Der Text dieses letzten Vortrags, wie er tausendfach auf der ganzen Welt, in allen Sprachen, vor unmündigen jungen Menschen und halben Kindern gehalten wird, liegt mir im spanischen Original („Charla del Círculo de San Rafael, no 23: Vocación”) vor ; er war ausschlaggebend dafür, dass Tausende Menschen ihr Leben – oder doch viele, die entscheidenden, besten Jahre ihres Lebens – an eine Institution verschenkten, die ihnen die Freundschaft Gottes und das ewige Leben versprochen hatte.
Eingebettet in einen Zirkel von andächtigen Menschen, die bisher jede Woche neue Gewohnheiten akzeptiert und in ihr Leben übernommen hatten, die seit mindestens einem halben Jahr im „Zentrum“ ein und aus gehen, beten, zur Messe gehen, sich um ein „sauberes Leben“ bemühen und regelmäßig bei einem Priester des „Werkes“ beichten, erzählt ihnen ein „älterer Freund“, dem sie vertrauen und den sie insgeheim bewundern, weil er auf alles eine Antwort weiß, mit wohlgesetzten Worten, indem er ab und zu ein Zitat aus einem Buch vorliest, in das er Papierstreifchen eingelegt hat, damit klar ist, wie sorgfältig er sich auf diesen Bildungsvortrag vorbereitet hat:
(Faksimile des spanischen Originaltextes)
1. Berufung zur Heiligkeit
„Üblicherweise hört man, dass eine Person „Berufung“ für diese oder jene Tätigkeit hat, eine „Berufung zum Künstler“ oder eine „Berufung“ zum Arzt. Damit möchte man normalerweise sagen, dass diese Person Fähigkeiten zum Ausüben einer Tätigkeit hat, für die sie besonders begabt ist. Man pflegt auch andere Ausdrücke anzuwenden, die das bezeichnen, z.B. „Herr Soundso ist ein geborener Künstler“, um zu unterstreichen, dass man die Berufung zum Künstler nicht mit eigener Anstrengung erreicht hat, sondern dass man sie von Anfang an als Geschenk empfangen hat, oder man sagt dann einfach treffender, „er ist dazu berufen ein großer Arzt zu sein.“, denn Berufung bedeutet dasselbe wie Ruf.
Jeder einzelne von uns hat eine unterschiedliche fachliche Berufung, die manchmal klar zu Tage liegt, ein anderes Mal muß man sie erst entdecken, und man muß sich dazu der Hilfe anderer Personen bedienen. In jedem Fall ist es offensichtlich sehr wichtig zu wissen, welches die eigene Berufung ist. Wer sich nicht darum kümmert und sich vom ersten Impuls treiben lässt oder die leichteste Möglichkeit wählt, geht das große Risiko ein sich zu täuschen und den Rest seines Lebens am falschen Platz zu verbringen, indem er eine Tätigkeit entwickelt, für die er nicht die idealen Voraussetzungen mitbringt.
Wenn also schon die Berufung zu einem bestimmten Beruf durchaus wichtig ist, so gibt es eine andere Berufung, die unvergleichlich wichtiger ist. Eine Berufung haben wir alle, aus dem einfachen Grund, weil wir geboren worden sind: die Berufung zur Heiligkeit. Davon, ob wie diese Berufung entdecken und ihr folgen, hängt die Fülle unseres ganzen Lebens ab.
Man kann sagen, dass wir alle „zur Heiligkeit berufen“ sind, dass wir dazu „geboren sind“ um heilig zu sein, weil Gott uns dazu geschaffen hat. Deshalb haben wir alle, ohne Ausnahme, die „Begabung“ zur Heiligkeit. Niemand kann sagen, dass er dazu „nicht taugt“; es hieße Gott selbst zu widersprechen, der, wie er in der Heiligen Schrift sagt: „Er hat uns auserwählt vor der Erschaffung er Welt, dass wir heilig seien und makellos vor Ihm“(Eph. 1,4). Achte gut auf diese Worte, die den ganzen Sinn unseres Lebens enthalten: Gott hat uns auserwählt, das heißt, er hat uns die Berufung gegeben; vor der Erschaffung der Welt, als Er daran dachte, jeden einzelnen von uns zu erschaffen; Wozu? Dass wir heilig seien: Dazu sind wir geboren worden.
Deshalb ist die Berufung zur Heiligkeit unsere radikalste Berufung. Es ist keine spezielle Berufung für einige wenige, oder eine, die man sich aussuchen könnte, sondern sie ist der tiefste Sinn unseres Lebens. Deshalb sagt der „Weg“: „Du hast die Pflicht, dich zu heiligen. Auch du. Wer könnte glauben, dass dies ausschließlich die Aufgabe der Priester und Ordensleute ist? Zu allen, ohne Ausnahme, hat der Herr gesagt: „Seid vollkommen, wie mein Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Nr. 291)
Deshalb können wir die Fülle unseres Lebens erreichen, Wirklichkeit werden lassen, wenn wir dieser Berufung folgen, wenn wir darum kämpfen, um heilig zu sein. Unser Leben bekommt von daher erst seinen vollen Sinn. Im Gegenteil: Wenn wir uns nicht bemühten, die Heiligkeit zu erreichen, wären wir in unserem Leben „am falschen Platz“, wir würden enttäuscht. Stell dir einen Vogel vor, der geboren wurde, um zu fliegen, und dem die Flügel fehlen; oder ein Gefäß, das erzeugt wurde, um Wasser aufzunehmen, und das ein Loch im Boden hat. Es dient zu nichts, es hat keinen Zweck. So wäre unser Leben – gescheitert – wenn wir nicht den Himmel erreichen wollten, wenn wir uns weigerten, heilig zu sein.
Wir sind dazu erschaffen worden, um die ewige Glückseligkeit im Himmel zu erlangen. Gewöhnlich sehen wir bei den Namen derer, die uns auf der Erde vorangegangen sind, zwei Daten: den Geburtstag und den Todestag, und es könnte so aussehen, als wäre das ihr ganzes Leben. Freilich dürfen wir nicht vergessen, dass der Zeitraum zwischen dem einen und dem anderen Datum kurz ist. Die heilige Katharina von Siena hat etwa, um ein Beispiel zu nennen, von 1347 bis 1380 auf dieser Erde gelebt: 33 Jahre. Und vom 29. April 1380 an, ihrem Todestag, lebt sie für immer im Himmel. Aber diese 33 Jahre, und die, die jeder einzelne von uns auf der Erde verbringt, haben, auch wenn sie wenige sind, eine entscheidende Bedeutung, denn in ihnen entscheidet sich unsere Ewigkeit. Gott gibt uns ausreichend Zeit, dass wir die Heiligkeit erreichen. Er bietet uns ein ganz besonderes Auftrag: Du gibst mit freiwillig dein bisschen Leben auf der Erde – so sagt Er uns -, und ich gebe dir die ewige Glückseligkeit im Himmel, und außerdem mache ich dich schon jetzt glücklich, denn ich schenke dir Ruhe und Frieden als Lohn für deinen Kampf. Von unserer Seite bedeutet das einen Akt des Glaubens, ein vollkommenes Vertrauen in Gott, denn das gegenwärtige Leben erscheint uns wie „alles, was wir habe“. Das ist genau das, was Gott von uns verlangt: ein absoluter und völliger Akt des Glaubens, der zweifellos für den Verstand nachvollziehbar ist, denn Er hat uns erschaffen, und es ist logisch, dass er uns bittet, ihm freiwillig unser Leben hinzugeben.
Aber der gewichtigste Grund, um die Heiligkeit zu kämpfen, ist nicht die Belohnung, sondern die Entsprechung der Liebe zu Gott. Er liebt jeden einzelnen von uns wie ein Vater sein einziges Kind; Er liebt uns so sehr, dass die Zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit Mensch geworden und für uns gestorben ist. Dementsprechend bittet er uns um unsere Liebe; Er hat ein „Recht“ darauf sie von uns zu fordern, und deshalb ist sein Erstes Gebot: „Du sollst Gott, Deinen Herrn, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und all deinen Kräften.“ (Deut. 6,4 )
Deshalb sollen wir heilig werden, wir sollen Gott lieben, denn Er liebt uns und hat uns erschaffen, dass wir Ihn freiwillig lieben.
2. Viele Wege
Wenn das Vorangegangene klar ist, sind wir schon viel weiter gekommen, um das Thema des heutigen Kreises voll zu verstehen, nämlich die Berufung jedes Einzelnen von uns.
Die grundsätzliche Frage ließe sich so formulieren: Ich muß heilig werden, aber auf welchem Weg? Was ist der konkrete Wille Gottes in Bezug auf mich?
Zweifellos kann man die Heiligkeit auf vielen Wegen erreichen, und Gott will nicht für alle dasselbe, wie man aus der Geschichte erkennen kann: Die kanonisierten Heiligen sind ganz verschiedene Menschen - die heilige Elisabeth von Ungarn war die Mutter dreier Kinder, der heilige Antonius Abt, der heilige Thomas Morus war Lordkanzler von England, die heilige Felicitas war eine Sklavin… - und wir wollen gar nicht von denen reden, die nicht heilig gesprochen worden sind und die die überwältigende Mehrheit darstellen.
Es gibt, allgemein gesprochen, viele Wege. Aber für jeden einzelnen von uns will Gott einen ganz konkreten Weg; ihn müssen wir entdecken, um ihm mit Entschlossenheit zu folgen. Und um ihn zu entdecken, und bevor wir auf das Thema einsteigen, möchte ich dir einen Ratschlag übermitteln, den der Gründer des Werkes zu geben pflegte und den er selbst viele Jahre hindurch befolgte, vor allem in seiner Jugend: Bitte Gott um Licht, sag Ihm wie der Blinde, von dem das Evangelium spricht: Domine, ut videam! Herr, lass mich sehen! Zeige mir Deinen Willen!
Außerdem ist es nötig, sehr in Rechnung zu stellen, dass der Wille Gottes nicht unbedingt mit den eigenen Vorlieben zusammentrifft – Berufung ist nicht dasselbe wie Neigung, oder dass unsere Leidenschaften und Launen daran Schuld sind, dass es uns schwer fällt zu folgen. Abgesehen davon, dass du den Herrn bitten musst, dir Seinen Willen zu zeigen, mache dich auch bereit Ihm zu sagen, wie die Allerseligste Jungfrau: Fiat. Dein Wille geschehe! „Du willst es, Herr? Dann will ich es auch!“ (Der Weg, Nr. 762)
3. Die völlige Hingabe
Ich habe dir gesagt dass es viele Wege gibt, um zur Heiligkeit zu kommen. Von Anfang an war es nicht notwendig, die Welt zu verlassen, um heilig zu sein, und das Wahrscheinlichste ist, dass wir zur Heiligkeit inmitten unserer Arbeit berufen sind, dass wir uns im Beruf heiligen, in unseren familiären und gesellschaftlichen Beziehungen etc.
Trotzdem, auch wenn wir in der Welt bleiben, an unserer Stelle, bittet Gott uns nicht alle um dieselbe Form der Hingabe. In den Evangelien sehen wir, dass Er unter den vielen, die dem Herr nachfolgen, einige in einer bestimmten Form ruft, damit sie Ihm alle ihre Kräfte zur Verfügung stellen. Diese bittet er um eine vollkommene, uneingeschränkte und ausschließliche Hingabe; dass sie alles verlassen und ihm nachfolgen.
Dies ist, zum Beispiel, die Berufung der ersten Apostel: „Als nun Jesus an dem galiläischen Meer ging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und Andreas, seinen Bruder. Sie warfen ihre Netze im Meer aus, denn sie waren Fischer. Und Er sagte zu ihnen: „Kommt mit mir, und ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Sofort verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach. Und als er weiter ging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus und Johannes im Boot ihres Vaters Zebedäus, und sie besserten ihre Netze aus. Er rief sie; und sofort ließen sie das Boot und ihren Vater und folgten ihm nach.“ (Mt. 4,18-22) Und etwas weiter: „Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir. Und er verließ alles, erhob sich und folgte Ihm.“ (Mt. 9,9; Lk. 5,28).
Eben dieser Ruf hat sich tausende Male im Lauf der Zeiten wiederholt. Wie du siehst, bittet der Herr einige, alles zu verlassen – Vater, Mutter, Brüder, Schwestern, Frau etc. (vgl. Mt. 19,27-29) um ihm nachzufolgen, wie der heilige Paulus schreibt, „frei von anderen Sorgen“ (1 Kor. 7,33), ohne dass jemand dazwischen käme, die ihm unmittelbar, ungeteilt das ganze Herz schenken, um ihm bei der Aufgabe zu dienen, „Menschenfischer“ zu sein, das heißt, ihm andere Seelen zu bringen. Das bedeutet keineswegs eine Geringschätzung der Ehe, wohl aber eine Ehre für die Ganzhingabe an Gott, die in sich eine viel höhere Berufung ist, obwohl für jeden das das Beste ist, wozu er von Gott berufen wurde.
Die Frage ist aber nicht: Gefällt es mir, mich ganz hinzugeben, sondern: Will Gott, dass ich mich hingebe? Hat er mir diese Berufung gegeben? Es geht nicht darum, eine besondere Neigung für diese Hingabe zu empfinden, oder, noch viel weniger, keine Neigung zur Ehe zu fühlen. Die Apostel waren normale Menschen wie du und ich. Die Tatsache, die sie dazu gebracht hat, sich ganz hinzugeben, war nicht, dass sie sich nicht von der menschlichen Liebe angezogen fühlten, sondern dass sie die Liebe zu Gott höher stellten. Man braucht deshalb, um diese Ruf zu folgen, ein größeres Herz, mit einer größeren Fähigkeit zu lieben.
Wenn man die Dinge nur vom menschlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, könnte man die Berufung auf eine negative Art und Weise sehen, wie eine Last, wie eine Entsagung… Diese falsche Sicht verschwindet, wenn man sie mit übernatürlichem Blick betrachtet. Sicherlich erfordert die Hingabe an Gott Opfer – „Wer mir nachfolgen will“, sagt Jesus, „verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach, denn wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren, wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet?“ (Mt. 16,24-26). Aber es handelt sich um ein bereitwilliges Opfer, das man aus Liebe zu Jesus Christus auf sich nimmt, das die Seele mit Frieden erfüllt. Deshalb prägt Gott denen, die sich ihm so großzügig hingeben, das Siegel einer großen Freude auf, das sich mit nichts vergleichen lässt.
Der heilige Petrus fragte Jesus: „Siehe, Herr, wir habe alles verlassen und sind Dir nachgefolgt – was wird aus uns werden?“ Da antwortete ihm der Herr: „Wahrlich, ich sage euch, die ihr mir nachgefolgt seid, wenn der Menschensohn auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen wird, wird er auch euch auf zwölf Throne setzen, um die zwölf Stämme Israels zu richten. Und jeder, der sein Haus, Brüder oder Schwestern, Vater oder Mutter, oder Kinder oder Äcker um meinetwillen verlassen hatte, wird das Hundertfache erhalten und das ewige Leben.“ (Mt. 19,27-29)
Deshalb ist die Berufung wie ein „verborgener Schatz“, denn der, der ihn auf dem Acker findet, verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker, um ihn zu besitzen. (Mt. 13,44) Wie kann man die Hingabe als Last, als Entsagung betrachten, wenn sie der größte Schatz, das größte Glück ist? Wer sich ohne Vorbehalte hingegeben hat, weiß das sehr gut. Es gibt nichts in diesem Leben, das sich mit dieser Nähe zu Jesus vergleichen lässt. Deshalb sagt unser Vater denen, die es unternommen haben, im „Weg“: „Habt ihr nicht manchmal gute Lust, den jungen Menschen um euch zuzurufen: Dummköpfe, jetzt lasst doch einmal diesen weltlichen Kram beiseite. Er macht euch das Herz eng. Oft erniedrigt er es. Lasst das und folgt mit uns den Spuren der Liebe.“(Nr. 790)
4. Zeichen der Berufung
Gott ist es, der beruft. Die Berufung hängt nicht von den eigenen Verdiensten ab, auch nicht von den persönlichen Fähigkeiten, vom Talent, vom Geschmack oder vom Gefühl. Der Herr ruft die, die er will, wie schon immer, wie der Prophet Jeremias sagt: „Bevor er dich im Leib deiner Mutter erschaffen hat, kannte er dich; bevor du aus ihrem Schoß hervorgingt, hat er dich geheiligt.“ (Jer. 1,5)
Dieser Ruf des Herrn hat besondere Zeichen. Im Evangelium erzählt der Herr die Geschichte eines Kaufmanns, der mit wertvollen Perlen handelt; eines Tages, als man ihm eine von großem Wert anbot, ging er hin, verkaufte alles, was er hatte und kaufte sie (vgl. Mt. 13,45). Es ist keine zufällige Handlung, sondern um auf eine kostbare Perle zu stoßen, ist es notwendig, in diesem Berufszweig zu arbeiten oder auf dem Markt etabliert zu sein. Wir könnten dort sein, das ist ein erster Hinweis auf eine mögliche Berufung. Der Herr bereitet diejenigen vor, die er ruft, er zieht sie in seinen Umgang, er gibt ihnen seine Gnade, damit sie Gebet und die Sakramente pflegen und eine tiefere Bildung empfangen ... die Berufung ist immer ein kostenloses Geschenk Gottes, wie der Same, der auf einen Ackerboden fällt; aber damit er aufgeht, bereitet der Herr zuvor den Boden. Zweifellos kann alles ein erster Hinweis sein: das Fehlen von Hindernissen, die gute Vorbereitung, die vielleicht nur wenige haben.
Dann kann ein anderes Zeichen für den Ruf, den der Herr an uns richtet, das sein, worauf sich unser Vater bezieht: „Eines Tages – ich will hier nicht verallgemeinern: öffne du selbst dem Herrn dein Herz und erzähle ihm deine eigene Geschichte – war es vielleicht ein Freund, ein gewöhnlicher Christ wie du, der dir eine tiefe Sicht erschloss, neu und doch zugleich alt wie das Evangelium. Er zeigte dir die Möglichkeit, dich ernsthaft um die Nachfolge Christi zu bemühen und Apostel von Aposteln zu sein. Vielleicht war es von diesem Augenblick an mit deiner Ruhe vorbei, und du erlangtest sie erst wieder, in Friede verwandelt, als du freiwillig Gott mit einem Ja geantwortet hattest: weil du – und das ist ein sehr übernatürlicher Grund – es eben so wolltest.“ (Christus begegnen, Nr. 1) Sicherlich wird keiner von uns den Frieden verlieren, wenn wir über die Berufung eines Einsiedlers oder eines Klausurmönchs sprechen, obwohl auch das wunderbare Berufungen und Wege der Heiligkeit sind; aber wir sehen klar, dass es nicht unsere Wege sind. Andererseits kann uns die völlige Hingabe an Gott mitten in unserem Beruf, in der Heiligung der Arbeit und durch die Arbeit, indem wir die Gesellschaft verchristlichen und Gott inmitten unserer Beschäftigungen dienen – dieser Ruf wird uns vielleicht nicht so unbeteiligt lassen.
Wenn dann die Frage kommt: “Die Heiligung inmitten der Welt suchen –müssen das alle?”, dann ist die Antwort ja; aber damit alle sich heiligen, braucht der Herr einige wenige, “eine Handvoll seiner Leute in allen menschlichen Tätigkeiten” (Der Weg, Nr. 301), die wie der Sauerteig in der Masse sind. Vielleicht kann uns der Herr wie dem Propheten Isaias die Frage stellen: “Wen soll ich senden?”; die Antwort dieses Heiligen war: “Hier bin ich, sende mich!” (Is. 6,8).
Wie aber können wir die Sicherheit haben, dass Gott uns ruft? Was haben diesen tausenden Seelen in der ganzen Welt gesehen, die sich hingegeben haben, indem sie alles auf eine Karte setzten?
Einem, der ihm diese Frage stellte, hat unser Vater versichert, indem er sich auf die Berufung zum Opus Dei bezog: "Glaubst du, dass Gott unser Herr Dir seinen Willen bestätigen wird, indem ein Erzengel kommt – wir wissen schon, dass sie keinen Körper haben, alle Engel sind reine Geister -, sich eine Feder aus dem Flügel ausreißt – sie haben auch weder Flügel noch Federn, dass er ein Pergamentstück nimmt und sagt: Heinz Sowieso, du hast Berufung zum Opus Dei?" (Obras, 1979, S.118). Nein, Gott gibt uns keine Sicherheit dieser Art, er bittet uns um unseren Glauben. Gewiss gibt er Licht; wenn er die Berufung gibt, lässt er die Zweifel sich verflüchtigen, die sich stellen; aber er übt auf unsere Freiheit keinen Zwang aus, indem er auffällige Beweise liefert, und andererseits würde das bei denen, die seinem Ruf nicht mit einem Ja antworten, die Schwere ihrer Ablehnung nur verstärken. Es ist das Gleiche wie bei denen, die nicht glauben oder ihr Leben nicht ändern wollen: Das Evangelium sagt: “Auch wenn einer von den Toten aufersteht, werden sie sich nicht bekehren (vgl. Lk. 16, 31). Also geschieht das gleiche mit unserer Berufung. Wenn jemand die Frage nach seiner möglichen Berufung aufwirft, ist es logisch und richtig, dass er den Herrn bestürmt um ihn um Licht zu bitten, aber außerdem muss er sich fragen: Bin ich bereit mit Ja zu antworten, wenn ich entdecke, dass Gott mich ruft? Möchte ich wirklich klar sehen, oder suche ich nur eine Entschuldigung um Nein zu sagen? Wie oft fehlt nicht das Licht, sondern die aufrichtige Absicht!
Um ja zu sagen, muss man nichts empfinden, “es genügt einen ausreichenden Grund zu haben, ein Motiv, und dieses Motiv der Liebe, zusammen mit dem Glauben und er Hoffnung, dass Gott, unser Herr uns auf diesem Weg der Liebe nicht im Stich lassen wird. Ist das klar? Nichts von Gefühlen; es genügt, dass es ein Motiv gibt, und es gibt eines. Die Welt braucht Seelen, die Ihm dienen” (Obras, 1979, S.121).
Niemand darf sich außerordentliche Beweise erwarten. Der Herr lässt seinen Willen erkennen, wenn man Ihn aufrichtig im Gebet darum bittet, und er lässt uns auch durch den Rat anderer Personen dorthin gelangen, die ihm bereits ihr Leben hingegeben haben, besondert in der geistlichen Leitung.
Das ist der sicherste Weg: beten und um Rat fragen. Der Herr ruft am Grund des Herzens, und um den Ruf zu entdecken, muss man es sperrangelweit öffnen, indem man vollkommen dem vertraut, der die eigene Seele ebenso gut kennt wie die Erfordernisse der Berufung.
Wenn man den Rat einmal empfangen hat, fehlt nur noch eines: ja sagen, wenn es der Wille Gottes ist; diesen Sprung wagen mit Glauben und Vertrauen auf den Herrn, der nicht erlauben wird dass wir uns irren, wenn uns einzige das Verlangen anleitet, Ihm zu dienen; dann wird es geschehen, dass sich der Horizont heller als jemals zeigt.
5. Die Antwort auf den Ruf
“Wenn du deinen Weg klar vor dir siehst, so folge ihm. Warum wirfst du nicht diese Feigheit von dir, die dich festhält?”(Der Weg, Nr. 903).
Man darf sich nicht wundern, dass der Verstand Ausreden und Entschuldigungen sammelt, wenn der Augenblick kommt, in dem sich der Wille Gottes zeigt. Das ist die normale Reaktion unserer gefallenen Natur, die sich den Erfordernissen der Hingabe widersetzt; und außerdem ist das die Reaktion des Teufels, der mit allen Mitteln darum kämpft, dass wir diesen Weg verlassen.
Im Buch Exodus wird die Geschichte von der Berufung des Moses erzählt. Der Herr spricht ihn von einem brennenden Dornbusch aus an und bestimmt, dass er in Seinem Namen zum Pharao von Ägypten geht und ihn auffordert, das Volk Israel in Frieden ziehen zu lassen: "Geht also – spricht der Herr zu Moses – Ich sende dich hin zu Pharao, damit du mein Volk, die Söhne Israels, aus Ägypten herausführst.” Vor dieser Sendung versucht Moses eine Entschuldigung zu finden. “Wer bin ich – antwortet er – zu Pharao zu gehen und die Söhne Israels aus Ägypten hinauszuführen.” Der Herr besteht geduldig auf dem, was er tun soll; dennoch erwidert Moses von neuem: “Sie werden mir nicht glauben und mir nicht zuhören, und vor allem werden sie sagen: Jahwe ist ihm nicht erschienen.” Also gibt der Herr Beweise, wirkt an dieser Stelle zwei Wunder in seiner Gegenwart, um seine Macht zu zeigen. Dennoch sucht Moses noch eine Entschuldigung: “Aber, Herr, ich bin kein Mensch der reden kann, vielmehr bin ich langsam im Reden und habe eine stockende Zunge.” Und Jahwe erwidert ihm: “Aber wer hat dem Menschen dem Mund gegeben, und wer macht taub oder stumm, sehend oder blind? Doch wohl ich, der Herr? Geh also, ich werde in deinem Mund sein und dir zeigen, was du reden sollst”. Die Worte des Herrn sind entscheidend: Er ist es, der ihn schwerfällig im Wort gemacht hat, und Er sendet ihn auch. Er rechnet schon mit seinen Schwächen. Aber Moses widersetzt sich, bereits ohne einen Grund anzugeben: “Ach Herr, sende einen anderen!”. Dann, so erzählt die Heilige Schrift, dass “Jahwe in Zorn über Moses entbrannte” und dass Er ihm befahl seine Sendung zu erfüllen, indem er seinen Bruder Aaron mit sich nahm, um an seiner Stelle zu reden (vgl. Ex 3,4). Schließlich gehorcht Moses, und für den Rest seines Lebens wird er gehorchen, bis zu dem Moment, in dem der Herr zu ihm sagen wird: “Moses ist in meinem ganzen Haus der Mann, dem ich vertraue” (Num 12,7).
Wenn dies die Geschichte der Berufung einer Persönlichkeit wie des Moses ist, darf es dich nicht bekümmern, wenn in deinem Leben etwas Ähnliches geschieht, wenn dich der Herr um etwas bittet. Das Wichtigste ist schließlich, dass du Ihm, wenn du siehst, dass Er dich ruft, mit den Worten der Heiligen Schrift sagst: “Hier hast Du mich, weil Du mich berufen hast” (I Kg 3,6).
Es geht nicht darum, die Antwort zu überstürzen, aber man soll auch ebenso wenig ein Ja hinauszögern, wenn wir sehen dass der Herr uns darum bittet. Es würde eine sehr ernste Gefahr bedeuten, wenn jemand aus falscher Klugheit seiner Berufung nicht folgt, indem er die Entscheidung vor sich herschiebt: “Wenn ich mein Studium beendet habe”, oder einfach: “in ein paar Monaten, wenn der Sommer vorbei ist...” Wie kann man Gott warten lassen, wenn Er ruft! Man muss diese mittelmäßige Berechnung energisch zurückweisen und sich aufrichtig diese Frage aus dem “Weg” stellen: “Warum gibst du dich nicht Gott hin, einmal für immer ... wirklich ... jetzt! (Nr. 902).
6. Die Früchte der Hingabe
Wenn man dem Herrn mit ja geantwortet hat, wird sich die Berufung mit aller Klarheit als unschätzbarer Reichtum erweisen. Die Berufung ist, so sagt der Vater, ist nach dem Glauben die größte Gabe die uns der Herr gewähren konnte. Gott hat uns mit Zärtlichkeit angesehen: Du gehörst mir, hat Er zu jedem einzelnen von uns gesagt. Eine persönliche Berufung, nicht aufgrund unserer Verdienste, sondern aufgrund der Güte des Herrn, der seine Liebe verteilt wie Er will und an wen Er will. “Vocavi te nomine tuo, meus es tu! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, mein bist du!” Eine Wahl aus Liebe”. (Obras, 1981, S. l16.)
Bevor wir auf die Berufung mit Ja antworten, kann es schwierig erscheinen, eine Hingabe das ganze Leben lang durchzuhalten. später seiht man, dass es nicht so ist, dass es sehr einfach ist auszuharren und treu zu sein, denn Gott gewährte die Gnade im Überfluss denen, die ihr Leben völlig hingeben. Die Schwierigkeiten erweisen sich als leicht zu überwind, und das Feuer der Liebe zu Gott wächst jeden Tag, genährt mit neuen Akten der Hingabe.
Das Geschenk, das man empfangen hat, führt dazu, Gott beständig zu danken und die Mittel einzusetzen, um es immer zu bewahren, indem man die Berufung vor allen Gefahren beschützt, in dem Bewusstsein, dass wir diesen Schatz in dem zerbrechlichen Gefäß aus Ton tragen, das wir sind.
Diese Dankbarkeit überträgt sich auch spontan in den Wunsch, dass andere sich diesem Weg nähern, dass sie, wenn sie Berufung haben, denselben Ruf vernehmen und dass sich das Feuer der Liebe zu Gott ausbreitet. Habe aber immer gegenwärtig dass wir nicht Theater spielen können: Um andere mitreißen zu können, müssen wir zuerst uns selber hingeben; nur so werden wir wirksam sein, unser Leben wird reich an Früchten sein, und wenn wir eines Tages vor Gott stehen, können wir Ihm, zusammen mit den zehn Talenten, die wir empfangen haben, den Schatz der Berufung hingeben, den wir umsonst empfangen und den wir mit Treue bewahrt haben: die Seelen, die wir für das ewige Leben gewonnen haben, mit der Gnade Gottes, der Wunder wirkt mit dem armseligen Lehm unseres Lebens, weil wir ihm Ja gesagt haben.
Dann werden wir sehen, dass sich auf in unserem Leben eine wunderbare Weise die Worte des Herrn an die Aposteln erfüllt haben: “Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt”" (Joh 15,16).
Das Lebensprogramm wird Wirklichkeit werden, das im ersten Punkt des „Weges” enthalten ist: „Dein Leben soll kein fruchtloses Leben sein. Sei nützlich. Hinterlasse eine Spur. Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner Liebe. Tilge durch dein Leben als Apostel den zähen Unrat, den die verseuchten Prediger des Hasses hinterlassen haben, und entzünde alle Wege der Erde mit dem Feuer Christi, das du im Herzen trägst.”