Die neue Kommandozentrale in Mexiko

 

Sancho1964, 21. Juli 2010

 

Vor einigen Tagen hat ein guter Freund aus beruflichen Gründen die Baustelle für das neue Gebäude der Regional-kommission des Opus Dei besucht und mir dann gezeigt, worum es sich dabei handelt... Ich kenne die tiefsten Gründe nicht, die die Autoritäten der Prälatur für den Wechsel ihres Hauptsitzes anführen, aber ich habe gehört, dass es „angebracht sei, dass die Regionalkommission und die Assesuria [das Leitungsgremium für die weibliche Abteilung] zusammen untergebracht sind; der Ort, wo das jetzt der Fall ist, bringt Probleme mit sich; das  Gebäude erfüllt seine Aufgabe nicht mehr; in dieser Gegend der Stadt gibt es keine Familien mehr (die uns interessieren!)...” Wenn ich also recht informiert bin, wird das Gebäude die Leitungsgremien der männlichen und der weiblichen Abteilung sowie das Studienzentrum der Auxiliarinnen (?) beherbergen. All das sind nun gewiss triftige Gründe, um das Hauptquartier, zu verlegen, aber...

Ich habe die derzeitige Regionalkommission kennen gelernt, als ich im Studienzentrum (CIES) gleich daneben wohnte. Nur sehr selten kamen die Studenten von dort an die ehrwür­dige Stelle: dunkel, labyrinthartig, niedrige Decken, „klassische“ Einrichtung (daran erinnere ich mich). In diesem “Allerheiligsten” war ein einfacher Sterblicher nicht willkommen. Ich erinnere mich nur einmal dort gewesen zu sein: Ich war aus dem Studienzentrum gekommen, mit Tränen in den Augen, wollte gehen, und der Beauftragte von St. Michael konnte mich, einmal mehr, überreden zu bleiben, mit einer ganz gemeinen Erpressung – mir tut es heute leid, Gott wird darüber urteilen.

Dieses neue Gebäude gibt einiges zu denken:

Natürlich haben sie sich die beste und teuerste Gegend von Mexiko City ausgesucht (sie werden sicher sagen, dass es eine großzügige Spende eines Supernumerariers oder eines Mitarbeiters war). Sie dachten an keinen diskreten Ort, nein und nochmals ein: oben auf einem Hügel sollte es sein, und nichts soll und wird jemals die Aussicht darauf verstellen! Es ist kein Zufall, dass dies wunderbar zum Arbeitsschwerpunkt der derzeitigen Direktoren der Prälatur in Mexiko passt: Man muss zu den Besten gehen (sprich, den Reichsten!) Deshalb ist auch die neue Riesenkirche zum hl. Josémaría gleich in der Nähe, noch so ein Denkmal für den materiellen Erfolg der Institution, ihren Reichtum und das, was ihre Leiter für typisch, für die Spitze der Gesellschaft halten. Für mein Verständnis von Architektur hingegen ist es armselig. Warum sie es nicht in ein normales Wohnviertel bauen? Dann müssten sie aufhören, sich für etwas Besonderes zu halten. Was hätten denn die Mitglieder des Werkes gesagt, wenn ihre Oberen sich entscheiden hätten, ihr Hauptquartier inmitten der Stadt Nezahualcoyotl, ein ungeheures und armes Gebiet? Das wäre eine schöne Gedankenübung...

Natürlich haben sie bei der Konzipierung dieses Gebäudes nicht an ein “helles und frohes Zuhause” gedacht. Dieses Gebäude erscheint mir ganz wie das Flaggschiff eines internationalen Konzerns – und ist es das nicht? 6 Stockwerke, dazu 2 unterirdisch (sie haben gesagt, “damit es nicht zu groß erscheint” (?). Der Eindruck, den man macht, ist eben ganz besonders wichtig...

Natürlich kann man auch jede Annehmlichkeit, Bequemlichkeit und moderne Ausstattung genießen, mit der eine Mittelstandsfamilie heutzutage rechnen darf, so zum Beispiel in einem der Untergeschoße Fitnesscenter und Schwimmbecken (sehr diskret, in einem nicht zugänglichen Bereich; die Nachbarn sollen keinen Anstoß nehmen!), die der Regionalvikar und alle anderen nützen können, die „die heilige Unverschämtheit“ besitzen hier zu wohnen… 


Man rechnet in großen Maßstäben: 8 Geschoße à 2.250 m2, das macht insgesamt 18,000 m2; die Errichtung kostet gut und gern 30.000.000 $; rechnet man den Preis für das Grundstück dazu (ca. 7000 m2), das wären nicht unter 9.000.000 $, und nicht zu reden von Möbeln und Ausstattung... Der Spaß wird ihnen  mindestens 40.000.000 $ kosten. Vor einer Woche habe ich mit einem Numerarier zu Abend gegessen – einem von denen, die wissen, wie die Dinge „zuhause” laufen – und er hat mir bestätigt, was alle wissen: Die korporativen Werke – das sind die, mit denen das Opus Dei offiziell nichts zu tun hat, sie kümmern sich  nur um die geistliche Betreuung (ja natürlich) ‒ müssen selbstverständlich ökonomisch strikt vorgegebene Beträge an die Prälatur abwerfen. Deshalb, erklärte er mir, zahlt auch die Universidad Panamericana ihren Professoren auch lächerliche Gehälter und wird sie noch weiter kürzen. 

Welche Institution der Kirche könnte es sich leisten, solche Geldflüsse zu arrangieren, und, schlimmer noch, sie auf eine solche Weise zu investieren? Wer würde daran keinen Anstoß nehmen?


Vor einiger Zeit wurde ein wichtiger Leiter der Prälatur in diesem Land gefragt, welches die wichtigten Arbeitsgebiete des Opus Dei hier wären, und er fing an: „Zum Beispiel die Universidad Panamericana, die Landwirtschaftsschule Peñón, Jaltepec, die Gymnasien Cedros, Liceo del Valle...” Seine Wortmeldung war schlussendlich das Eingeständnis, dass man das Ziel, dessentwegen die Institution gegründet worden war, aus den Augen verloren hat;  sie beschränken sich jetzt darauf, Jugendliche zu erziehen (nur hier findet man Berufungen...). Außerdem nannte er mit einigem Stolz den “materiellen Erfolg”. Ich erinnere mich, dass ich mir, naiv wie ich damals war, die Berufung als einen Weg zeigen ließ, auf dem man sich inmitten der Welt heiligt, dem Nächsten unauffällig helfen kann, in seinem eigenen Umfeld, ohne einen Gruppe zu bilden, wie Sauerteig in der Masse aufzugehen, sich aufzulösen wie das Salz... Jedes Mal, wenn ich dran denke, tun mir die leid, die noch dabei sind.

Ich habe diese Fotos einem Numerarier gezeigt, einem guten Freund; natürlich regte er sich darüber auf: “...du kannst zurecht sagen, dass das ein ungeheurer Koloss ist. Das stimmt. Das steht im Widerspruch zur Nüchternheit, es ist eine Ohrfeige für die Armut. Das ist nur mehr Angeberei. Das ist Maßlosigkeit. (...) Zuhause merkt man nichts davon. So hat sich die Leitung der Institution gewandelt: eine Riesenmaschinerie, eine knallharte Konstruktion, um Menschen zu mobilisieren, zu manipulieren und an Ressourcen heranzukommen: Geld, Beziehungen  etc.” Ich denke, dass ein jeder mit ein wenig common sense zu diesem Ergebnis kommen wird... ausgenommen die Direktoren...

Was soll man von einer kirchlichen Institution halten, die sich in ein solches Abenteuer stürzt? Für mich ist dieses Gebäude ein Denkmal menschlichen Ehrgeizes und Stolzes... und niemand soll mir etwas von Demut erzählen, von Nächstenliebe und Fürsorge  für die Nächsten. Aber es soll jeder seine Schlussfolgerungen selbst ziehen.

Sancho1964

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