Eine Ehemalige: Filme über ein Beisammensein mit dem Vater

Freitag, 28. April 2023

Es gab sie, die besonderen Tage für Numerarierinnen, glückliche Tage im täglichen Einerlei. So ein besonderer Tag war, wenn die Leitung hocherfreut ankündigte, dass am Abend ein Film über ein Beisammensein mit dem Vater laufen würde. Da waren die Numerarierinnen im Zentrum sehr erregt. Den ganzen Tag über Aufregung und Vorfreude: Ein Film über den Vater, ein seltener Film. (Er war selten, weil diese Filme bei der Regionalleitung lagerten und rar gemacht wurden, also selten an ein Zentrum ausgeliehen wurden.) Die Numerarierinnen zogen ihre schönsten Kleider an, schminkten und frisierten sich und setzten sich dann im Wohnzimmer vor der Leinwand wie kleine aber manierliche Kinder, auf den Fußboden - und dann lief irgendeiner der Filme über irgendein Beisammensein mit dem Vater mit immer den gleichen Abläufen, den gleichen Fragen, den gleichen Antworten und fast immer sagte der Vater „mein Sohn“ / „meine Tochter“, die verzückten Gesichter der Teilnehmenden, die wissenden Gesichter der Numerarier auf der Tribüne hinter dem Vater und manchmal lachten alle über eine Antwort des Vaters. Und die Numerarierinnen, die den Film sahen, lachten dann auch. Ich habe leider nie verstanden, was da so zum Lachen war. Dieser Vater in den Filmen, die ich einst sah, müsste heute nicht nur der Vater im Himmel sein sondern der Urvater. Urvater Escriva. Denn die verstorbenen Nachväter sind vermutlich auch die Väter im Himmel. Und manchmal stelle ich mir vor, wie freudig erregte Numerarierinnen in Sonntagskleidung vor der Leinwand auf dem Fußboden sitzen und einen Film über ein Beisammensein mit dem Nachfolgevater oder dem Nachfolger des Nachfolgevaters mit den immer gleichen Abläufen, den gleichen Fragen, den gleichen Antworten, die deckungsgleich mit den Antworten des Urvaters sind, schauen und bei einigen Antworten lachen die Teilnehmenden im Film und dann auch die den Film sehenden Numerarierinnen.

Eine Ehemalige