Desconcertado : „Verrat an der Tradition“

15. Februar 2013

 

Eine ungeheuerliche Entgleisung leistete sich das leitende Mitglied des Opus Dei, Yago de la Cierva, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft des „Centro Academico Romano della Santa Croce“ in Rom und Medienbetreuer des Weltjugendtags in Madrid 2011. In einer Stellungnahme in der Zeitung „El Mundo“ vom 12. 2. 2013 warf er Papst Benedikt XIV „Verrat an der Tradition“ vor und unterstellte ihm eine „spirituelle Krise“. Wir bringen hierzu eine ausführliche Stellungnahme.

 

Wenn man die einschlägigen Kommentare im Internet durchsieht, merkt man die einhellige Ablehnung, die dem Artikel Yago de la Ciervas über den Rücktritt Benedikt XVI. von seinem Hirtenamt entgegenschlägt; noch peinlicher ist allerdings eine nachfolgende Stellungnahme Yago de la Cierva in einer Internetzeitschrift, in der zu rechtfertigen versucht, was nicht zu rechtfertigen ist.

Der erwähnte Artikel verrät zunächst einmal die völlige Abwesenheit von Bildung und Herzenstakt. Bis zum heutigen Tag wäre es uns undenkbar vorgekommen, dass jemand, der sich selbst als Katholiken bezeichnet und in Einheit mit dem Papst zu leben vorgibt, auf eine Art und Weise und in einem Ton schreibt, wie es Herr Yago de la Cierva tut. Andererseits bedeutet dieser Artikel einen vollkommenen Mangel an Feinfühligkeit gegenüber Papst Benedikt, wenn Herr Yago de la Cierva sein unbedachtes Gebrabbel ausgerechnet über die spanische Zeitung El Mundo lanciert. Als Professor an einer kirchlichen Hochschule des Opus Dei wäre es seine Aufgabe gewesen, zwischen der Tradition im engeren und im weiteren Sinn zu unterscheiden, denn darin liegt das Entscheidende, wo er diese Grenze zieht – falls er dazu qualifiziert ist.

 

An dritter Stelle schließlich ist es ein äußerster Mangel an Respekt, wenn er so leichtfertigt in abwertenden Ausdrücken über den Papst urteilt,. denn in seinem Artikel finden sich wesentlich mehr negative als positive Ausdrücke. Hätte Yago de la Cierva den Rücktritt von Benedikt XVI. nicht von Anfang an negativ punzieren wollen, hätte er gewiss nicht vom Papst bereits in den ersten Zeilen als von einer Person gesprochen, „die sich in ihre Welt eingesponnen hat“; Yago de la Cierva präsentiert uns einen Papst, der den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat. Er geht von einer erfundenen Annahme aus, warum der Heilige Vater zurückgetreten sein soll, und versteigt sich dann zu der Behauptung, dass „er in der letzten Zeit seines Pontifikats auch bei zentralen Fragen nicht mehr direkt eingegriffen habe“.

Befindet sich Yago de la Cierva im Besitz besonderer Informationen, die es ihm gestatten. solche Behauptungen zu machen? Woher stammen sie? Denn was Herr Yago de la Cierva dem Papst unterstellt, ist ein äußerst schwerwiegender Vorwurf: dass er nämlich in Wahrheit die Kirche gar nicht leitet. Die Denkweise, die Yago de la Cierva hier ausübt, entspricht ganz dem, was man vom Opus Dei gewohnt ist, so lässt man „zuhause“ denken: Man bietet virgebliche Wahrheiten an, vermischt mit Lügen. Wenn Yago de la Cierva die Fakten kennt, die er andeutet (ein Papst, der isoliert ist, eine Kirche ohne Leitung), warum wendet er sich an ein Massenmedium, um sie zu verbreiten? Ist das nicht eine Treulosigkeit, die man im zivilen Leben als Hochverrat bezeichnen würde? Wenn es wirklich wahr wäre, was Herr Yago de la Cierva da behauptet, und wenn er der Kirche wirklich in einer solchen schlimmen Lage helfen wollte, müsste er (gerade als Professor einer kirchlichen Hochschule) der Welt gegenüber schweigen und sich ein passenderes Forum für seine Befürchtungen suchen.

Was Yago de la Cierva tatsächlich bewirkt, ist ein unmittelbarer und persönlicher Schaden, den er Papst Benedikt XVI. zufügt; er wollte besonders schlau sein und hat danebengetroffen. Warum hat Herr Yago de la Cierva  eigentlich nichts über die Zurechtweisung geschrieben, die  Papst Benedikt dem Prälaten des Opus Dei wegen des Betrugs, der mit der „geistlichen Leitung“ im Opus Dei verübt wird, erteilt hat und der Anlass für den  Brief des Prälaten vom 2. 10. 2011 gegeben hat? Auch hier hätte er den Titel „Verrat an der Tradition“ wählen können, denn genauso lautete der Vorwurf an Prälat Echevarría, weil in der Prälatur geistliche und hierarchische Leitung vermischt werden. Und das ist ein Thema, das die ganze Welt betrifft, denn das Opus Dei ist, mit seinen Erfolgen und mit seinen Irrtümern, auf allen fünf Erdteilen vertreten.

An vierter Stelle bedeutet dieser Artikel einen ganz eklatanten Mangel an christlicher Nächstenliebe gegenüber dem Papst. Schon ein Minimum an Respekt, wie sie ein Sohn gegenüber seinem Vater empfinden sollte, hätte es klar machen müssen, dass es diesem Mann nicht zusteht, öffentlich über eine mögliche geistliche Krise des Papstes nachzudenken.

Wenn er, um die Situation zu beschreiben, in der sich der Papst nunmehr befindet, damit vergleicht, dass jemand seines Alters sich scheiden ließe, so bedarf es keines Kommentares, denn der Autor hat sich damit disqualifiziert.

Fünftens schließlich, und damit hätte man die Diskussion gleich von Anfang an beenden können, ist die Unwissenheit des Herrn Yago de la Cierva frappierend. Sehen die kirchlichen Gesetze denn nicht den Rücktritt eines Papstes vor? Doch. Hat der Papst das Recht zurückzutreten? Doch. Ist dieser Rücktritt legitim? Ja. Wer also ist Herr Yago de la Cierva, wenn er sich einbildet, sich in das Privatleben oder in die Intimität des Gewissens von Benedikt XVI. einmengen zu wollen, hierüber Meinungen zu verbreiten, in Erörterungen darüber einzutreten, ob dieser Rücktritt notwendig war oder nicht, welche Motive und Interessen ihm zugrunde liegen mögen? Der Papst nimmt ein Recht wahr, das ihm zusteht, und das in Ausübung seiner Freiheit. Die Ausübung eines Rechts ist nicht zu kritisieren, sondern zu respektieren. Der Auswurf des Herrn Yago de la Cierva wäre allenfalls zu rechtfertigen gewesen, wenn er sich auf den politischen Aspekt des Papstrücktritts beschränkt hätte, da Benedikt XVI. ja auch Staatsoberhaupt ist. Dem ist aber nicht so, Yago de la Cierva schnorchelt in den Gedanken eines Papst herum, wozu er keinen Auftrag hat und wozu ihn nicht legitimiert oder befugt. Es überrascht mich nicht, dass Herr Yago de la Cierva sich auch in diesem Punkt, der niemanden etwas angeht, als Schlauberger aufspielt: Im Opus Dei existieren weder Freiheit noch Recht, und deshalb haben sie es niemals gelernt vor anderen Menschen Respekt zu haben. Niemand kann sagen, wer oder was Yago de la Cierva geritten hat, als er dies geschrieben hat; denn der Artikel wirkt weit eher wie der Prankenhieb eines waidwunden Raubtieres als ein von Dankbarkeit bestimmter Abschiedsbrief eines Sohnes an seinen Vater. Ebenso unverständlich bleibt, wie jemand, der ein Aushängeschild des Opus Dei ist und somit die mit Vollkommenheit verrichtete berufliche Arbeit auf seine Fahnen geschrieben hat, der es in der Schule von Mariano gelernt hat, auf die kleinen Dinge zu achten etc. etc. in einem historischen Augenblick des Kirchengeschichte und des Papsttums eben jenen Heiligen Vater mit Unflat überschüttet und sich dann noch erdreistet, sein Machwerk einige Tage später im Internet damit rechtfertigen zu wollen, dass der Vergleich des Papstrücktritts mit einer Ehescheidung „ungeschickt“ war.

Nein, das war mehr als unprofessionell. Yago de la Cierva hat sich hier eine schwere Blöße gegeben; ein Intellektueller des Opus Dei hat seine Ignoranz und seine Ranküne offen dargelegt. Wo er das wohl gelernt haben mag?

Desconcertado