Nicanor, 28. Juli 2008:


Meine Frau war Numerarierin, ich war Numerarier, und wir sind glücklich, diese Heuchelei hinter uns gelassen zu haben. 


Ich freue mich, dass sich die ehemaligen Mitglieder in verschiedenen Ländern so gut organisiert haben, so dass sie jetzt denen helfen können, die diese sektenähnliche Organisation verlassen.

Mir haben auch einige befreundete Ex-Numerarierinnen erzählt, dass ihr ihnen sehr geholfen habt, in ihr Ursprungsland zurückzukehren und sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Es ist auffällig, wie der Nächste in jenem Gleichnis von einem gerettet wird, der sich in den gleichen Umständen befunden hat.

Meine Frau heißt Charo, mein kleiner Bub Juan Pablo und ich Nicanor.

* * *

Aus Anlass des Besuchs des Prälaten in Lima erinnere ich mich, wie das war, als er 1996 hierher kam und ich ein “guter und treuer” Numerarier war. Meine Vorfreude ließ mich nicht schlafen in den Nächten vor der „Tertulia” im Privatgymnasium Alpamayo. Wir hatten schon einen Haufen Leute organisiert, um die Sessel zu stellen, und da ich Architekt bin, hatte ich die Ausstattung des Saales skizziert, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte.

Falls der Leser denken sollte, dass diese Beisammenseins spontan verlaufen – nicht einmal im Traum. Die Personen, die eine passende Frage stellen sollten, waren schon Monate vorher ausgesucht worden, SupernumerarierInnen und MitarbeiterInnen. Die Verteilung der „Rollen“ verlief  über das Organisationskomitee – das aus streng getrennten Numerariern und Numerarierinnen bestand – und zwar so, dass dem Vater immer nur der Ball aufgelegt wurde, dass er ihn ins Tor schießen kann.

Um das Treffen etwas glaubwürdiger zu gestalten, gab es den Hinweis an das Mikrofon, dass diejenigen, die eine Frage an den Vater richten wollten, einen bestimmten Zettel in der Hand hielten, mit dem sie den mit dem Mikrofon auf sich aufmerksam machten. Ein älterer Mann bat mich um einen solchen Zettel: „Bürschchen, ich möchte den Prälaten etwas über Jesus Christus und die Sklaverei fragen. Da ich „ein guter Sohn des Vaters“ war, gab ich ihm seinen Zettel, und als er ihn dann in die Höhe hob, schaute ich angestrengt in die andere Richtung.

Es ergab sich, dass ich das Mikro einem Mitarbeiter gab – einem ehemaligen Fußballer – mit dem ich die Frage am Vortag schon geübt hatte. Tatsächlich hatten wir den ganzen Tag geprobt. Jahre später wurde der Fußballer, der mit der Mannschaft des Gymnasiums trainiert hatte, hinausgeschmissen und verklagte die Schule – so ist das Leben! Wenn sie jetzt in UDEP herzeigen, was sie 1996 gefilmt habe, werden sie mich sehen, nur ein wenig dicker.

Etwas ganz Ähnliches geschah am Campus der Universität von Piura in Piura. Wir waren mit der ganzen Meute der Bursche von Alpamayo aus Lima gekommen. Der Gruppenbeauftragte setzte uns in die erste Reihe. Aus Höflichkeit überließen wir einigen Priestern die Sitzplätze und setzten uns auf die Estrade, ganz nahe zum „Vater“. Welche Überraschung! Die Priester waren keinesfalls dankbar, dass wir ihnen die Plätze überlassen hatten, sondern versuchten uns von dort zu verscheuchen, weil wir ja den hinten Sitzenden den Blick verstellen könnten!


Es war witzig, als wir ein Kind auf die Estrade hinaufließen. Zumindest in den Videos hatte San Josemaría ja die Kinder gern, oder? Wir hievte es jedenfalls hinauf, dort wo der „Vater“ war. Ein Problem, das wir nicht in Betracht gezogen hatten, war, das es die Hände mit Schokolade verschmiert hatte und dem Prälaten ein Stück anbot, in das es schon hinein­gebissen hatte. Der Vater wurde es ganz schnell los, holte sein Taschentuch heraus und reichte das Stück Schokolade an de Regionalvikar weiter, der uns mit den Blicken durch­bohrte. Wenn die Seher dieses Videos wüssten, dass von all den jungen Numerariern auf der Estrade nur mehr zwei dabei sind…

Ich erinnere mich auch, dass mich eines der Mädchen, die die Dinge für UDEP organisierten, am Arm nahm, um mich zu fragen, wie man das mit den Eingängen organisieren solle. Ich wurde rot wie eine Tomate, stotterte, versuchte mich aus dem Staub zu machen, ohne sie anzurempeln oder zu sagen „Lass mich in Ruh, ich muss zum Vater.“ Ja, die Numerarier handeln ja ganz…  normal.

Schlimmer war es, als mich einer der Burschen zum Haus seiner “Tante” mitnahm. Es stellte sich heraus, dass seine Tante Numerarierin war und in FARO wohnte. Naiv, wie ich war, ging ich mit. Als wir dort hingingen, fiel mir auf, dass ziemlich viele Frauen in die gleiche Richtung gingen. Als wir ankamen, wunderte sich seine „Tante“ nicht einmal, dass ihr Neffe von einem Numerarier begleitet war – denn der Leser muss wissen, dass die zölibatären Gläubigen des Opus Dei nicht über ihre Lebensumstände sprechen– und als der Wagen des Prälaten kam, begrüßten wir ihn. Der Consiliarius [Leiter des OD in einer Region] sah mich ziemlich entgeistert an, so wie er in UDEP schon Basedowaugen gemacht hatte, aber bei dieser Gelegenheit klappte ihm die Kinnlade herunter. Der Beauftragte von St. Michael schimpfte mich aus: “Nicanor, verschwinde von da!” Aber für mich war damals ein Handkuss für den Vater so, wie wenn ich Jesus Christus selbst küssen könnte.

Tertulia mit dem Vater: Was für eine herrliche, “durchorganisierte” Spontaneität!

Nicanor
eco_challengers@hotmail.com  

 

 

Zurück