Javier Luzón Peña: Angriff auf das Innenleben

 

In seinem Blog „Tiempo des respuestas“ (Zeit für Antworten) widmet sich der spanische Priester Javier Luzón Peñad der Verletzung der Intimität der Gläubigen, wie sie in einigen neueren kirchlichen Bewegungen um sich gegriffen hatte. Manches davon kommt uns jedenfalls recht bekannt vor (Hervorhebungen vom Übersetzer).

 

Willkommen zu einer neuen Folge „Zeit für Antworten“.

Während des 20. Jahrhunderts, und das war ein Jahrhundert, in dem die Kirche Fragen nach ihrer Identität stellte, entstanden verschiedene religiöse Bewegungen, die anfangs Erfolg hatten, aber,  wie man später erfahren hatte, gab es in ihnen Interventionen der Glaubenskongregation, um Missbräuche  und Auswüchse abzustellen, die in diesen Bewegungen vorkamen. Unter diesen negativen Begleiterscheinungen zeigt sich als gemeinsame Nenner ein Vorgang, den man die Unterwerfung des inneren Lebens nennen könnte. Dieser Vorgang entsteht immer wieder in der Gruppendynamik einer Vereinigung, die sich um einen Führer schart, der die Mitglieder dieser Vereinigung vereinnahmt, und wenn diese Führergestalt nicht darauf achtet, eine ungebührliche Einflussnahme auf das Leben der Mitglieder dieser Vereinigung zu vermeiden. Dann ist es sehr leicht möglich, dass eine solche Unterwerfung stattfindet. Da erscheint es den Betroffenen dann durchaus normal, sich in ihrem Innenleben zu unterwerfen und gängeln zu lassen, denn die Menschen tendieren in der Intimität einer Gruppe dazu, sich zu öffnen. Sie folgenden Direktiven dieser Gruppe, in der sich eine Person Anleitungen für ihr ihnen Leben geben lässt.

Ich möchte mich über diesen Punkt etwas weiter auslassen. Beispielsweise wird in einigen Bewegungen die geistliche Leitung oder geistliche Begleitung oder die Bitte um Rat empfohlen. So gibt es beispielsweise Vereinigungen, bei denen die geistliche Leitung durch die Führungskräfte erfolgt, oder durch Personen, die durch die Leiter  dazu ermächtigt sind, statt dass sich die betroffene Person innerhalb oder außerhalb der Gruppe jemanden sucht, dessen Rat sie einholt. Dabei ist unbedingte Diskretion zu wahren, denn das Geheimnis des Gewissens ist so wichtig wie das Beichtgeheimnis, auch wenn es die Kirche nicht durch die Drohung mit der Exkommunikation beschützt, die schlagend wird, wenn jemand dieses Geheimnis verletzen sollte. Der Grund dafür ist, das diese Intimität allein Gott gehört, wie es im Schauspiel „Der Richter von Zalamea“ ausgedruckt wird. Die Ehre gehört der Person und nur ihr; der König kann Land verleihen, auf die Ehre eines Menschen aber hat er keinen Einfluss, sie gehört allein Gott. Wenn ein Mensch also einen anderen um Rat bittet, dann muss dieser Ratgeber wissen, dass er nur als Vermittler handelt. Er dient dieser Person, damit sie klarer sieht, was Gott von ihr will, aber sie hat keine Autorität über diese Seele. Im geistlichen Bereich ist der Heilige Geist der einzige Herr der Seele, niemand sonst. Im Forum Internum gibt es keine Vorgesetzten, und das hat die Kirche immer beschützt. Im Milieu der Orden, der Seminare, abgeschlosseneren Bereichen der Kirche, musste dieser Schutz des Gewissens besonders betont werden; das hat Leo XIII. in seinem Dekret „Quemadmodum“ klar ausgesprochen (siehe Oráculo: Die Freiheit der Gewissen im Opus Dei; das päpstliche Dokument findet sich am Ende dieses Beitrags). Dieses Dokument hat klar ausgesprochen, dass die Rektoren, die Autoritäten solcher Gemeinschaften, in jedem Fall das Forum Internum zu respektieren haben. In manchen Gemeinschaften, die im zwanzigsten Jahrhundert entstanden sind, haben hingegen die Vorgesetzten die geistliche Leitung in die Hand genommen oder an von ihnen bestimmte Personen delegiert, und sie haben bis jetzt nicht verstanden oder wollen es nicht verstehen, dass sie einen schweren Missbrauch an der Seele begehen. Denn die Manipulation des Gewissens ist ein Sakrileg, ein Eingriff in ein Heiligtum, das nur Gott gehört. Daneben gibt es Gruppen, in denen die Mitglieder dazu Verhalten werden, intime Details aus ihrem Innenleben zu erzählen. Es geht darum, sich zu erforschen und vor der Gemeinschaft Reue zu zeigen. Dabei geht es besonders u  Taten, die Schaden angerichtet haben. Man stelle sich nun vor, es wird erzählt, dass ein Ehemann auf eine Reise seine Frau betrogen habe. Ein solches Verhalten kann eine Ehe zerstören, man darf solche Dinge nicht in den Mund nehmen, auch nicht unter dem Siegel eines Geheimnisses, denn wenn es ein Geheimnis ist, muss man es selbst für sich behalten. Denn in dem Augenblick, wo es deinen Mund verlassen hat, ist es kein Geheimnis mehr. Dinge des Forum Internum sind niemandem mitzuteilen; Niemand darf das Gewissen eines Menschen enteignen und es in die Hände einer Gemeinschaft überliefern. Eine solche Vorgangsweise ist unmenschlich, sie hat schwerwiegende Konsequenzen, und der Heilige Stuhl, dem in letzter Zeit solche Vorfälle zu Ohren gekommen sind, hab hier bereits eingegriffen.

Ein anderer Punkt sind etwa Besinnungstage von der Art, bei denen erwartet wird, dass die Teilnehmer Zeugnis ablegen. Das ist bei den Cursillos vorgekommen, oder bei der Gemeinschaft von Emmaus, aber hat man da die Teilnehmer auch immer sorgfältig darauf vorbereitet, was sie und wie sie es erzählen? Und es ist fraglich, ob ihnen auch mit aller gebotenen Klarheit deutlich gemacht wurde, dass sie möglicherweise die Krankheit dadurch verschlimmern, dass sie sie ausbreiten, und ob sie daran gehindert wurden, Privates, Intimes mitzuteilen, vielleicht sogar Obszönitäten auszusprechen, die, wie es im Wortsinn heißt, ob scaenam sind, also nicht auf die Bühne der Öffentlichkeit gehören.

Du kannst deinen Freunden sagen, was dich bewegt, aber die Intimität deiner Seele gehört einzig und allein Gott. Deine Fehler beichtest du den Priester, der darüber völliges Stillschweigen bewahren muss, und wenn du jemanden um Rat in geistlichen Fragen bittest, dann muss klar sein, dass der Ratgeber ebenfalls strengster Verschwiegenheit unterliegt. In einigen geistlichen Gemeinschaften ist es hingegen üblich geworden, dass du einem Ratgeber Details deines Innenleben erzählst, und sofort weiß die gesamte Leitung der Vereinigung darüber Bescheid, was du ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hast.

Das darf nicht geschehen, und das ist wichtig, Denn dahinter steckt eine völlig falsche Auffassung von der Person des Menschen. Es ist keine Frage der Aufrichtigkeit, sich vor einem anderen Menschen zu entblößen, Im Gegenteil, es ist eine Perversion, das innen Leben preiszugeben. Ja, es geht um wilde Aufrichtigkeit, aber nur Gott gegenüber. Nur ihm darfst du dich öffnen, und du hast die Pflicht, dein Innenleben zu schützen, wenn du beichtest oder jemanden um Rat bittest. Wenn die Leitung einer Gemeinschaft das Gewissen der ihnen Anvertrauten verletzt, vielleicht von unreifen  oder minderjährigen Menschen, dann wird bei den Betroffenen ein großer Schaden angerichtet.