Dennis Dubro (USA) :

Siebzehn Jahre im Opus Dei

 

 

Im englischen Orginal:           http://www.odan.org/tw_seventeen_years.htm 
Spanische Übersetzung:         http://www.opuslibros.org/nuevaweb/modules.php?name=News&file=article&sid=3301 

 

 

Einleitung

Ich bin praktizierender Katholik. Ich schreibe, um Katholiken und Nichtkatholiken vor dem Opus Dei zu warnen. Auch Nichtkatholiken können als Mitarbeiter des Opus Dei angeworben werden. In den siebzehn Jahren meiner Mitgliedschaft habe ich Opus Dei vieles tun gesehen, was die Gewissen anständiger aufrechter Menschen stört; sie werden fortfahren in dieser Weise zu verfahren, bis sie öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Opus Dei, der lateinische Name für „Werk Gottes“, ist eine Personalprälatur der katholischen Kirche, die den Anspruch erhebt, gewöhnliche Laien dazu zu verhelfen, ihr berufliches, soziales, kulturelles, spirituelles und ihr Familienleben Gott darzubringen, um diese Arbeiten in ein Werkzeug zu verwandeln, ihr eigenes Leben zu heiligen und die Welt Gott näher zu bringen.

Das ist ein sehr anspruchsvolles Unterfangen. Opus Dei hat viele Mitglieder, die sehr gut sind und viel Gutes tun. Allerdings ist Opus Dei eine sehr straff organisierte und durchstrukturierte Organisation. Viele sind jahrelang Mitglied, ohne sich dessen bewusst zu werden, was an der Spitze vorgeht. Um es mit dem Evangelium zu sagen, „wer Ohren hat, der höre“ (Mt 13,43). Bevor man sich näher mit ihnen einlässt, sollte man sich darüber klar werden, ob Opus Dei wirklich der Weg ist, den man gehen möchte.


Meine Geschichte: Rekrutierung und erste Jahre

Ich wurde für das Opus Dei angeworben, als ich nach Boston ging, um 1969 mit dem Physikstudium an der M.I.T. (Massachusetts Institute of Technology) zu beginnen. Opus Dei hatte ein altes Gebäude an der Marlborough Street in der Nähe der Back Bay zu einem Studentenheim umgebaut, das sie „Trimount House“ nannten. Ein oder zwei Jahre später wurde es geschlossen, und das Apostolat übersiedelte in ein Zentrum, das „Elmbrook“ hieß, in der Follen Street, genau hinter Harvard in Cambridge. Opus Dei eröffnet Zentren in Universitätsstädten, um an tüchtige junge Menschen heranzukommen, die sich im Lauf der Zeit in entscheidende Positionen der Gesellschaft hochgearbeitet haben würden.


Opus Dei wendet die „Zelltechnik“ an, wie die Kommunisten. Die Menschen sind in Zellen oder Kreisen organisiert, nach Beruf oder Lebensweise getrennt, man spricht nicht über andere Mitglieder und trifft mit ihnen auch nicht zusammen, außer man arbeitet an denselben Projekten oder apostolischen Unternehmungen.

Opus Dei fand heraus, welche Studenten von katholischen Gymnasien kamen, und sie kamen während der „Rush Week“ zu uns, wenn die Studentenheime die Erstsemestrigen ansprechen, um zu Heimbewohnern zu kommen.

Ich war nicht besonders an ihrem Haus interessiert, aber als Katholik wollte ich andrere Katholiken treffen. Es war klar, dass einige (die Leiter und die Priester) in einer lebenslangen zölibatären Bindung an die Organisation lebten, und der Direktor des Zentrums erklärte mir das Ausmaß der Bindung. Als ich ihn fragte, ob er gehen könne, lächelte er und sagte „Ja“, er könne gehen, aber sofort kam der Appell an das Schuldgefühl, der so typisch für das Opus Dei ist. Er sate, er könne das Opus Dei verlassen, er würde dafür Gott beim Jüngsten Gericht Rechenschaft ablegen müssen.

Da ich in einer katholischen Umgebung aufgewachsen war, schockierte mich die Umgebung einer weltlichen Universität, und die Hochschulseelsorge half mir nicht sehr weiter. Ich machte mir Sorgen darum, meinen Glauben zu bewahre und zu fördern. Abgesehen von den Mitgliedern, die offenkundig Verpflichtungen eingegangen waren, von denen ich später erfuhr, dass sie „Numerarier“ hießen, und da waren andere Mitglieder, junge, freundliche Studenten aus der ganzen Welt, die genaue Vorstellungen über ihre Laufbahn hatten und die planten, nach Abschluss ihrer Studien nach Hause zu ihren Familien zurückzukehren. Nach einigen Mnaten lud mich mein Mentor, einer dieser Studenten aus Brasilien, zum Beitritt ein. Er hatte mir erzählt, dass seine Verpflichtung völlig laikal war und nichts mit einem religiösn Orden zu tun hatte, und ohne Gelübde; er lebte einfach seine Berufung als Christ, zu der alle Menschen berufen sind. Ich entschied mich beizutreten, wie ich mich entschied, dem katholischen Hochschulclub beizutreten. Es überraschte mich, dass ich einem Priester nach New York schreiben sollte, von dem ich noch nie gehört hatte. Man sagte mir auch, dass ich die Mitgliedschaft in einer Form anstreben sollte, von der ich noch nichts gehört hatte. Ich fand den ganzen Vorgang etwas ordnungswidrig, und unter anderen Umständen wäre ich aufgestanden und gegangen. Opus Dei sagte, dass sie von der katholischen Kirche  zur Gänze anerkannt seien, und sie ließen ihre Priester überall aufmarschieren, um das zu beweisen. Weil ich der Kirche vertraute, trat ich bei.

Ich wurde eingeladen, als „Supernumerarier“-Mitglied beizutreten. Mein Mentor hatte mir gesagt, dass das diejenigen Mitglieder seine, die normalerweise heiraten. Die Leitung hatten die Numerarier inne. Später wurde ich als Numerarier aufgenommen. Der Unterschied zwischen beiden Kategorien war frappierend. Der Gründer des Opus Dei schrieb in „Der Weg“, Nr. 28: „Die Ehe ist für den Großteil des Heeres Christi, nicht aber für seinen Führungsstab.“ Das ist ein wichtiger Punkt, wenn man die Propagandaaussagen von Supenumerariern im Internet oder bei Zeitungsinterviews richtig werten möchte. Man nimmt an, dass die Mehrzahl der Mitglieder Supernumerarier sind, und sie stellen das „Aushängeschild“ des Werkes dar, das Salz der Erde, die die imageträchtigen, kinderreichen Familien repräsentieren. Die Supernumerarier haben aber selbst keine Ahnung, was im Opus Dei vor sich geht. Wenn man die Vorgänge in einer Armee begreifen will, muss mn wissen, ob mn einen einfache Soldaten oder einen General fragt.

Vor der Aufnahme in das Opus Dei wird man einem Priester vorgestellt, der einen „fischt“, der, unter dem Kontext geistlicher Leitung, deine Lebensweise überprüft. Während der Zeit der Bildung lernt man, dass man sich öffnen muss, um im inneren Leben zu wachsen – das geschieht in der „Aussprache“, ebi einem erfahrenen Leiter. Dem Priester gegenüber ist das einfacher, weil es unter dem Siegel des Beichtsakraments geschieht, und in einem Prozess langsamer Gewöhnung wird man dahin geführt, seiner Seele einer Person zu offenbare die man kennt. Nach dem Beitritt bekommt man formell einen geitlichen Leiter zugewiesen, und der Vorgang verläuft außerhalb des “Beichtsiegels“, sondern im Bereich der „Aussprache“ mit dem Leiter, einem Laien. Du weißt zu diesem Zeitpunkt noch nichts über Opus Dei. Es ist ein Prozess, in dem sie dich ausforsche und deinen Eifer prüfen.

Als mein erstes Jahr an der Uni zu Ende ging und ich mich anschickte nach Kalifornien  zurückzufahren, 3000 Meilen weit weg, sagten sie mir die „gute Neuigkeit“, dass es in San Francisco, eine Autostunde von mir entfernt, ein Zentrum gab. Rückblickend muss ich sagen, ichb war von Opus Dei benützt worden, um die Ausbreitung an die Westküste zu unterstützen.

Im Herbst kehrte ich an die Fakultät zurück. Opus Dei hatte es sehr sehr deutlich gemacht, dass wir kein Orden waren und dass sich unser Gehorsam nur auf unser geistliches Leben und auf das Apostolat bezog. Man erwartete von uns, einen Beruf zu haben, und das spezifische Charisma des Opus Dei als einer Laienorganisation bestand darin, dass wir uns durch unsere berufliche Arbeit heiligen sollten, indem wir diese gut getane Arbeit Gott aufopferten und Apostolat machten, um das Reich Gottes auf Erden zu errichten. Wir sollten unseren Beruf wählen und frei ausüben, in Übereinstimmung mit unserem Gewissen und den höchsten beruflichen Standards. Wir sollten nicht nur finanziell unabhängig sein, sondern auch hart genug arbeiten, damit uns Geld übrig bleibt, um das Werk und seine Apostolate zu unterstützen.

In der Mitte der Trimesters sagte mir mein Direktor, dass sie ein „Wochenende auswärts“ mit einem Haufen Jungs organisieren, um über das Apostolat zu sprechen und Pläne für das Jahr zu machen, und dass ich "eingeladen" war. Tatsächlich war es reichlich spät, mitten im laufenden Trimester über die Jahresplanung nachzudenken, und wir befanden uns bereits in den Prüfungsvorbereitungen. Ich hatte am Montag darauf eine wichtige Trimesterprüfung, für die ich lernen musste, und es war unprofessionell, jetzt Zeit für ein Ereignis abzuzihene, das mir so kurzfristig avisiert worden war. Mein Direktor war ziemlich enttäuscht über mich, aber sagte “OK.” Bei der geistlichen  Leitung in der Woche darauf nahm mein Direktor Platz und erklärte, dass Direktoren schwere Verpflichtungen gegenüber den ihnen anvertrauten Seelen hätten und dass diese Bildungswochenenden etwas sehr Ernstes wären. Dass ich darn nicht teilgenommen hätte, wäre ein formaler Ungehorsam, und ich hätte dieses Jahr das Apostolat auf eine schwer wiegende Weise hintangesetzt. Damit begannen sich mir das „Kleingedruckte“ des Beitrittsvertrags zu erklären, dass nämlich das Apostolat Vorrang vor der beruflichen Arbeit hätte – und, wie ich noch herausfinden sollte, vor allem anderen.

Ich machte meinem Direktor klar, dass ich meine Weigerung, nicht daran teilzunehmen, nicht als etwas so Schlimmes empfand, und ich würde das Opus Dei ohnehin verlassen, wenn ich mein Studium abgeschlossen hätte und nach Kalifornien zurückgegangen sei. Da erklärte mir mein Direktor das nächste „Kleingedruckte“, dass nämlich jemand, der dem Opus Dei beigetreten sei, sich auf Lebenszeit verpflichtete – ja, auf Lebenszeit! Mit dieser nachträglichen  Einsicht wurde mir klar, dass mein Beitritt übereilt vorgenommen worden war, damit mein Mentor, der selbst erst frisch angeworben war, seine apostolische Quote erfüllen konnte. Ich wusste, dass ich aufgrund einer Entscheidung, die ich ohne ausreichende Information getrifen hate, nicht zurückbehalten werden konnte, aber es wurde heftig, als das Gespräch plötzlich auf die Autorität der Kirche, Gott und die Berufung kam. Ich hatte in dem vergangenen halben Jahr versucht in meinem inneren Leben zu wachsen. Ich fühlte mich von Opus Dei nicht bedroht, aber es war ein echter Schock all diese Dinge zu hören. Wir meisterten dieses kleine Problem. Meine Direktoren sagten mir, dass noch ein anderer „Brief“ geschrieben werden müsste, aber es würde das nichts ausmachen, falls ich nach wie vor gewillt wäre ihr geistliches Bildungsprogramm in Anspruch zu nehmen. Eventuell würde ich den „Brief wegen der Aufnahme“ zweieinhalb Jahre später schreiben. In den nächsten Jahren erfuhr ich mehr über die Struktur von Opus Dei. Es zeigte sich, dass mehrere Briefe zu schreiben waren, bevor man wirklich Mitglied war. Der erste Brief, mit dem ich „gepfiffen“ hatte, war kirchenrechtlich ohne Bedeutung. Es war ein Brief mit der Bitte um Aufnahme in einen geheimen Probestatus. Ich verwende das Wort „geheim“, denn du bittest aufgenommen zu werden und erfährst, dass der Brief angenommen wurde. Wie ich gezeigt habe, ist man zwar de jure noch kein Mitglied, aber sie sagen die, dass du es bist, und sie disziplinieren dich, indem sie den Gehorsam gegenüber ihren Direktoren  geltend machen. Der zweite Brief, der formal „Admission“ heißt, bindet nach Kirchenrecht und nach ihren Statuten  ebenfalls noch nicht, denn das Mitglied kann jederzeit sanktionslos gehen, ohne um Erlaubnis bitten zu müssen, aber das erfährt man nie. Man findet das erst Jahre später heraus, wenn man selbst zum Direktor ausgebildet wird.

 

Übersiedelung nach Australien

 

Als der Abschluss näherrückte und ich neue Karrierepläne schmiedete, baten mich meine Direktoren nach Australien zu gehen, um dort einen Akademikerposten anzunehmen und bei den Anfängen eines korporativen apostolischen Unternehmens, des Warrane College, zu helfen, einem Studentenhiem mit 200 Betten, nur für Männer, auf dem Campus der Universität von of New South Wales in Sydney; es lief jetzt das dritte Jahr. In der australischen Gesellschaft versteht man ein „College“ als ein Beherbergungsunternehmen, das an einer Universität einen offiziellen Status genießt. Nach den Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, setzten wir uns einmal zusammen und hatten eine sehr offene Diskussion darüber, was genau dieser Auftrag erfordert. Man stimmte mir zu, dass dies nur eine einfache Anfrage war, die in meinem Fall nicht unter Gehorsam bindend war, aber ich würde ein gutes Werk tun und mir einen Schatz im Himmel erwerben, indem ich das Werk Gottes ausbreitete.

 

Ich ging auf eigene Kosten nach Australien und regelte meine weiterführenden Studien. Meine erste Wahl war das nicht, aber wegen des Apostolats entschied ich mich so zu handeln und blieb im Bannkreis des Opus Dei.

 

Dieses Studentenheim war eine neue apostolische Unternemung des Opus Dei. Es war größer als die anderen Heime, die sie sonst in Universitätsstädten unterhielten, und es ware keine rein private Unternehmung. Es stand auf dem Campus der Universität, mit staatlicher finanzieller Unterstützung erbaut und war von der Universität offiziell als angeschlossenes Heim anerkannt. Die australische Regierung, die die Gesamtheit der Universitäten innehatte und verwaltete, hatte nicht den „amerikanischen Komplex“ der Trennung von Kirche und Staat. Sie anerkannte, dass es einen allmächtigen Gott gibt, der die Welt erschaffen hat, und es bestand die Bereitschaft, mit religiösen Vereinigungen zum gemeinsamen Wohl der Gesellschaft zusammenzuarbeiten. Die Universität wollte gute moralische Werte unterstützen und schloss Verträge mit jüdischen, protestantischen und katholischen Organisationen ab, um Heime mit einem hohen Grad an Autonomie zu eröglichen. Infolge davon kamen Studenten an die Universität und meldeten sich am Warrane College an mit der Vorstellung, in einem „katholischen“ Studnetenheim zu leben. Erst nach dem Einzug erfuhren sie von Opus Dei.

Zu meiner großen Überraschung gab es eine heftige Opposition gegen die Präsenz von Opus Dei, das ein rein männliches Heim auf einem weltlichen Campus unterhielt. Sicher hatte ein Großteil des Protestes seinen Ursprung darin, dass weiblicher Besuch im Wohnbereich nicht gestattet war; das stand in einem scharfen Gegensatz zu den Gepflogenheiten in den anderen Heimen in Australien, die zur Koedukation übergegangen waren. Als Katholik mit einem tief geprägten Respekt und Liebe zur Gabe der Sexualität unterstützte ich das Opus Dei aus eigener Überzeugung in dieser Vorgangsweise.

Es gab eine Menge Regeln – ausgesprochene und unausgesprochene – in Bezug auf Gäste, Kleidung, Putzzeiten und Ausgangssperre, die bei der Aufnahme nicht erschöpfend erklärt wurden, und es gab eine Menge Unruhe, als die Studenten herausfanden, welchen Regeln sie sich hier unterwerfen sollten. Opus Dei versuchte hier, sein Studentenheim so aufzuziehen wie eine private Untekunft à la Trimount House in Boston und das Ambiente zu kontrollieren. Da ich ein Mitglied war, erwartete man von mir, die Regeln zu unterstützen, und ich verstand jetzt, warum sie Mitglieder um die halbe Welt zu ihrer Unterstützung heranschaffen mussten. Am schwierigsten einzusehen war, warum selbst männliche Besucher nur im Besucherareal des Erdgeschoßes zugelassen waren. Meine Direktoren hatten mir vier Jahre lang erklärt (und ich hatte es vier Jahre lang anderen weitergesagt), dass wir eine laikale Spiritualität hätten; und dann versuchten sie dieses Studentenheim in ein Kloster zu verwandeln.

Als im Jahr 1970 Warrane seine Pforten öffnete, organisierte die Studentenvertretung eine Demonstration gegen dieses rein männliche Heim. Die Demo artete in einen Aufstand aus, mit eingeschlagenen Fenstern, Polizeieinsatz, Verbrennung von Bildern und Tränengas. In der Folge verfügte die Universität, dass die Restriktionen bei männlichen Besuchern unverständlich und deshalb aufgehoben seien. Von Seiten des Hauses blieb die unausgesprochene Politik bestehen, Besuche zu verhindern bzw. einzudämmen.

Ich kam 1974 an, vier Jahre nach dem Aufstand. Es gab noch immer ziemliche Spannungen im Heim wegen der Regeln. Man erwartete von uns, ständig Apostolat mit den Studenten zu machen, indem wir sie einluden: zu den vom Priester gehaltenen Betrachtungen, zur geistlichen Leitung, zur Sonntagsmesse und zu den Bildungskreisen, die unsere Direktoren abhielten. Unsere Direktoren waren in diesem Punkt sehr fordernd und erwarteten von uns, ein „Nein“ nicht hinzunehmen, wenn es um geistliche Veranstaltungen ging. Und im inneren Leben und im Apostolat wurde Gehorsam erwartet. Ich tat mein Bestes die Leute fair und anständig zu behandeln, aber der Druck, apostolische „Erfolge“ vorzuweisen, beeinträchtige alle meine Beziehungen zu den anderen.  

Ich begann Ressentiments gegenüber dem zu empfinden, was ich sah. Opus Dei sagt, dass sein Apostolat auf der Freundschaft beruht, aber es basiert auch auf beruflichem Prestige, öffentlichem Ansehen und Gruppendruck. Einer unserer Direktoren war ein Kubaner, der in Spanien aufgewachsen war. Er war graduierter Physikstudent und „Senior tutor“ im Heim. Er bildete sich auf seinen ausländischen Grad ziemlich viel ein und erwartete sich von den Studenten, entsprechend seiner Würde behandelt zu werden. Ich selbst fand seine Allüren und sein Benehmen gegenüber den Studenten beleidigend. Englisch war nicht seine Muttersprache und er versuchte ständig die Jüngeren durch den Gebrauch komplizierter englischer Ausdrücke, die er gelernt hatte, zu verwirren. Ich war Zeuge, wie er sie beleidigte und ihre Ansichten attackierte; umgekehrt nahm er die Autorität der Kirche in Anspruch, wenn man ihm einmal am Zeug flicken wollte. Einige Studenten beschwerten sich bei mir über ihn, aber da ich vom Opus Dei war, erwartete man von mir, am selben Strang wie er zu ziehen und die Studenten zu ermuntern, seinem Rat und seinen Hinweisen zu folgen. Im Opus Dei weist kein Mitglied ein anderes zurecht oder ermahnt ihn wegen seines Benehmens, ohne den formalen Prozess der „brüderlichen Zurechtweisung“ einzuhalten, die von einem Direktor gesteuert wird. Ich versuchte zweimal, ihm eine solche brüderliche Zurechtweisung zu erteilen. Als ich das besprach, sagte man mir, dass diese Person Studenten auf ihre Qualitäten hinsichtlich einer möglichen Berufung prüfe und herausfordere und dass ich ihm keine Zurchtweisung erteilen könne. Er fuhr fort, Leute zur Berufung zu drängen, und eines Tages gab ihm ein Student eine beleidigende Äußerung zurück. Er wurde zornig und schlug den Studenten. Allen Mitgliedern des Werkes sagte man, dass der Vorfall nicht zu erwähnen sei und dass man auch nichts kommentieren solle, wenn man darauf angesprochen würde. Von unseren Direktoren erfuhren wir nichts anderes, als dass der Student ihn „auf ungerechte Weise provoziert“ habe. Man verbot uns, Augenzeugen zu fragen was geschehen sei, und deshalb kann ich bis heute nicht genau sagen, was wirklich geschehen ist. Möglicherweise hat sich der Vorfall auch in Wohlgefallen aufgelöst.

 

Einige Jahre später zog dieser Leiter aus, um ein offizielles Opus Dei-Zentrum in einem Vorort von Roseville zu eröffnen. Es hieß Dartbrooke Study Centre und befand sich in der  Oliver Road. Nach einer Betrachtung standen die Leute auf dem Gang, tratschten und verabschiedeten sich. Ich sah, wie dieser Leiter einen Beitrittskandidaten ins Gesicht schlug. Der Student war vollkommen überrascht. Dann ballte er die Faust und erhob seinen Arm. Der Leiter machte einen Schritt zurück, zeigte auf die Füße des jungen Mannes und sagte ihm, er solle es nicht wagen zurückzuschlagen – er sei der Direktor des Hauses und sei zu respektieren. In diesem Moment trat der Priester dazwischen. Er stellte sich zwischen die zwei, gab dem Burschen eine Umarmung und sagte, man solle ihn nicht schlagen, er wäre ein guter Kerl. Es war nicht wirklich ein Tadel oder eine Zurechtweisung, es war mehr das Spiel „good cop – bad cop“. Der junge Mann kam noch eine Weile zu den geistlichen Veranstaltungen, aber er trat nicht bei. Heimlich freute ich mich über seine „Flucht“.

Eine der Vorgangsweisen des Opus Dei besteht darin, junge Direktoren in  geistige Leitungspositionen zu hieven. Uns wurde von Anfang an gesagt, dass wir damit zu rechnen hätten. Unter anderem ist dies eine Methode, Menschen und Vorgänge unter Kontrolle zu halten, denn man geht davon aus, dass ältere Mitglieder diesen Jüngeren unabhängig von ihrer Erfahrung oder ihrem Auftreten gehorchen. Ich wurde schließlich einem Direktor zugewiesen, der in geistlicher Leitung geübt war. Er war berühmt für seine Wutausbrüche, wenn etwas nicht nach seinem Sinn lief. Er hatte zwar einen Kurs in Theologie abgeschlossen, aber von geistlicher Leitung verstand er nichts, auch wenn er selbst von seinen Fähigkeiten überzeugt war. Er war von der Regionalkommission ernannt worden, und eines Tages sagte er uns etwas Seltsames. Er sagte, dass der Anfang des Opus Dei in einem neuen Land eine kritische Zeit bedeutete und dass nur die Besten in Leitungsfunktionen berufen werden dürften.

 

Dieser Leiter besaß einen tiefen „Einblick“ in meine Seele, und er bemerkte dort angebliche Charakterfehler, die sich in der Ausnützung der Zeit zeigte. Auf diese Tugend wird nämlich im Opus Dei großer Nachdruck gelegt. Da man von uns erwartete, dass wir unser Leben durch die berufliche Arbeit heiligen, wäre es  ein schweres Vegehen, die Zeit, die Gott ins gegeben hat, zu vergeuden, und die Mitglieder werden ständig zurechtgewiesen, weil sie ihre Zeit nicht gut nützen. Als ich um seine Rat bat, um diesen Fehler besser zu erkennen und von der Wurzel her auszumerzen, meinte er, ich hätte nicht den guten Willen seinen Rat anzunehmen. Zur Strafe erlegte er mir Schweigen auf und verbot mir, in der geistlichen Leitung Fragen zu stellen. Wenn ich versuchte, gegen die Behandlung Einspruch zu erheben, bekam er einen Wutanfall und hielt mir lange Vorträge darüber, was es für ihn bedeutete, meine Seele zu leiten; er sagte, er habe vor Gott die ernste Verpflichtung, meine Fehler zu korrigieren, in dieser Institution des Opus Dei, die von unserem heiligen Gründer geschaffen worden war, dass der Gründer für uns gelitten habe und unter großen Gefahren und Entbehrungen mitten im Winter während des Spanischen Bürgerkrieges die Pyrenäen überquert habe um all dies möglich werden zu lassen; ich hätte die heilige Verpflichtung zu gehorchen, und ich sollte für meinen Mangel an Dankbarkeit Buße tun. Das wiederholte sich einige Wochen hindurch, bis ich gelernt hatte, dem zuzustimmen was er mir sagte. Als ich später einmal versuchte, mich über ihn  zu beschweren, grinste der Direktor, bei dem ich mich beklagte, und ließ an dem anderen keine Kritik zu. Im Gegenteil, er sagte ruhig, dass wir unseren Leitern immer gehorchen sollten. In sich war diese Art der geistlichen Führung Zeitverschwendung, aber es zigte mir, dass die Leiter ständig die Kontrolle behalten wollten. Sie ließen keine Art von Opposition zu, und sie ließen mich für die restliche Zeit meiner „Berufung“ unter der beständigen Drohung, mich schweigen zu lassen.

 

Jemand, der nicht drinnen ist, würde sich wundern, wie so etwas geschehen kann. Es geschieht, weil hier ein Extremismus am Werk ist, der sich ständig steigert: Mitglieder und Direktoren stehen unter dem ständigen Druck, apostolische „Quoten“ zu erfüllen, und sie hätten dazu den Segen und den Beistand Gottes. So nennt das Opus Dei beispielsweise als offiziellen Todestag seines Gründers, des heiligen Josemaria Escriva, den 26. Juni 1975. Aber dieser geistliche Leiter versuchte einer Gruppe von uns einzureden, dass der Heilige Escriva bereits am 27. April 1954, wie wohl bekannt sei, an einem hypoglykämischen Schock gestorben und dann auf wunderbare Weise von den Toten auferstanden sei, um die Gründung des Opus Dei anzuschließen, bevor er 1975 zum zweiten Mal gestorben sei. Diese Offenbarung sei ihm von einem der ältesten lebenden Mitglieder des Opus Dei in in einem ruhigen Gang des Zentralhauses in Rom anvertraut worden. Dieser Direktor habe ihn getroffen und sein auferstandenes Fleisch berührt. Einige von uns sagten, das sei lächerlich. Er bekam wieder einen Wutanfall und forderte uns ausdrücklich zum Schweigen auf. Er bestand darauf, dass wir seine Autorität nicht in Frage stellen dürften, wenn er uns die mündliche Überlieferung unserer Familie weitergab. Das war nun allerdings ein völlig unorthodoxes Verhalten, aber im Opus Dei lernte ich zuerst zu gehorchen und dann Fragen zu stellen.

 

Der Gründer nahm für das Opus Dei das Charisma der Beichte in Anspruch. Um diesen Anpruch zu unterstreichen, ernannte er den Pfarrer von Ars, den heiligen Jean Vianney, der von 1786 bis 1859 in Frankreich lebte, als einen Fürsprecher des Opus Dei. Jean Marie Vianney hatte die besondere Gabe, in die Seelen der Menschen zu blicken, und oft habe er seine Beichtkinder daran erinnert einzelne Sünden zu beichten, die diese zu erwähnen vergessen hätten.

(Wird fortgesetzt)

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