Paquito Putipeste und Gervasio: Erinnerungen an die „Arbeit“ in Holland

27/01/2020

1. Rhein, Maas und Schelde münden in die Nordsee und bilden ein Delta, das von der Nordsee und dem Golf von Biskaya aus den Zugang zu den wichtigsten Flusshäfen Mitteleuropas eröffnet. Die wirtschaftliche Bedeutung der Schifffahrts- und der anschließenden Verkehrswege ist enorm. Hier gibt es so bedeutende Häfen wie die von Rotterdam, Antwerpen, Vlissingen, Amsterdam oder Gent. Da es hier keine Berge gibt und ein Großteil des Landes auf oder sogar unter Meeresniveau liegt, heißt das Land Nederland, Niederlande; auf Flämisch ist die Bezeichnung im Singular, wenn auch die offizielle Bezeichnung für das Königreich Het Koninkrijk der Nederlanden lautet.

Seit dem Spätmittelalter war Holland ein sehr wohlhabendes Land, das in ständiger Entwicklung begriffen war. Rotterdam ist der größte Hafen Europas, Amsterdam folgt dichtauf an zweiter Stelle. Shell, Philips und Heineken sind holländische Unternehmen von Weltgeltung. Holland hatte ein großes Kolonialreich, es hatte viele Seeleute – und Piraten, wie Piet Hein. Holland hat Maler, Humanisten und Wissenschaftler von Weltrang hervorgebracht, und es hat sogar eine eigene Sprache. Diese Sprache, oder zumindest einige seiner zahlreichen Dialekte, werden nicht nur in Holland und einigen seiner Kolonien, sondern auch in den Nachbargebieten gesprochen, die zu Frankreich, Belgien und Deutschland gehören. Man nimmt an, dass etwa 23 Millionen Menschen Niederländisch sprechen, 17 oder 18 Millionen davon in Holland. Freilich, die Literatur in holländischer Sprache hat nicht dieselbe Geltung wie andere Disziplinen. Hugo Grotius und Erasmus von Rotterdam schrieben in lateinischer Sprache Werke von Weltrang. Der bekannteste Schriftsteller ist Johan Huizinga (1872-1945). Er ist allerdings eher ein Historiker als ein Literat; die Holländer haben keinen Shakespeare, keinen Molière, keinen Cervantes und keinen Dante.

Dass diese Sprache außerhalb Hollands kaum gesprochen wird – und das gilt selbst für die Nachbarstaaten Frankreich, Deutschland und Belgien – macht es als Zweitsprache nicht sehr attraktiv. Wer Holländisch als Muttersprache hat, beherrscht häufig auch eine Fremdsprache, und in den Buchhandlungen sieht man viele fremdsprachige Bücher. Ein Deutscher könnte sich mit einem Holländer relativ gut verständigen, wenn es ein wenig guten Willen gibt – der ist aber nicht überall vorhanden.

2. Vom soziologischen Gesichtspunkt aus gleicht Holland Deutschland, in dem Sinn, dass sich die Bevölkerung zu gleichen Teilen aus Katholiken und Protestanten zusammensetzt, wobei die Protestanten in Deutschland Lutheraner sind, in Holland hingegen vorwiegend Calvinisten. Die Krise der katholischen Kirche in den sechziger Jahren zeigte sich in den Niederlanden wesentlich deutlicher als in Deutschland. Augenblicklich kann man Holland wohl als entchristlichtes Land bezeichnen. Zwischen 1965 und 1980 verließen Jahr für Jahr mehr Priester ihr Amt, als geweiht wurden. Die Laien hörten auf, ihren Glauben zu praktizieren, sodass „katholisch“ zu sein heutzutage eher ein soziologisches als ein religiöses Phänomen ist. In diesem Kontext erschien das Opus Dei oftmals, bei seinen Anhängern wie bei seinen Kritikern, als einzig wahrer Hort katholischer Rechtgläubigkeit.

Bevor das Werk 1959 nach Holland kam, hatte es Missionare in die ganze Welt geschickt. 12 % der Missionare der Weltkirche waren Holländer, während die Bevölkerung nur 1 % der Katholiken in der Welt ausmachte.

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war der katholische Gottesdienst in Holland verboten, und Katholiken durften keine öffentlichen Ämter übernehmen. Ihr Zugang zur Bildung war beschränkt, und sie waren vorwiegend Bauern. Erst 1853 wurde die katholische Hierarchie wiederhergestellt, und es begann für die Katholiken eine Zeit der Emanzipation auf politischem wie auf gesellschaftlichem Gebiet. In kürzester Zeit kompensierten die Katholiken die Diskriminierung und Zurücksetzung von drei Jahrhunderten, bauten Kirchen, Schulen und Spitäler, und sie „konfessionalisierten“ alle Lebensbereiche: Politik, Arbeit, Kultur und Sport, und sie schufen sich auf allen Gebieten katholische Vereinigungen. All das trug zu einer raschen Emanzipation der Katholiken bei. Die Calvinisten standen dabei nicht zurück, und so entstanden wenige Jahre nach der Wiederzulassung des Katholizismus abgetrennte Bereiche, zuilen, also wörtlich „Säulen“, „Kolonnen“ von Katholiken, Calvinisten und Sozialisten, und alle blieben, von der Wiege bis zur Bahre, in allen Aktivitäten in ihrem weltanschaulichen Umfeld, ohne Kontakt zu den „anderen“ zu haben. Der Stolz der Katholiken war die Katholieke Universiteit Nijmegen.

Es gab kaum Kontakte und Kommunikation unter Menschen, die die gleiche Sprache sprachen, im selben Viertel und sogar im gleichen Haus wohnten. So lasen die Katholiken katholische Zeitungen, kauften ihr Brot beim katholischen Bäcker und spielte in einem katholischen Verein Fußball, und all das mit dem Segen und unter der Aufsicht der kirchlichen Autoritäten. Diese überhitzte Situation führte zu einer so großen Zahl von Missionaren und Priesterberufen, bis die Blase in einem bestimmten Moment platzte.

3. Nach der internen Terminologie was das Opus Dei in Holland eine Quasi-Region. Das bedeutet, dass sie zwar eine Regionalkommission mit einem Consiliarius oder Vikar, einem Defensor und den Vokalen von St. Michael, St. Gabriel und St. Raphael hat, aber zum Beispiel kein Studienzentrum. Von den Holländern, die in Holland gepfiffen haben, weiß ich nur von einem, der damals das Studienzentrum absolviert hat, und zwar in Deutschland, und dann verließ er das Werk. Auch die Numerarier, die aus dem Ausland nach Holland kamen, bevorzugt aus Spanien, besuchten kein Studienzentrum. Man versuchte diesem Mangel durch Konvivenzen am Wochenende abzuhelfen. Einzig diejenigen Numerarier, die bereits als fertige Akademiker nach Holland kamen, hatten bereits in ihrer Heimat auch das Studienzentrum absolviert.

Es pfiffen sehr wenige Numerarier, sodass man für die wenigen kein Studienzentrum erreichten konnte. So kamen die Numerarier dieses Landes zu lokalen und regionalen Leitungsposten, ohne vorher die notwenige Bildung in einem Studienzentrum erhalten zu haben, und man hielt es selbstverständlich auch für unpassend, die Posten nur mit Numerariern aus anderen Regionen zu besetzen. Es war aber auch nicht praktikabel, bei so wenigen Berufungen die dringend benötigten Einheimischen gleich einmal auf zwei Jahre in eine andere Region zu schicken. Allenfalls konnte man die holländischen Numerarier, sobald sie genug Spanisch gelernt hatten, für zumindest ein Semester der internen Studien nach Spanien schicken.

4. Die „Arbeit“ in Holland begann offiziell mit der Ankunft von Hermann Steinkamp (1923-2013) in Amsterdam, dem der Generalpräsident des Opus Dei den Auftrag erteilt hatte, hier mit der „Arbeit“ zu beginnen. Hermann Steinkamp hat das Opus Dei nach Holland gebracht, und die Prälatur verteilt bereits Gebetsbildchen für die private Andacht zu ihm. Man nennt ihn offiziell Meneer Steinkamp. Meneer, und danach der Familienname, so nennt man die Priester des Werks in Holland. Es ist dies eine Extravaganz, denn außerhalb des Werks nennt man keinen Priester so, mit einem Wort, das „Herr“ bedeutet, und man will damit die Säkularität der Priester des Opus Dei unterstreichen. Man vermeidet so das hierorts übliche Pater, das man in Holland generell für Welt- und Ordenspriester verwendet.

Halten wir uns kurz bei der Hauptperson des Beginns der „Arbeit“ in den Niederlanden auf. Am 28. September 1958 befand sich Hermann als Student des Collegium Romanum in Terracina, Provinz Latium, wo die Studenten damals den Sommer verbrachten. In einer Tertulia verkündete José Luis Illanes die Nachricht, dass „die Vorgeschichte Hollands“ beendet sei. Er erzählte, dass der Gründer und Don Alvaro von einer Reise nach Holland zurückgekommen seien, wo einige Bischöfe bereit gewesen wären, ihnen hier den Beginn der „Arbeit“ zu gestatten. Die Studenten des Collegium Romanum fragen sich, wer wohl als „Gründer“ nach Holland gehen würde. Hermann dachte bei sich: „Arme Menschen, sie haben keine Ahnung, wo sie hingehen“.

Der Vater hatte Hermann schon im Vorfeld damit beauftragt, als dieser ihm seine Bereitschaft bekundet hatte Priester zu werden: „Hermann, du wirst nach Deutschland oder in ein anderes deutschsprachiges Land gehen.“ Es war also keine große Überraschung für ihn. Hermann war der Sohn katholischer deutscher Eltern, obwohl er 1923 in Alicante in Spanien geboren wurde, wo sein Vater deutscher Honorarkonsul war. Beide Eltern stammten aus Meppen im Emsland, das nahe der Grenze zu Holland liegt. Die Gegend gehörte damals zu Preußen, später, nach dem Zweiten Weltkrieg, zum Land Niedersachsen. 1934 schickten ihn seine Eltern an eine Schule in Emsland, wo er sein Abitur machte. Er war Offizier der deutschen Kriegsmarine und wurde in einer Seeschlacht verwundet. Am Ende des Zweiten Weltkriegs geriet er in Bergen, Norwegen, in englische Kriegsgefangenschaft.

Nach Kriegsende studierte er Chemie an der Universität Münster. Später ging er nach Spanien zurück, promovierte an der Universität Murcia und pfiff hier. Er war der erste deutsche Numerarier, weshalb er das Holzkreuz hat. Im August 1959 wurde er zum Priester geweiht und dann nach Amsterdam geschickt. Einige Jahre lang war er das einzige Mitglied des Opus Dei in ganz Holland. Zuerst immatrikulierte er als Hörer (Toehoorder) an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der GU, Gemeente Universiteit, die sich ab den siebziger Jahren UvA nannte, Universiteit van Amsterdam. Er fand Arbeit am Laboratorium der Universität Roeterseiland. Da er Priester war, zögerte Professor Huysman ihm einen Forschungsauftrag zu erteilen. Da bot ihm Hermann an, für drei Monate auf Probe und unentgeltlich zu arbeiten. Als sich seine akademische Qualifikation zeigte, wurde er nach einem Monat rückwirkend zu einem Gehalt von 350 Gulden angestellt.

Als 1968 die Delegation Holland zur Quasiregion mutierte, wurde er Consiliarius. Er fungierte noch als Consiliarius, Hermann wurde Rektor der Onze Lieve Vrouwekerk, der „Kirche Unserer Lieben Frau“ in Amsterdam, einem neugotischen Gebäude in herrlicher Lage, an der Keizers Gracht, dem zweiten und prächtigsten Kanal im Zentrum Amsterdams. Ab 1986 machte das Werk seine vielleicht erste und einzige „ökumenische Erfahrung“, denn in ihrem Gotteshaus fand abwechselnd der katholische und der syrisch-orthodoxe Gottesdienst statt. Nach seiner Zeit als Consiliarius wurde er Seelsorger in dieser Kirche, bis zu seinem Tod am 31. März 2013, nach kurzer Krankheit.

5. Im Herbst1961 gab es dann drei Numerarier in Holland. Neben Hermann kamen noch zwei weitere Numerarier nach Amsterdam, beide Laien: Desmond Sweeny aus Irland, und José (Josep) Valls aus Spanien. Man weiß sehr wenig über die sechziger Jahre, denn es wird sehr wenig darüber gesprochen. Josep Valls ging, nach einem kurzen Aufenthalt in Holland, nach Spanien zurück, wurde zum Priester geweiht und übte diesen Beruf in Spanien aus.  Er starb vor einigen Jahren in Barcelona als Priester des Opus Dei. Desmond war vor seiner Übersiedelung nach Holland Leiter des Zentrums Galway in Irland. Er war Elektor und widmete sich vorwiegend internen Aufgaben, auch wenn er Teilzeit an der Universität arbeitete. Er war der erste Numerarier, der in Holland starb.

Seit 1961 hing die „Arbeit“ in Holland von der Regionalkommission in Deutschland ab. Don José María Hernández Garnica, damals Delegierter des Vaters in Deutschland und Österreich, reiste regelmäßig nach Holland. Vorher war Don Hermann einmal im Monat nach Deutschland gefahren, um die geistliche Leitung zu erhalten. Nach der Ankunft dieser beiden Numerarier wurde mit der Zeit die Delegation Holland errichtet, mit Sitz in Amsterdam und dem Studentenheim Leidenhoven im selben Gebäude.

1968 wurde Holland Quasi-Region. Bereits 1961, und schon früher, war Hermann das Faktotum der Arbeit in Holland, und zwar bis 1991. 1968 wurde er jedenfalls Consiliarius – heute nennt man das den Regionalvikar – und 1991 löste ihn in dieser Funktion Willem Schnell ab. Willem Schnell war in den sechziger Jahren nach Holland gekommen. Er war Spanier, obwohl er aus Nordeuropa stammte, und Schiffsbauingenieur. Er arbeitete eine kurze Zeit auf einer Werft und widmete sich dann ganz internen Aufgaben. 1989, im Alter von 53 Jahren, wurde er zum Priester geweiht. Vor seiner Ernennung zum Consiliarius hatte er viele Jahre Ämter in der Regionalkommission innegehabt, wie Defensor oder Sekretär. Er starb 2012.  In der gleichen Zeit wie Willem Schnell kam auch Francesco dʹAgostino nach Holland, einer der ersten italienischen Numerarier. Er widmete sich ebenfalls internen Aufgaben. Er ist Elektor und war lange Zeit hindurch Delegierter des Vaters. Er wurde 1972 geweiht und war viele Jahre lang Priestersekretär. Aus dieser Zeit stammt auch José Antonio Núñez, der bereits als Priester kam, ein Madrider voller Enthusiasmus.

6. In Holland gibt es „Arbeit“ in drei Städten, Amsterdam, Utrecht und Maastricht. In diesen drei Städten gibt es auch „Arbeit“ der weiblichen Abteilung.

Beginnen wir mit Amsterdam. In Amsterdam gab und gibt es das erwähnte Studentenheim Leidenhoven. Es befindet sich noch immer im selben Gebäude wie 1961, allerdings war es damals angemietet, dann haben sie es gekauft und umgebaut. Der Jugendclub Lariks, ebenfalls Amsterdam, wird von Leidenhoven aus betreut. Dieses Studentenheim war im Sommer voll von Studenten aus dem Ausland, die in Holland ein Praktikum in einem der internationalen Konzerne absolvierten.

In Amsterdam befindet sich auch der Sitz der Regionalkommission und ein Zentrum für ältere Numerarier, neben der bereits genannten neugotischen Kirche Onze Lieve Vrouwkerk.

In Utrecht öffnete 1972 das Studentenheim Lepelenburg; jenes in Maastricht hieß Den Eker und begann 1982. In beiden Häusern wohnten anfangs nur Numerarier. Da in Den Eker anfangs nur spanische Numerarier wohnten, nannte man es im Scherz Casa Paco.

Es gab eine Zeit in den achtziger und neunziger Jahren, in denen es ein Haus in Delft gab, einer Stadt, die für ihr weißblaues Porzellan und ihre Technische Hochschule berühmt ist. Auch wenn während der Woche hier einige Numerarier lebten, war ihr eigentliches Zentrum das in Utrecht. Keiner der Numerarier, die sich hier auf ihre Karriere als Ingenieure oder Architekten vorbereitet hatten, blieb beim Werk. Es blieb nur Desmond, der Ire, der 1961 nach Holland gekommen war.

Später gab es ein weiteres „Absteigequartier“ in Hengelo, ebenfalls Sitz einer technischen Hochschule.  Hier lebten während der Woche einige wenige Numerarier, die an der Technischen Hochschule arbeiteten. Sie gehörten ebenfalls zum Zentrum in Utrecht.

Zonnenwende ist der Name des einzigen Einkehrhauses in Holland, und es liegt in Brabant. Es wurde 1987 gekauft. Jahre später, wie es auch in anderen Ländern üblich ist, richtete die weibliche Abteilung hier eine Hotelfachschule ein. Vorher fanden die Jahreskurse in Lepelenburg, in Den Eker oder im Ausland statt. Es gab eine Zeit in den siebziger Jahren, als Belgien eine Delegation von Holland war. Wenn es auch nur eine Delegation war, brachten sie es früher als die Holländer zu einem Einkehrhaus, nämlich Dongelberg, und dorthin fuhren dann auch die Numerarier aus Holland. Als dann auch Belgien eine Quasiregion wurde, verringerten sich die Kontakte zu Holland.

In Zonnenwende absolvierten viele junge und nicht mehr ganz so junge Numerarier ihren Jahreskurs, die sich zum Teil entscheiden sollten, ob sie vielleicht auf Dauer in Holland bleiben wollten. Als die Restaurierungsarbeiten in diesem Haus abgeschlossen waren, kamen ältere Herrschaften aus verschiedenen Ländern. Das erwies sich aus mehreren Gründen als vorteilhaft: Man lernte neue Gesichter und Persönlichkeiten kennen, und es gab einen etwas profunderen Theologieunterricht als den der „Professoren“, die wir üblicherweise hatten: Priester, voll guten Willens, die ihren Unterricht auf der Basis der Notizen vorbereiteten, die sie sich in den fünfziger oder sechziger Jahren im Angelicum oder im Lateran gemacht hatten.

7. Obwohl die „Arbeit“, wie wir sagen, 1959 begonnen hatte, musste man bis 1972 auf die erste Berufung warten, einen Holländer, der in Holland selbst gepfiffen hat und auch blieb. Zuvor, in den sechziger Jahren hatte schon ein Holländer gepfiffen und das Holzkreuz erhalten, aber er ging wieder. Es war holländischer Staatsbürger, wenn auch mit kolonialen Wurzeln. Außerhalb des Werkes gelang ihm eine glänzende Karriere als Professor der Medizin. Ich rechne, dass im Lauf der siebziger Jahre zwischen fünf und zehn Numerarier gepfiffen haben, aber keiner von ihnen ist geblieben.

Die ersten drei holländischen Numerarier, die dabeiblieben, haben zwei Dinge gemeinsam: Alle drei sind Priester, und alle drei leben momentan außerhalb von Holland, JS in Sevilla, RJR in Valencia und CG in Kanada. Es bedarf keines Wortes, dass Holland diese Numerarier nicht vielleicht exportiert hat, um anderswo die „Arbeit“ zu unterstützen. Die Gründe für ihren Weggang sind andere. JS und RJR sind zwar Holländer, aber der erste hat in Deutschland gepfiffen und der zweite in der Schweiz.

Es war in den siebziger Jahren, als die ersten Holländer im Land pfiffen, die dann auch geblieben sind. Geblieben sind aus dieser Zeit jedenfalls fünf. Drei von ihnen sind Priester, darunter der jetzige Consiliarius, Christian van der Ploeg. Die beiden anderen sind leibliche Brüder. Die beiden anderen Laien sind sozusagen gewöhnliche Numerarier; sie hatten niemals Leitungsaufgaben. In den achtziger Jahren haben sieben oder acht Numerarier gepfiffen, von denen drei übrig sind, ein Priester und zwei Laien; auch diese beiden sind leibliche Brüder.

Es ist nicht leicht, eine genaue Zahl abzuschätzen. Zwischen 1961 und 2020 haben wohl zwischen 30 und 40 Holländer gepfiffen und die Oblation gemacht, etwas mehr als einer jedes zweite Jahr. Von ihnen sind weniger als die Hälfte geblieben.

Noch entmutigender ist die Lage bei den Supernumerariern. Bis in die achtziger Jahre hat nur einer durchgehalten; er war der Bruder der beiden erwähnten Priester; dann haben sehr vereinzelt welche gepfiffen.

8. Für die Numerarier, die von außerhalb kamen, bereitete Holland mehr Anpassungsschwierigkeiten als andere Länder. In Belgien kann sich ein Einwanderer leicht integrieren, wenn er nur Französisch beherrscht. In Holland muss man vor allem Niederländisch können, eine germanische Sprache, die deshalb gerade von Deutschen leicht gelernt werden kann. Dennoch hatte Hermann Steinkamp, vor allem relativ bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, seine Probleme damit, als Deutscher akzeptiert zu werden. Alle anderen Fremden werden besser aufgenommen als Deutsche. Die Numerarier, die nach Holland geschickt werden, kommen vor allem aus Spanien; aber ihre Muttersprache macht es ihnen nicht leicht, das Niederländische gut zu beherrschen.

Die Numerarier, die Laien sind und in einem bestimmten Alter nach Holland kommen, werden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sehr bald wieder in ihre Heimat zurückkehren. Dazu trägt die Schwierigkeit bei, die Sprache zu lernen – das geht für Studenten noch einfacher – und ohne diese Sprache Arbeit zu finden. Die örtliche Küche und das Klima sind auch anders als im Süden, wo sie gewöhnlich herkommen. In jedem Fall schwindet ab einem bestimmten Alter die Fähigkeit sich anzupassen, und so sind viele nach einer relativ kurzen Zeit in Holland in ihr Herkunftsland zurückgekehrt.

Regelmäßig kamen auch Priester aus dem Ausland, fast immer aus Spanien. Auch wenn sich manche nicht anpassen konnten und in ihr Herkunftsland zurückgingen, sind doch genügend von ihnen geblieben. Vielleicht liegt es daran, dass sie mehr Zeit haben als die Laien, um die Sprache zu lernen, und dass sie sich nicht darin aufreiben müssen, eine externe Arbeit zu finden, und mit den Leuten vom Werk können sie ohnedies ihren Dienst ausüben, indem sie Spanisch sprechen. Aus naheliegenden Gründen können diejenigen, die bereits nach der Weihe gekommen sind, am schlechtesten Niederländisch.

Erfolgreich war die Strategie, Numerarier als Studenten ins Land zu holen; sie konnten sich sprachlich und kulturell gut integrieren. In der Kommission gibt es zumindest zwei spanische Numerarier, die als Studenten nach Holland gekommen sind. Das Studienzentrum haben sie vermutlich niemals absolviert, denn in Holland gibt es keines. In den siebziger Jahren war der Leiter typischerweise ein älterer Herr, mit zwei Studenten als Subdirektor und als Sekretär, die aber nicht das Studienzentrum besucht hatten. In den achtziger und neunziger Jahren gab es etliche Numerarier in den Örtlichen Räten der Studentenheime, die erst im ersten oder zweiten Studienjahr waren und niemals ein Studienzentrum besucht hatten. Das neue Jahrtausend brachte einen Engpass an „importierten Numerariern“ mit sich, sodass es nunmehr Studentenheime und Jugendclubs gibt, die von 40- bis 50-jährigen „Jugendlichen“ geleitet werden.

9. In den Niederlanden gab es zu meiner Zeit keine Numerarier, die in ihrem Beruf erfolgreich waren. Die Mehrzahl war ausschließlich mit internen Aufgaben beschäftigt. Von denen, die promovierten, und zwar sowohl Holländer als auch Spanier, gingen sehr wenige in die wissenschaftliche Forschung, und ich glaube, dass nur einer, ein Deutscher in den siebziger Jahren einen Lehrstuhl innehatte.

Unter den Numerariern, die einen wirklichen Beruf ausüben, nicht nur eine interne Arbeit oder der Lehrberuf, zählte man zwei Anwälte, die aber nur halbtags arbeiteten. Es gab auch zwei Ingenieure, einen Holländer und ein Spanier. Der letztere ging nach seiner Pensionierung nach Spanien zurück. Es gab auch einen spanischen Banker, der nach vielen Jahren in seine Heimat zurückgegangen ist, und einen Italiener, der das Werk verließ.

Bemerkenswert ist der berufliche Erfolg einiger Ehemaliger aus Holland nach ihrem Ausstieg aus dem Werk.  Ich sagte bereits, dass derjenige, der das Holzkreuz erhalten hatte, nach seinem Ausstieg ein anerkannter Mediziner wurde. Ein zweiter (R.I.P.) wurde zum Leiter einer Organisation, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzt. Ich glaube, dass die Mehrzahl der Numerarier diesen Funktionär aus der Zeitung kennt, ohne die leiseste Ahnung zu haben, dass er Numerarier war. Ein anderer Ex- Numerarier war beruflich sehr erfolgreich und konnte eine in Holland sehr bekannte Firma gründen.

10. Ende.

Paquito Putipeste und  Gervasio