Satur: Weiß jemand, was das Opus Dei ist?


 

Ich erinnere mich, dass ich vor einigen Jahren mit Pedro Lombardía zusammengetroffen bin, einer außerordentlichen Persönlichkeit, einem Numerarier und Kirchenrechtler mit einem hohen Prestige auf der ganzen  Welt. Er starb vor einigen Jahren. Er erzählte mit einer atemberaubenden Sicherheit, dass im Vatikan niemand wusste – was man so wissen heißt –, was das opus dei sei, ausgenommen – und er nuancierte - Msgr. Deskur, ein polnischer Bischof und Freund des Papstes. Niemand sonst, nicht einmal der Hl. Vater, der  sich auf die Ratschläge seiner Leute verließ, obwohl ihn das schon wurmte, dass er das mit dem opus dei nicht verstand. Und er fügte hinzu: Und im opus dei gibt es auch nur sehr wenige, die es verstehen... Alvaro del Portillo und noch einige.

Und solche Kommentare machte er nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern offen in einer Tertulia, wo man nachher nichts mehr ungesagt machen lassen kann.

Ich war schockiert, aber im Lauf der Zeit, die ich im Werk verbracht habe – es waren  Jahre – erfuhr ich, dass die Überlegungen etwas Wahres an sich haben. Ich habe nie aufgehört mich darüber zu zu befremden, dass alles davon abhängt, ob du den oder jenen zum Leiter hast. Und nicht nur Ruiz Retegui unterscheidet zwischen dem Theologischen und dem Institutionellen, sondern es gibt hier völlig willkürliche, absurde und beliebige Handlungsweisen, im Namen ichweißnichtwelcher persönlicher Kriterien. Das Internet ist voll von solchen Anekdoten.

Vielleicht sind es für viele, die nach Jahren der Depresison gehen, die Ungereimtheiten, die sie aus der Bahn geworfen haben. Es ist sehr hart, wenn man alles ernst nimmt, was einem gesagt wird, wenn man nach Kriterien und Normen lebt, um die Heiligkeit zu suchen, und wenn man dann entdecken muss, das viele, Direktoren eingeschlossen, machen, was sie wollen, indem sie Kriterien hinknallen, ohne sich etwas daraus zu machen. Denn es gibt genug Leute, die sich sehr wohl über alles das Gedanken machen, was sie ihnen raten, und wenn sie draufkommen, dass viele die Nachtzeit einfach nicht leben, dass bei den Jahreskursen Dinge geplant werden, die mit der Loslösung aber schon gar nichts mehr zu tun haben, dass mit unterschiedlichem Maß gemessen wird, dass manchmal weggeschaut wird, und dass sie dir das Maulhalten schaffen, wenn du wegen solcher Ungereimtheiten um Auskunft bittest.

Ich muss gestehen, als ich das alles gesehen habe, habe ich es mir nach und nach ebenfalls abgewöhnt mir graue Haare wachsen zu lassen, ob ich etwas erfüllt oder nicht erfüllt habe. Vielleicht hat mich diese, zum Teil sicher unbewusste Verhaltensweise davor bewahrt, in Depressionen und unnötige Zwänge zu verfallen. Aber es machte mich schon sehr traurig, bei den Aussprachen mitzubekommen, wie manche absackten und depressiv und skrupulös wurden, aufgrund von Dingen, die man nur mehr als Dummheiten bezeichnen kann.

Zum Beispiel muss man fragen, ob man ein Buch lesen darf, das mit 5 klassifiziert ist, und du musst schweigen und gehorchen, wenn du genau weißt, dass drei im Haus es schon gelesen haben  (ich eingeschlossen: „Die Säulen der Erde“). Oder der, welcher darunter litt, weil er kein Weihwasser hatte – im Werk sprengt man einige Tropfen Weihwasser aufs Bett, bevor man schlafen geht – und der dich um eins in der Nacht aufweckte, als gälte es das Leben, um dich zu fragen, ob du etwas Weihwasser hättest (ich hatte keines, aus Faulheit). Oder der , der sich abquälte, weil er sich am Sonntag nicht das Fußballmatch im Fernsehen anschauen konnte und in eine Bar ging, um es sich dort anzusehen... Armer Kerl!

Kurz, es gibt unendlich viele Geschichten, pittorek und köstlich, über jeden einzelnen zu erzählen.

Als dieser Direktor einer Delegation mit jungen Berufungen sprach und sie ermunterte, aufrichtig zu sein, sagte er zu ihnen: „Und wenn dir beispielswesie die Männer gefallen, zum Beispiel der Leiter deines Zentrums, oder ein Mitbewohner, dann geh zur Aussprache und sag es: Du gefällst mir!“ Völlige Unkenntnis der menschlichen Natur und was ein junger Mensch ist. Es ist sehr gefährlich andere zu leiten, wenn man selber ein einfältiger, kindischer, unreifer Mensch ist. Auch wenn man den römischen Kragen trägt.

Deshalb frage ich: Weiß wirklich jemand, was das Opus Dei ist? Ich denke nicht.


Yuri Borev vergleicht die Geschichte der UdSSR mit einem fahrenden Zug, und ich denke dabei – obwohl das ein gottloser Vergleich ist – an das Leben vieler Menschen im Werk.

„Der Zug fährt einer herrlichen Zukunft entgegen. Lenin ist der Zugsführer. Plötzlich stoppt er; es geht nicht mehr weiter. Lenin bittet die Menschen, ein paar Stunden zusätzlich am Samstag zu arbeiten; man baut Schienen und kann weiterfahren. Dann übernimmt Stalin die Lok. Und wieder geht es nicht weiter. Stalin lässt die Hälfte der Passagiere und des Personals erschießen und neue Geleise bauen. Der Zug setzt sich in Bewegung. Chruschtschow folgte Stalin, und als die Geleise aufhören, lässt er die Geleise hinter dem Zug abbauen und vor der Lok wieder anschrauben. Chruschtschow  wurde von Breschnew abgelöst; als es keine Gleise mehr gibt, lässt er die Vorhänge der Abteilfenster bewegen, damit die Leute glauben sollen, dass der Zug noch fährt...“

Ich stutzte, als es „nicht weiterging“. Im opus dei und im Leben jedes Einzelnen im opus dei, und in jedem Zentrum geht es oft nicht mehr weiter, und je nachdem, welche Direktoren du hast und in welcher Umgebung du lebst und wie alt du bist, erinnern die Lösungen mehr oder weniger an die Geschichte von Borev. Du weißt nicht, wie es mit dir weitergehen wird, aber es geht nur um den „Weg“, oder im schlimmsten Fall geht es nur noch darum, dass es so aussieht, als würden wir fahren, auch wenn alle wissen, dass es ein Betrug ist. Die Direktoren in dern Delegationen sind damit beschäftigt, Geleise zu legen, Vorhänge aufzuhängen und den Waggon von außen zu steuern.

Die Kriterien, die Normen, die Gewohnheiten sind ganz klar, und dennoch kommt mit der Zeit jeder einzelne darauf, dass irgendetwas nicht stimmt. . Nach und nach merkst du, dass die persönlichen Probleme weniger wichtig werden, jeder hat seine eigenen, und niemand im opus dei interessiert sich dafür. Entscheidend ist, dass der Zug weiterfährt, oder dass es zumindest so aussieht; aber im Waggon reden die Passagiere untereinander, sie kennen sich, und auch wenn es verboten ist, sich außerhalb der Aussprache über die geistliche Leitung auszutauschen, so wird doch der Verdacht laut, dass etwas nicht stimmt. Vor allem in den Waggons, die die Zentren der Älteren sind, zwischen heruntergelassenen Vorhängen, sind die Dinge zu kompliziert, als dass man sie schönreden könnte: Ältere Priester mit ernsthaften Zweifeln über die Art, wie Laien geistliche Leitung erteilen, depressive Menschen, die unter dem Deckmantel der Krankheit auf eigene Rechnung leben, Numerarier in ihrer Kugel, und wenn sie im Waggon sind, tun sie so, als ob der Zug rumpeln würde (sie wissen, dass er nicht fährt...) zu viele Lügen, und zu viele verschiedene Methoden, Probleme zu lösen, ohne die Menschen dahinter zu beachten. Das Problem ist das opus dei, nicht die Menschen.

Und du kommst drauf, dass es so viele opus dei wie Direktoren gibt, wie Priester und wie Leute, jeder ist sein eigener Gründer seines eigenen opus; es gibt die Gesetzestreuen, die Betonschädel, die Besessenen, die Permissiven, die Strengen, die Engagierten, die Wasweißich... Und mit der Zeit zeigt das jeder auf seine Weise. Das ist derjenige, der zur Delegation geht, wenn es ihm einen Stich gibt, und eine Szene macht, denn „das opus ist nicht so“; einer, aus dem es eines Tages beim Beisammensein herausbricht: „Das opus ist nicht so“; und der, der dich unter vier Augen anlügt und dir sagt, dass „das opus das ist, was ich dir sage".

Einige verstehen die Armut auf ihre Art und Weise, nämlich ihre eigene; andere glauben nicht an den Proselytismus; der da will keine Vorträge mehr halten, nicht mehr zu den Bildungsmitteln gehen, denn „das opus dei ist nicht so"; der da predigt auf Besinnungstagen und schreit: „Das opus dei ist nicht was ihr denkt: Das opus dei ist das, was ich euch jetzt sagen werde...": Und ein Fünfundzwanzigjähriger erzählt dir etwas, wie die Armut gelebt wurde, als man noch mit Lanzen kämpfte.

Ich erinnere mich, dass wir bei einem Jahreskurs den Film „Die Braut des Prinzen“ gesehen haben. Lässig, vergnüglich, einfach. Es gibt einen Moment, in dem sie die Prinzessin mit dem König verheiraten wollen; in der Szene sieht man die Herren von hinten, mit gezogenem Degen, den Blick zum Altar, und den Bischof, der sie verheiraten will, ebenfalls von hinten. Der Bischof drehte sich um – am sieht es ihm schon am Gesicht an, dass jetzt etwas Nettes kommen wird, und nachdem er sie still angesehen hat, sagt er mit näselnder Stimme: „Die Ehe ist ein Traum innerhalb eines anderes Traums“. Wir lachten im Aufenthaltsraum, und, als wie ein Blitzstrahl, mit dem Moses über sein götzenanbetendes Volk hereinbrach, ein Priester der Konvivenz mit dem Zorn Jahwes ausrief: „Das ist grotesk!!! Wie kann man zusehen, wenn man sich über einen Bischof lustig macht, und wir lachen und applaudieren noch dazu? Das ist nicht das opus deiiiiii!!!" Und er ging, warf die Tür hinter sich zu und schrieb ein letztes Mal: „Grotesk!!!“

Deshalb: Weiß irgendjemand, was das opus dei ist?.

Diese Woche haben viele geschrieben! Und es zeigt sich die Theorie, die ich immer gehabt hatte: Niemand weiß, was das opus dei ist. Wir könnten versuchen, die Sache zu rationalisieren, auf der Grundlage von Shakespeare, dem hl. Thomas, Lampedusa, Luther, Herman Hesse; Tarzán der Affenkönig oder Napoleon im Minirock... Nichts, wir sind keinen Schritt weitergekommen. Vielleicht ist es in Österreich-Ungarn anders, Jose Carlos, und die Tafelrunde schnauzt niemanden an (ich konnte es kaum glauben): Ich kannte einen höheren Direktor aus Österreich-Ungarn, der uns bei UNIV darlegte, wie man sich in seinem Land anpassen muss, um zu überleben. Aber das Thema bleibt auf dem Tapet: Was ist das? Jeder hat seine eigene Biografie, seine Geschichten... und sie stimmen in vielem überein, aber wir haben sie noch nicht gebündelt.

Ich habe es für mich so zurechtgelegt, dass es einerseits die faszinierende Theorie gibt, und auf der anderen Seite das Leben, das elend ist, oder fanstastisch, je nachdem, von welchem Blickwinkel aus man es betrachtet. Die Zugehörigkeit zum opus hat einen geheimen Reiz, Charme, einen Hauch von Exklusivität, von Auserwähltheit: Ich verspreche euch den Himmel, wenn ihr treu seid (Wer bietet mehr?); tu, was du willst, Hauptsache, du stirbst im opus dei, denn das ist der beste Ort um zu leben und der beste Ort um zu sterben (und darin haben sie recht, denn sie leben wie die Maharadjas vom Bramaputra in der Sonne).  „Niemand wird dich je so lieben, wie wir dich zuhause lieben“ (ist das eine Anzeige für ein Pflegeheim? Ja doch.).

Die Kriterien, die Armut zu leben, sind sehr praktisch, und wie ein Thermometer, um Gewissenserforschung zu machen: Nichta als persönliches Eigentum zu haben, nichts Überflüssiges besitzen, sich nicht zu beschweren, wenn das Notwendige fehlt... Aber der erste, der sich aufregt, ist das Werk selbst; dass ein Supernumerarier einen Numerarier um seinen Wagen bittet – das soll er eimal ausprobieren, Er soll nur einmal ins Zentrum kommen und versuchen, sich einen Wagen auszuborgen, weil er mit seiner Familie einen Ausflug machen möchte!... Wenn aber umgekehrt das Numerarier den Supernumerarier anruft, er bittet um den BMW, er soll ihn herausrücken, Freundchen, es dient dem Wohl der Prälatur. Oder zu denken, dass sie nichts als persönlichen Besitz hätten: Denkste! Und wer Computer sagt, sagt auch Auto oder Brot.

Es zahlt sich aus, sich einmal die Zimmer älterer Numerarier anzuschauen, einschließlich der Kästen, um zu merken, wie viele überflüssige Dinge sie horten, keine notwenigen, und was sie alles als persönliches Eigentum haben: Nun, es gibt keine Familienfotos, das wäre eine Anhänglichkeit, Familiosis und so, aber: scheiß auf die Armut! Ich liebe diese Armut!!!

Und was das betrifft, ass wir uns nicht beschweren, wenn das Notwendigste fehlt, das ist ja auch ein Gag. ich habe erlebt, wie drei Numerarier von Valencia zum Jahreskurs nach Barcelona kamen, sie stiegen aus dem Auto, sahen sich das Tagungshaus an, stiegen wieder ein und fuhren angepisst nach Valencia zurück, mächtig eingeschnappt, weil das Haus „mies“ war. Die Mistkerle wollten ein Fünfsternehotel. Und das Notwendige fehlte nicht: ihr Zimmer, der Speisesaal mit Nanny, Schwimmbad, klasses Ambiente, herrliche Landschaft... Oh weh, aber die Bäder waren für alle! Mistkerle. Auch die Direktoren... verziehen das Gesicht, weil nicht jedes Zimmer ein Bad hat.Tyrannen, Geizhälse, Ferkel.

(wird fortgesetzt)