Oráculo: Die sektiererische Technik beim Proselytismus des Opus Dei

 

Kommentar zu Pkt. 295 seines KATECHISMUS VON 2003

 

 

INHALT:

1. Die Risiken des Proselytismus.

2. Die Manipulation junger Menschen.

3. Die Vorgangsweise beim Einfangen.

4. Nötigung als Taktik beim Proselytismus.

5. Die Abschirmung vom persönlichen Umfeld.

6. Die „göttliche“ Berufung zum Opus Dei.

7. Schlussfolgerung.

 

Nr. 295 der 7. Auflage des Katechismus des Werkes beginnt mit folgendem schlichten Satz: Die Gläubigen des Opus Dei leben den Proselytismus auf persönliche Weise in der Überzeugung, dass es Gott ist, der die Seelen ruft. Verhält sich das tatsächlich so? Ich habe da meine Zweifel. Sei es jedenfalls wie es wolle, im Licht dieses Grundsatzes gilt es darüber nachzudenken, warum in dieser Zeit die Berufungen versiegen.  Und wenn man erst einmal dieses Faktum anerkannt hat, dann folgt daraus ganz offenkundig, dass Gott dieses „Apostolat“, das die Institution durch seinen Prälaten und seine Direktoren betreibt, nicht gefällt. Dass das Offenkundige geleugnet, die Fakten verheimlicht oder beschönigt werden, erinnert viel eher an das Verhalten Adams nach der Affäre mit dem Apfel, als er von Gott gerufen wurde und sich verbarg, weil er sah, dass er nackt war,

Die Gründe für die aktuelle Krise des Opus Dei sind vielfältig und verschieden, aber es ist nicht schwierig, die heutige „Unfruchtbarkeit“ in Zusammenhang mit den Methoden zu sehen, mit denen neue Anhänger rekrutiert werden, oder, anders gesagt, mit der Art der Berufungspastoral, wie sie im Opus Dei während dieser letzten Jahrzehnte praktiziert wurde. Deshalb ist es sinnvoll, über diese Methoden als solche nachzudenken, denn es haben bereits genügend Personen aus unterschiedlichen Ländern und ganz verschiedener Herkunft diese Verhaltensweisen aufgezeigt, sodass man nicht nur den Schluss ziehen kann, dass all dies Gott nicht gefallen kann, sondern auch den sicheren Beweis führen, dass diese und andere Verhaltensweisen nicht im Sinn der Kirche sind.

Das Zeugnis, das Miguel L. hier veröffentlicht hat, ist ein Beispiel unter vielen anderen und spricht für sich selbst. Denn die trockene und leidenschaftlslose Beschreibung dessen, was geschehen ist, kann besser verstehen helfen. Denn eine unaufgeregte und leidenschaftslose Beschreibung der Wirklichkeit kann zum Verständnis oft meht beitragen. Während der letzten Wochen habe ich jedenfalls einige treffende Beobachtungen gemacht, die das Thema aus verschiednen Blickwinkeln beleuchten. Meine heute eingeschickten Zeilen sind lediglich eine bescheidene Ergänzung und nehmen deshalb einige Überlegungen wieder auf, die andere bereits angestellt haben. Es geht mir  hier weniger um Originalität als um eine genaue Beschreibung des Bildes, wie es sich im Zusammenhang darstellt.

Und tatsächlich ist es nicht so schwer, in den Methoden, welche das Opus Dei praktiziert, um Berufungen zu „rekrutieren“, an eine Serienproduktion erinnern, mit Techniken, wie sie für Sekten typisch sind, viel eher als an die Unterscheidung der Geister, die immer gefordert ist angesichts dessen, was nur als Geschenk Gottes aufgefasst werden kann: Das  heißt, die Berufung, ein spezifischer Ruf zur Ganzhingabe der Person zu einem „Dienst aus Liebe“, muss in Zusammenhang mit der Person als ganzer gesehen werden.

 

1. DIE RISIKEN DES PROSELYTISMUS

 

Die größte Gefahr bei den Aktivitäten des Proselytismus besteht darin, den übernatürlichen Horiziont zuu verlieren, und von daher rührt der negative Beigeschmack, den dieser Begrifff abgenommen hat. Es wirkt wie ein Echo der Worte Christi an die Pharisäer: Ihr zieht über Meer und Land, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen; und wenn er es geworden ist, macht ihr ihn zum Sohn der Hölle, noch einmal so arg als ihr.“ (Mt. 23, 15) Wieviel davon gilt – und galt in früheren Zeiten! – für so manche Institution der Kirche.

Allerdings hat José María Escrivá immer den göttlichen, übernatürlichen, persönlichen Charakter seiner persönlichen Berufung zum Opus Dei betont, und in der Folge verstand er auch, dass dies ebenso im Gewissen derer begründet sein müsse, die um die Aufnahme ins Werk bitten. Proselytismus kann niemals bedeuten, um jeden Preis neue Mitglieder anzuheuern; er bedeutet die Überzeugung, dass hier ein spezifischer Ruf Gottes vorhanden sei; im schlimmsten der Fälle geht diese Berufung eben, aus freier Entscheidung des Betroffenen, verloren.

Deshalb darf die Berufungspastoral nicht zu etwas völlig anderem degenerieren: dass man nämlich seine Agenten zu unfehlbaren Experten dieser Berufungen erklärt, die  über die ihnen Anvertrauten mehr oder weniger frei verfügen dürften. Oder, anders gesagt, es gibt keine „Pastoralagenten“, die aus eigener Kraft Berufungen erschaffen, erwecken, mit Stragetie und Taktik hervorlocken könnten.  Sicher ist aber, dass es sehr leicht ist, junge Menschen zu beeinflussen, die von Gott ein gutes Herz und eine großzügige Art erhalten haben: Ihr Mangel an Erfahrung, jugendlicher Enthusiasmus und eine selbstverständliche Unreife lassen sie gewöhnlich denen gegenüber wehrlos sein, die ihr Vertrauen missbrauchen.

In diesen Fällen kann die Versuchung auftauchen, sich solcher guter Anlagen für eigene Zwecken und Projekte zu bedienen und fremde Qualitäten und Energien im eigenen Interesse auszubeuten, wenn man nicht mit äußerster Umsicht und Lauterkeit der Absicht handelt. Denn es kann leicht geschehen, dass man zweifelhafte Motivationen unter dem Vorwand des apostolischen Eifers bemäntelt. Eben deshalb hat es die jahrhundertealte Erfahrung der Kirche verfügt und darauf bestanden, dass die Entscheidung zur Hingabe unbedingt vollkommen aus eigener Entscheidung, nach reiflicher Entscheidung und unbeeinflusst zustandekommen.

So hat beispielsweise das II. Vatikanische Konzil noch einmal in seinen Dekreten diese Aspekte unterstrichen

6. Mit wacher Sorge, dem Alter und der Entwicklungsstufe der einzelnen entsprechend, müssen die rechte Absicht und der freie Wille der Kandidaten, ihre geistliche, moralische und intellektuelle Eignung, die erforderliche physische und seelische Gesundheit geprüft werden; dabei müssen auch von der Familie eventuell ererbte Anlagen beachtet werden. Auch soll man sich über die Fähigkeit der Kandidaten, die Lasten des Priesteramtes zu tragen und die pastoralen Aufgaben zu erfüllen, ein Urteil bilden (10). Bei der Auslese und Prüfung der Kandidaten soll man mit der nötigen geistigen Festigkeit vorgehen, auch dann, wenn Priestermangel zu beklagen ist (11). Gott läßt es ja seiner Kirche nicht an Dienern fehlen, wenn man die fähigen auswählt, die nicht geeigneten aber rechtzeitig in väterlicher Weise anderen Berufen zuführt und ihnen dazu verhilft, daß sie sich im Bewußtsein ihrer christlichen Berufung mit Eifer dem Laienapostolat widmen. (Optatam totius, Art. 6)

12. Es ist Sache der Bischöfe, einen entsprechenden Zeitraum für eine intensivere geistliche Schulung der Alumnen festzusetzen, damit ihre geistliche Bildung festere Grundlagen habe und sie in reifer Überlegung ihren Beruf bejahen. Außerdem sollen sie die Möglichkeit erwägen, die Studien zu unterbrechen oder einen angemessenen Zeitraum pastoraler Schulung einzulegen, um eine zuverlässigere Erprobung der Priesterkandidaten zu gewährleisten. Weiter sollen die Bischöfe je nach den regionalen Gegebenheiten entscheiden, ob das nach dem zur Zeit gültigen gemeinen Recht geforderte Weihealter zu erhöhen ist, und überlegen, ob es angebracht ist, die Alumnen nach Abschluß des theologischen Studiums noch eine angemessene Zeit den Weihediakonat ausüben zu lassen, bevor sie zur Priesterweihe zugelassen werden. (Ebda., Art. 12)

(http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19651028_optatam-totius_ge.html)

Die Beobachtung vollkommener Enthaltsamkeit rührt sehr unmittelbar an tiefere Neigungen der menschlichen Natur. Darum dürfen Kandidaten nur nach wirklich ausreichender Prüfung und nach Erlangung der erforderlichen psychologischen und affektiven Reife zum Gelöbnis der Keuschheit hinzutreten und zugelassen werden. Man soll sie nicht nur auf die Gefahren für die Keuschheit aufmerksam machen, sondern sie anleiten, die gottgewollte Ehelosigkeit zum Wohl der Gesamtperson innerlich zu übernehmen.(Perfectaecaritatis, Art, 12)

(http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19651028_perfectae-caritatis_ge.html)

Dem folgte auch der ehrwürdige Paul VI. und beharrte in seiner Enzyklika Sacerdotalis caelibatus auf der Norwendigkeit, jeden „Kandidaten“ über die Anforderungen und Schwierigkeiten eines Lebens der Hingabe zu informieren. Eine bewährte Erfahrung sei es in diesen Fällen, niemanden mit „religiösen“ Argumenten zu nötigen oder sich nötigen zu lassen, die sie als falsch und trügerisch herausstellen könnten.

Die Antwort auf einen göttlichen Ruf darf niemals aufgrund eines inneren Zwanges geschehen, und noch weniger aufgrund einer ängstlichen Berechnung nach der Art „wenn ich mich nicht hingebe, setze ich mein ewiges Heil aufs Spiel“ oder „wenn ich nicht großzügig bin, werde ich niemals glücklich sein, so sagen sie es mir jedenfalls“.  Es gilt, einem Ruf der Liebe zu entsprechen; und das kann niemals gut gehen, wenn man nicht erfährt, welche Verpflichtungen man eingeht, ein solcher Ruf Gottes kann nicht mit Betrug oder moralischer Nötigung einhergehen, und mit keiner Art von Suggestion, die die volle Ausübung der persönlichen Freiheit mindert-

Wenn sich jemand in einer solchen Lage befindet, müsste der unmittelbare Rat sein, die Entscheidung so lange aufzuschieben, bis man sich in der Lage sieht sie in Ruhe und Klarheit zu fällem, frei und im vollen Bewusstsein, warum und wofür man sich entscheidet. Deshalb hat es die Tradition der Kirche auch festgelegt, dass für die Hingabe an Gott im Zölibat eine größere menschliche Reife nötig sein als für das Eingehen einer Ehe, und dass daher eine Entscheidung in dieser Richtung, die ohne die erforderliche Reife und Freiheit getroffen sein sollte – oder wenn sie durch subtil ausgeübten Zwang oder Betrug zustande gekommen sein sollte – kanonisch ungültig und moralisch verwerflich sei.

 

            2. DIE MANIPULATION JUNGER MENSCHEN

Das Panorama des Proselytismus, wie er im Opus Dei praktiziert wird, zeichnet heute ein besorgniserregendes Bild. Neben den unklugen Tollkühnheiten nicht weniger jugendlicher Mitglieder aus der Prälatur oder aus deren Umfeld, deren Fanatismus ihrem Alter oder ihrem Mangel an geistlicher Bildung zuzuschreiben ist, sowie den Wünschen ihrer „vernünftigen“ Leiter, die sich für das Sprachrohr des göttlichen Willens halten, die ihnen diese Perspektive vorgegeben haben, weist kaum noch eine erkennbare spirituelle Grundlage auf: weder hinsichtlich der Methoden, die angewendet werden, noch auch angesichts des Fehlens aufrichtiger Freundschaft oder der tatsächlich verübten Manipulationen an den Personen, um die man sich bemüht; man kann hier nicht mehr von einem christlichen Apostolat sprechen. Es kann nicht verwundern, das solche Lebensprojekte zum Scheitern verurteilt sind, wenn sie auf einem Fundament gegründet sind, das so wenig übernatürlich ist.

Im Augenblick kommen nahezu alle Berufungen von jungen Numerariern oder Numerarierinnen aus Privatschulen der Prälatur oder aus Supernumerarier-Familien. Und ganz generell sind es „Kinder“, die vorher jahrelang Jugendclubs aus dem Dunstkreis der Prälatur besucht haben, die diese für Kinder ab 9 oder 10 bis 14 Jahren einrichten ließen. Nicht wenige von ihnen baten in einem Alter von vierzehneinhalb, bis 15 oder 16 Jahren, um die Aufnahme ins Werk.

Berufungen von Studenten oder Berufstätigen als Numerariern oder Numerarierinnen sind äußerst selten; unter anderem deshalb, weil der Eifer, „unmittelbar“ Früchte vorzuweisen, die Direktoren ständig dazu verführt, leichter zugängliche Zielobjekte anzusprechen. Und so hat sich die „Arbeit“ in diesen letzten Jahrzehnten auf Jugendliche und Gymnasiasten, ja sogar auf die „Formung“ von Volksschülern konzentriert. Was hat das alles mit jenem Opus Dei zu tun, wie es sich am Anfang darstellte? Herzlich wenig,  und zwar in jeder Hinsicht.

Das das Kirchenrecht keinerlei kanonische Aufnahme vor dem 18. Lebensjahr gestattet, nahm man Zuflucht zur Erfindung der „Aspiranten“, die „um die Aufnahme“ gebeten haben, was kirchenrechtlich völlig ohne Belang ist, die es aber ermöglicht, Jugendliche mit vierzehneinhalb Jahren eng an die Kandare zunehmen, indem man ihnen eine strenge Gewissensverpflichtung auf die angeblich eingegangene Bindung einredet. Und weil der Gründer das so eingerichtet hat, wird es eben die Jahrhunderte hindurch beibehalten – denn wer wird seine Vorschriften zu ändern wagen? Wie es aussieht, konnte das bis jetzt nicht einmal die Amtskirche mit ihrer Gesetzgebung!

Die Statuten des Opus Dei, wie sie 1982 approbiert wurden, beziehen sich in Nr. 20, § 1 Zfr. 4° darauf, wo von der Aufnahme ins Werk die Rede ist; es ist erforderlich, „dass er sich vorher für mindestens ein halbes Jahr unter Leitung der zuständigen Autorität in den besonderen Apostolaten des Opus Dei geübt hat; es steht dem nichts entgegen, dass der Kandidat schon vorher einige Zeit hindurch als Aspirant gilt, ohne allerdings noch der Prälatur anzugehören“. Diese bescheidene Erwähnung [die den Mitgliedern normalerweise nicht, und wenn, dann nur in lateinischer Sprache zugängig gemacht wird!] gibt die rechtlich erforderliche Regelung wieder. Demgegenüber schreibt das Vademécum del Gobierno Local [Handbuch der Örtlichen Räte] von 2002 auf den Seiten 37-40, inwieweit diese Formel lediglich begrenzte Handhabe finden soll; und das wird so beiläufig mitgeteilt, dass als bloßes Faktum zitiert wird, dass die Aspiranten, „da sie der Prälatur noch nicht rechtmäßig angehören, noch nicht deren Rechte und Pflichten haben. Wie es offenkundig ist, leben sie nicht in einem Zentrum; und sie befinden sich nicht unter der besonderen Jurisdiktion der Prälatur. Nichtsdestoweniger widemt ihnen das Werk eine beständige geistliche Aufmerksamkeit; man hilft ihnen, die Freiheit ihrer Entscheidung zu  bestätigen, damit ihre Hingabe immer als Folge eines sicheren, bewussten und verantwortungsvollen Willensentschlusses verstanden wird.“ (S. 37)  In Wahrheit aber wird diese Entscheidung mit vierzehneinhalb Jahren erzwungen, und dann trachtet man mit allen Mitteln, dass die „den Geist des Werkes gut annehmen und in ihren  Seelen der Entschluss feste Wurzeln schlägt, sich Gott in der Prälatur ganz hinzugeben“ (S. 37-38) Man sieht hier schon, dass es sich um mehr als bloße „Aspiranten“ handelt.

Tatsächlich werden sie von dem Moment ihrer Bitte um die Aufnahme an ganz wie Mitglieder des Werkes behandelt, mit (nahezu) allen Konsequenzen: Sie sind verpflichtet zu den Bildungsmitteln zu gehen, sie müssen verfügbar sein, Aufträge übernehmen, an den Familientreffen teilnehmen etc. Und von diesem zarten Alter an werden sie zu den Anforderungen der „Fügsamkeit“ erzogen, und es wird ihnen der Geist der Unterwerfung gegenüber den Direktoren, die ihnen als Kanal des göttlichen Willens präsentiert werden, antrainiert. Nicht selten geschieht all dies gegen der erklärten Willen ihrer Eltern, und in aller Regel ohne sie ausdrücklich zu informieren. Und es kann keinerlei Zweifel daran geben, dass die Direktoren den Erziehungsprozess genau nach ihren internen Anweisungen durchziehen.

Aber: Ist das jetzt Bildung oder Manipulation? Es möge jeder selbst verstehen, wie er es auffasst.

Sicher ist, dass dieser Prozess völlig abgekapselt von den natürlichen Bindungen der Familie verläuft, denn Lebensgrundlage ist jetzt die angebliche „Berufung“, die Zugehörigkeit zu einer neuen, „übernatürlichen Familie“, obwohl die Kirche eine Entscheidung in so frühen Jahren nicht gestattet. Formal wird das Kirchen­recht durch die Aufnahme von „Aspiranten“ wohl nicht gebrochen, aber man behandelt sie ganz, als wären sie schon richtige Mitglieder des Opus Dei, und ausgenommen sind lediglich jene Folgen, die kanonisch ausdrücklich verboten sind. Und wie es in der alltäglichen Pastoral der Prälatur üblich ist, wird die kanonische Norm in keiner Weise angesprochen, und so läuft alles darauf hinaus, dass sich die Kandidaten selbst als richtige Mitglieder ansehen und sich in ihrem Gewissen gebunden fühlen.

Wir stehen also hier einer Vorgangsweise beim Proselytismus gegenüber, die die Unreife der Personen missbräuchlich ausnützt, sie in Unkenntnis ihres kirchenrechtliches Status belässt und vor allem das Vertrauen junger Menschen missbraucht, die den Wunsch zum Ausdruck bringen Gott zu dienen und gute Christen zu sein. Und es ist allgemein bekannt, dass hier die Prälatur ganz besonderen Nachdruck auf die Hingabe legt und auf diesem Terrain ihren nachwuchs sucht. Selbstverständlich ist es bei ältereren und reiferen Personen entsprechend schwieriger, eine solche Indoktrination reibungslos durchzuziehen, denn sie erkennen die manipulativen Techniken vermutlich schon von Weitem, und wenn schon nicht aus psychologischer Rafinesse oder Bildung, dann aufgrund ihrer Erfahrung im Umgang mit Menschen.

 

3. Die Vorgangsweise beim Einfangen

 

Es existiert jedenfalls ein ausgeklügelter Wegweiser für die Akquise, die genauestens geplant wird. Man beginnt damit, Kinder in die Jugendclubs zu locken, seien sie jetzt SchülerInnen in Anstalten der Prälatur oder nicht. Dort sollen sie ein angenehmes Ambiente vorfinden, Unterhaltung, Hilfe und eine gute Art´, die freie Zeit zu nützen, auch durch „Bildungsaktivitäten. Damit löst man zugleich ein großes Probem, das die Eltern haben, wenn sie nicht mehr wissen, wie sie die Kleinen beschäftigen sollen. Heute mehr als früher ist es nicht ratsam, wenn sie auf der Straße herumstreunen; und die Schulen sind oft nicht für die Nachmittagsbetreuung eingerichtet.

Im Club haben diese Kinder ihren ersten Kontakt mit Numerariern  oder Assoziierten, die ihnen an Lebensalter, Bildung und Erfahrung weit überlegen sind. Ihnen ist daran gelegen, deren Wünsche zu erfüllen, ihre „Freundschaft“, vielleicht auch ihre Bewunderung zu erringen. Sie verstehen es sie zu unterhalten, ihnen bei ihren Aufgaben zu helfen und ihnen auch im Guten das Eine oder Andere beizubringen, sie geben ihnen das Gefühl, von Älteren auf der gleichen Ebene behandelt zu werden, und sie werden es sogar erreichen, dass sie in dem einen oder anderen menschlichen Aspekt reifer werden: Konvivenzen, Lager, Sport etc. haben einen hohen erzieherischen Wert, wenn sie in einem Umfeld von Normalität und herzlicher Freundschaft stattfinden können.

Wenn sich diese Realität des Werks von heute vor Augen führt, darf man aber auch nicht die starken Worte vergessen, die der Gründer in seiner „Instruktion für die Arbeit von St. Raphael“ von 1935 gebraucht. Dort schreibt er nämlich:  Unser Haus ist kein Ort der Erholung  -  wir haben keinen Billardtisch, und wir werden nie einen haben – sondern ein „unangenehmer“ Ort, wo man oft gefragt wird, ob man das Gebet macht etc….; ob man sich den Eltern gegenüber ordentlich verhält, ob man studiert – denn Studieren ist eine schwere Verpflichtung (Nr. 87). Für die Direktoren gibt es keinen Widerspruch zwischen diesen Worten und der gelebten Realität in den Clubs, wie ich sie beschrienen habe, denn die Clubs sind nicht nicht die Zentren des Werkes, und was hier geschieht, ist noch nicht einmal Arbeit von St. Raphael im strengen Sinn. Aber das sind einmal mehr reine Formalitäten, das ist nur der Teig, den sie in die alten Formen aus den ersten Zeiten pressen wollen. Aber die Formen gehen dabei zu Bruch, und das Opus Dei der Anfänge ist darin nicht wiederzuerkennen.

Nr. 117 der Statuten des Opus Dei des Opus Dei von 1982 beschreibt das spezifische Apostalat seiner Gläubigen wie folgt: „Um das Apostolat wirksamer zu machen, werden die Gläubigen der Prälatur sich bemühen, ein christliches Beispiel bei der Ausübung ihrer jeweiligen beruflichen Arbeit, aber auch in ihrem besonderen familiären, kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld zu geben, sie üben ihr persönliches Apostolat vor allem unter Ihresgleichen aus, vor allem mit Hilfe der Freundschaft und gegenseitigen Vertrauens.“ Also ist  gedacht, dass sich das Apostolat im eigenen beruflichen, sozialen und familiären Umfeld entwickelt, unter Gleichgestellten, angetrieben vom beruflichen Prestige des Apostels und getragen von einer Freundschaft, die zu gegenseitigem Vertrauen führt.

Sieht so die Förderung von Berufungen unter jungen Menschen aus? Nein, wohl kaum, zumindest nicht in der gewöhnlichen Praxis, wie man sie jeden Tag erlebt. Nichts davon ist üblich im Opus Dei, das Berufungen junger NumerarienInnen oder von Assoziierten sucht. Die meisten dieser Berufungen sind nicht im beruflichen Umfeld geweckt worden, und noch weniger handelte es sich bei diesen Bemühungen um die Freundschaft unter Gleichgestellten.

Die Kinder und Jugendlichen lassen sich von einer Position der Stärke, unter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, das dazu verwendet wird, ihr argloses Vertrauen zu erringen. Und, abgesehen davon, es ist das Alter, in denen ihr Herz für große Ideale offen ist, auch religiöse, und Gedanken der Hingabe, aber da pflegt man oft auch noch Heroismus und Selbstbestäti­gung zu verwechseln. Es bedarf einer großen Erfahrung mit den Seelen und einer ganz besonderen Korrektheit, um zwischen menschlichem Enthusiasmus und göttlichen Gaben zu unterscheiden, wenn man wahrhaft erreichen möchte, dass junge Menschen in diesem Alter in einer echten persönlichen Beziehung zu Gott wachsen.

Dass sie „Frömmigkeitsübungen verrichten“, ist nicht sehr schwer zu erreichen, wenn es in einem Umfeld geschieht, in dem alle das tun, und vor allem die Älteren, die sie bewundern. Damit darf man aber nicht das „Wachstum in einem persönlichen Gebetsleben“ verwechseln. Für den Anfang mag die Willensanstrengung hinreichend sein, diese Übungen vielleicht längere Zeit durchzuhalten. Der nächste Schritt erfordert es aber, das Innere des Herzens den Anregungen des Heiligen Geistes zu öffnen, der verstanden und dankbar aufgenommens sein will, wenn er die Seele heimsucht, namentlich in der Zeit, in der dieser Mensch die Wege des inneren Lebens aufzunehmen beginnt.

 

4. NÖTIGUNG ALS TAKTIK BEIM PROSELYTISMUS

 

Aber bleiben wir bei der vollständigen Beschreibung der durchgeplanten Strategie. Die Direktoren der Delegationen des Opus Dei pflegen als Professoren jener kritischen Jahrgänge, von denen die Rede ist, für die Schulen, die offiziell gar nicht „vom“ Opus Dei sind, NumerarierInnen oder Assoziierte zu ernennen, damit sie sich dem „Einsamm­eln“ von Berufungen widmen, und die beruflichen und akademischen Qualitäten zählen hier längst nicht so viel wie die proselytistischen. Die Professoren pflegen ihrerseits mit den Clubs oder den Zentren des Werkes zusammenzuarbeiten, zu denen man die SchülerInnen dieser Schulen zu bringen hofft.

Der Einfluss, den diese Gläubigen der Prälatur auf junge Menschen ausüben, wiegt also doppelt. Diese können ihre eigenen Professoren zu „Freunden“ haben, oder zumindest Studenten aus den Zentren des Opus Dei mit den sie Ausflüge oder Aktivitäten unternehmen, die Freizeit- oder Bildungscharakter haben, und so etwas ist natürlich für Vierzehn-, Fünf­zehn- oder Sechzehnjährige etwas ganz Besonderes. Mit ihnen können sie sich aussprechen, ihnen können sie zuhören. Ihnen können sie die verschiedenen Seiten des Heranwachsenden offenbaren; wie sie sich zuhause geben, in der Schule, bei Gleichaltrigen. Gewöhnlich werden diese Älteren dann ihre engsten „Vertrauten“, die sehr großen Einfluss auf den Jüngeren ausüben, mehr als die Eltern.

Dieselben Professoren, die in der Schule ernst und fordernd sind, die prüfen und beurteilen, zeigen sich dann im Club umgänglich und liebenswürdig, und, wenn es nötig ist, auch bereit, ihren „Freunden“ bei ihrem Schulerfolg behilflich zu sein. Andererseits werden als Schüler in die in Rede stehenden Privatschulen vor allem jene aufgenommen, bei denen man sich aufgrund des familiären Umfelds apostolische Möglichkeiten verspricht. Alles ist also auf den Proselytismus ausgerichtet – und das soll keine in allen Phasen durchgeplante strategische Vorgangsweise sein?

Das Ergebnis ist dann, dass die örtlichen Räte darüber befinden, wer „Berufung“ hat oder nicht, oder anders gesagt, sie entscheiden, wer von den Jungen und Mädchen, die sie kennen, für das Opus Dei interessant ist oder interessant sein könnte. Wenn das Objekt der Begierde einmal festgelegt ist, wird ein besonderer Plan festgelegt, wie man es erreichen kann, das Hinz oder Kunz das gesteckte Ziel „aus freiem Willen“ erreichen kann: die Bitte um die Aufnahme. Und intern legt man dann schon fest, welcher Numerarier/ Numerarierin oder Assoziierte(r) auf ihn  oder sie angesetzt wird, um Freizeitaktivitäten anzubieten, den Kandidaten zu den Bildungsmitteln zu locken.

Ist der Jugendliche dann erst einmal in den Kreislauf dieses „liebenswürdigen psychologischen Drucks“ geraten, wird sein eingeschränktes Leben auf einmal ziemlich aufregend, und ohne zu merken, dass er als Objekt der Vereinnahmung einem Plan unterworfen ist, wird der Moment, kommen, in dem er seine intimsten  Probleme denen eröffnen, von denen er glaubt, dass er ihnen am ehesten vertrauen kann: der „älteren“ Freund und dem Priester. Und da, wir wir schon wissen, die Gläubigen des Werks niemals mit der Gewohnheit aufgehört haben, alle Informationen über fremde Vertraulichkeiten unter dem Titel des „geleiteten Apostolats“ ihren Direktoren mitzuteilen, wird hier auch die Amtsverschwiegenheit, wie sie im Opus Dei gelebt wird, äußerst weitherzig ausgelegt.

Dank der so empfangenen Informationen kann der Druck nun noch präziser ausgeübt werden, da der Kandidat sein Gewissen offengelegt hat, und man kann direkt zur Sache kommen. Vorab eine asketische Grundierung, oft ohne richtige spirituelle Grundlagen, dient dazu, das Innenleben des Jugendlichen auf Touren zu bringen, bis man ihm sagen kann, dass der „Wille Gottes“ für ihn die Berufung zum Opus Dei ist. „Du wärst blind“, so sagt man ihm oft – „ wenn dir die göttliche Vorsehung  nicht in allem, was dich betrifft, zu Hilfe gekommen wäre.“  Dazu kommen noch viele Elemente „menschlicher Vorsehung“, die strategisch geplant wurden…

 

5. Die Abschirmung vom persönlichen Umfeld.

 

Der Plan endet hier aber nicht. Man bemüht sich, die „Berufungen“ der Jungen durch eine möglichst frühe Eingliederung abzustützen, damit sie unter der Käseglocke und ständig der direkten Einflussnahme ausgesetzt bleiben. Deshalb wird es das erste Ziel einer solchen „Pastoral“ sein, die Jugendlichen aus ihrem familiären und sozialen Umfeld zu reißen, um sie in ein neues zu verpflanzen. Darin ebsteht nämlich der Sinn des Satzes, im Werk entfernen wir niemanden von seinem Platz; denn in den Anfängen ebenso wie heute hat sich das lediglich auf den kanonischen Status bezogen.

Im Fall der jungen Numerarier und Assoziierten holt man sie schrittweise aus ihrer Umgebung heraus, mit der Begründung, man müsse sie von schädlichen Einflüssen wegholen, bis die Berufung Wurzeln geschlagen habe. Das stimmt in gewisser Hinsicht, denn ließe man den Personen die Freiheit, unter normalen Umständen heranzureifen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie die Prälatur schon viel früher verlassen, als es dann ohnehin der Fall sein wird, oder anders gesagt, sie entdecken viel früher, dass sie sich in einem Paralleluniversum befinden, in dem ihr Leben verschwinden soll, gleichsam mit dem  Pfeifen, nach Gutdünken der Institution. Das nennt man dann Formung der Persönlichkeit.

Die Familien bekommen diesen Wechsel als erste mit, denn die jungen Leute verbringen ab sofort einen großen Teil des Tages im Zentrum des Opus Dei, und sehr oft gerade dann, wenn sie bei einer Familienfeier sein sollten [das wird gern als Probe für den Gehorsam und die Loslösung des Kandidaten eingesetzt]. Sie dürfen keinerlei Umgang mit Personen des anderen Geschlechts mehr haben; am Wochenende beschäftigt man sie mit Konvivenzen, Treffen, Arbeitseinsätzen, Planungssitzungen für die Ferien etc. Und zum Schluss sind sie dermaßen in dieses Glashaus eingeschlossen, das einen eigenen, völlig durchorganisierten modus vivendi bietet, dass praktisch die ganze Zeit verplant ist, und das jeden Tag, sodass das Ergebnis kaum mehr etwas mit dem Geist der „Heiligung inmitten der Welt“ zu tun hat, worin angeblich das Fundament der Berufung liegt.

Wenn die Jugendlichen Numerarier oder Numerarierinnen sind, müssen sie um das achtzehnte Lebensjahr in das sogenannte Studienzentrum einrücken, um eine intensive Schulung im „Geist des Werkes“  zu bekommen und dann Bildungs- oder Leitungsaufträge zu übernehmen. Wenn es nicht schon vorher geschehen ist, dann beginnt für sie jetzt das gemeinsame Leben in einen Zentrum des Opus Dei, und die Bindungen zur eigenen Familie und die normalen gesellschaftlichen Kontakte werden noch stringenter gekappt. Das rechtfertigt man jetzt mir der „asketischen Loslösung“ von der Liebe zu den Eltern.

Als Folge dieser Vorgangsweise isolieren sich die NumerarierInnen mehr und mehr und werden sogar zu Gefangenen ihres eigenen Umfelds, und das in einem Alter, in dem man normalerweise lernt sich zu öffnen, Gefühle zu zeigen und Beziehungen aufzunehmen. Sie nehmen ein einzig- und eigenartiges psychologisches Profil an, denn sie halten sich für normale Menschen, während sie die Normalität der anderen nach ihren „neuen“ Gewohnheiten und den Eigenarten ihrer Umwelt bemessen.

Und weil sie Seelen eine Dynamik entwickeln, sich ihrer Eigenverantwortlichkeit zu entäußern und in einen Protektionismus einbetten zu lassen, wird auch ihr Charakter schwach und abhängig von ihren Direktoren, denn die „geistliche Leitung“ dient dazu, sie dahin zu bringen. Es sind Persönlichkeiten ohne Ecken und Kanten, gleichgeschaltet in der Mittelmäßigkeit; Lebensaussicht und intellektueller Horizont verarmen, werden reduziert; normalerweise begnügt man sich dann irgendwann, Sport zu treiben und sportliche Ereignisse zu verfolgen. Und viele dieser angeblichen menschlichen Tugenden schweben im luftleeren Raum, denn die angeblichen Laien verstehen es kaum, sich unbefangen in Gesellschaft zu bewegen.

Eine echte, hingebungsvolle und selbstlose Freundschaft, die das eigene Dasein ergänzt und bereichert, ist das, was einem solchen Leben am schmerzlichsten abgeht, denn sie bedeutet die vitale Erfahrung der edlen Wirklichkeit der Liebe: Liebe zu Gott und Liebe zu den Menschen. Sie sind kaum in der Lage, tiefe freundschaftliche Beziehungen aufzubauen, denn in dem Leben, das sie führen, ist ihnen alles durch die Institution vermittelt worden. Die apostolische „Betreuung“ ist niemals wirklich selbstlos, denn sie muss dazu führen, neue Berufungen hervorzubringen. Und wenn deshalb die „Freunde“ nicht pfeifen, lässt man sie früher oder später fallen wie eine heiße Kartoffel – nicht aus schlechtem Willen, sondern auf Druck der Direktoren, denn  man soll seine Zeit ausschließlich dazu verwenden, neue Berufungen zu suchen, eine oder zwei in Jahr. Und wenn diese Freunde pfeifen sollten, ist der Umgang mit ihnen dennoch verboten, denn jede Vetraulichkeit unter Gläubigen der Prälatur ist verboten.

Die Rechnung für all dies wird sehr bald präsentiert werden, viel schneller, als einige Direktoren wahrhaben wollen. Sehr wenige bleiben. Die Blase zerplatzt, spätestens wenn die Jugendlichen irgendeine Arbeit annehmen und plötzlich die Freiheit und die Fülle des menschlichen Lebens wahrnehmen, wenn  die künstlichen Filter erst einmal fortgefallen sind.

Die hohe Zahl an Austritten – unbeschadet scheinbarer Erfolge und der Propaganda von Seiten der Institution – erklärt es, dass das Opus Dei die letzten 20 Jahre praktisch nicht gewachsen ist und jetzt eine völlige Rezession erleidet, die sie mit kosmetischen Mitteln zu beschönigen trachtet. Es ist aber nicht zu leugnen, dass sich immer mehr Familien den Fangmethoden der Organisation widersetzen, darunter sogar nicht wenige treue Supernumerariermitglieder. Es gibt schon genügend schlimme Erfahrungen, und das oft mehrfach in einer Familie, die schmerzhaft und dazu oft nicht verheilt sind.

Um das „Problem der Beharrlichkeit“ lösbarer zu machen, pflegen die Direktoren in letzter Zeit die jungen Numerarier und Numerarierinnen dazu anzuhalten, interne Arbeitsplätze anzunehmen, wo sie dann vom Wohlwollen der Prälatur abhängen: in den Privatgymnasien „des“ Opus Dei oder vielmehr in apostolischen Unternehmungen im Dunstkreis der Insititution. Und so gibt man vor, den Teufelskreis der Ausfälle unterbrechen zu wollen. Aber man schließt nur der Kreis der Isolation, man schadet nicht nur den Personen, sondern auch dem säkularen Charisma und der laikalen Mentalität.

Wenn man nämlich auch wirtschaftlich und über den Arbeitsplatz von einer Institution abhängt, ist das ein starkes Argument, nicht an den Ausstieg zu denken, denn nach so vielen Jahren würde das bedeuten, das Leben bei Null neu zu beginnen, zumindest das Berufsleben, und mit Schwierigkeiten auf allen Ebenen. Dazu kommen allerlei in der Persönlichkeit liegende Unzulänglichkeiten, die man der empfangenen „Bildung“ verdankt. In jedem Fall erfordert es sehr viel Mut, dann entgegen allen Schwierigkeiten dem eigenen Gewissen zu folgen und ganz neu anzufangen. Auf dieser Seite findet man allerdings genügend Zeugnisse, die belegen, wie die göttliche Vorsehung trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten die einen wie die anderen auf den neuen Wegen begleitet und die Aufrichtigkeit und Großzügigkeit so vieler Jahre reichlich belohnt. Viele haben erst nach so und so vielen Jahren erfahren, was das Leben ist, und machen die Erfahrung, was für ein wunderbares Geschenk die persönliche Freiheit ist,

Mit dieser neuen Vorgangsweise gewinnt man eine viel umfassendere Herrschaft über die NumerarierInnen, aber auch eine größere Verfügungbarkeit, weil sie als „Angestellte“ der Organisation auch leichter hin- und hergeschickt werden können. Dadurch werden zwar, wie es logisch ist, die apostolischen Horizonte der Prälatur immer eingeschränkter, reduzieren sich, beschränken sich auf das eigene Umfeld der sogenannten „korporativen Werke“ – Universitäten, Privatgymnasien, Jugendclubs – und das ehrgeizige Ziel der Anfangstage, Sauerteig der Heiligkeit inmitten der Welt zu sein, in den menschlichen Altivitäten, auf dem weitem Feld der Kultur, ist längst verlorengegangen.

 

6. Die „göttliche“ Berufung zum Opus Dei.

 

Vielleicht macht dieser letzte Aspekt mehr noch als andere deutlich, dass die Berufung im Opus Dei nicht eigentlich als Geschenk Gottes an die Person und an die Kirche aufgefasst wird, mit all ihren Konsequenzen, sodass sie von der Institution und ihren Direktoren respektiert würde. Es scheint viel eher, dass diese sich als die Eigentümer eines Charismas aufspielen, dass sie sich für die halten, die andere zu leiten berufen sind, die fast gar nichts zählen: Sie sind lediglich das passive Material, das von den Direktoren geformt werden muss.

Seit der letzten Reise von Johannes Paul II. nach Spanien ist noch nicht sehr viel Zeit vergangen. Bei dieser Gelegenheit bat er die Verantwortlichen für die Jugendseelsorge, ein bestimmtes, großzügig angelegtes und ebenso feinmaschiges Netz einer spezifischen Berufungspastoral auszuspannen, dass diejenigen, die für die Jugendarbeit verantwortlich sind, kühne Vermittler des Rufs des Herrn seien. Man dürfe keine Angst haben, dies den Jugendlichen vorzuschlagen, und müsse sie dann beharrlich begleiten, auf einer menschlichen ebenso wie auf einer spirituellen Ebene, damit die ihre mögliche Berufung erkennen können. Das ist nämlich der korrekte Zugang zum Thema: denen die Berufung vorzuschlagen, die darauf Hoffnung machen, und sie dann begleiten, damit sie sich entscheiden. Erst dann können sie die Schritte setzen, die sie für die Zukunft binden.

Im Opus Dei werden die Dinge, ganz im Gegenteil, völlig anders angegangen. Zuerst drängt man sie zu einer übereilten Bindung an die Institutionm und dann entscheidet man, ob es günstig ist, wenn sie bleiben. Aber diese „Entscheidung“ ist der Institution vorbehalten, niemals der „berufenen“ Person. Und deshalb besteht man auf der Phrase, dass das  Werk als gute Mutter seine Mitglieder in einzelnen Schritten aufnimmt, damit sie sich in Freiheit dazu enstchließen können und die Beharrlichkeit kein Werk der Trägheit sei. Allerdings verbirgt man den Mitgliedern durch diese Rhetorik, dass diese Schritte nur für die Kirche existieren; Zeit der geistlichen Erkenntnis, in denen jeder das Recht hat zu erproben und festzustellen, ob der Weg seiner Berufung für ihn gangbar ist.

Wenn man so vorgeht, manipuliert man die Menschen, denn nicht sie unternehmen die nötigen Schritte, um ihrer Berufung zu folgen, sondern die Mitglieder der örtlichen Räte legen sie zusammen mit den Priestern fest. Sehr häufig treten Menschem dem Werk bei, weil sie auf nahezu unglaubliche Weise dazu genötigt wurden, wie man etwa im Bericht des anfangs Erwähnten nachlesen kann. Und wie es dann weitergeht, ist ja wohlbekannt.

Wer nicht zugeben will, dass diese Vorgangsweise bei vielen frustierend und traumatisierend gewirkt hat, leugnet das Offenkundige. Das übertriebene Stalking junger Menschen, die „Hoffnung auf eine Berufung“ machen, wirkt wie an den Haaren herbeigezogen, aber es verhält sich genau so: In diesen kritischen Zeiten werden die Kandidaten praktisch täglich kontaktiert, man sucht sie zuhause auf, man versichert sie einer intimen und vertrauensvollen Freundschaft und richtet sich vollkommen auf sie aus. Wenn dann aber die Berufung erreicht wurde oder aber fehlgeschlagen ist, verschwinden Sorge und „Freundschaft“ mit einem Schlag. Eine andere Bezugsperson nimmt die Stelle des „Werbers“ ein, der das Zentrum, die Arbeit oder jedenfalls den apostolischen Auftrag wechselt.

All das zeigt schließlich die kalt berechnende Oberflächlichkeit, die die menschlichen Beziehungen in der proselytistischen Arbeit des Opus Dei, die sehr viel von den akquisitorischen Strategien mancher Finanzdienstleister, aber nichts Übernatürliches an sich hat. Wenn man so vorgeht, behandelt man die Seelen schließlich wie Socken oder andere Handelsprodukte: Man fummelt in ihrem Innenleben herum und verliert dabei jedes Gefühl und jeden Respekt vor der Würde und der unveräußerlichen Freiheit der anderen. Doch, das ist geistliche Pädophilie!

Immer mehr Eltern, auch solche vom Werk, protestieren dagegen, in welchem unreifen Alter (14, 14, 16 Jahre) Jugendliche zu Lebensentscheidungen gedrängt werden; sie beklagen aber nicht die edlen Absichten ihrer Kinder, sondern die Rattenfängermethoden, mit denen die Kinder zu einer Zeit angelockt werden, in der sie rechtlich noch ganz unter  der elterlichen Erziehungsgewalt stehen. Vielleicht ist es an dieser Stelle angebracht, auf einen Widerspruch aufmerksam zu machen. Nr. 1 §2 der Statuten des Opus Dei versichert, dass „die Laien der Prälatur von den Gläubigen gebildet werden, die sich aufgrund einer göttlichen Berufung in spezieller Weise an die Prälatur binden. Somit scheint die „Berufung zum Opus Dei“ als Gnade Gottes aufzufassen zu sein. Und dennoch ist der Beitritt zum Werk nur äußerst selten eine Folge der persönlichen Iniative dieser Gläubigen, die einem inneren göttlichen  Ruf entsprechen. Normalerweise wollen die Direktoren, dass bestimmte Kandidaten der Prälatur beitreten, und sie rufen sie „im Namen Gottes“. Man braucht aber gar nicht so viele negative Erfahrungen um zu verstehen, dass es auf diese Weise sehr leicht ist, die Religion in eine Ideologie und das innere Leben in ein „asketisches Trainingsprogramm“ zu verwandeln, das man so lange ausübt, bis man entweder erschöpft zusammenbricht, oder aber bis einem die Augen aufgehen und man begreift, dass es sich nicht auszahlt, auf solchen Abwegen weiterzugehen.

So werden also Berufungen „gesucht“, programmiert, nach vorgezeichneten Methoden von den Direktoren „erschaffen“; sie sind es, die unmittelbar berufen. Manchmal hat man sogar den Eindruck, dass es den Direktoren der Prälatur  ausschließlich darum geht, die Zahl der „Berufungen“ zu steigern; alles andere erscheint sekundär oder ordnet sich dem Faktum der wachsenden Zahl unter. Sicher ist jedenfalls, dass das „geleitete Apostolat“ des Opus Dei im Moment ausschließlich auf den Proselytismus ausgerichtet ist, dass man konkrete Resultate sucht, die man sofort, mit Methoden der Statistik, überprüfen kann. Und dann, in zweiter Linie, konzentriert  sich die gesamte Tätigkeit der Institution auf die „Personenkontrolle“, damit man unter dem Titel „Bildung“ die gemachte Beute konservieren kann, wie eine Jagdtrophäe. Genau so geschieht es in den Sekten.

 

7. SCHLUSSFOLGERUNG

 

Kriterium ist das Ergebnis der Unternehmungen, bei denen nicht der Wille Gottes oder das Wohl der Personen im Vordergrund steht, sonderm man möchte erreichen, dass die Statistik stimmt, die ihnen abverlangt wird. Aber eine übernatürliche Unternehmung kann nicht ein crash program zum Ziel haben, dass die Zahl der Mitglieder vermehrt wird, wie manche angemerkt haben. Die derzeitige Realität ist, dass sich die Gläubigen der Prälatur einem unerträglichen proselytistischen Druck von oben ausgesetzt sehen, angefangen beim Prälaten, als ob die Ausschläge in einer Statistik schon ein Kennzeichen für Heiligkeit wären. In ständigen Kampagnen verlangen der Prälat und die Direktoren „Berufungen“ nach den vorgegebenen Plänen; und dann, in absteigender Linie, intensiviert sich der Druck nach Methoden und Techniken.

Sehr häufig drehen sich die Gespräche der Direktoren der verschiedenen hierarchischen Ebenen um dieses eine Thema: wie sie ihren Job in der Organisation retten können. Das sagt niemand laut; aber sie sagen, was der derzeitige Prälat zum derzeitigen Regionalvikar Spaniens anlässlich der Kampagne um 500 Berufungen gesagt hat: Wenn sie nicht pfeifen, schlag ich dir den Kopf ab. Und wenn der Vikar seinen Kopf auch noch immer auf den Schultern hat: Die Vorgangsweise entspricht dem Marketing eines multinationalen Konzerns oder einer kommerziellen Produkteinführungs-Strategie.

Man hört oft Sätze wie diese: Die übergeordneten Direktoren besuchen die Zentren und setzen sich mit den örtlichen Räten zusammen, um „das Bäumchen zu schütteln“ oder um Ziele festzulegen, oder um generell die erwünschten Resultate einzufordern. Dann, „unter den Augen des Chefs“, geschieht es nicht selten, dass auf zarter besaitete Personen, fast immer sehr junge, Zwang ausgeübt wird, damit sie sich zur „Hingabe“ entscheiden, und es kommt zu Übergriffen in ein Leben, ohne dass hier vielleicht tatsächlich ein göttlicher Ruf vorhanden wäre. Und besonders in diesen letzten Jahren und Jahrzehnten, in denen die Abgänge so dramatisch zugenommen haben, macht man das auch mit Personen, die nicht einmal die minimalen Voraussetzungen hinsichtlich des Charakters oder der inneren Reife mitbringen.

Und da diese Methoden und Techniken schon seit vielen Jahren angewendet werden, sind es auch schon viele Personen, die auf die eine oder andere Art davon beeinträchtigt wurden, und deshalb gibt es auch zu Recht in vielen gesellschaftliche und kirchlichen Milieus massive Vorbehalte gegen das Opus.

Für die Institution ist es eine naheligende Versuchung, sich in die Opferrolle zu begeben, so zu tun, als würde man verfolgt oder jedenfalls nicht verstanden, wie sie es früher schon gemacht hat, und vor allem weil sie es nie gelernt hat Fehler oder ein Versagen zuzugeben, und schon gar nicht, den von ihnen verursachten Schaden wiedergutzumachen. Ein Beweis dafür, ob sie es nun zugeben oder nicht, ist ihre völlige Hilflosigkeit angesichts solcher Internetforen ehemaliger Mitglieder. Wenn es sich aber es es einmal mehr gegen die Selbsterkenntnis sperrt, macht es das Werk unmöglich, dass sie ihre Fehler korrigieren. Wie lange werden sie noch versuchen, gegen den Stachel zu löcken? Nur Gott weiß es.

 

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