Vamos a la playa – an den Strand!
Mafalda, 23. Juni 2008
Edward Hopper. 'Rooms by the sea'
Diesen Morgen war ich am Meer.
Ich sah
mir die Landschaft an, die die Bucht umgab, in der ich mit einer
leichten Wehmut badete. In einigen Monaten würden sie hier anfangen
zu bauen, und es würde unmöglich sein, den herrlichen Anblick zu
genießen, den die unberührte Landschaft bis jetzt bot.
Ich
genoss es und dachte an die Zeit, als ich nach meinem Austritt aus
dem Opus Dei das erste Mal an den Strand gegangen war. Ich ging ins
Wasser, und während ich meinen Körper eintauchte, fühlte ich meine
Freiheit und genoss es ohne Angst, dass man mir sofort oder eben nach
einigen Stunden eine brüderliche Zurechtweisung geben würde und mir
sagen, dass das, was ich tat, schlecht war. Dieses erste Bad war für
mich wie eine Taufe der Freiheit. Ich erinnere mich, dass ich vor
Glück nicht mehr zu lachen aufhörte. Ich versuchte von den anderen
Badegästen an diesem Strand etwas weiter weg zu gehen, aus Angst,
dass sie mich für verrückt hielten. Ich stieß Jauchzer vor Glück
aus, vor Glück über meine Freiheit. Immer hatte ich mich vom Meer
angezogen gefühlt, vielleicht deshalb, weil ich auf einer Insel
geboren bin…
Ich erinnere mich auch an einen Ausflug, den wir,
fünf Numerarierinnen, auf einem Jahreskurs machten. Für diesen
Ausflug waren einige Wagen gemietet worden, und wir fünf bekamen
einen. Mit uns war das Auto voll, und wir beschlossen auf eigene
Faust, die Küste von Alicante zu erforschen, denn dort hatten wir
den Jahreskurs. Wir wollten „ein Abenteuer erleben“; keine von
uns kannte die Gegend, und das war fantastisch. Wir fuhren mit dem
Auto zur Küste und fanden eine unberührte Bucht, mit fast keinen
Leuten; denn Numerarierinnen dürfen ja nicht dort baden, wo es Leute
gibt, weils sie Angst haben müssen… Wir stellten das Auto ab und
tauchten unter.
So machten wir es, bis wir nach Alfaz del Pi
kamen. Dort war das Wasser so blau wie in der Karibik. Die Sonne
stand weder zu hoch noch zu tief, es ging ein leichter Wind, so dass
es auch nicht zu heiß war. Wo also war das Problem? Es gab viele
Leute am Strand, deshalb gab es nach der Logik des Opus Dei mehr
Gelegenheiten zur Gefahr. Keine von uns konnte einsehen, worin die
Gefahr bestehen sollte, aber wir wollten alle unseren Geist gut
leben, denn derselbe Geist ließ uns auf Holz schlafen, nicht ins
Kino gehen, Weihnachten nicht mit unserer Familie feiern etc.
Während wir den Anblick des Meers genossen, gab es einen
Moment des Zweifels, und eine von uns fragte etwa so:
- also,
hier ist es nicht so wie in den anderen Buchten, wo wir waren; in
dieser gab es mehr Leute...
- Seht ihr diese Leute mit den
Tretbooten? Das muss doch lustig sein, glaubt ihr nicht? Und wenn wir
nur aus Neugier nach dem Preis fragen, um zu sehen, um das reicht,
was wir haben...
- Ja, aber wenn wir uns nach dem Preis
erkundigen, müssen wir an den Strand gehen....
- Ja, das
stimmt...
- Aber wenn wir dort gehen, sind es nur einige Meter,
und wir gehen nicht bei den Leuten vorbei.
- Ich glaube nicht,
dass das schlimm ist...
- Ich auch nicht....
- ...ich glaube
doch; also, ich glaube...
- Gehen wir!!
Die Miete für ein
Tretboot war nicht hoch, aber es konnten nur drei Personen damit
fahren. Bevor sie Zeit hatte drüber nachzudenken, hatte die, die
gefragt hatte, schon ja gesagt und bezahlt. Einige schauten zwar
etwas betreten drein, weil es so schnell gegangen war, aber...
-
Schaut, wir sind fünf, und das Boot ist nur für drei. Wir machen
das so: Wir fahren zu dritt hinaus, und die anderen zwei gehen ins
Wasser und steigen am Ufer zu, an einer Stelle, die ein bisschen
weiter weg ist.
- Aber da müssen wir an den Strand gehen, und
„wir“ dürfen das nicht.
- Mach dir deshalb keine Sorgen. Drei
Minuten am Strand zu sein, den länger brauche wir nicht, das kann
man nicht „am Strand sein“ nennen. So brauchst du das auch nicht
im „Gespräch“ zu erwähnen (so nennt man die Aussprache mit der
zugewiesenen geistlichen Leiterin).
Also gingen unsere fünf Heldinnen zum Meer. Sie konnten nicht aufhören zu lachen, die die schwimmen sollten, erstickten fast vor Lachen, und die anderen mussten sich am Boot festhalten vor Lachen. Sie entfernten sich „von den Leuten“, um nicht „mit Leuten am Strand“ zu sein. Im tiefen Wasser köpfelten unsere Mädchen, machten Wasserbomben und tausend Pirouetten in diesem wunderbaren Boot. Die Lunchpakete waren gut in Plastik eingewickelt, und zur Stunde des Mittagessens gab es ein herrliches Picknick mitten auf dem Meer.
Als die Zeit gekommen war, das Boot zurückzugeben, schwammen die einen, die anderen traten in die Pedale. Wichtig war nur, nicht eine Zehntelsekunde am Strand zu bleiben, damit sich keine in ihrem Gewissen beeinträchtigt fühlen müsste, dem Gebot, „nicht auf den Strand zu gehen“, untreu zu sein.
Auf dem Rückweg zum Jahreskurs hörten wir nicht auf
zu singen, zu scherzen und einfach Spaß zu haben.
Eine Woche
verging, und es war wieder Zeit für den wöchentlichen Ausflug.
Unsere fünf Heldinnen wollten wieder mit dem Wagen ein Abenteuer
erleben. Es herrschte eine brutale Hitze. Aber an diesem Tag wollten
die Reservegötter des Opus Dei, aus Gründen, die viele Leser dieser
Webseite ahnen werden, ihren Ärger über die Freude los werden , die
diese fünf Mädchen empfunden haben. Man verbot ihnen an diedem Tag,
gemeinsam mit einem Autoloszufahren. Dieses Mal konnten sie kein
Sonderprogramm machen, sondern alle Autos, ausgenommen eines, mit dem
einige Frauen des Örtlichen Rates fuhren, mussten auf einen Berg im
Inneren Alicantes fahren.
Unter „Pfeifen und Flöten“,
das soll heißen, Messe, Gebet, Frühstück zuhause, Reinigung von
Zimmer, Bädern, Kapelle und Speisesaal, Lesung und Besuch beim
Allerheiligsten, denn der Ausflug könnte sich ja in die Länge
ziehen, und man sollte sich ja nur ganz wenige Normen für den Abend
aufheben, gingen unsere Mädchen erst um etwa halb eins weg. Als wir
am Fuß des Berges ankamen, den wir hinaufgehen sollten, war es
13.45, und das wohlgemerkt an einem heißen Augusttag.
Ich
erinnere mich an eine „Adscrita“, eine „eingeschriebene
Numerarierin“ von ganz oben, die sich für diesen Tag angekündigt
hatte, denn man hatte ihr erzählt, dass wir die vergangene Woche
sehr vergnügt mit Tretbooten verbracht hatten, und sie kam und
dachte, dass wir etwas Ähnliches vorhatten. Ich glaubte das auch,
bis zu diesem Morgen. Als wir zu den Autos gingen, bekamen wir den
Hinweis, dass wir fünf nicht zusammen fahren durften und dass alle
Wagen ins Gebirge fahren würden. Die Adscrita fragte mich doch
tatsächlich, warum wir nicht einige zusammen ein Auto nehmen und in
die andere Richtung, ans Meer, fahren, denn es war sehr heiß und wir
konnten einen Sonnenstich bekommen.
Wir fünf Heldinnen
schauten uns an, schauten sie an, und ohne zu wissen was wir
antworten und wie wir die Situation erklären sollten (für uns
selbst war es ja nicht nötig, Worte zu machen), sagte wir ihr: „Aber
du wirst schon sehen, wie gut man sich fühlt, wenn man oben
angekommen ist, dass man es erreicht hat ”. Man kann sich das
Gesicht lebhaft vorstellen, dass die Adscrita machte, und dass wir
uns tief drinnen ein wenig schämten.
Daran erinnerte ich
mich, und ich lache mit den Fischen, heute, wenn ich in dieses
durchsichtige Meer eintauche. Ich kann das Meer genießen, als wäre
es das erste Mal, als ich es entdeckte. Die Sache hat so wenigstens
ein Gutes, denn bist du einmal draußen, beginnst du das Glück zu
entdecken, als wärst du ein Baby.