Vertrauensbruch und Lügen

 

Mein erster Kontakt mit dem Opus Dei war in Deutschland. Ich war 12 Jahre alt.

 

Aus Sicht meiner Eltern war dieser Kontakt kein direkter Kontakt mit dem Opus Dei.

Und damit bin ich bei der ersten Lüge im Opus Dei: Meine Eltern glaubten, dass Studentinnen einen Jugendclub mit attraktiven Angeboten leiteten. Angebote wie Hausaufgabenbetreuung, Gitarrenkurse, Sprachkurse, Bastelkurse und vieles mehr. Sie glaubten, dass zusätzlich ein katholischer Priester, der dem Opus Dei angehörte, die geistliche Leitung des Clubs inne hatte. Unter geistlicher Leitung verstanden meine Eltern Gottesdienste. Sie wussten nicht, was das Opus Dei ist, aber da es etwas Katholisches war, glaubten sie mich dort sehr gut aufgehoben. Dass alle Frauen, die das Haus leiteten und die diversen Kurse hielten, Numerarierinnen im Opus Dei waren, wurde verschwiegen.

 

Mir, dem Clubkind, war die geistliche Leitung egal. Ich fand es spannend, dort im Studentinnenheim mit anderen Kindern Unsinn zu treiben, Kurse zu besuchen und mit gut gelaunten Studentinnen befreundet zu sein. Letzteres machte mich sogar ziemlich stolz.

Die zweite Lüge im OD: Als ich 14 war, freundete sich eine Studentin mit mir intensiver an. Dass ich auf einer Liste stand, zusammen mit anderen Mädchen, weil wir die Berufung als Numerarierinnen hätten und innerhalb eines Jahres pfeifen (eintreten) sollten, wussten wir nicht. Wir wussten nicht, dass alle Numerarierinnen dieses Zentrums die Liste kannten. Wir wussten nicht, dass der Priester des Zentrums die Liste kannte.

Die dritte Lüge im OD: In Beichtgesprächen auf Druck der Studentin, in Vorträgen (Betrachtungen) brachte der Priester fortan immer wieder das Gespräch auf das Thema  Berufung. Irgendwann fragte mich die Studentin - sie war für mich inzwischen eine Art Leiterin - ob ich schon mal über eine Berufung zum Opus Dei nachgedacht hätte. Ich bejahte - wurde ich doch immer wieder mit der Nase auf dieses Thema gestoßen -  und sagte, dass dies für mich aber kein Weg sei. Worauf die Studentin erwiderte: Da ich darüber schon nachgedacht hätte, wäre das ein sicheres Zeichen, dass ich die Berufung zum Opus Dei hätte. !!

Die vierte Lüge im OD: Ich fragte, was sich denn für mich als Opus Dei Mitglied zu meinem jetzigen Leben ändern würde. (Zu dieser Zeit besuchte ich einige Male pro Woche den Gottesdienst, betete mehr oder weniger regelmäßig morgens und abends, betete ab und an einen Teil vom Rosenkranz, las in einem geistlichen Buch, besuchte den wöchentlichen Kreis) Die Studentin antwortete: Fast nichts. !!

Verschwiegen wurde mir: als Numerarierin trägt man täglich ein Bußband, geißelt sich wöchentlich, schläft auf einem Brett, verzichtet auf einen Beruf wenn die Leitung es so will und vieles mehr.

Ich aber wollte kein Mitglied werden - selbst ohne das Wissen, wie das wirkliche Leben einer Numerarierin aussah! Die Studentin ließ nicht locker. Jedes Mal, wenn ich ins Zentrum kam, um einen Kurs zu besuchen, stand sie da, drängte mir ein Gespräch auf und drängte mich mit der Forderung zum Eintritt in die Ecke: Sei kein Frosch, trau dich, du wirst sehr glücklich sein, es ist ganz leicht, du hast die Berufung, Gott will es das von dir.

Ich war 15 Jahre alt, ich war ein Kind und ich war der Studentin argumentativ in keiner Weise gewachsen. Dem Druck nachgebend und ohne wirklich überzeugt zu sein, schrieb ich schließlich den Brief mit Bitte um Aufnahme als Numerarierin.

 Die fünfte Lüge im OD: Mir wurde vermittelt, dass der Brief mit Bitte um Aufnahme als Numerarierin ein endgültiger Entschluss sei. Diesen meinen Weg als Numerarierin dürfe ich fortan nicht gefährden.

Meine erste Lüge als Numerarierin: Die Studentin sagte mir, dass ich niemandem, auch nicht meinen Eltern von meiner Mitgliedschaft erzählen solle. Die Eltern würden es meist nicht verstehen. Ich aber sei schon erwachsen genug, um diesen Schritt ins Werk zu gehen. Später, wenn ich volljährig wäre, könnte ich es meinen Eltern erzählen. Dann würden sie sicher sehr froh über meinen Weg sein. Ich folgte dieser Weisung.

Mein Weg der Lüge im OD: Nach einiger Zeit wurde mir das Tragen des Bußgürtels angetragen. Der Bußgürtel durfte nur im Zentrum getragen werden und war auch dort zu deponieren, damit weder die Eltern noch sonst jemand davon Kenntnis bekommt.

Die jungen Numerarierinnen sollten am Kreis (eine kleine Runde, in der eine leitende Numerarierin über einige religiöse Themen sprach) für die Mädchen von St. Raphael (Mädchen, die als Numerarierinnen rekrutiert werden sollen) teilnehmen. Am Ende des Kreises wurde Geld für soziale Projekte gesammelt.  Die jungen Numerarierinnen wurden angehalten, großzügig zu spenden, um den Mädchen von St. Raphael ein Vorbild zu sein, damit die auch großzügig spenden. Nach dem Kreis bekamen die Numerarierinnen von der Leitung ihr Geld zurück. Uns wurde gesagt, dass wir kein Sozialverein wären, sondern selber auf Spenden angewiesen seien. Wir wären eine arme kinderreiche Familie. Wohin das von den Mädchen gespendete Geld ging, weiß ich nicht. Dass Escriva eine prunkvolle, kostbare, teure Privatkapelle besaß (vgl. Escriba: Die Privatkapelle des "Vaters") wusste ich damals nicht.

An diese und andere Forderungen von Heimlichkeiten habe ich mich gehalten und wurde so zur Lügnerin.

Mein Leben als Numerarierin war unglücklich. Mein Austritt war eine Befreiung.

Seit vielen Jahren bin ich sehr glücklich verheiratet, habe einen spannenden Beruf und lebe das Leben, das ich will. Ein „armes Schwein“ war ich als Numerarierin.

Wenn sich Erwachsene in Kenntnis aller Normen und Gewohnheiten des OD zu einem Leben in dieser Vereinigung entschließen, so ist ihnen das unbenommen.

Wenn Mitgliedschaften unter Druck und unter Verschweigen der Konsequenzen, unter Verschweigen des wirklichen Lebens, erzwungen werden, so ist das Missbrauch von Vertrauen.

Wenn Kinder zum Eintritt gedrängt werden, so ist das ein Skandal.

Dem Opus Dei muss Jugendarbeit untersagt werden.

 

Freebird, 2.5.2010