auf der Suche nach politischer Unterstützung und Gefälligkeiten von Seiten der Bischöfe. Die Franco am weitesten ergebene Fraktion in der kirchlichen Hierarchie nach das Opus Dei direkt in Protektion deckte es politisch wie kanonisch, aber auch finanziell, und so fand Escrivá im franquistischen Episkopat feste Stützen, denn er verausgabte sich ihnen zu dienen  und war ihnen gegenüber höchst aufmerksam. Dennoch gab es eine beunruhigende Episode im Sommer 1941 für die erste Schar von Mitgliedern des Opus Dei. Der Bischof von Madrid-Alcalá, Eijo Garay, der sich die Protektion des Werkes persönlich angelegen sein ließ, glaubte ausreichend Rechte über die Gruppe der Aktivisten des Opus Dei zu besitzen, dass er ohne eine Augenblick zu zögern verlangte alle Mitglieder des Werks, die provisorische Fähnriche während des Bürgerkriegs gewesen waren, sich  „manu militari“ in der Blauen Division zu melden. Indem Franco diese Einheit dem deutschen Heer als Unterstützung man die russische Front schickte, 40.000 Spanier und einige Mitglieder des Opus Dei, die den Schild mit den spanischen Farben auf der Uniform des Naziheeres zeigen sollten. Escrivá war nicht in Madrid und hielt Exerzitien, und bei seiner Rückkehr musste er sich mit dem höchst unangenehmen seines bischöflichen „Patrons“ auseinandersetzen. Der Gründer des Opus Dei argumentierte wütend, dass es nur sehr wenige Mitglieder des Opus Dei gäbe und dass es ein nicht tragbares Risiko wäre. Schlussendlich wurden sie nicht an die russische Front geschickt, weil sie das Offizierskorps als provisorische Fähnriche unter erfahrenen Militärs nicht akzeptierte. Wenn sie sich anwerben lassen wollten, dann eben als einfache Soldaten. Natürlich gab es an der russischen Front kein Mitglied des Werks. Der Vorfall wäre eine weitere lächerliche Episode aus der Zeit der Diktatur Francos oder ein Narrenstreich, wenn man außer Acht lässt, dass die Blaue Division eine pathetische faschistischer Eintagsfliege war, die 2000 Verletzte und 4000 Tote kosten sollte.