DIE VERPFLICHTUNG ZUR ARMUT IM OPUS DEI: EIN WEITERER BETRUG

Lucas, 16. März 2011

 

Es sieht so aus, als würden sich in der Prälatur einige Dinge auf Anordnung des Heiligen Stuhles ändern, aber in Wahrheit bleibt alles gleich, obwohl sich eine gewisse Unsicherheit aufgrund der Hinweise breit gemacht hat, die gegeben wurden, ohne eine Begründung dafür zu nennen, und freilich “immer im Einklang mit dem, was der Gründer gesagt hat”. Die Wahrheit ist, dass der Heilige Stuhl das Opus Dei aufgrund seiner zahlreichen Regelwidrigkeiten einer Überprüfung unterzieht.

Eine dieser Regelwidrigkeiten bezieht sich auf die schwer wiegende Verpflichtung zu Armut, der die Mitglieder unterworfen werden, während die Statuten keinerlei Regelungen hinsichtlich der Praxis in der Durchführung der Evangelischen Räte treffen, die ja eigentlich dem geweihten Leben entsprechen, und ganz konkret im Hinblick auf die Armut.

Die mangelnde Kohärenz zwischen dem Codex Iuris Canonici (vgl. cc. 294-296) und den Statuten der Prälatur hinsichtlich der Jurisdiktion des Prälaten über die Laien, deren Zugehörigkeit zur Institution[1], ihre Verpflichtungen etc., ebenso wie die mangelnde Transparenz der Prälatur in ihrer Vorgangsweise, dass sie die Lebenspraxis ihrer vorhergegangenen rechtlichen Stellung als Säkularinstitut eins zu eins beibehalten hat, obwohl diese durch die neuen Statuten erledigt war, begünstigt die Entstehung von Situationen, die schwere Ungerechtigkeiten verursachen und die mit der christlichen Nächstenliebe unvereinbar sind.

In diesem Fall beziehen wir uns auf folgende Fragen aus dem wirtschaftlichen Bereich:

-          Bis zum 28. November 1982 war das Opus Dei ein Säkularinstitut. Aufgrund des evangelischen Rats der Armut waren alle Mitglieder moralisch verpflichtet, der Institution ihre laufenden Einkünfte auszuhändigen (vgl. Constituciones von 1950, Nr. 161 ff.), ganz im Stil der Ordensleute (vgl. c. 668 § 3), zusammen mit vielen anderen Bestimmungen, die für diese Lebensform typisch sind. Vom genannten Datum an war das Opus Dei eine Personalprälatur. Nach dem neuen Statut, das vom Heiligen Stuhl approbiert ist, brachte das eine Änderung seines kirchenrechtlichen Status mit sich, die Bezugnahme auf die Evangelischen Räte fiel weg, und es gab zahlreiche Änderungen hinsichtlich der Verpflichtungen der Laien gegenüber der Prälatur. Man muss aber dazusagen, dass wir über diese Änderungen nicht informiert wurden und dass uns auch der Inhalt der Statuten nicht mitgeteilt wurde, die den Mitgliedern weiterhin nicht zur Verfügung gestellt wurden[2], wie es in Canon 592 § 2 vorgeschrieben ist, sondern Msgr. Alvaro del Portillo, der damalige Prälat, sagte uns, dass sich nichts in unserer Lebenspraxis geändert und dass wir neue Vereinbarungen mit der Prälatur abschließen, die “schwere und qualifizierte moralische Verpflichtungen” bedeuten.

-          In den erwähnten Statuten von 1982  wird die Praxis der evangelischen Räte nicht angesprochen. Was die ökonomische Frage und die Tugend der Armut betrifft, bleiben diese Statuten sehr allgemein und besagen, dass sich keine konkreten ökonomischen  Verpflichtungen ableiten lassen: §2. Indem sie [die Gläubigen der Prälatur] ihre gewöhnliche berufliche Arbeit mit der Gesinnung und dem Herzen des Vaters einer armen, aber kinderreichen Familie verrichten, haben alle Gläubigen der Prälatur die Pflicht, für ihre eigenen wirtschaftlichen Bedürfnisse und die ihrer Familie vorzusorgen, und soweit es ihnen möglich ist, auch das Apostolat der Prälatur zu unterstützen, indem sie dem geistlichen und materiellen Bedürfnis vieler Menschen Abhilfe schaffen. (Statuten, Nr. 94 § 2).

-          Dennoch sagen die internen Bestimmungen etwas ganz anderes: Die Numerarier und Assoziierten verwenden alle ihre Einkünfte aus ihrer persönlichen Arbeit um ihre persönlichen Bedürfnisse zu decken und zur wirtschaftlichen Erhaltung der Apostolate der Prälatur beizutragen (Catecismo de la Obra, 8. Auflage, Rom 2010, Nr. 160), außerdem viele andere Verpflichtungen, die weit über das religiöse Leben hinausgehen; so haben sie den Usus und Ususfructus (Gebrauch und Fruchtgenuss) ihrer ererbten Güten zur Verfügung zu stellen, Familiengüter oder Erbschaften durch ein Testament oder eine Schenkung unter Lebenden einem korporativen Werk der Vereinigung zur Verfügung zu stellen; monatlich eine Aufstellung über die persönlichen Ausgaben abzugeben; bei außerordentlichen Ausgaben (Kauf von Wäsche, bei Frauen: zum Friseur gehen; Telefonanrufe, Reisen, Teilnahmen an Kongressen) um Erlaubnis zu bitten; Kontoauszüge beim Sekretär des Zentrums abzugeben; nicht mehr als jene von der Regionalkommission als angemessen festgelegt (kleine) Summe bei sich zu tragen, die man gegen Beleg von der Kassa des Zentrums bekommt; und sehr viel mehr (vgl. Experiencias de las labores apostólicas, Rom, 6-X-2003, S. 46ff.). Alle diese Anforderungen widersprechen einem Leben inmitten der Welt und verursachen merkwürdige Situationen. Vor allem aber sind sie in den Statuten der Prälatur gar nicht vorgesehen. Um diesen offenkundigen Widerspruch zwischen den Statuten und den internen Gepflogenheiten zu beheben, erließ der Prälat 1999 einige Decretos Generales [Allgemeine Richtlinien], eine davon (vgl. Decr. Gen. 6/99, art.2 §1, 1º) über die ökonomischen Verpflichtungen, mit ähnlichen Worten wie im Katechismus des Werkes, wie oben zitiert. Aber unserer Ansicht nach haben diese Dekrete zwei Schwachpunkte: Erstens, dass der Prälat, gemäß dem universal gültigen Recht (vgl. cc. 583 und 576) und dem besonderen Recht der Prälatur, ohne Zustimmung des Heiligen Stuhles gar nicht die Kompetenz besitzt, wesentliche Bestimmungen der Statuten zu ändern: 181. § 1. Dieser Codex bildet die Grundlage für die Prälatur Opus Dei. Deshalb sollen seine Normen heilig gehalten werden, unverletzlich und beständig, und einzig dem heiligen Stuhl stehen Änderungen oder die Einführung neuer Vorschriften zu. Zweitens wurden diese Dekrete niemals ordnungsgemäß  im Amtsblatt der Prälatur bekannt gemacht, so wie es der Canon 31 § 2 vorsieht, sondern nur den regionalen Leitern mitgeteilt. Außerdem denken wir, dass der Prälat gar nicht die Gewalt besitzt, Laien und Priestern Verpflichtungen dieser Art aufzuerlegen, da sich seine Jurisdiktionsgewalt, wie dies im CIC cc. 294-296 und in den Statuten der Prälatur festgehalten ist, nicht auf wirtschaftliche Fragen oder ein Armutsgelübde beziehen kann wie bei Ordensleuten, vor allem deshalb, weil die Angehörigen der Prälatur nicht dazu verpflichtet sind, sich an die evangelischen Räte zu halten. Die Jurisdiktion des Prälaten in Hinblick auf die Laien muss sich auf die Organsiation der seelsorglichen und apostolischen Aktivitäten der Institzution beschränken.   

-          Andererseits schreiben die Statuten der Prälatur den Mitgliedern – den Statuten zufolge sind die Laien Mitglieder der Prälatur – folgendes vor: Alle Gläubigen der Prälatur müssen die notwendigen Versicherungen abschließen oder Vorsorgemaßnahmen treffen, die die zivilen Gesetze für den Fall der Invalidität, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit, Alter etc. vorsehen  (Statuten, Nr. 24 §1); und sie müssen eine berufliche Arbeit ausüben, dass jeder einzelne ein Leben intensiver Arbeit führt, damit er, durch die Ausübung der gewöhnlichen beruflichen Arbeit oder Beschäftigung für seine ökonomischen Mittel sorgt; diese sind freilich nicht nur für seinen persönliche und, wenn es die Lage mit sich bringt, Lebenshaltung seiner Familie nötig, sondern auch für eine großzügige Unterstützung der apostolischen Werke, je nach den persönlichen Möglichkeiten (Statuten, Nr. 22). Nun, viele von uns haben für die Prälatur gearbeitet, ohne dass man uns versichert hätte – und das war schon so, als das Opus Dei noch ein Säkularinstitut war – , ohne dass wir ein Gehalt bezogen oder einen Arbeitsvertrag gehabt hätten. Wir können nicht nur keine “gewöhnliche berufliche Arbeit” vorweisen, wir sind nicht einmal in der Lage nachzuweisen, dass wir zum Opus Dei gehört haben, denn die Prälatur gibt kein Schriftstück aus der Hand , nicht einmal jenes, mit dem sie die endgültige juristische Eingliederung bestätigen würde; alles wird mündlich erledigt. Außerdem sieht, zumindest in Spanien, das Zivilrecht vor, dass jeder Arbeiter, bevor er ein Arbeitsverhältnis eingeht, bei der Sozialversicherung anzumelden ist. In diesem Sinn hat das Opus Dei das geltende Zivilrecht gebrochen. Denn wie es in den internen Regelungen vorgesehen ist, dass die zölibatären  Mitglieder nicht über ihre Einkommen verfügen, so haben sie auch nicht die Freiheit ihre eigene Familie zu unterstützen; die Institution selbst hat dies zu übernehmenm, falls sie es für richtig befindet.

-          Im Lauf der Zeit ist die Prälatur dazu übergegangen, einige seiner Mitarbeiter bei der Sozialversicherung anzumelden, beispielsweise die Auxiliarinnen (zölibatär lebende Frauen, deren Berufung und deren berufliche Arbeit darin besteht, in den Zentren des Opus Dei den Haushalt zu führen); von diesen Angestellten lassen sie sich zwar den monatlichen Gehaltsstreifen bestätigen, die händigen ihnen aber das Geld nicht aus. Die Priester, die jünger als 50 Jahre sind, zahlen ebenfalls – seit 2007 – in die Sozialversicherung ein, aber sie erhalten keinen Gehalt ausbezahlt. Die Mehrzahl der Laien, die die ganze Zeit in der internen Bürokratie der Prälatur arbeiten, haben keinen Dienstvertrag, keinen Gehalt und sind nicht sozialversichert[3]. Wir möchten klarstellen, dass die Prälatur als solche niemals als Arbeitgeber ihrer Angestellten, Direktoren und Auxiliarinnen in Erscheinung getreten ist – im Gegensatz zu den Angestellten der Diözesen -, sondern dass sie immer Firmen dazwischenschalten, die von ihnen kontrolliert werden, wie Privatschulen, Immobiliengesellschaften, juristische Personen, ONGs etc. und fiktive Verträge aufsetzen, sodass sie kaum jemals im eigenen Namen auftreten und ihr Besitz fast nie als “Kirchengut” aufscheint.   

-          Es ist festzuhalten, dass ein Laienmitglied für die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Prälatur selbst für seinen Lebensunterhalt und seine ärztliche Betreuung aufkommen muss, und zwar mit dem Geld, das er außerhalb der Institution verdient, oder dies ist eine vertraglich nicht fixierte Gegenleistung, wenn der Betreffende für die Prälatur arbeitet; wer aber die Institution verlässt – und dass sind 95% der zölibatären Mitgliedern –  befindet sich in einer äußerst prekären Situation. Denn wer für die Prälatur gearbeitet hat, verliert nicht nur seine Arbeit, er war auch niemals sozialversichert; und die Zölibatären haben keinerlei Ersparnisse oder Vermögen, denn die Einkünfte haben sie aufgrund der ihnen fälschlich als schwere juristuische und moralische Verpflichtung genannten Vorschrift der Prälatur ausgehändigt. Viele Mitglieder haben die Institution als Kranke verlassen, nachdem sie ein ganzes Leben im Dienst der Prälatur gearbeitet haben, sie befinden sich im fortgeschrittenen Alter  − über 60 – ohne jede Möglichkeit, Arbeit zu finden, und in einer ökonomisch aussichtslosen Situation. Die Mehrzahl von ihnen hat die Institution um eine ökonomische Unterstützung ersucht, als gerechte Abgeltung für die im Opus Dei verbrachten und durch keine Sozialabgaben abgesicherten Arbeitsjahre, und keine Antwort erhalten.

Mir ist zu Ohren gekommen, dass der Prälat kürzlich bei einem Zusammentreffen mit Mitgliedern der Prälatur gesagt habe – und dass bezog sich auf alle –, das sie nicht verpflichtet wären, dem Werk ihre gesamten Einkünfte zur Verfügung zu stellen, sondern dass sie, wenn sie für ihren Lebensunterhalt aufgekommen sind, frei wären zu geben was sie wollen. Ich nehme an, es handelt sich dabei wieder einmal um Hinweise des Gründers, die wir noch nicht gekannt haben. Nachdem wir ein Leben lang unser ganzes Gehalt unter schwer Verpflichtung im Gewissen abegegeben haben, stellt sich heute heraus, dass eine solche Verpflichtung gar nicht existiert. Aber das widerspricht dem, was der Gründer gelehrt hat und was wir seine “Lehre von Kaninchen” genannt haben: “Wenn ich nur ein wenig für mich zurückbehalte, behalte ich alles”.

Die Errichtung der Prälatur hat den Prälaten des Opus Dei in große Schwierigkeiten gestürzt, ein echtes Dilemma, vor allem wenn er vorgehabt haben sollte sich aus seinem Lügengewebe zu lösen: Er hätte sich entweder an die vom Heiligen Stuhl approbierten Statuten halten müssen oder aber  die vom Gründer gestiftete Praxis fortsetzen, die mit der Rechtsform einer Prälatur unvereinbar ist. Er hat einen dritten Weg gewählt, doppelbödig und auf die Dauer unhaltbar, denn auf die Dauer konnte der Betrug nicht verborgen bleiben. Das Grundproblem liegt aber in der Persönlichkeitsstörung des Gründers, der dem Werk seine Verlogenheit aufgezwungen hat.

Lucas


[1] Zur rechtlichen Situation der Laien in der Prälatur Opus Dei siehe: G. GHIRLANDA, “La Costituzione Apostólica Anglicanorum coetibus”, in Periodica de re canonica Bd. 99 (2010), S. 395-406.

Die Statuten der Prälatur, die ausschließlich in lateinischer Sprache verfügbar sind, wurden zwar den Bischöfen ausgehändigt, aber niemals offiziell den Mitgliedern des Opus Dei zur Kenntnis gebracht, weder in lateinischer noch in ihrer Muttersprache, sodass sie keinen direkten Zugang zu ihnen haben. Auf dieser Seite gibt es zwar eine lateinische Version sowie eine deutsche Übersetzung, beide sind aber natürlich ohne jeden offiziellen Charakter. Es wäre wünschenswert, wenn der Heiliger Stuhl eine offizielle Version zur Verfügung stellte, die zudem in die wichtigsten verkehrssprachen übersetzt sein müsste, damit die Mitglieder des Opus Dei eine sichere Kenntnis ihrer besonderen Rechte bekommen. Wir denken, dass dieses Recht jedem Menschen zusteht, der sich einer öffentlichen Institution innerhalb der Kirche anschließt. Wir Mitglieder des Opus Dei konnten viele Jahre lang betrogen werden, eben weil wir die Statuten nicht kannten. Im Moment kennen die, die noch dabei sind, sie ebenso wenig.

[3] Es bedeutet einen Betrug an der staatlichen Sozialversicherung, dass sehr viele Laien die gesamte Zeit in der Bürokratie der Prälatur beschäftigt sind, als Direktoren, Angestellte etc., ohne Arbeitsvertrag, ohne Entlohnung und ohne Sozialversicherung, sondern mit freiwilliger Selbstversicherung; im Falle einer staatlichen Inspektion müssen sich diese Personen jedesmal verstecken. Viele dieser Angestellter beantragen später, am Ende ihres Arbeitslebens, Sozialhilfe; so wird der Staat ein zweites Mal betrogen. Früher oder später wird all dies an die Öffentlichkeit gelangen und einen neuen Skandal innerhalb der Kirche auslösen. Dazu kommt, dass diese Laien für den Fall, dass sie das Opus Dei verlassen, ohne den geringsten finanziellen Rückhalt dastehen.