Alberto Moncada: Opus Dei im Lauf der Zeit

 

 ICSA E-Newsletter, Vol. 5, No. 2, July 2006(http://www.icsahome.com/infoserv_articles/moncada_alberto_opusdei_en0502.htm)

Diese Untersuchung zeigt kurz die drei Entwicklungsstadien des Opus Dei mit besonderem Blickpunkt auf das Hervortreten der Merkmale einer Sekte, die viel Kritik an der Organisation hervorgerufen haben. Diese Merkmale einer Sekte sind es, die Mitglieder und ehemalige Mitglieder psychisch stark zusetzen.  [1]


Die Entwicklung des Opus Dei verlief eher rasch, manchmal widersprüchlich.  Opus Dei ist soziologisch gesehen eine Organisation. Da alle Organisationen darauf angewiesen sind zu überleben, sind Veränderungen  oftmals notwendig. Diese Untersuchung zeigt, wie sich das Opus Dei seit seinen Anfängen verändert hat.

Der sektenartige Charakter der Vereinigung hat seine Wurzeln am Beginn der Gruppe, dieser Charakter trat aber erst im letzten der drei Entwicklungabschnitte des Opus Dei deutlich zutage.

Im ersten dieser Abschnitte, von der Gründung 1928 bis in die Mitte der fünfziger Jahre war es das Hauptanliegen des Gründers, Josemaría Escrivá, dass sich seine männliche Gefolgs­leute als zölibatäre Intellektuelle der Christianisierung von Wissenschaft und Politik widme­ten.  Im Gegensatz dazu waren die Frauen des Opus Dei für häusliche Arbeiten bestimmt.

Um seine Organisation voranzubringen, kopierte Escrivá drei Institutionen – von einer davon wusste er nicht einmal Bescheid. Die einflussreichste Institution waren die Jesuiten, die als Modell dafür dienten, das Leben der Numerarier zu organisieren, obwohl die Schwierigkeiten dabei bald deutlich sichtbar wurden.  (Vgl. “La evolución histórica del Opus Dei.”[1]).  Die zweite war die “Institución Libre de Enseñanza”, der Francos Ideologen alle Übel der vorangegangen Epoche in Spanien zurechneten und der Escrivá eine katholische Kopie gegenüberstellen wollte. Die Institution schließlich, von der er gar nichts wusste, war die  “Action Française,” die integrale Bewegung französischer Monarchisten, die Charles Maurras zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts begründete und die die Aktivitäten des Opus Dei nach dem Spanischen Bürgerkrieg beeinflusste. Das das Opus bei den Siegern des Bürgerkriegs entstanden war, so nahm es deren Ideologie, besonders den katholischen Nationalismus, auf. Eines seiner Elemente war der religiöse Fundamentalismus, wie Urs von Balthazar in seiner wohlbekannten Analyse des Opus Dei aufzeigte.  (Vgl. “Contexto de una beatificación/Umfeld einer Heiligsprechung”. Olegario González de Cardedal. [2])

Dieser Integralismus, also der rigide Traditionalismus im Stil der Action Française, die Art, wie die Leute des Opus Dei dachten, machte wirkliche intellektuelle Arbeit  unmöglich und marginalisierte die Denker in seinen Reihen. Escrivás militanter Fundamentalismus brachte ihn dazu, intern, mit seinen typischen cholerischen Ausbrüchen, gewaltsam gegen das II. Vatikanische Konzil loszuziehen. Damit veranlasste er den Austritt einer ersten Welle von Intellektuellen, allen voran Raimundo Pánikkar, der einzige Theologe, den das Opus jemals hatte, der diesen Namen auch verdient. Und parallel dazu hinderten die internen Aufträge und die Regeln der Berufung die Mehrzahl der Mitglieder daran, sich tatsächlich intensiv ihrem Beruf zu widmen. 

Die zweite Phase, die Mitte der fünziger Jahre begann, hatte ihren Ursprung in einer dreifachen Angst:

1. Dass die Kirche das Werk nicht mehr schätzen könnte.

2. Dass ihm andere Gruppierungen — Jesuiten, Falangisten, Christdemokraten etc. — in die Quere kommen könnten.

3. Dass die Mittel für die expansionistischen Pläne Escrivás nicht reichen könnten, der wie besessen davon war, sofort ein repräsentatives Zentralhaus in Rom zur Verfügung zu haben. 

Vom Gründer gedrängt, organisierten einige leitende Mitglieder — Antonio Pérez, Alberto Ullastres, Luis Valls Taberner — ein Netzwerk von Firmen, genannt Esfina, um profitable Investitionen zu tätigen. Allerdings berief Francos Regierung bald Ullastres und andere Opusdeisten, um die spanische Wirtschaft und den Übergang von der Autarkie zum Liberalismus in die Hand zu nehmen. So entstand eine Art Mafia, und viele knüpften aus persönlichem Interesse Beziehungen zum Opus an. Die Organisation und einige ihrer Mitglieder engagierten sich in fragwürdigen Geschäftspraktiken, und dies war die Ursache für die erste Kritik am Opus Dei (innerhalb und außerhalb der Kirche), Beschuldigungen wegen öffentlicher Immoralität und Konspiration mit der Regierung Franco. Von daher kommt der schlechte Ruf des Opus in der internationalen öffentlichen Meinung, der sich auch nicht mit einem gewaltigen Aufwand an Personen, Geld und Energie beheben lässt, den die Organisation investiert um dem entgegen zu wirken.

Gleichzeitig verankerten sich zwei Grundsätze im Inneren der Vereinigung, die eindeutig sektiererisch sind — “der Zweck heiligt die Mittel” und “die Absicht ist wichtiger als moralische Grundsätze.” Diese Gedanken formten den moralischen Charakter der Mitglieder, besonders der Direktoren.  Dennis Dubro, ein ehemaliger Numerarier aus den USA, der Erfahrungen in den Geschäftspraktiken des Opus machen musste, klagte, dass die Leiter nicht zögerten, Praktiken anzuwenden, die eindeutig unmoralisch oder illegal sind und dass sie Aufzeichnungen in diesem Sinn manipulieren (Vgl.“Seventeen years in Opus Dei.”[3]). Die Kritik daran war so heftig, dass sich Escrivá Mitte der sechziger Jahre veranlasst sah, Geschäfte, die unmittelbar von der Organisation abhingen, zu kappen. Seitdem bedient sich das Opus verschiedener Stiftungen, mit deren Hilfe es seine gesellschaftlichen und geschäftlichen Aktivitäten bemäntelt.

Die dritte und letzte Phase widerspricht der traditionellen Lehre, wie sie Escrivá nachdrücklich vertreten hat, dass nämlich das Opus niemals seine eigenen Schulen haben werde. Dennoch wurde das, nur um zu überleben, zur Hauptaufgabe der Organisation. Das Opus hat das dichteste Netz an Schulen in der spanisch-sprachigen Welt, dazu eine Reihe von Business schools, in denen lupenreiner Neoliberalismus gelehrt wird. Die Vorgangsweise, Kinder in frühen Jahren an sich zu binden, hat zu der Beschuldigung geführt, dass sie Minderjährige nach Sektenart anwerben; oft kommt es dabei zu einem verdeckten Zusammenspiel von Lehrern, Beichtvätern, aber auch Eltern (s.  “Niños en el Opus Dei/Kinder im OD” [4]). Diese dritte Phase brachte aber auch den Durchbruch innerhalb der Kirche, weil Johannes Paul II., anders als die Päpste vor ihm, sehr gut mit der ideologischen Linie des Opus und vergleichbarer Gruppen konnte. Ohne auf anderslautende Ratschläge zu hören, gab er dem Opus Dei den Status einer Personalprälatur, wie es sich Escrivá gewünscht hatte, sodass die Diözesanbischöfe es nicht mehr kontrollieren konnten. Er sprach Escrivá auch in einem überhasteten und vielfach kritisierten Prozess heilig.

Die Überzeugung, dass das Opus eine Sekte ist, begann sich zu verbreiten, als das Belgische Parlament 1997 eine Studie in Auftrag gab, und in dieser Liste schien auch das Opus Dei auf. Schon vorher hatte es im italienischen Parlament eine Diskussion über die geheimen Aktivitäten des Opus Dei gegeben, und bald begannen Soziologen dieses Thema zu untersuchen. Meine Arbeit “Sectas Católicas: El Opus Dei” [5] war hier die erste. Gleichwohl folgten bald danach weitere Arbeiten, bemerkenswert die von Sharon Clasen, die in parallelen Spalten die inneren Charakteristiken der Gruppe auflistet, zusammen mit der Beschreibung von Sekten, wie sie Steve Hassan bietet: “geschlossene Gruppen, sehr diszipliniert, dem Führer vollkommen ergeben, mit strikter Ideologie, moralischen Vorurteilen und dem Willen, skrupellos zu missionieren, etc.“ (Vgl. “How Opus Dei is Cult-Like”[6]). Die Schlussfolgerungen vieler Journalisten und Buchautoren stimmen darin überein, dass das Opus Dei als Sekte einzustufen sei.

Zusätzlich begannen fiktive Texte Geschichten über das Opus Dei zu verbreiten, am bekanntesten der Da Vinci Code, dessen Autor Dan Brown ein eigenartiges Mitglied des  Opus in seine wohlbekannte Handlung einbaute. Auf ähnliche Weise begannen andere Romane mit kirchlichem Hintergrund das Opus Dei zu erwähnen, immer im selben Kontext von Heimlichkeit, Finsternis und sektiererischer Manipulation. Der sektiererische Charakter des Opus zeigte sich allerdings erst Ende der neunziger Jahre deutlicher, als sich der zweite Massenauszug von Numerariern ereignete; viele von ihnen äußerten sich über ihre Erfahrungen, besonders auf der Website www.opuslibros.com [7].

Diese Seite war 2002 geschaffen worden, damit Interessenten kritische Bücher über das Opus Dei lesen konnten, die von dessen Leitern mehr oder weniger diskret aufgekauft worden waren. Bald entstand auch ein Sektor mit Zeugenaussagen ehemaliger Numerarier. Opus versuchte die Seite zu blockieren, indem es der alten Taktik der Verweigerung von Diskussion und Dialog folgte, wenn etwa im Fernsehen Gegner der Vereinigung auftraten. Opus zwang die Webdesigner, den ursprünglichen Namen „Opusdeilibros“ zu ändern. So reihte sich das Opus selbst in die Gruppe von politischen und wirtschaftlichen Unternehmungen ein, die ihre Aktivitäten gern mit teils sehr fragwürdigen Mitteln im Verborgenen entfalten.

Der sektenähnliche Charakter des Opus kann heute in seiner ganzen Brutalität durch die Ausagen zahlloser ehemaliger Mitglieder offen gelegt werden, die von echten Menschenrechtsverletzungen erzählen. Eine der schillerndsten Figuren der Organsiation, der Kardinal von Lima, Juan Luis Cipriani, Kollaborateur von Diktator Fujimori, sagte vor kurzem vor Militärs, dass die Menschenrechte “una cojudez” seien, ein peruanischer Slangausdruck für “Scherz” (Diario Liberación[8]).

Die enge Affinität des Opus Dei zum Militär ließ Escrivá verkünden, dass Soldaten allein schon aufgrund ihrer natürlichen Berufung besonders dazu prädestiniert wären, den Geist des Opus Dei zu verstehen.  Escrivá  hatte seine eigene, fanatische Ansicht über den Spanischen Bürgerkrieg, der für die spanischen Bischöfe ein religiöser Kreuzzug war. Ein anderer Numerarierpriester des Opus Dei, Monsignore Saenz Lacalle, der Erzbischof von San Salvador, wurde der Nachfolger des ermordeten Monsignore Romero.  Lacalle war vorher Militärbischof.

Heute ein Mitglied des Opus Dei zu sein ist ein persönliches Drama, vor allem für intelligente, gewissenhafte Menschen. Viele merken das und gehen, wenn sie können. Andere können das nicht, weil das Gebot der Armut sie daran gehindert hat, persönliche Reserven anzusparen. Und mit 40 oder 50 Jahren plötzlich auf der  Straße zu stehen ist eine schreckliche Erfahrung, vor allem bei den derzeitigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt. Das begünstigt ein Klima von Resignation und Zynismus. Dennoch zieht es das Opus vor, diese Menschen zu halten als ihnen Gelegenheit zu geben zu gehen. In anderen Organisationen ist das nicht so. Amerikanische Jesuiten, die den Orden verlassen, dürfen die ersten zwei Jahre nach ihrem Auftritt eine Visa-card benützen, für die die Gesellschaft Jesu aufkommt.

Zu dieser sinkenden Zahl von Mitglieden kommt die Schließung von Zentren auf der ganzen Welt sowie eine Zunahme mentaler Defekte. Wie ich in “Suicidios en el Opus Dei/Selbstmorde im OD,” [9] zeigte, sind die Wohnheime der Numerarier voll mit psychisch kranken Menschen; einige kommen nicht mehr zurecht und scheren aus. Ihnen stehen nur Psychiater des Opus Dei zur Verfügung, und einige von ihnen sind, wie die ehemalige Numerarierin Carmen Charo klagt, mehr an der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft als an der Heilung ihrer Patienten interessiert.  (s. “La cuarta planta/Der vierte Stock (der Universitätsklinik von Navarra)”[10]). Besonders krass ist das Beispiel einer ehemaligen Numerarierin, die einem Priester gestand, dass sie verrückt wird, und sich sagen lassen musste: “Verrückt ja, aber zuhause” (Ser mujer en el Opus Dei/Frauen im OD [11]).

Diese Art beruflicher Fehlentwicklung geht Hand in Hand mit der Vorgangsweise der Organisation in anderen Dingen. Die gegenwärtigen Leiter wurden ausschließlich nach der Kriterium der Loyalität gegenüber der Organisation ausgewählt; ihnen fehlt oft nicht nur psychologisches Fingerspitzengefühl, sondern sogar das grundsätzliche Verständnis für Menschenrechte. Die Mehrzahl von ihnen hat nie einen Zivilberuf ausgeübt. Die wirkliche Welt kennen sie kaum, und ihre erste und einzige Besorgnis ist, dass die Zahl der Mitglieder nicht abnimmt.

Die Zugehörigkeit zum Opus Dei kann die Psyche durch Widersprüchlichkeiten in dreierlei Hinsicht belasten. Zuerst einmal stimmt das nicht, was einem in Bezug auf die eigene Arbeit versprochen wurde — dass man wie jeder andere in einem zivilen Beruf arbeiten werde — die Mehrzahl der Nunerarier betreibt allerdings ausschließlich die Geschäfte des Opus Dei, als Priester oder als Funktionär der Organisation. Dann ist die angebliche Freiheit, sich einem zivilen Beruf zu widmen, durch die Erfordernisse eines Lebens als Numerarier stark eingeschränkt, welches eine Vielzahl interner Verpflichtungen einschließt, Regeln über das Familienleben, den Umgang mit anderen, den Gebrauch von Zeit und Geld, und zwar mit einer Rigidität, die weit über das Übliche bei anderen religiösen Gemeinschaften hinausgeht. Der Hauptfaktor, der psychische Schäden verursacht, besteht allerdings darin, dass all das verdrängt wird und dass nach außen hin immer zu versichern ist, sie seien gewöhnliche Christen und hätten dieselbe Freiheit wie jeder andere. Das stürzt einige Numerarier in eine Lebenslüge, die ihre mentale Gesundheit untergräbt, und zu einem Minderwertigkeitsgefühl, ja einer Selbstverleugnung führt, die von den Direktoren auch noch sehr gefördert wird. Das Ergebnis ist die Anonymisierung der Numerarier, die ihnen auf die Dauer teuer zu stehen kommt.

Die besondere, sektenähnliche Art des Opus Dei betrifft auch ihre religiöse Praxis. Wie berichtet wurde, haben etwa Priester des Opus Dei, um die Autorität der Leiter zu unterstützen, Numerariern in der sakramentalen Beichte die Absolution verweigert, wenn sie sich nicht verpflichten wollten, den Inhalt der Beichte auch dem Laien-Direktor zu erzählen. Das ist eine schlimme Verletzung des Beichtgeheimnisses, das, wie so vieles andere, dem Dienst an der Organisation untergeordnet wird. Antonio Esquivias, damals Priester des Opus, erzählte von den Diskussionen mit den Direktoren und seinen hilflosen Versuchen, diese Praxis abzustellen (s. “Dirección espiritual/Geistliche Leitung.”[12]).

Die Leiter wurden in letzter Zeit dazu angehalten, die Zahl der Priester der Organisation zu steigern, weil nach dem Modell der Personalprälatur, wie es die Kirche anerkannt hat, nur die Priester vollberechtigte Mitglieder sind; die anderen sind einfache Mitarbeiter. Deshalb haben die Funktionäre Priester zu sein, und während sie früher nur 5% der Numerarier ausmachten, sind es jetzt schon 15%, zum Nachteil für den laikalen Charakter von Escrivás Gründung.

Viele katholische Priester und Bischöfe fragen sich, wie eine Organisation dieses Zuschnitts das Vertrauen des Vatikans genießen konnte, ohne dass dieser auch nur den Versuch unternommen hätte, sie zu disziplinieren. Die Erklärung ist sehr einfach. Das Pontifikat von  Johannes Paul II war von zwei wohlbekannten Umständen charakterisiert. In seinem Eifer, bestimmte traditionelle Strukturen und Glaubensüberzeugungen zu bewahren, verzichtete er auf die Zusammenarbeit mit den angesehensten Organisationen, die vom Reformgeist angekränkelt waren, wie den Jesuiten, den Dominikanern und den Franziskanern, und rückte andere Organisationen in den Vordergrund, einschließlich Opus Dei, die Legionäre Christi, die Neokatechumenalen, Communione e Liberazione und andere, fundamentalistische und gehorsame Organisationen, die auch mehr Berufungen und mehr Priester hatten.

Dann war der Papst besessen von dem Gedanken, zuerst den Kommunismus auszuschalten und dann den Vorrang gegenüber dem Staat zu betonen; dazu wählte er Themen der Sexual- und Familienmoral aus, um gegen staatliche Verfügungen und progressive zivile Organisationen anzukämpfen. Er erreichte dieses Ziel zwar nicht, aber das Opus Dei und ähnliche Organisationen unterstützten ihn bei diesen Vorhaben, und Kenner der Lage bestätigen, dass es in diesem Klima sehr schwierig war, ihm kritische Stimmen zu Gehör zu bringen. Das war der Fall, als ehemalige „Legionäre Christi“ die sexuellen Übergriffe ihres Gründers, P. Marciel anzeigen wollten. Deshalb meinen einige Experten, dass sektenähnliche Gemeinschaften, die der katholischen Kirche angehören, sich den Anklagen vor einem zivilen oder Kriminalgericht stellen müssen, wie es bei den Anklagen gegen einige pädophile Priester in den USA der Fall war.

Vielleicht liegt die Hauptursache für den Sektencharakter mancher kirchlicher Organisationen wie des Opus Dei im Mangel einer Grundstruktur, die die Rechte der Mitglieder festlegt, die solcherart schutzlos preisgegeben sind (s. Vere [13]).  Das Gehorsamsgelübde, das die Beziehungen zwischen Leitern und Mitgliedern regelt, verwandelt die letzteren in schutzlos preisgegebene Subjekte. Das Gehorsamsgelübde ist Teil eines Lebens der Weltabkehr in der monastischen Tradition, aber es ist undenkbar in einer Organisation, deren Mitglieder vorgeben, normale Bürger zu sein. Aber Escrivá bestand mit der ihn kennzeichnenden Hartnäckigkeit darauf, dass es im Opus keine Rechte gäbe, nur Verpflichtungen. Sein Hauptwerk „Der Weg“ [14] unterstreicht, dass die Alternative nur lauten kann: gehorchen oder gehen. Das gibt dem Leiter das Recht, eine allumfassende Herrschaft über die Gewissen der Mitglieder auszuüben, es verwanelt die Organiation in eine echte Sekte, in der die bedingslose Hingabe einer Person an die Gruppe erwartet wird. „Unsere Hingabe muss vollkommen sein“ ist der Grundsatz, mit dem man das Leben eines Numerariers im Opus Dei erklären kann.  Aber wie langsam sich auch die Lehre von den Menschenrechten in der Disziplin der kirchlichen Organsiationen duchsetzt, sie ist unvereinbar mit bedingungsloser Hingabe, der persönlichen Unterwerfung unter einen Leiter, wie sie den Numerarier im Opus kenzeichnet. Und solange die Numerarier auch, in der Tradition, die Escrivá errichtet hat, an der empfohlenen „geistlichen Kindschaft“ festhalten, wird es für sie kein Problem geben. Der Preis, der für diese Harmonisierung bezahlt wird, ist ein infantiles Verhalten und lediglich ein Aufschub der Krise, bis die Numerarier reifen und sich der Widersprüche bewusst werden, die ihre gesellschaftliche Stellung, ihr moralisches Gewissen und ihr Verhältnis zur Sekte charakterisieren.

Quellenangaben

[1] “La Evolución Histórica del Opus Dei,” delivered at the VI Congress of the Spanish Sociological Association, A Coruña, August, 1999.[2] “Contexto de una beatificación” (Context of a beatification), Olegario González de Cardedal, Diario May 16-17, 1992.
[3] “Seventeen years in Opus Dei,” www.odan.org.
[4] “Niños en el Opus Dei”,”El Siglo, nº 608, May 2004.
[5] “Sectas católicas: El Opus Dei”, published in Revista Internacional de Sociología, October 1992.
[6] “How Opus Dei is Cult-Like,” Sharon Clasen, www.odan.org.
[7] Opus Libros Web site, www.opuslibros.org.
[8] Diario Liberación, Mariella Patriau,.Lima, 13 September, 2000
[9] “Suicidios en el Opus Dei,” El Siglo, nº 654, June 2005.
[10] “La Cuarta Planta”, El Siglo, nº 605, May, 2004.
[11]  Ser mujer en el Opus Dei, Isabel de Armas, Foca, 2003
[12] “Dirección espiritual” (Spiritual Direction), www.opuslibros.org] “Sifting the Wheat from the Tares: 20 Signs of Trouble in a New Religious Group,” Peter Vere, Cultic Studies Review, 4(2), 2002.
[14] “Der Weg”, Josemaría Escrivá.
[13

Dieser Artikel basiert auf einem Thesenpapaier, das bei der „International Cultic Studies Association (ICSA) conference on Psychological Manipulation, Cultic Groups, and Other Alternative Movements“ in Madrid, 14.-16. Juli 2005, präsentiert wurde.