Aristokraten der Liebe

 

Gervasio, 25.1.2010

 

Beutegreifer

 

           Frater Justo Pérez de Urbel sagte:

           — Wir sind in der Welt die Aristokraten der Liebe. Damit meinte er die Zölibatären.

          Eine solche Behauptung gefiel dem Gründer des Opus Dei, vielleicht, weil er sich selbst als taubes und nutzloses Werkzeug verstand, aber anscheinend hat er etwas anderes darunter verstanden.

Manche behaupten, er hätte verstanden: 

          —Wir sind die Plutokraten der Liebe.

Anderen wieder kommt es so vor, als hätte er verstanden: 

          — Wir sind die Bürokraten der Liebe.

 

          I. Plutokraten der Liebe.

         

Manchmal habe ich den Eindruck, als würde die folgende Passage aus dem Brief des hl. Paulus an die Korinther so verstanden: Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete, aber hätte kein Geld, wäre ich nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Wenn ich die Gabe der Weissagung hätte und alle Geheimnisse kennte und jede Wissenschaft; wenn ich einen Glaube hätte, der Berge versetzt, und meinen Leib hingäbe zum Verbrennen, aber ohne Geld bleibe, nützt es mir nichts. Das Geld ist friedfertig; es ist wohltuend; es ist nicht ehrgeizig, es sucht nicht den eigenen Vorteil, es tut nicht das Böse und bläht sich nicht auf, es lässt sich nicht reizen und ist nicht nachtragend. Es freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit, es erträgt alles, glaubt alles, erhofft alles.

           Diesen Eifer für das Geld verwandelte der Gründer, sorgsam getarnt, in einen grundsätzlichen Aspekt der Tugend der Armut. In seiner Jugend hatte er Engpässe zu erleiden, und so versteht man, dass es für ihn ein faszinierender Gedanke war, über ökonomische Mittel zu verfügen. Die Fehler des Gründers, wie etwas sein Hang nach geld, wurden idealisiert und sogar zu Tugenden umgedeutet. Ich habe in einem Gymnasium, einem von denen, die “nichts mit dem Opus Dei zu tun haben”, erlebt, wie eine arme Witwe, die sich nicht wehren konnte, vollkommen ausgeplündert wurde. Diese Liebe zum Geld führte dazu, sich an die Reichen heranzumachen und sich von den Armen zu distanzieren, bei der proselytistischen Werbung ebenso wie bei der Haltung den anderen gegenüber, wenn es etwa darum ging, das Stadtviertel für ein Zentrum auszuwählen, eine gesellschaftliche Beziehung anzuknüpfen oder Verständnis mit den Schwächen eines anderen zu zeigen. Und das führt dazu, dass diejenigen, die über keine finanziellen Mittel verfügen, erbarmungslos ausgebeutet werden, dass Steuern hinterzogen werden, das betrogen wird. Es gibt auch Anzeichen von Habsucht, wenn etwa die Sozialversicherung umgangen oder ausgetrickst werden soll, wenn man es umgeht, Geschenke oder Einladungen zu machen... 

          — Den Eltern nehmen wir so viel Geld weg wie wir nur können, habe ich den heiligen Gründer bei gewissen Gelegenheiten sagen hören, und er bezog sich dabei auf die Eltern der Numerarier.

          Er machte den Eindruck wie ein reicher Knauser. Reich sein steht nicht im Widerspruch dazu, knausrig zu sein, ebenso wie Großzügigkeit nicht ausschließen muss, dass man selbst Mangel leidet. Auch aus den Priesterweihen sollte man Kapital herausschlagen.

          — Die Geschenke müssen aber schon eine gewisse Substanz haben, rief der Direktor einer Delegation, als eine Gruppe junger Männer des Opus Dei die Priesterweihe empfing.

          Ich erinnere mich an einen Numerarierpriester, der seinen Schützlingen gerne etwas abknöpfte. Es war sein Lieblingssport, neben dem Tennis. Die Gründe für die Abzocke hatte er sich ausgedacht: für ein neues Bild in der Kapelle, für einen Kelch, für ichweißnichtwelche Arbeit mit Priestern.

          — Es wird euch keinen Groschen kosten, pflegte er zur Beruhigung im örtlichen Rat zu sagen. Dieses Geld werde ich aufstellen.  

          Ohne Zweifel hat er sich in den Geist des Opus Dei vertieft. Aber der örtlichen Rat und die Delegation untersagten ihm diese Art Initiativen, den er schor damit dieselben Schäfchen, die auch der örtliche Rat und die Delegation weideten.

          — Dieses ständige Betteln um Geld schadet seiner Seele, ließen sie mich wissen.

          Der erwähnte Priester hatte seine Motive. Warum ließen ihn seine Vorgesetzten nicht sich heiligen, indem er Geld zusammenbrachte für das, was er sagte? Aber er war sich dessen nicht bewusst, dass er mit der Großzügigkeit, die er bei anderen weckte, seine eigene Seele in Gefahr brachte. Diese Großzügigkeit kam sicher niemandem zugute, der mit dem Werk nichts zu tun hat, etwa einer Pfarre oder den Erdbebenopfern von Haiti, aber sie war eben nicht von den Direktoren selbst organisiert worden.

          Als Geburtstagsgeschenk  — der Vater bekommt ein Geburtstagsgeschenk   —  wünschte er sich Geld, klingende bares Geld, sonst nichts.

          Kürzlich haben JoséMc und Caribeño den Brauch zur Sprache gebracht, dem Vater bei einem Besuch „eine kleine Aufmerksamkeit“ mitzubringen, 500 € im Fall von JoséMc.

          —Ich habe durchbohrte Hände, pflegte er zu sagen. Alles Geld, das sie mir geben, rutscht durch.

          Er kritisierte Ordensleute, die solche Dinge machten wie Geld für den Bau einer Kirche zu sammeln, deren Glockenturm niemals fertig wurde. Das erlaubte ihnen dann nochmals lange Zeit um Geld zu bitten und den Glockenturm weiter unvollendet zu lassen. Er hat nie konkretisiert, wer diese Ordensleute waren; sie verstanden lediglich, dass die Fertigstellung des Gebäudes auch das Ende des Spendenflusses bedeuten würde.  Der Gründer handelte nicht so, aber wenn man Apostolat machen will, braucht man materielle Mittel, und er war so apostolisch und lebte die Tugend der Armut so von Grund auf, dass er um Geld und immer mehr Geld bat.

          Bei einer bestimmten Gelegenheit geriet ich in Verwirrung. Jeder Numerarier musste einen besonderen Beitrag „en numerario“, in bar abliefern — für den Vater. Numerarier verfügen aber über kein eigenes Geld, sondern sie geben alles ab und wissen nicht einmal wohin es fließt. Deshalb war ich etwas schockiert. Ich nehme an, dass sich die Bitte an die Regionalkommissionen um mehr Geld schon etwas abgenutzt hatte, und so griff man zu dem ungewöhnlichen Mittel, die um Geld zu bitten, die schon alles hergegeben hatten. Es war wie vorher erwähnt, nur anders herum. Wenn es um den Vater geht, darf auch ein Numerarier sagen, was mit seinem Geld geschehen soll.

 

          Die vom Opus Dei — so sagen sie zumindest — haben kein Armutsgelübde, aber sie verpflichten sich zur Armut. Gelübde haben sie keines. 

          — Ich will keine Gelübde, ich will Tugenden, sagte der Gründer.

          Ich sehe nicht ganz klar, dass die Numerarier kein Armutsgelübde leben. Woran ich aber nicht zweifle, ist, dass der Gründer — das muss einmal deutlich gemacht werden — keinerlei Armutsgelübde lebte. Er wollte kein Mönch werden, sondern Priester. Priestern ist es verboten zu heiraten, aber sie dürfen sehr wohl eigenes Geld haben und frei darüber verfügen. Da er dieses Gelübde nicht abgelegt hatte, konnte er sich auf ökonomische Weise um seine Familie kümmern; ein Mönch kann das nicht. In der Anfangszeit, in Saragossa, musste er sich mit Mess-Stipendien begnügen und dazu noch Stunden in einer Akademie geben. Und da er in Saragossa nicht weiterkam, ging er nach Madrid und wurde dort Kaplan bei den Damas Apostólicas und dann im Patronat von Santa Isabel, wo er ein Quartier für sich, seine Mutter und seinen Bruder hatte.

          Nach dem Spanischen Bürgerkrieg wuchs das Werk rasch, und das erlaubte ihm Unabhängigkeit von irgendwelchen kirchlichen Pfründen oder Mess-Stipendien. Die Beiträge der Mitglieder und Mitarbeiter des Opus Dei waren ausreichend, um ihn und seine Familie zu erhalten. Von einem bestimmten Moment an konnte er über einen eigenen Chauffeur verfügen. Er brauchte ihn für seine apostolischen Reisen, wie man das nannte. Über Tausende von Kilometern.

          Als man sich endgültig in Rom niederließ, erlaubte ihm die wirtschaftliche Lage, seiner Schwester Carmen ein Häuschen zu schenken.

          Die Numerarier und Assoziierten müssen der Institution alles abliefern, was sie verdienen, und sie haben keinen Einfluss darauf, was damit geschieht. Den Supernumerariern pflegt man als Kriterium zu sagen, sie sollten für das Werk so viel beitragen, als wäre es ein Kind mehr. Mir ist nicht ganz klar, ob Supernumerarier-Ehepaare jetzt ein oder zwei Kinder im Werk haben. Was ein Kind kostet, haben die Juristen schon ordentlich ausgetüftelt – man braucht das im Fall einer Trennung oder Scheidung. Der Vater — oder auch gelegentlich die Mutter —  die nicht mit der Obsorge betraut sind, müssen für das Kind oder die Kinder monatliche Alimente zahlen, für die der andere sorgt: 500 im Monat, das macht 6.000 im Jahr, sagen wir einmal.

          Es gibt einen sehr ausdrucksvollen Spruch, der in etwa besagt: Ein Vater kann hundert Kinder erhalten, aber hundert Kinder keinen Vater. Ein Vater kann allen seinen Kindern helfen, wie viele es auch sein mögen, er streckt sein Vermögen, seine Zeit, zaubert alles hervor, was nötig ist.  Im Fall des Opus Dei verhält sich die Vater-Sohn-Beziehung genau umgekehrt, denn es handelt sich um keine Blutsfamilie, sondern seine Bande sind stärker als Blut. Der Sohn überweist dem Vater einen monatlichen Beitrag. Der Supernumerariersohn muss 500 im Monat abdrücken — das sind 6.000 im Jahr — aufgrund der Tatsache, dass er einen Prälaten  zum Vater hat. Der Prälatenpapa gibt seinen Kindern nichts. 40.000 Supernumerariersöhne mit 500 im Monat bedeutet 20 Millionen im Monat und 240 Millionen im Jahr. In der Familie des Werkes ist es vollkommen klar, dass jedes Kind mit einem Brotlaib unter dem Arm auf die Welt kommt.

          Und wofür braucht man soviel Geld? Für die Apostolate des Werkes, pflegt man zu versichern. Diese Apostolate brauchen als Grundlage eine gewisse Infrastruktur, einen Zentralrat mit Sitz in der Villa Tevere, einige Regionalkommissionen  — etwa je eine pro Land — und wenn die Regionen groß sind, unterteilen sie sich in Delegationen. Schließlich sind da noch die Örtlichen Räte, die den Zentren entsprechen. Für all das braucht man Gebäude, die allerdings der Würde der Vereinigung entsprechen müssen, das heißt, ordentliche Gebäude in erstklassiger Lage, gut ausgestattet, und die, die darin arbeiten, müssen ordentlich gekleidet sein und ihre Bildungsmittel, Einkehrtage, Konvivenzen und andere Ergänzungen bekommen. Dieser ganze bürokratische Apparat lebt von den Numerariern; Assoziierte oder Supernumerarier taugen nicht dafür. Man kann auch keine frisch angeworbenen Numerarier dafür hernehmen. Sie müssen das Studienzentrum absolviert haben. 

          Das Problem beginnt, wenn dieses Numerarierensemble, das diese Infrastruktur ausfüllt, nicht mehr in der Lage ist eine ausreichende Zahl an neuen Numerariern hervorzubringen, die die Kosten der eigenen Infrastruktur abdecken. Wenn  man für die Herstellung von einem Kilo Gold eineinhalb braucht, läuft etwas schief. Wenn man mit eineinhalb Numerariern in der Infrastruktur nur mehr einen an der Basis hervorbringt, läuft etwas schief. Was ist zu tun? Es scheint nicht zielführend, die Infrastruktur mit noch mehr menschlichen und ökonomischen Ressourcen auszustatten, denn dann würde sich das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen noch weiter verschlimmern. In jedem Fall liegt das Problem nicht an einem Mangel an materiellen Mitteln.

          Wofür braucht man so viel Geld? Welches sind die Apostolate, die diese Menge Geld brauchen? Die Situation erinnert mich an die Zaren und Zarinnen des achtzehnten Jahrhunderts. Bei ihren öffentlichen Auftritten jubelte ihnen das Volk zu.

          —Mütterchen, riefen sie die Zarin.

          —Väterchen, riefen sie den Zaren.

          Sie waren dem Volk sehr verbunden — nicht mit den Banden des Blutes, sondern anderen, viel stärkeren. Nachdem sie dem Zaren und der Zarin ihr ganzes Geld abgeliefert hatten, jubelten  sie ihnen zu. Und der Zar und die Zarin warfen Münzen und Geschenke unter die, die ihnen zujubelten, wenn es einen Anlass gab, eine Geburt, eine Krönung, eine Hochzeit. Liebe bezahlt man mit Liebe. Von Ludwig XIV. von Frankreich erzählt man sich, dass sich bei seinem öffentlichen Auftritten drängten sich die Kranken und die Gelähmten um ihn damit sein Schatten auf sie falle und er sie heile.

          Wie die Zaren und Zarinnen überschlug sich der Vater in Erweisen väterlicher Liebe gegenüber seinen Kindern. Don Alvaro gestand ihm nicht nur väterliche und mütterliche Gefühle zu, sondern sogar die einer Großmuter. Wie der Zarin und die Zarin entsprach er der Liebe, die seine Kinder ihm erweisen. Und von daher rührt die zweite Interpretation der Worte von Fray Justo Pérez de Urbel.

 

          II Die Bürokraten der Liebe

 

          Man könnte sich darüber kaputtlachen, dass sie die Liebe für ein Gefühl halten, dass von den Vorgesetzten programmiert und organisiert werden kann, natürlich gemäß dem Geist des Opus Dei.

          Die Kranken. Es gibt vielfältige Regeln über den Umgang mit den Kranken, sprich denen, die bettlägerig sind. Mir kommt eine in den Sinn: Wenn man die Temperatur misst, darf man dem Kranken nicht sagen, was das Thermometer zeigt. Es ist anzunehmen, dass das ein Ausdruck fehlgeleiteter Neugierde sei. Carmen Tapia erzählt in ihrem erschütternden Zeugnis, wie sie in Villa Tevere eingesperrt und gequält worden war. In ihr Zimmer war ihr ein Nachttopf gestellt worden, ein liebenswürdiges Detail, wie man es für Kranke übrig hat. Ich stelle für so, dass man sehr dankbar sein muss für ein solches Detail, das das Herz eines Vaters, einer Mutter, einer Großmutter verrät.

          Die Freundschaft. Die Freundschaft ist ein Gefühl, das im Dienst des Werkes stehen muss. Und wenn sie dir sagen, schließ Freundschaft mit dem da, muss man folgen. Und wenn sie dir sagen, sei nicht länger sein Freund, ist es dasselbe. Wir machen sie zu Freunden des Werkes. Wir haben keine persönlichen Freunde, wir wir auch kein Geld und keine persönlichen Dinge haben.

          Familienfeste. Man kann sich aussuchen, ob der Geburtstag oder der Namenstag gefeiert werden soll. Und wenn jemand vierzig Jahre alt geworden ist, wird ordentlich gefeiert, je nachdem, welche Position er hat. Zum vierzigsten Geburtstag eines Numerariers gibt es im Beisammensein zwölf Lieder und 15 Plakate; wenn, sagen wir, ein Assoziierter seinen vierzigsten Geburtstag feiert, reichen sechs Lieder und acht Plakate. Beim Numerarier kommt ein Angehöriger der Delegation zur Feier; beim Assoziierten ist das nicht s sicher, aber es kommt sicher jemand von Bedeutung. Und dann feiert man natürlich den Geburtstag des Gründers, seinen Namenstag, den Jahrestag seiner Priesterweihe, seine Heilung von der Diabetes, die diversen Gründungsdaten.

          Briefe. Es gibt auch ein eigenes Protokoll rund um die Briefe, die der Vater „seinen Kindern“ schreiben muss oder schreiben lässt, je nachdem, ob der betreffende in einer Leitungsstelle arbeitet, wie alt er ist oder welchen Rang er hat. Ein Zeremoniell wie am Hof eines Monarchen. Freilich müssen auch seine Kinder ihm schreiben, idealerweise vierzehntägig. Gute Kinder schreiben ihrem Vater und machen ihm mit ihren Briefen Freude. Die Briefe an den Prälatenpapa müssen zensuriert werden, damit es nicht passiert, dass ihm einer keine Freude macht. Die Briefe an die leiblichen Eltern müssen ebenfalls zensuriert werden, wenn auch aus anderen Gründen.

          Familienandenken. Mit besonderer Liebe ist alles aufzubewahren, was sich auf den Gründer und seine Nachfolger bezieht: Fotos, Kleidungsstücke, ein Kamm, Socken. In „Crónica” stand einmal, was alles aufzubewahren ist, auch irgendein Kännchen, das Tante Carmen einmal jemandem geschenkt hat. Auch Gegenstände der Großeltern sind aufzubewahren. Ich besitze zwei oder drei Briefe von Escrivá und die eine oder andere Kleinigkeit. Ich dachte daran, sie einmal jemandem vom Werk zukommen zu lassen. Aber ich glaube, das lasse ich bleiben, denn es gibt schon zu viel Zeug von der Sorte. Es gibt viel zu viele Sachen, die mit besonderer Liebe aufzubewahren sind. Nicht einmal „La Estila“ reicht aus, all das Zeug aufzubewahren.

          Umgekehrt hat der Gründer alle Andenken an die Blutsfamilie einer strengen Beschränkung unterworfen. Er warnte vor der gefährlichen „Familiosis”; darunter verstand er die ungeordnete Anhänglichkeit an die Blutsfamilie.

          — Ich habe einige Päpste gekannt, einen Haufen Kardinäle, hunderte Bischöfe. Aber Gründer des Opus Dei gibt es nur einen, sagte der Bruder von Tante Carmen und hob seine väterliche Position noch über die kirchliche Hierarchie hinaus.

          Er sagte das bei verschiedenen Gelegenheiten. Das erste Mal hörte ich das, als er nach Spanien reiste und seine Kinder das Mögliche und Unmögliche tun mussten, um ihn zu sehen und sich dabei über jede Regel und Rücksicht hinwegzusetzen, wenn notwendig.

Man musste sich nicht allzu sehr anstrengen, denn die Superioren — später Direktoren genannt — nahmen es auf sich, Transportmittel und Logis zu organisieren, um den Gründer zu treffen. Das Ergebnis — es war 1959 oder 1960 — war Gedränge, Hysterie und Stöße. Sogar der Vater bekam Schrammen ab in all dem Wirbel, den man da veranstaltete. Es war wie bei der Hochzeit der Tochter von Lola Flores —Lolita— 1983. Lola Flores hatte die Feier mit Bomben und Granaten angekündigt – und sich dann beschwert, dass zu viele Leute gekommen waren.

          — Jetzt habe ich keine Diabetes mehr; aber vor einigen Jahren — er beschwerte sich über die empfangene Schramme — wäre diese Wunde nur schwer vernarbt.

          Aber er war stolz darauf, sich zu beschweren, denn diese Kratzer waren der Beweis für seine Fähigkeit, Fans in Saragossa zu mobilisieren, jener Stadt, in der er so schwere Demütigungen hinnehmen musste. Ich weiß nicht mehr, ob es bei dieser oder bei einer anderen Gelegenheit war, als er Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um in dieser Stadt in einem wichtigen Palast zu übernachten.

          Ich war schon einige Zeit aus dem Opus Dei ausgetreten, als ich — und auch noch andere — ausdrücklich nach Rom zur Heiligsprechung des seligen Escrivá eingeladen wurde, und ein anderes Mal nach Valladolid zu einem Besuch von Javier Echevarría. Ein anderer Ehemaliger, den sie nach seinem Weggang ignoriert und nicht einmal gegrüßt hatten, bekam ebenfalls eine Einladung. Man sieht, sie brauchten Komparsen, und sie würden gerne damit angeben, dass sogar die Ehemaligen dem Vater zujubeln und zu de Heiligsprechungen fahren. Die, die gehen, müssen oft noch einen Brief schreiben, in dem sie sich selbst alle Schuld geben und das Opus Dei freisprechen. Man drängt sie sogar dazu, Mitarbeiter zu werden. Am Ende möchte man allem einen idyllischen Anstrich geben. Keine Ressentiments. Ich erinnere mich an eine Freundin, die sich aufrichtig für das Opus Dei interessierte und die fragte:

          — Was geschieht mit denen, die das Opus Dei verlassen?

          — Bei passieren solche Dinge nicht, erhielt sie zur Antwort. Es gibt keine Deserteure Wir bleiben alle treu.

          Durch diese „Information“ hat bei dieser Dame das Opus Dei — das doch Heilige und göttliche Inspirationen aufweist — arg an Glaubwürdigkeit verloren, obwohl sie sich weiter für seine Bildungsmittel interessierte.

          Daran merkt man, dass eben einige Dinge wichtiger sind als andere. Das Scheitern der Menschen, die gehen, ist nicht wichtig. Das Wichtige ist, das ihr Weggang nicht als Scheitern der Institution interpretiert wird.

          Alles dreht sich um den Vater: seine Sorgen, seine Vorlieben, was er gesagt hat, was er will, worum er bittet, was er schreibt. Bei einer bestimmten Gelegenheit hörte ich ihn abfällig über jemanden sprechen, der seinen Personenkult kritisierte. Das eigene Innenleben mündete in einer völlig aufgeblähten Bürokratie. Don Alvaro war sehr heilig, denn er war dem Vater sehr treu und widmete sein ganzes Leben und alle seine Kräfte dem Ziel, seinen Anweisungen zu folgen. Was für eine Aufgabe, Generalsekretär zu sein! Was für ein Genie im Fundraising! Wie wusste er den Anweisungen und Wünschen des Gründers zu schmeicheln! Etc. Alles, was wichtig ist, kommt vom Vater. Was sollen wir im Gebet betrachten? Die Briefe des Vaters. Was nehmen wir als geistliche Lesung? Die internen Publikationen. Wer ist ein guter Numerarier, Assoziierter oder Supernumerarier? Der, der sich bedingungslos der Bürokratie zur Verfügung stellt, damit sie ihm anschaffen was sie wollen.

          Neulich hat Agustina eine Verkündigungsszene veröffentlicht, in der der Jungfrau Maria gleichzeitig der Erzengel Gabriel und Sanjosemaría erscheinen, letzterer in einem Pluviale, Marke letzter Schrei. Die Jungfrau Maria, leicht verunsichert, dass da in der Verkündigungsszene noch jemand anderer außer dem Erzengel auftaucht, scheint der Hornbrille des Eindringlings mehr Aufmerksamkeit zu widmen als der Ankündigung, dass sie ausersehen ist, die Mutter Gottes zu sein. Man hat die Geste der Jungfrau Maria interpretiert, dass sie Sanjosemaría segnet. Andere interpretieren das Handzeichen wiederum als:

          — Hau ab, hier gibt´s nichts abzustauben!

Fisac, der ihn noch vor dem Bürgerkrieg kannte, bezeugte:

          — Er wurde jeden Tag hochnäsiger.

          Päpste gab es viele und wird es viele geben. Aber das Papsttum ist eine göttliche Einrichtung, und es ist nicht vorgesehen, dass es zwei davon gleichzeitig gibt. Von den Gründern gibt es mehr als genug. Während jedes Pontifikats kommen und gehen Gründer und Gründungen.

          Ich erinnere mich an meine Tante Conchita, die ihre Freundin Lola mit einer Selbstverständlichkeit eingeschüchtert hat:

          — Lola, heute ist der 20. August 1957. Merkst du etwas? Es wird viele weitere Auguste geben, es wird viele weitere 20. geben; aber dieser 20. August 1957 wird niemals wiederkehren.

          — Klar doch!, antwortete Lola.

          — Aber Lolachen! — insistierte sie ernsthaft und bedeutsam — es ist dir nicht klar! Dieser 20. August geht schon zu Ende. Und er wird nie wiederkehren. Siehst du das nicht?

          — Conchita, sag mir nicht solche Sachen, die mich erschrecken, antwortete ihre Freundin, die sie dann doch noch beeindrucken konnte.

          Wenn wir uns damit aufhalten zu überlegen, dass es nur einen einzigen Gründer des Opus Dei gibt, so ist das nichts Besonderes. Klar! Das Gleiche gilt für Dominikus, Ignatius von Loyola oder die Mutter Theresa von Kalkutta. Die Existenz nur eines einzigen Gründers ist die Normalität; die Ausnahme bilden die sieben Gründer des Servitenordens: Alejo de Falconieri, Bonfiglio, Bonajunta, Amideo, Sosteneo, Lotoringo und Hugocio.

          In der Kirche wurden unterschiedlichste Institutionen gegründet und werden es noch, mit den unterschiedlichsten Zielsetzungen: fromme, karitative, zugunsten der Bildung, um Blinde, Alte, Gefangene zu betreuen. Nicht normal ist es, dass sich ein Gründer als Zweck der Gründung versteht. Sein Werk und damit seine Person sollen wir bewundern, nachahmen, bewerben.

          Meiner Ansicht nach bestand der Fehler von Don Alvaro darin — eigentlich ist es fast eine Blasphemie die Behauptung zu riskieren,  Don Alvaro hätte Fehler begangen: Er war ja auch so ein Heiliger —, die Heiligsprechung des Gründers  zu beschleunigen. Ich meine jetzt nicht, dass man das  fair play des entsprechenden Kanonisationsprozesses verletzt habe, sondern dass diese Gründungen, die sich nur auf das Leben und Werk eines einzelnen Menschen konzentrieren, kurzlebig sind. Sie welken.

          Und damit lasse ich es gut sein.

 

Gervasio

 

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