Die Spiritualität des Opus Dei

Autor: Gervasio

 

1º Die Spiritualität des Opus Dei ist typisch für Personen, die nach einer Ordensregel leben.

Es genügt, die ersten Seiten der alten Constituciones von 1950 oder der Neufassung von 1982 anzusehen. Man sagt, dass die persönliche Heiligkeit durch die Beobachtung dieser Konstitutionen, dieses Ius peculiare erreicht wird. Der Gründer hat wiederholt diese Auffassung von Heiligkeit ausgedrückt:

— Ich kann sagen, dass derjenige, der unsere  Normen des Lebensplans erfüllt  — der kämpft, um sie zu erfüllen – in Zeiten der Gesundheit und in Zeiten der Krankheit, in der Jugend und im Alter, wenn die Sonne scheint und wenn es stürmt, wenn es ihn keine Mühe kostet sie einzuhalten und wenn es ihn Mühe kostet, dieser mein Sohn hat die Bestimmung, wenn er nur ausharrt bis zum Ende – ich bin mir seiner Heiligkeit gewiss. („Crónica”, Del Padre, Februar 1968, S. 10).

Dem Gründer gefiel das Wort Beobachtung nicht so sehr, und obwohl „Erfüllung“ eher mechanisch und lieblos klingt, bevorzugte er diese Vokabel; er sprach von der Erfüllung der Normen.

Etwas unnatürlich klingt, was in der Crónica vom September 1960, S. 25 steht: Ein Kind Gottes im Werk, das die Normen erfüllt, wird mit Sicherheit gerettet.

Ein anderes Zitat: Fühlt die Verpflichtung, heilig zu sein – und heilig sein heißt nicht, seltsame Dinge zu tun. Wenn ihr kämpft, um jeden Tag die Normen gut zu erfüllen, geht ihr auf dem Weg der Heiligkeit“ (De nuestro Padre, „Noticias” Juni 1958, S. 18).

Die vom Opus Dei müssen jeden Abend ihr Gewissen erforschen; ob sie diese Normen gut erfüllt haben: Aufopferung des Tagewerks; zwei halbe Stunden des Gebets; eine am Morgen; eine am Nachmittag; heilige Messe; Heilige Kommunion; geistliche Lesung; Lesung des Evangeliums; um zwölf Uhr mittags Gebet des Angelus oder des Regina Coeli, je nach der liturgische Zeit; Besuch beim Allerheiligsten; das Gebet der Preces des Werks; Partikularexamen, allgemeine Gewissenserforschung; Abtötung für den Vater; heiliger Rosenkranz; drei Avemarias mit ausgebreiteten Armen vor dem Schlafengehen und Gebrauch des Weihwassers etc. Um sich diese Prüfung betreffs der Erfüllung der Normen zu erleichtern, wird ein sogenanntes „Normenheft“ zur Verfügung gestellt, in dem sie aufgezählt sind.“  Es gibt ein Kästchen für jede Norm, für alle Tage des Monats (So sieht es aus!).

Das Gleiche geschieht beim Brüderlichen Gespräch, auch  Aussprache genannt, die wöchentlich zu halten ist. In ihr legt man Rechenschaft über die Erfüllung dieser Normen und möglicherweise ihre Nichterfüllung. Im wöchentlichen Kreis ist eine andere Gewissensprüfung über dieses Detail abzuhalten, der eine Emendatio folgen kann, eine Zeremonie, die darin besteht, dass jemand vor dem Leiter des Kreises niederkniet und in Gegenwart aller Anwesenden des Kreises sagt:

In der Gegenwart Gottes unseres Herrn klage ich mich an … . Und man sagt, was man nicht oder nicht gut erfüllt hat, und schließt:

Für diese Schuld erbitte ich Verzeihung und Buße.

Mir ist nicht ganz klar, wie man die Heiligkeit durch die Erfüllung bestimmter Praktiken erreichen kann, die nur Frömmigkeitsübungen sind, die von Menschen erfunden wurden. Mir kommt vor, als habe Jesus Christus der Verhalten einiger seiner Zeitgenossen – bekannt als die Pharisäer – kritisiert, die sehr genau bestimmte Praktiken erfüllten – den zehnten von Minz und Kümmel zu bezahlen – und elementare Pflichten der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit außer Acht ließen, die keine menschliche Erfindung sind.

Der Prälat des Opus Dei kann von der Erfüllung dieser asketischen Praktiken dispensieren, die im Opus Dei Normen des Lebensplans oder kurz Normen heißen. Zu einer bestimmten Zeit – während der fünfziger Jahre – war es häufig, dass der Gründer mit seiner Vollmacht prahlte und denen, die gerade in das Zentralhaus gekommen waren, sagte:

Wenn du einmal eine Norm nicht erfüllt hast, dispensiere ich dich davon. Wovon ich dich nicht dispensiere, ist die Tertulia, denn  die ist genauso wichtig wie eine Norm. Also, auf zur  Tertulia!

Abgesehen von den Normen gibt es Gewohnheiten. Die Tertulia ist keine Norm, sie ist eine Gewohnheit. Die Gewohnheiten sind unzählbar; viele von ihnen sind nicht täglich, und so vergisst man sie leichter. Ich denke an den armen Miguel Fisac, der vor lauter Frömmigkeitsübungen schon ganz erschöpft war. Aber es geht nicht nur um die Erschöpfung. Man versicherte uns, dass es keine Sünde sei,. eine Norm nicht zu erfüllen; aber wir mussten sie machen. Man brauchte eine Dispens. Die Dispens setzt eine Verpflichtung voraus; eine Verpflichtung, die verpflichtet, ohne zu verpflichten. Man muss sich in der sakramentalen Beichte anklagen, wenn man eine bestimmte Norm nicht erfüllt hat, nicht weil es in sich eine Sünde wäre, sondern weil es einen Mangel an Liebe bedeutet. Sogar in der Beichte begegnen dir die Normen. Dieser Feinschliff der Seele erinnert mich an eine autobiographische Erzählung Tolstois. Als er zwölf war, bereitete sich Tolstoi auf die Beichte vor. Er war voller erhabener Gefühle und guter Vorsätze. Und als er mit der Kutsche in die Kirche fuhr, ließ er den Kutscher an seinem Innenleben teilhaben.

Bah! Das sind Sachen für feine Herrchen, nicht für unsereinen, kommentierte der.

Nun, man verspricht, einige Regeln, einige Normen des Lebensplans zu beachten, einige Andachtsübungen. Und freilich werden wir niemals erfahren, ob Escrivá, als er am 26. Juni zu Mittag starb, schon den Angelus gebetet hatte oder nicht, denn das ist eine Norm, die zu Mittag gebetet werden muss. Weiß das jemand? Hat ihn jemand mit ihm an diesem Tag noch gebetet?

Kehren wir also in die Zeiten Jesu Christi und der Pharisäer zurück: Sie erfüllten minuziös Normen und Gewohnheiten, die sich Menschen ausgedacht hatten, und eine solche vorbestimmte Seele, um mit Escrivá zu sprechen, verfehlt sich schwerwiegend gegen die Wahrheit, die Gerechtigkeit und die Liebe.

Üblicherweise hat man den Klerus in Welt- und Regularpriester unterschieden. Der Regular-Klerus lebt nach einer Regel, so wie die Ordensleute. Der Weltklerus lebt nicht nach einer Regel, ebenso wenig der Klerus einer Diözese. Auch die religiosen erkennt man an diesem Kriterium; Laien haben keine Regel. Dass die vom OD  gewöhnliche Christen sein sollen, ist unglaubwürdig. Die gewöhnlichen Christen leben keiner Regel unterworfen, keinen Normen und keinem Lebensplan. Sie sind nur den Normen und Anforderungen unterworfen, die allen Christen gemeinsam sind.

Das klösterliche Leben und seine Lebensregeln sind nichts genuin Christliches; im Osten gab und gibt es Mönche, die keine Christen sind, am berühmtesten von ihnen die buddhistischen mit ihren verschiedenen Zweigen und Lebenspraktiken. In den ersten Jahrhunderten  des Christentums wurden diese Lebenspraktiken christianisiert; und im Abendland erwiesen sie sich als sehr erfolgreich und wirksam. Aus dem mönchischen Leben stammt die Idee, sich durch eine Regel zu heiligen.

2º Es ist eine Spiritualität, die der Praxis der Klöster abgeschaut ist

Viele Normen und Gewohnheiten stammen aus dem klösterlichen Leben: Die Emendatio, das große und das kleine Stillschweigen, das Spolio, der Gebrauch des Bußgürtels – man muss ihn im Kloster kaufen – das Skapulier vom Berge Karmel, die Tertulia, die im Kloster Rekreation heißt, etc. Nicht ganz so deutlich ist die Erinnerung an ihren klösterlichen Ursprung bei anderen Praktiken, dem Partikularexamen, der allgemeinen Gewissenserforschung, dem Gebet des Rosenkranzes, der tägliche Messbesuch etc. Der Rosenkranz als marianische Andacht stammt vom hl. Dominikus von Guzmán. Die Gebetsschnur zum Zählen gab es schon vorher, und sie ist nicht ursprünglich christlich. Die Einkehrtage entsprechen den Geistlichen Übungen des hl. Ignatius.  Eines Tages in den sechziger Jahren entschied sich der Gründer in einem Anfall von Säkularität die Geistlichen Exerzitien Besinnungstage zu nennen;  das Exerzitienhaus von Villa Tevere wurde in Casa de Retiros umbenannt. Dem gleichen Trotzanfall verdankt sich die Neubenennung des Chiostrino in Obere Galerie; man sollte bei dem Wort nicht an Kloster denken. Solche Anfälle von Säkularität hatte er öfter, einmal sogar mitten im Vatikan.

Wir sind keine Ordensleute! schrie er. Er wies das immer wieder zurück, mit einer gewissen Exzentrik.

Das Partikularexamen hatte er, so scheint mir, vom hl. Antonio Maria Claret, und der hatte es sicher auch schon von jemandem. Escrivá lernte da vielleicht von den Nonnen im Krankenstift von Santa Isabel, die bei ihm beichteten, oder bei den Damas Apostolicas, oder im Seminar. Er sagte:

—Als der Herr sein Werk begründete, hat er uns eine völlig säkulare Askese, einen völlig säkularen Geist gegeben und eineige Mittel, die keine Anpassung der Methoden der Ordensfamilien sind (Betrachtungen, VI, S. 345).

Angesichts der ganz offenkundigen Tatsache, dass die Askese des Opus Dei gar nichts anders als eine Anpassung der Methoden der Ordensfamilien darstellt, hält sich E.B.E. in seiner Untersuchung Die Lüge im Opus Dei gar nicht erst bei der Widerlegung dieser Behauptung auf, sondern er geht gleich direkt auf die Frage los, ob der Gründer lügt und inwieweit er sich dieser Lüge bewusst ist. Jacinto Choza führt diese Gedanken weiter; er behandelt eine Verhaltensweise, die noch viel schlimmer ist als lügen und arbeitet die „Unschuld“ der Leiter im Opus Dei, verstanden als das Gefühl, nicht schuldig zu sein, während man ungerecht handelt. Er analysiert dabei nicht das Phänomen des Zynismus, sondern das Phänomen, dass jemand nicht mehr merkt, dass er lügt oder ungerecht handelt. Vergleichbar ist diese Problematik mit der Psyche mancher Diktatoren, die gegenüber manchen Personen höchst grausam, anderen gegenüber aber zärtlich und mitfühlend verhalten haben. Sie haben gemordet und die Menschenrechte außer Kraft gesetzt und meinten damit einer guten Sache zu dienen, sie fühlten sich weder schuldig noch schämten sie sich für das, was sie taten, im Gegenteil; sie betrachteten sich als Helden, die das Böse ausmerzen. Historisch gesehen kann man den Zynismus auch bei jenen betrachten, die Häretiker verbrannten und Ehebrecher steinigten, von den Reichen keine Steuern einhoben, Sklaverei betrieben, menschliche Wesen verstümmelten oder töteten etc. Es waren „gute Personen“, die imstande waren, über den Tod eines kleinen Vogels Schmerz zu empfinden und sich über das Lächeln eines kleinen Kindes zu freuen.

Escrivá hat sehr oft seine Erfindungen Gott in die Schuhe geschoben. Er hat mir die konkreten Mittel in die Hand gegeben, damit wir auf unserem Weg des Opus Dei heilig sein können, und die Kirche hat diese Mittel approbiert (Del Padre, Crónica II-1968, S. 7). Die heilbringenden Mittel, die Gott zugeschrieben werden, sind bloß die Sakramente. Zumindest kam man beim Konzil von Ferrara-Florenz darauf. Und er hat sie nicht Escrivá anvertraut. Abgesehen von den Sakramenten kennt die Kirche aus Sakramentalien, wie das Weihwasser, und heißt sie gut und empfiehlt sie. Je nach Zeit und Umständen haben sich im Klosterleben verschiedene Frömmigkeitsübungen entwickelt. Sanktjosemaría hat sich einfach darauf beschränkt, seiner Regel – den Constitutionen - einige asketische Praktiken hinzuzufügen, die es schon  vorher gegeben hatte und die die Zustimmung der Kirche besaßen.

Im Fall des Rosenkranz-Gebets gab es einen Moment, in dem die kirchliche Autorität es für angebracht hielt, die hartnäckige Wiederholung der Avemarias einzuschränken. Das Opus Dei musste sich, so wie andere Institutionen, darin fügen. Die Norm bestand dann darin, nur einen Teil des Rosenkranzes zu beten und die restlichen Geheimnisse – ohne die Wiederholung der Avemarias – zu betrachten.

- Wir bleiben bei der Betrachtung, sie ist unser Teil, habe ich den Gründer sagen hören, als diese Frömmigkeits-Norm geändert wurde.

Sie änderten die Norm. Er änderte sie nicht. Das Gleiche lässt sich vom Skapulier vom Berge Karmel, vom Kreuzweg und der Liturgie insgesamt sagen – das Opus Dei hat sie nicht geändert, auch nicht den Angelus, auch nicht das Gebet der Salve.

Das Opus Dei hat keine eigenen Sakramente und noch nicht einmal eigene „Lebensnormen“. Sie gehören zum  gemeinsamen Erbe der Christen. Escrivá hat sie nicht erfunden, genau so wenig, wie er die Knoblauchsuppe erfunden hat.  Er hat nur einige Praktiken ausgewählt. Die, die ihm am meisten zusagten, haben das Casting bestanden. Seine Vorlieben bestimmten, was „der Geist des Opus Dei” sein solle. „Meine Spiritualität”, wie er voll Stolz sagte. Allerdings steht es jedem einzelnen Christen frei, seine eigene Spiritualität zu haben. Mehr noch, jeder gewöhnliche Christ soll sich um seine eigene Spiritualität bemühen, die seinen persönlichen Umständen angemessen ist, die vom Alter und von anderen Faktoren abhängt.

Er erfüllt schon alle Normen! Wie gut! Er ist praktisch schon vom Opus Dei, sagt man von jemandem, der pfeifen kann.

Vom Opus Dei sein heißt, die Normen erfüllen.

Dem Gründer graute vor einer Erscheinung in gewissen Zweigen des geweihten Lebens, dass sie sich nämlich als von der strikten Observanz bezeichneten – und die anderen hatten das offenbar nicht. Im 16. Jahrhundert gab es viele reformierte, unbeschuhte Karmeliter; andere trugen Schuhe und waren nicht reformiert. Die Augustiner-Rekollekten  trennten sich 1588 vom Orden des hl. Augustin, auf Initiative einiger Mönche, die zurückgezogener leben wollten. Ihre Lebensform – Regel, Statuten, Konstitutionen oder wie sie es nannten, wurden von keinem geringeren als Fray Luis de León formuliert.

Unter uns wird so etwas niemals vorkommen. Wir sind bereits Rekollekten, wir sind schon reformiert, wir sind schon observant, sagte uns der Gründer.

Als er uns vor den Gefahren der Reformen und Spaltungen schützen wollte, rutschte es ihm heruas,, dass wir auch nur wieder ein Ordensinstitut sind, mit einer eigenen Methode, Regel, einem Weg, Normen, Statuten -  um die Heiligkeit zu erlangen.

3º Es ist eine Spiritualität, die mit einer „laikalen Arbeit“ schwer vereinbar ist.

Meine Töchter und Söhne, wenn euch einmal die Arbeit – und sei es unter der Maske des apostolischen Eifers – daran hindern sollte, mit liebevoller Treue die Normen unseres Lebensplans zu erfüllen, dann macht ihr nicht mehr  Opus Dei: Es wird dann ein Werk des Teufels sein, opus diaboli (Del Padre, Crónica, Februar 1968, S. 10).

Die Heiligkeit besteht in der Erfüllung der Normen; nicht in der Ausübung der christlichen Tugenden in der Arbeit. Sollte die Arbeit mit den Normen der Frömmigkeit kollidieren, muss man diesen den Vorrang geben. Wer es schafft, dass die Normen über die weltlichen Erfordernisse triumphieren, der ist heilig. Die Heiligkeit besteht nicht darin, als Politiker oder Wirtschaftsmensch die Gerechtigkeit zu leben, der Gesellschaft durch die eigene Tätigkeit zu dienen, die Wohlfahrt zu fördern, den Adressaten der eigenen Arbeit Gutes zu tun, den Egoismus zu unterdrücken, ein guter Arbeitskollege zu sein, Dienstgesinnung auszuüben, Freude zu verbreiten etc. Die Heiligkeit besteht darin, die Normen zu erfüllen.

Und um die Wahrheit zu sagen, der Ort, an dem man die Normen und Gewohnheiten am besten erfüllen kann, ist der Sitz einer Delegation oder einer Regionaldelegation. Dort muss man gar nichts mit den Erfordernissen einer weltlichen Arbeit in Einklang bringen, wenn man den Kurzen Kreis nicht versäumen will. Es erscheint machbar zur Messe zu gehen, die Normen in einer Kapelle zu erfüllen, geeignete Rage für den Jahreskurs zu finden etc. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum die Hohen Direktoren so heilig sind, oder zumindest versichert man uns das. Sie erfüllen die Normen gut. Für die Prälaten des OD ist es noch leichter, den Besuch beim Allerheiligsten zu machen, denn Villa Tevere hat verschiedene Kapellen mit dem Allerheiligsten, und eine davon ist ausschließlich für den Prälaten reserviert. Es hat nicht die Schwierigkeiten, die zum Beispiel jemand hat, der in Istanbul lebt. Wahrscheinlich kommt ein Prälat deshalb gleich nach seinem Tod auf die Liste für die Seligsprechungen. Sie er füllen die Normen gut. Ein Prälat wird jeden dritten Sonntag das Quicumque vult salvus esse rezitieren können. ohne sein Gedächtnis übermäßig anzustrengen. Und um das Gebet am Nachmittag zumachen, kann man unter zwanzig Kapellen auswählen. Er muss keine zerstreuenden Verrenkungen machen; Er muss nicht einmal seiner Sekretärin sagen, wie der Gründer geraten hat:

— In der nächsten halben Stunde stellen Sie mir keine Telefonate durch.

Wenn man er 23 Kapellen zur Auswahl hat, ist es leichter, das Gebet am Nachmittag zu verrichten als bei der Kartoffelernte. Wie soll man Kartoffeln ernten und sich nach dem Geist des Opus Dei heiligen? Wer eine eigene Sekretärin hat, tut sich da schon leichter, mit liebevoller Treue bei der Sache zu sein  - die Normen zwischendurch erledigen, irgendwie. Was aber ist mit denen, die keine Kapelle zur Hand haben, und keine eigene Sekretärin? Sie sind unglücklich? Ist das Prädestination? Wenn jemand sein Leben in einem ständigen Jahreskurs  oder in dauernden Einkehrtagen verbringt, ist es für ihn sehr leicht die Normen der Frömmigkeit zu erfüllen. Es ist leicht für ihn, gerettet zu werden. Im 14. Jahrhundert gab es auf der Iberischen Halbinsel zahllose Konvente mit über tausend Mönchen, die tägliche ihre Frömmigkeits-Normen erfüllten. Sie erfüllten eine ebenso heilbringende Regel, so darf man vermuten, wie die von Escrivá. Denn Sanktjosemaría war nicht der einzige, der Visionen im Oktober hatte; da gibt es endlos viele.

Meiner Ansicht nach hat die Heiligkeit eines Menschen, der einen laikalen Beruf ausübt, wenig mit einer Reihe traditioneller Frömmigkeitsübungen zu tun, die sich Normen und Gewohnheiten nennen. Wenn dem so wäre, so hätten und Jesus Christus und seine Kirche sie uns auferlegt. Die Kirche erlegt uns aber sehr wenige asketische Praktiken und Frömmigkeitsübungen auf, die Sonntagsmesse und sonst nur wenig. Diese Praktiken sind nicht verpflichtend, und ihre Erfüllung ist nicht schwierig. Der Betroffene selbst muss entscheiden, ob er sich dazu verstehen will oder ob es ihm zu umständlich ist.

Es gibt viele Pflichten der Gerechtigkeit, die sich aus der Erfüllung der weltlichen Verpflichtungen ableiten und über die man sich nicht mit dem Hinweis auf Frömmigkeit oder Apostolat hinwegsetzen kann. Im Opus Dei wird über diese Pflichten niemals gesprochen. Mit den Worten des Gründers müsste das so klingen:

Meine Töchter und Söhne, wenn euch einmal die Erfüllung der Normen der Frömmigkeit – und sei es unter der Maske des apostolischen Eifers oder des Strebens nach  Heiligkeit – daran hindern sollte, mit liebevoller Treue das Gesetz Gottes zu erfüllen, dann macht ihr nicht mehr  Opus Dei: Es wird dann ein Werk des Teufels sein, opus diaboli.

Der arme Fisac musste seine Arbeit als Architekt in einem staatlichen Unternehmen leisten, er musste dort bleiben, um dort dem Werk Gottes einige Gelder zuzuschanzen, die ihm seiner Auffassung nach gar nicht gebührten.  Steuern hinterziehen, sich bei der laikalen Arbeit drücken – soweit sie nicht im Dienste des Werks berichtet wird, diese Haltung wird von einer Institution unterstützt, die die Heiligkeit durch die Erfüllung der Normen der Frömmigkeit und nicht durch Ehrenhaftigkeit. Normen des Lebensplans statt eines ehrenhaften Lebens erringen will.

Typisch für einen Laien ist es, weltliche Aufgaben wahrzunehmen und sich in ihnen zu heiligen und aufzuopfern, keine asketischen und frömmlerischen Kompromisse zuzulassen, die mit seinem Beruf unvereinbar sind. Und jeder Laie lebt sein ganz persönliches Leben. Man kann sie nicht alle ein und derselben Regel unterwerfen, einem Schema F wie dem Normenheft  (siehe das  Register der Normen).

Nun, die Normen mit der beruflichen Arbeit in Einklang zu bringen ist noch das Wenigste. Mit ein wenig Disziplin geht das. Aber die laikale berufliche Arbeit wird für die Mitglieder zum Hindernis das Opus Dei zu machen, , auch wenn sie alle Normen erfüllen.

Die Numerarier – Kleriker und Laien – widmen sich mit allen ihren Kräften und mit der größtmöglichen Verfügbarkeit den besonderen apostolischen Aufgaben der Prälatur – so lesen wir in den Statuten des Opus Dei von 1982. Bei dieser Definition eines Numerariers  - sie stammt von Don Alvaro, in den  Constituciones von 1950 steht das anders – kommen die Assoziierten und Supernumerarier ganz schlecht weg, denn sie widmen sich nicht mit allen Kräften und ganzer Verfügbarkeit den apostolischen Aufgaben der Prälatur. Die Armen!

Die apostolischen Aufgaben der Prälatur sind weder juristischer noch maritimer, städtebaulicher oder politischer Natur. Wie können sich dann Numerarier gleichzeitig solchen Aufgaben und den besonderen Aufgaben der Prälatur widmen? Indem man eine Gleichstellung durchführt. Man muss nämlich wissen, sich den besonderen Aufgaben der Prälatur zu widmen ist der beruflichen Arbeit gleichwertig.

— Ja, so heißt es: Gleichwertig. Auf Lateinisch aequipollens.

So heißt es in den Statuten. In den Glosas sobre la obra de San Miguel wird das so erklärt:  Alle Numerarier sind stets bereit, ihre blühende berufliche Arbeit aufzugeben, um Gott und den Seelen im verborgensten Winkel zu dienen. Es kann manchmal  notwendig sein, dass ein Numerarier seine berufliche Arbeit einschränkt, um sich intensiver einem bestimmten apostolischen Auftrag zu widmen. Dann wird diese Arbeit eine echte berufliche Arbeit sein, ihr Mittel der Heiligung und des Apostolats, das sie mit übernatürlichem Sinn und menschlicher Vollkommenheit ausüben.

Wenn man die berufliche Arbeit und die gleichwertigen Arbeiten zusammennimmt, dann sind die Numerarier nicht die einzigen, die ihre Arbeit heiligen, sich in ihrer Arbeit heiligen und duie anderen durch ihre Arbeit heiligen. Das machen dann auch die Mitglieder vieler Säkularinstitute, Orden, Kongregationen und anderer Institutionen des geweihten Lebens. Auch diese Institutionen widmen sich bestimmten apostolischen Aufgaben. Das heißt, sie üben gleichwertige Arbeiten aus.

Bei denjenigen Numerariern, die zum Priester geweiht werden, ist die Ersetzung der beruflichen Arbeit durch eine gleichwertige unumkehrbar. Eine Ausnahme bildet vielleicht der Beruf des Universitätsprofessors, denn im Fall der spanischen Universitäten ist dieses Amt so wenig fordernd, dass man es sogar den Numerarierpriestern erlaubt, dieses Amt mit ihrem priesterlichen Dienst vereinbar zu machen. Das haben so berühmte und renommierte  Numerarierpriester gemacht wie Federico Suárez —Universitätsprofessor Zeitgeschichte - Amadeo de Fuenmayor —Universitätsprofessor in Zivilrecht - und José Orlandis —Universitätsprofessor für Rechtsgeschichte, u. v. a.  Die passendste berufliche Arbeit für einen Numerarier ist die eines Universitätsprofessor, oder sonst eine, bei der man sich nicht aufreibt.

Übrigens ist es nicht sehr häufig, dass ein Numerarier eine berufliche Arbeit aufgibt. Üblicherweise kommt jemand frisch graduiert von der Uni und hat noch niemals gearbeitet. Die Numerarierpriester insgesamt haben fast alle noch nie einen Beruf ausgeübt; sie haben nur einen akademischen Titel. Sie sind erst Studenten, und dann üben sie eine gleichwertige Arbeit aus. Die internen Arbeiten, die von Laien wahrgenommen werden, werden gleichfalls von Graduierten ausgeführt, die keinen Beruf haben.

Wenn man den Status eines Assoziierten definieren möchte, so besagen die  Statuten des Opus Dei von 1982, dass sie eine geringere Verfügbarkeit als die Numerarier haben, aufgrund bestimmter, dauerhafter persönlicher, familiärer oder beruflicher Notwendigkeiten. Das heißt, im Fall der Assoziierten kann die berufliche Arbeit die Verfügbarkeit beeinträchtigen; im Fall der Numerarier gilt das nicht. Warum? Weil man sich die berufliche Arbeit implizit in zwei Kategorien vorstellt: die Arbeit der feinen Herrschaften, wie Universitätsprofessor, Konsulent einer Bank, Notar, Firmenchef, Vermögensverwalter etc. – und Arbeit, die eines feinen Herrn unwürdig ist, wie Bauarbeiter, Tiefseefischer, Postbeamter, Handelsangestellter– wie der Vater des Gründers – Taxifahrer etc. Kurz, es ist die alte Unterscheidung von knechtischer und freier Arbeit; Arbeiten, die typisch für Sklaven sind, und die für freie Menschen. Die freien Arbeiten lassen einem viel freie Zeit; die knechtischen sehr wenig. Besser, man verzichtet ganz darauf, denn das wahre Opus Dei besteht darin, in den apostolischen Aufgaben der Prälatur zu arbeiten, nicht in weltlichen Berufen.

Wie lässt sich feststellen, ob jemand eine Numerarier- oder eine Assoziiertenberufung hat? Man hat das einmal danach unterscheiden, ob jemand eine universitäre Ausbildung hatte oder nicht. In jeder Stadt eröffnete man ein Zentrum von St. Raphael für Studenten, damit sie als Numerarier pfeifen, und später auch eines für Nichtstudenten, damit sie als Assoziierte pfeifen. Es kam aber der Moment, wo nicht nur die feinen Herrchen an die Universität gingen, sondern auch viele junge Leute aus der Arbeiterklasse. Als Konsequenz gibt es in einem Studentenheim des Werkes zwei Sorten von Heimbewohnern: die Muttersöhnchen, denen die Eltern alles zahlen, das Studium, die Wäsche, den Jahreskurs, falls sein gepfiffen haben etc. Die anderen müssen gleichzeitig studieren und sich ihr Studium verdienen. Die letzteren lässt man als Assoziierte pfeifen, die ersten als Numerarier. Der Effekt war der, dass diejenigen, die als Assoziierte gepfiffen haben, generell menschlich und übernatürlich viel reifer waren als diejenigen, die als Numerarier gepfiffen hatten; und gelegentlich ließ man sie Numerarier werden. Man könnte meinen, dass einer, der es gelernt hat gleichzeitig zu studieren und zu arbeiten besser als Numerarier geeignet ist als einer, der nur arbeitet und dem Herrn Papa auf der Tasche liegt. Aber nein! Die Einteilung entspricht der Gesell­schaft: Die obere Klasse darf die Numerarier stellen, die unter die Assoziierten. Wenn ein Assoziierter Numerarier werden will, muss man erst einmal großzügig darüber hinwegsehen, dass er sich sein Studium selber finanziert hat. Aber um den Makel auszugleichen, dass er gearbeitet hat, muss er in den übrigen Abforderungen hervorragend sein.

Im Fall der Weiblichen Abteilung fallen die Auswahlkriterien – hohe Gesellschaftsschicht, die wenig arbeitet – noch mehr ins Auge. Der Gründer verfügte, dass eine Angehörige der Oberschicht weder ein Studium noch einen Beruf haben müsse. Um Numerarierin sein zu können, genügte es ihm bereits, wenn eine adeliges Blut hatte; so wollte der Gründer zeigen, dass er auch gerne selbst zum Adel gehört hätte. Es gab keine erste Auslese wie beim den Männern, dass sie studiert haben mussten. Um Numerarierin zu sein, ist es nicht notwendig einen Beruf zu haben. Ein Mädchen aus gutem Haus arbeitete nicht. Da er selber nicht zur Aristokratie gehörte, machte er wenigstens seinen Kotau vor der Monarchie und spielte den Schicki-Micki. Wenn eine Frau schon mit ihren eigenen Händen ihren Lebensunterhalt verdient, dann kann sie nur Auxiliarin oder Assoziierte oder Supernumerarierin sein. Körperlich zu arbeiten ist ein Hindernis, wenn man Numerarierin werden will.

Und warum stört das Opus Dei die berufliche Arbeit ihrer Schützlinge? Weil sie ihnen Zeit wegnimmt, die sie den Apostolaten der Prälatur widmen könnten. Ein Numerarier muss immer irgendeine Aussprache machen oder empfangen. Man muss die laikale Arbeit heiligen; aber wohlverstanden muss man dieser Arbeit die geringst mögliche Aufmerksamkeit widmen, damit man einen Kreis besuchen oder vorbereiten kann, ein brüderliches Gespräch. oder an einer Tertulia über das Apostolat der öffentlichen Meinung. Je weniger Zeit man der laikalen Arbeit widmet, desto besser. Die beste Methode, die laikale Arbeit zu heiligen, besteht darin sie zu vermeiden. Das wahre Opus Dei, operatio Dei besteht nicht darin, eine laikale Arbeit im eigentlichen Sinn zu verrichten, sondern gleichwertige Arbeiten. Bei den Assoziierten wird das  ausdrücklich gesagt, sie haben berufliche Notwendigkeiten, und diese hindern sie daran, sich ganz dem Opus Dei zur Verfügung zu stellen. Arbeiten behindert die Verwirklichung des Opus Dei. Es geht nicht nur darum, dass es im Opus Dei eine Lebensform gibt – den Numerarier – der sich bevorzugt internen Aufgaben widmet, so wie ein freigestellter Betriebsrat – er hört auf zu arbeiten, um für die zu arbeiten, die arbeiten. Das kann man noch verstehen. Aber die laikale Arbeit ist schon für sich genommen ein Störfaktor für das Opus Dei. Auch ein Assoziierter oder Supernumerarier müssen sich, soweit das möglich ist, apostolischen Aufgaben im Werk widmen – das ist das wirklich Entscheidende, und sie dürfen sich niemals ganz von ihrem Beruf absorbieren lassen.

Die Arbeit – sogar die knechtische Arbeit – hört auf ein Hindernis zu sein, sobald es sich um eine interne Arbeit handelt. Dem Gründer gefiel es, wen sich Mädchen – nicht nur die Auxiliarinnen – häuslichen Aufgaben im Werk widmeten. Um Mädchen einzufangen, gründeten sie fragwürdige Hauswirtschaftsschulen. Dort brachten sie ihnen überflüssige Dinge wie das Bügeln von Krawatten bei. Vielleicht machen sie das nach wie vor. Wenn es sich um interne Aufträge handelt – die Arbeit als Chauffeur, Angestellte einer Delegation, interne Aufgaben, so können und sollen Numerarier und Numerarierinnen – Auxiliarinnen nicht – sie ausüben. Die Numerarierinnen tragen eine weiße Schürze, die Bedienten eine blaue. Alles muss seine Ordnung haben. Die Klassenunterschiede bleiben aufrecht. Eine Numerarierin kann nicht in einem Haus putzen oder kochen, das nicht dem Opus Dei gehört; eine Assoziierte oder Supernumerarierin schon. Sie können das als ihren Beruf haben; aber dann könne  sie keine Numerarierinnen werden. Knechtische Arbeit ist sogar bei einem Numerarier akzeptiert, wenn es nur eine interne Arbeit ist: Chauffeur des Vaters oder des Consiliarius sein, Buchhalter oder Laufbusche in einer Delegation etc.

Das Eigenartige an diesen Kriterien ist es, das in einer Institution wie dem Opus Dei —operatio Dei; der Mensch wurde geschaffen ut laboraretur — in der man sich angeblich in der laikalen Arbeit heiligt, die laikale Arbeit stört und vermieden erden soll. Arbeiten ja – aber nur für das OD. Die laikale Arbeit hindert eine Person daran, sich mit allen Kräften und der größtmöglichen Verfügbarkeit dem  Opus Dei zu widmen. Und das Opus Dei besteht ja auch nicht (und bestand niemals) in der Arbeit, sondern durch die Arbeit. Arbeiten für das Opus Dei bedeutet, einen Arbeitgeber zu haben, der nicht laikal ist – die Prälatur, und es bedeutet Tätigkeiten nachzugehen, die nicht laikal sind – Aussprachen, Einkehrstunden, Segen mit dem Allerheiligsten, Kreise etc.; und es gibt keine Entschädigung für diese Arbeit.

4º Es ist eine personenbezogene Spiritualität.

Noch zu seinenLebzeiten duldete der Gründer, dass Don Alvaro sagte, dass der ordentliche Weg, zu Gott zu gelangen, war,  ihnn nachzuahmen. Statt der Nachfolge Christi die Nachahmung  Sanjosemarías. Sanjosemaría sagte, dassm an die Heiligen nicht nachzuahmen brauche, sondern dass man nur ihre Fürsprache erlangen solle. Mit ihm aber musste man eine Ausnahme machen, denn er verkörperte den Geist des Opus Dei,  einen Geist, den ihm Gott gegeben hatte. Seine ganze Aufgabe bestand einfach darin, einige Frömmigkeits- Normen, die berits bestanden, auszusuchen und dem den Himmel zu versprechen, der sie pünktlich ausführte. Dadurch kam er sich selbst wie ein neues Sakrament der Erlösung vor, das es vorher nicht gegeben hatte.

— Gehet hin und lehret alle Völker die neue Form der Erlösung: Ahmet mich nach.

Das Merkwürdige daran ist, dass ein Diözesan-Priester den Ruf verspüren sollte, einen Priester nachzuahmen, der niemals diözesane Aufgaben wahrnahm. Ein Laie sieht sich verpflichtet, nicht nur einen Priester nachzuahmen, sondern außerdem einen Priester, der Unterricht in den Akademien Amado y Cicuéndez gab. es machte ihm Spaß, Kaplan von Nonnen zu sein. Und dann, als Gründer, war er im Geruch der Heiligkeit. Was soll man das machen? Etwas gründen? Für einen Numerarier bietet er außerdem das Beispiel eines Menschen, der sich niemals von seiner Mutter und von seinen Geschwistern getrennt hat, sondern sie immer um sich hatte. Er nahm sie nach Rom mit und gab ihnen ein Zuhause.

Es gibt etwas, worin ich den Gründer immer sehr gerne nachgeahmt hätte; er hatte ein Auto mit Chauffeur, und zwar schon in der schlimmen Nachkriegszeit. In den offizielllen Biographien findet sich nichts darüber. Weiß vielleicht jemand, seit wann und bis wann der Gründer in Spanien einen Chauffeurhatte? Ich erinnere mich an eine erbauliche Ankedote unseres Gründers darüber. Sie ist sehr alt und kommt in den offiziellen Biographien nicht vor – oder ich habe sie nicht gefunden. Als der Chauffeur die Tür des Autos öffnen wollte, km er ihm fast immer zuvor, sodass jener nur sehr selten wichtig dazukam die Tür des Wagens zu öffnen. Das zeigt, dass der Gründer zugleich demütig und agil war.

Ich habe den Gründer zwei Dinge in Zusammenhang mit seinem Madrider Auto sagen hören. Die eine hat mit der – sehr hohen – Kilometerzahl zu tun, die er in einem Jahr oder in einem Monat zurücklegte. Es nahm an, dass er mehr Kilometer gemacht hatte als bestimmte Politiker in ihren Wahlkämpfen. Mir scheint, dass er eine Zeitlang die hl. Theresia von Avila sehr bewundert hat, diese „ruhelose, wanderlustige Frau“. Dann verbot er sogar ihren Namen zu nennen, weil er nicht wollte, dass man auf die Idee komme, dass der Geist des Opus Dei von irgendeiner anderen Spiritualität verpflichtet sein könnte. So war es dann auch verboten Johannes vom Kreuz zu zitieren, obwohl man sich in irgendeiner Schrift des Gründers – zumindest ist es mir so ergangen – in eine Passage des Johannes vom Kreuz versetzt fühlt, wo er über die Erhebung der Seele spricht.

Aber bleiben wir beim Chauffeur. Ich habe den Gründer Folgendes sagen hören. Ein Chauffeur, so erzählte er, sagte ihm,, dass seine Stimme bei politischen Wahlen – die des Chauffeurs – eigentlich weniger wert sein müsste als die Escrivás, da sie ein unterschiedliches kulturelles Niveau hätten. Nachdem er das erzählt hatte, schaute er sich in der Zuhörerschaft um, der Hundertschaft von Studenten des Collegium Romanum vom Heiligen Kreuz. Ich erinnere mich an den Gesichtsausdruck eines Venezolaners, Sohn eines Supernumerariers und volksnah. Er wurde abwechselnd gelb, tot und violett. Was für ein besonnener und demütiger Chauffeur das war! Ja, der Chauffeur – aber der andere?

Es gibt ein scholastisches Sprichwort, das besagt: Was auch immer wahrgenommen wird, kann nur auf die Art des Wahrnehmenden wahrgenommen werden. Es gab einen Heiligen – die Feministinnen mögen mir verzeihen, aber der Heilige hat das so gesagt, nicht ich – der Gott alle Tage dafür dankte, dass er nicht als Frau auf die Welt gekommen ist. Er wollte heilig werden; aber er wollte die himmlische Gnade nicht als Frau entgegennehmen, auch wenn es heilige Frauen gab oder gibt. Nun gut, ich will so heilig sein wie Sanktjosemaría, oder noch heiliger, aber ich will ihm möglichst wenig gleichen, ausgenommen einige Details, wie das mit dem Auto und dem Chauffeur. Und noch ein bisschen mehr..

 

ANHANG

 

Vor allem danke ich dir für deine wertschätzenden Äußerungen; du ahnst nicht, wie mich das freut. Wir „Intellektuellen“ müssen unsere Eitelkeit befriedigen, ich zumindest.

Du sagst in deinem Aufsatz Die Spiritualität des Opus Dei, dass ich mich nicht dabei aufhalte, dass es Numerarier gibt, wenn auch nicht viele, die eine „laikale Arbeit“ im eigentlichen Sinn verrichten. Du hast recht. Und da du diesen Schwachen Punkt erfasst hast, heißt das, dass du meine Schrift gründlich gelesen haben musst – und das wiederum schmeichelt meiner Eitelkeit. Ich bin mir dieser Lücke durchaus bewusst. Aber der Artikel war bereits sehr umfangreich, er umfasste schon elf Seiten. Ich füge aber einige Dinge hinzu, die ich  weglassen wollte, aber du provozierst mich dazu sie aufzunehmen...

1º. Ich hege die Vermutung, dass die Spiritualität des Opus Dei nicht gut zu einer „laikalen Arbeit” passt. Ich sage nicht gut, ich sage nicht überhaupt nicht. Man kann nur schwer einen Hundertmetersprint absolvieren und gleichzeitig ein Schinkenbrötchen essen; irgendwie geht das natürlich schon, aber nicht sehr gut. Es geht darum, zwei Dinge gleichzeitg zu tun. Einen Wagen zu lenken und mit dem Handy zu telefonieren, das kann teuer werden, aber es geht irgendwie. Manche tun das.

Die franziskanische Spiritualität ist ebenso wenig mit weltlichen Aktivitäten vereinbar – aber immerhin gab es da diesen Kardinal Cisneros, der ein Franziskaner und ein großer Staatsmann war. Und es gab diese Schwester Juana Inés de la Cruz, die dichtete und Literatur schrieb, und zwar keine mystische. Etc. Dass es Bauchredner gibt, macht die Erfahrung nicht ungültig, dass man mit geschlossenem Mund  schlecht reden kann. Die Bauchredner schaffen das zwar, aber ihre Gesprächigkeit lässt zu wünschen übrig. Beides lässt sich schlecht vereinbaren.

2º So wie ich das sehe, ist eine Ministeramt oder die Funktion des Parlamentspräsidenten, wie bei Antonio Fontán, kein Beruf. Es ist auch keine berufliche Arbeit, wenn man in der Akademie der Wissenschaften sitzt oder Bischof ist, obwohl beides höchst prestigeträchtige Positionen sind. Präsident der Vereinigten Staaten zu sein ist ein Amt, kein Beruf. Ein Amt ist nichts Böses. Escrivá wusste das und lehrte uns, dass sich jeder in seinem „Beruf“ oder in seinem „Amt“ heiligen muss. Die Numerarier suchen sich eher ein Amt als einen Beruf.

Andererseits heißt „sehr viel zu tun haben“ nicht unbedingt arbeiten. Die Tätigkeit einer Hausfrau ist keine Arbeit im Sinn des Erwerbslebens, nicht die der Auxiliarin, des Direktors einer Privatschule, des Studenten oder die Ausübung des priesterlichen Dienstes.

Der Artikel 202 der Constituciones von 1950 lautet: „Mittel des besonderen Apostolats der Institution sind öffentliche Aufträge, vor allem solche in der öffentlichen Verwaltung“. Man beachte, dass es die Sache derer vom Opus Dei ist bedeutsame Aufträge zu übernehmen. Man ermuntert sie, Positionen einzunehmen, die Macht und gesellschaftlichen Einfluss bedeuten. Aber diese Positionen sind keine Berufe. Sie sind keine Arbeit. Sei es, wie es sei, die Umstände des Numerarier passen nicht zu einem wichtigen Amt. Über sie heißt es ja: Diese Numerarier und Numerarierinnen sind nicht einer so strengen Lebensweise wie die Mehrzahl der Numerarier und Numerarierinnen  unterworfen. Ihnen schlägt man nicht vor, ihre hohe Position zugunsten interner Aufgaben im Werk aufzugeben; ganz im Gegenteil, man entbindet sie gewisser Verpflichtungen und macht es ihnen leichter, damit sie sich vollkommener ihren Aufgaben widmen können. Im Hinblick auf Canon 705 des CIC ist das ganz deutlich. Ein Numerarier, der Bischof wird, ist „nicht an jene Verpflichtungen gebunden, die er selbst im Sinne der Klugheit als unvereinbar mit seinem Stand erachtet“.

Die Neigung zum Journalismus wird im Werk ebenfalls sehr gern gesehen (vgl. Cuadernos_12). Ist das dann ein Beruf oder ein Auftrag? Für einige wird es kein Beruf. Um in der Presse zu schreiben, braucht man nicht unbedingt einen Beruf oder einen Presseausweis. Für andere ist es vielleicht ein Beruf. War Antonio Fontán nun Philologe, war er Journalist oder Politiker? Wohl von allem ein wenig. Das Beispiel, das Pilar Urbano gibt, scheint mir zielführend:  Sie schreibt politische Kommentare, und dazwischen die Kür, zum Beispiel ein Büchel über Escrivá. Wenn eine berühmte Journalistin wie Pilar Urbano so etwas schreibt, macht das viel mehr her als wenn er von einer Unbekannten stammt.

Sich der Politik zu widmen ist Aufgabe der Laien, wenn es auch nicht typischerweise ein Beruf  ist. Unter „beruflicher Arbeit“ verstehe ich den Job eines Straßenbauingenieurs in  einer privaten oder staatlichen Unternehmung, die Arbeit eines Chemikers in einer Farbenfabrik oder eines Physiologen in einem Spital der Sozialversicherung; mit einem Wort: Eine Beschäftigung, die eine bestimmte tägliche Arbeit umfasst, und einige, genau bestimmte Tage Urlaub. Diese Personen haben „Vorgesetzte“ außerhalb des Werkes, die ihnen Aufträge erteilen und ihr Leben bestimmen. Alles das passt schlecht zur Lebensform eines Numerariers, auch wenn es Numerarier gibt, die solche Berufe ausüben. Warum fordert man sie nicht auf, diese Berufe aufzugeben und sich internen Aufgaben zu widmen? Gewöhnlich sind dies Numerarier mit Problemen, solchen der Gesundheit, weil sie aufsässig oder undiszipliniert sind, man achtet sie nicht für vertrauenswürdig. Was machen wir mit Ramón? Nun, nichts, er soll weiter seine Arbeit in der Farbenfabrik machen und mit den pensionierten, schon leicht vertrottelten Supernumerariern sprechen.

So wie man auf der sozialen Leiter hinuntersteigt – Handelsangestellter, Maurer, Brötchenzusteller, Kellner etc., wird die Arbeit mehr „Arbeit“ und weniger „Beschäftigung“, „Dienst“, „Aufgabe“, und sie ist immer schwieriger mit internen Aufgaben zu vereinbaren, sogar schon mit den gut zwei Stunden täglicher Frömmigkeitsübungen, die Normen heißen. Mehr Arbeit bedeutet weniger Opus Dei. Es ist die Meinung vor allem der unteren Klassen, dass man arbeiten muss, um Geld zu haben; und diese Arbeit hindert sie dann an anderen Aktivitäten.

Das andere Extrem ist der Universitätsprofessor. Er kann Abgeordneter sein, Journalist, Vorlesungen halten oder nicht, forschen oder nicht, er kann in Mexiko leben, während er Universitätsprofessor der Universidad Complutense von Madrid ist oder Hofkaplan des Prinzen von Asturien, er kann Mönch sein. Er kann natürlich auch Numerarier sein, sogar Numerarierpriester. Das ist die einzige Arbeit – ist sie das wirklich? – die mit den Lebensumständen eines Numerarierpriesters vereinbar ist. Universitätsprofessor zu sein ist mit allem vereinbar.

Wir haben ziemlich viele Beispiele von Universitätsprofessoren: Antonio Fontán, Andrés Ollero, Leonardo Polo, Carmen Castillo. Vicente Martínez Pujalte, Ullastres, Florentino Pérez Embid, López Rodó.

Antonio Fontán haben sie gesagt:

— Kümmere dich um die Zeitschrift „La Actualidad Española”!

Und er kümmerte sich. Und die lateinische Philologie lag brach? Na und? Wen interessiert das! Bei anderen „Arbeiten“, bei anderen „Berufen“ geht das so nicht.

3º Ich fasse zusammen: Einige scheitern in diesen Anforderungen, weil ihre Aufgaben nicht „laikal“ sind; andere, weil das, was sie machen, kein „Beruf“ ist; andere, weil ihre Aufgaben eine „Beschäftigung“ sind, aber keine Arbeit.

4º Weiter vor wage  ich mich nicht, sonst wird noch eine Theorie über Arbeit, Beruf, Beschäftigungen, Muße und angebliche Laikalität daraus.

Gervasio