José María Escrivá Albás: Einige historische Probleme

Jaume García Moles

 

15/07/2013

17. Beitrag:

4. Kap.: IM SEMINAR VON SARAGOSSA

EINE FALSCHE BERUFUNGSKRISE (SOMMER 1921)

Escriva sagt uns, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt, von dem wir nichts Genaueres wissen, das Seminar verlassen wollte. So schreibt er in seinen Apuntes intimos1 Nr. 1748 (17/7/1934) Die priesterliche Berufung! Wo wäre ich, wenn Du mich nichtgerufen hättest! (…) vielleicht – wenn Du mich nicht daran gehindert hättest, das Seminar von Saragossa zu verlassen, als ich glaubte, dass ich mich im Weg geirrt hätte –würde ich im spanischen Parlament Unruhe stiften, wie einige meiner Kameraden von der Universität es tun…, und ich wäre nicht an Deiner Seite, vor allem, weil  (…) es einen Augenblick gab, in dem ich mich völlig antiklerikal fühlte! Ich, der ich meine Brüder im Priestertum so sehr liebe!

Vazquez, Herrando und Toldra bieten als Datum für dieses Ereignis den Sommer 1921, und sie stützen sich dabei auf sehr wenige ernsthafte Argumente2. Diese fehlenden Beweise versuchen sie durch eine Anhäufung von Zitaten zu kompensieren, von denen zweifelhaft ist, ob sie das belegen, wofür sie ausgegeben werden, dramatische Inszenierungen und phantasievolle geistliche Betrachtungen, die , wenn man nur genauer hinsieht, ungewollt verraten, dass hier das Unbeweisbare bewiesen werden sollte.

Um das zu erreichen, versuchen sie zunächst einmal den Rektor des Seminars San Francisco de Paula, Don Jose Lopez Sierra, herabzusetzen. Warum?  Weil er am Ende jedes der drei Studienjahre im Seminar San Francisco de Paula den Charakter Escrivas als unbeständig und hochmütig, aber wohlerzogen und  aufmerksam beurteilt. Seine Berufung beurteilt er in den ersten drei Studienjahren mit scheint sie zu haben, im letzten mit hat sie. Wie ich sage, wollen sie den Rektor herabsetzen, damit wir glauben, dass die Qualifikationen, mit denen er  Escriva am Ende des ersten Jahres oder vielleicht im Juni 1921 beurteilt, ungerecht waren. Dann nützen sie die angebliche Ungerechtigkeit, um die Antipathie Escrivas gegen das Seminar oder das klerikale Ambiente im Allgemeinen zu erklären, das – ihrer Behauptung nach – bei ihm eine Berufungskrise ausgelöst hatte. Sie fügen dann noch die mangelnde Hygiene seiner Kameraden hinzu, ihren groben Umgang und ihre Unkultiviertheit.

Ich möchte nun diese Manipulation aufdecken und sie Stück für Stück zerlegen, deshalb muss der geneigte Leser Geduld haben. In jedem Fall verspreche ich, für die Demontage nicht mehr Seiten zu verbrauchen als die Hagiographen für ihre Errichtung.

Herrando und Vazquez stützen sich auf zwei Catalinas Escrivas. Eine von ihnen ist Nr. 1748, die ich oben wiedergegeben habe. Die andere lautet so:

Nr. 959 (März 1933) Jesus, ich merke mit Dankbarkeit, dass ich niemals sagen konnte „non habeo hominem”.[„Ich habe keinen Menschen.“ Vgl. Joh. 5,7] In Logroño (…)  diesen heiligen Priester, den Vizerektor des Seminars, D. Gregorio Fernandez.  In Saragossa, D. Jose Lopez Sierra, der arme Regens von  S. Francisco, den der Herr soweit gewandelt ha, dass er, nachdem er wirklich alle Mittel aufgewendet hatte, dass ich meine  Berufung aufgebe (mit der besten Absicht hat er das getan), hat er mich als einziger gegen alle verteidigt.

Ohne dies näher zu erklären, beziehen sie beide Zitate auf dasselbe Faktum, die angebliche Berufungskrise des Sommers 1921. In Nr. 1748 spricht er deutlich von einem Zweifel an der Berufung, den Escriva in sich aufkeimen spürte: Ich glaubte mich im Weg geirrt zu haben.  Die Nr. 959 hingegen spricht von einem äußeren Vorgang: nachdem er wirklich alle Mittel aufgewendet hatte, dass ich meine  Berufung aufgebe. Ich streite nicht ab, dass beide Vorgänge miteinander kompatibel sind: Ein äußeres Hindernis, das ihm der Rektor (?) in den Weg gelegt hat, brachte Escriva ins Zweifeln. Das nehmen Vazquez und Herrando als gegeben an,. aber das muss nicht so sein. Außerdem geben diese Texte vor, sich auf den Sommer zu beziehen, auch wenn nichts darauf direkt hindeutet.

Dann verbrauchen sie viel Druckerschwärze, um auf einigen Seiten das ungünstige Milieu zu beschreiben, das Escriva im Seminar vorgefunden habe: die mangelnde Hygiene der Seminaristen, ihre Ungepflegtheit, ihr Mangel an Erziehung, ihre Brutalität, mit der sie ständig grundlos zu provozieren suchten, ihr mangelnder priesterlicher Geist etc.

Die drei Autoren zitieren eine Betrachtung, die Escriva am 14. Februar 1964 gehalten hat, in der er sagt: Die Zeit verging, und viele harte, schlimme Dinge geschahen, die ich euch nicht sage, weil sie mir keinen Schmerz bereiten, euch würden sie das aber schon. Man beachte, dass die Bemerkung Die Zeit verging im leeren Raum hängt, sie liefert uns nicht den Kontext, wovon er spricht, und auch nicht, wieviel Zeit vergangen ist. Deshalb ist es nicht aufrecht zu erhalten, dass sich Escriva hier auf sein erstes Jahr im Seminar bezogen haben soll. Das ist einer der häufigen Fälle von Manipulation, indem man Ereignisse freihändig den Epochen zuordnet, wo man sie braucht.

DIE HAGIOGRAPHEN DISKREDITIEREN DEN REKTOR

Wenige Zeilen später zeigt uns Vazquez, dass diese Schwierigkeiten im Zusammenleben zwar schwerwiegend waren, dass sie Escriva aber als „Kleinigkeiten“ eingestuft hat, verglichen mit dem vielen Guten, das sie für seine Seele bedeuteten. Ich weiß  nicht, dass Vazquez mit der Wiederaufnahme dieses Kommentars Escrivas diese Schwierigkeiten in ihrer Dimension zurechtrücken oder aber uns die außerordentliche Milde seines Helden zeigen will, der mit einem „es hat keine Bedeutung“ quittiert, was für ihn unerträglich gewesen war. Wie auch immer, Vazquez hat das Gefühl, uns durch diesen Kommentar schon so weit vorbereitet zu haben, um uns den letzten Keulenschlag zu versetzen, indem er sagt: Nein, für diese andere Erinnerung an San Carlos [die harten, bitteren Dinge] muss man bitterere Wurzeln suchen.

Toldra beharrt nicht auf dem Thema, aber Vazquez und Herrando wollen dem Rektor des Seminar die Schuld an der Krise geben. Für sie, und nach den Zeugnissen einiger Zeugen, die für Escriva sehr vorteilhaft sind, informierte sich der Rektor nicht direkt über das, was im Seminar rund um unseren Heiligen geschah, sondern er lieh den Kritiken einiger Zöglinge ein williges Ohr. Herrando fügt hinzu, dass der Rektor seine Information besonders vom Inspektor der Gruppe, zu der auch Escriva gehört habe, erhalten haben soll, einem gewissen Santiago Lucus Aramendia, von dem einer der Zeugen, ein  herzlicher Freund Escrivas, sagt, dass er nicht verstehe, warum dieser eine solche Abneigung gegen Jose Ma habe.

Und hier trickst sich Herrando selbst aus. Er behauptet, dass sich nur ein Monatsbericht erhalten hat – er entspricht dem ersten Monat im  Seminar – von den 16, die er im Lauf von zwei Studienjahren ausfüllen musste; in diesen Berichten würden wir sehr wahrscheinlich den fanatischen Zug seiner Beziehung zu Josemaría finden3. Die Falle besteht nicht nur darin, dass er ins einer Einbildung etwas konstruiert, aufgrund eines Vorurteils (und darüber hinaus qualifiziert er die Sichtweise von Lucus als fanatisch ab, ohne den Balken in seinem eigenen Auge zu bemerken), eine ganze Reihe von 15 unbekannten Berichten, und er verrät uns in diesem Augenblick nicht, was der erste Bericht besagt, der einzige, der – seiner Aussage nach – erhalten ist. Denn hätte er es uns bekanntgegeben, hätte der hier das geschrieben, was auch Vazquez über die gleiche Angelegenheit auf S. 138 schreibt: Der Inspektor  Santiago Lucus beurteilt die Berufung Josemarías mit „Gut“. Und er hatte auch geschrieben, was er selbst (Herrando) andernorts schreibt4:

In allen erhaltenen berichten wird Josemaria Escriva in Disziplin als „Gut“ bewertet, außer in dem Bericht von  Santiago Lucus vom  Oktober  1920 ein „Sehr gut“, eine Beurteilung, die, wie gesagt,  sonst nicht gegeben wurde und die hier mit dem Erfolg im Tabakkrieg zusammenfällt.

Als Gegensatz dazu steht im persönlichen Buch über Josemaría, dem Buch  De Vita et moribus, die Bemerkung des  Rektors während des Studienjahres  1920-21: „Ordentlich“, und im folgen Jahr die Qualifikation „Gut“.

Das heißt, Herrando sagte jetzt, dass der Rektor der guten Beurteilung durch Lucus keine Beachtung schenkte, während er vorher das genaue Gegenteil behauptet hat. Aber es gibt noch mehr Widersprüche. Wir wollen uns daran erinnern, dass die Angelegenheit, die wir hier behandeln, die Berufungskrise Escrivas ist und die Information, die an den Rektor gelangt ist Achten wir darauf, was uns Vazquez über die Berichte der Inspektoren schreibt5: Während andere aus Scheu vor tiefergreifenden Bemerkungen es bei einem „gut“ oder „mäßig“ bewenden ließen, wägte der neue Superior [er bezieht sich hier auf Escriva selbst] sein Urteil präzise und gewissenhaft ab. Das heißt, dass Lucus (einer von diesen anderen) Escriva unter die platziert  hatte, die Berufung weil er ihn in diese Abteilung gestellt hatte, mit einem „gut“. Woraus bestehen die Behauptungen Herrandos um die Wahrnehmung von Lucus und seinen verderblichen Einfluss auf den Rektor? Aus einer Handvoll Phantasien und Widersprüchen.

Bevor wir die Berichte des Inspektor Lucus abschließen, gibt es ein kleines Detail, auf das wir Ramon Herrando Prat de la Riba aufmerksam machen müssen. Anscheinend ist ihm nicht aufgefallen, dass Vazquez auf der zitierten Seite 138 sagt, dass die Note „Mäßig in Disziplin durch die Monatsberichte des Inspektors widerlegt werden, der den Auftrag hatte sie zu führen. Josemaría ist einer der wenigen Studenten, die in diesem Studienjahr nicht ein einziges Mal bestraft wurde. Man beachte, dass diese Bemerkung impliziert, dass Vazquez alle acht Berichte dieses Studienjahrs gesehen hat. Tatsächlich liegt nahe, was uns Vazquez in Anm. 44  sagt, dass es zur Verifizierung dieser Daten notwendig ist, sich an das Archiv der Prälatur zu wenden und in das Konvolut mit dem Sigel AGP, RHF, T-02863n S. 3 Einsicht zu nehmen, und er sagt uns auch, dass auf der Rückseite der Hefte, die die Inspektoren ausfüllen und monatlich abliefern mussten, die Strafen, die die Inspektoren und der Rektor verhängten, näher spezifiziert wurden, woraus wir schließen können, dass Vazquez  mindestens acht Monatsberichte von Lucus kennt und vielleicht die 16, die die Note „Mäßig“ in Disziplin widerlegen. Das heißt, wenn wir Vazquez und  Herrando beachten, können wir schließen, dass 15 der Monatsberichte von Lucus nicht im Archiv von Saragossa geblieben sind, dass sich aber mindestens acht in den Archiven der Prälatur befinden.  Und da Herrando, was sehr zu vermuten ist, zu diesen sehr umfangreichen Archiven der Prälatur Zutritt hat, würde ich ihn bitten das Archiv zu ersuchen, die Originale dieser Dokumente, sollten sie durch einen übernatürlichen Zufall hierher gelangt sein, zu kopieren und die Originale nach Saragossa zurückzustellen, wo sie ordnungsgemäß verwahrt sein sollten. Oder wenn sie nicht im Besitz der Originale sind, dann mögen sie feststellen, woher die Kopien dieser Berichte stammen, und dafür sorgen, dass die Originale gefunden werden. Wir Historiker werden es ihnen danken. Und bei der nächsten Auflage soll er bitte sein Buch aktualisieren und klarstellen, ob Don Santiago Lucus ein Fanatiker für oder gegen Escriva war, denn mir wurde nicht klar, wer von den beiden Hagiographen recht hat, Vazquez oder Herrando.

Nach diesen vorbereitenden Bemerkungen sind Herrando und Vazquez gewappnet, um einer schlechten Nachricht zu begegnen, die wir mittlerweile bereits von ihrem Gesichtspunkt aus zu sehen gelernt haben. Die schlechte Nachricht ist, dass der Rektor des Seminars am Ende des Studienjahres 1920-21, in das persönliche Heft Escrivas, in das Buch De vita et moribus, Dinge hineinschrieb, die diesen Hagiographen  nicht schmeckten. Der Rektor schreibt Gut in Frömmigkeit, „Mäßig“ in Disziplin und Fleiß; zu Charakter schreibt er unbeständig und hochmütig, aber wohlerzogen und  aufmerksam ; und schließlich, in der Rubrik Berufung notiert er: Scheint sie zu haben.

Tatsächlich kritisieren sie den Rektor, weil er ihn, wie erwähnt, in Disziplin nur mit einem „Mäßig“, obwohl er, laut den Aufzeichnungen von Lucus, keine einzige Strafe in diesem Jahr erhalten hat. Und sie kritisieren das „Mäßig“ in Fleiß, obwohl er sehr gute Noten hatte. Aber Herrando liefert selbst die Erklärung: Auf S. 52 schreibt er, dass  die Erklärung vielleicht zum Teil  darin liegt, dass er bei seiner Begabung nicht viel lernen musste, und andererseits, dass er ziemlich viel Zeit der Lektüre widmete.

Als er zur Qualifizierung des Charakters Escrivas kommt – unbeständig und überheblich, aber wohlerzogen und aufmerksam, sagt Herrando6 gar nichts, er beurteilt ihn  lediglich als sehr verwirrend. Tatsächlich zeigen die Prüfungen, die Escriva in den nächsten Lebensjahren ablegte, dass sich Don Jose Lopez Sierra in seiner Wertschätzung nicht irremachen ließ, die er unverändert während des ganzen Aufenthalts Escrivas im Seminar San Francisco de Paula beibehielt.

DIE KRISE ESCRIVÁS – EINE ERFINDUNG VON HERRANDO, TOLDRÀ UND VÁZQUEZ

Nachdem wir all das Gerümpel aufgeräumt haben, mit denen uns Herrando und Vazquez den Blick verstellen wollten, bleiben uns nur zwei Motive für die angebliche Berufungskrise im Sommer 1921: die Probleme des Zusammenlebens im Seminar und die Beurteilung durch den Rektor 1920-21. Nachdem Escriva das lästige Ambiente des Seminars als Ärgerlichkeit abgetan hatte und er sie als Umstände akzeptierte, die ihm letztlich halfen sich zu behaupten, bleibt dies Gutachten des Rektors die einzige Grundlage, auf die wir uns stützen können wenn wir vermuten wollen, dass Escriva 1921 eine Berufungskrise erlitt und überwand.

Ich meinerseits glaube, dass dieses Faktum – die Beurteilungen im Dossier des Rektors – lächerlich sind, wenn sie dazu dienen sollen, eine zu erklären, zu entschuldigen oder zu verstehen,  und es wirkt fast schon genannt. Andererseits denke ist, dass Escriva, als sich im Lauf der Zeit seine Egomanie gesteigert hatte, als er schon eine Handvoll Studenten als Jünger hatte,  diese Qualifikationen eine Verstocktheit des Rektors werten konnte, der ihn aus dem Seminar werden wollte. Das heißt, es könnte sein, dass er diese Qualifizierungen meinte, als er in seiner Catalina Nr. 959 schrieb:

Der arme Rektor von S. Francisco, den der Herr so gewandelt hat, dass er, nachdem er alle Mittel angewendet hatte, dass ich meine Berufung aufgebe (das tat er mit der besten Absicht), war er mein einziger Verteidiger gegenüber allen7.

Es lässt sich aber nicht so ohne weiteres abtun, dass der Rektor sehr ernste Gründe hatte, um zu diesen Qualifizierungen zu kommen, wie wir in der Folge sehen werden. Aber ich bin noch nicht damit fertig, diese Manipulation zu studieren, denn wir müssen uns noch Herrando und Toldra genauer ansehen, der ihm in seiner anders gelagerten Angriffslinie folgt. Herrando8  sagt in Bezug auf die Prüfung, die in der Catalina Nr. 1748 zitiert wurde:

Das zentrale Moment dieser Prüfung in seiner Seele ereignete sich am Ende des ersten Jahres im Seminar, im Studienjahr 1920-1921; und wir können das durch eine Reihe unbezweifelbarer Fakten präzisieren, die rund um diese Zeit anzusiedeln sind. Die Reihe der unbestreitbaren Tatsachen ist nicht sehr lange. Da fällt mir der Witz von Hänschen in der Schule ein: „Hänschen, zähle mir die fünf Erdteile auf. -  Die vier Erdteile der Welt sind drei, nämlich Europa und Asien.“ Die Reihe der unbestreitbaren Tatsachen besteht aus zwei Fakten9, die sich auf eine reduzieren lassen, den sie bestehen aus einer Bitte um eine Auskunft über Escriva, die am 17. Oktober 1921 vom Rektor von San Francisco de Paula an den Rektor des Seminars von Logroño gerichtet war über seine Berufung zum Priesterstand und persönliche Qualitäten; und in der Beantwortung vom 20. desselben Monats steht, knapp und routiniert: Während seines Aufenthalts in diesem Seminar beobachtete er einen tadellosen moralischen, religiösen und disziplinierten Lebenswandel und gab klare Beweise seiner Berufung.

Um die Wahrheit zu sagen, Herrando qualifiziert die Beantwortung aus Logroño nicht als knapp und routiniert wie ich, sondern nennt sie „überzeugend“, weil er imponieren möchte.

Und Herrando muss imponieren, und er erreicht es auch, denn es ist unglaublich, wie weit er damit vom Thema abkommt. Der Leser denke mit einem Schmunzeln an Sherlock Holmes, Pater Brown oder Hercules Poirot. Zu dieser Bitte um Auskunft sagt Herrando:

Eine Ansuchen in diesem Ton ist nicht üblich und erscheint sogar seltsam: Einerseits gab es in der Dokumentation des Umzugs von Logroño nach Saragossa bereits eine positive Stellungnahme über die  Disposition Josemarías, und eine andere, nach einem Jahr im Seminar, ersuchte lediglich die Pfarrer um Informationen über sein Verhalten im Sommer.

Auf welche  Dokumentation der Übersiedlung bezieht sich  Herrando? Dasselbe sagt er uns in Anm. 120, in der er auf die Anm. 34 des Kapitels 1 verweist. In dieser zuletzt genannten Anmerkung heißt es, dass der Antrag um die Exkardination von  Calahorra aus der Bitte um Information des Bischofs von Calahorra an den  Rektor des Seminars von Logroño und der Antwort darauf besteht: „Der Antragsteller hat die Reifeprüfung am Institut abgelegt, ist ein Junge mit sehr guten Anlagen und einem sehr guten Geist, vor allem in den moralischen und politischen Angelegenheiten“. Wir haben aber bereits gesehen, dass eine solche Dokumentation niemals nach Saragossa geschickt wurde, weil der Bischof  von Calahorra ihm das Exeat verweigerte, wie ich schon im vorigen Kapitel ausgeführt habe. Deshalb hängt das, was Herrando sagt, in der Luft. Tatsache ist aber, dass es bereits eine Auskunft über Escriva aus Logroño gab, und das folgende Zeugnis des Bischofs von Hippo, die sich, wie ich weiter oben geschrieben habe, in dem Ansuchen Escrivas um die Aufnahme im nunmehrigen diözesanen Seminar von Saragossa befindet, oder dass es in den Zeiten war, als Escriva im Conciliar-Seminar10 San Valero y San Braulio war:

BISTUM CALAHORRA UND LA CALZADA

Wir, Juan Plaza y Garcia, durch die Gnade Gottes und des  Heiligen Stuhls Titularbischof  von Hippo, Apostolischer Administrator der Diözese  Calahorra und la Calzada, Senator des Königreichs a. D.  etc., etc.

Wir bezeugen, dass nach glaubwürdigen Informationen D. Jose Maria Escriba y Albas, gebürtig aus der Diözese  Barbastro und Zögling unseres  Conciliar-Seminars in Logroño, während seines Aufenthalts in dieser unserer Diözese ein gutes Verhalten beobachtet hat, häufig die Heiligen Sakramente empfangen hat und Beweise seiner Berufung zum kirchlichen Stand, gegeben hat, ohne dass wir einen Mangel, eine Regelwidrigkeit oder ein anders Hindernis gefunden hätten, das dem Empfang der Heiligen Weihen  im Wege stünde.

Gegeben zu Calahorra,am 2. Juli 1920

(Gezeichnet: + Juan, Bischof de Hippo)

Im Auftrag Seiner Eminenz.

Der Bischof Administrator.

Santiago Lopez

Aufgrund des Datums muss man annehmen, dass das Dokument von Escriva zur Zeit seiner Immatrikulation im Sekretariat des Conciliar-Seminars vorgelegt wurde, und in der Folge bleib das Dokument nicht im Seminar San Francisco. Deshalb denke ich, dass der Rektor des Seminars San Francisco de Paula aus einem einfachen Grund in Logroño um diese Information nachgesucht hat: Es war nötig, Informationen übe diejenigen Seminaristen einzuholen, die aus anderen Orten kamen, und so suchte er in Calahorra um diese Information nach. Ende der Diskussion. Und damit sich der Leser ein Bild von dem Roman macht, den Herrando rund um die Bitte um Auskunft schreibt, nehme ich die griffigste Passage noch einmal heraus11:

Während des Sommers in Logroño sprach Josemaría, wie die Aufzeichnungen in seinen Apuntes intimos12 nahelegen, mit Don Gregorio Fernandez, den er auch sonst, wie wir gesehen haben, in Momenten der Prüfung aufsuchte, um ihm sein Herz zu öffnen, bevor er aus dem Seminar wegging. Wir können uns sicher sein, dass er ihn in seinem Entschluss bestätigte und die Unsicherheiten zerstreute, die in seiner Seele in diesem vergangenen Jahr in Saragossa aufgestiegen waren.

Dann stellt Herrando weiterhin sinnlose Überlegungen über abseitige Angelegenheiten an, wie die „Conversion“ des Rektors zugunsten Escrivas und über die Auffassungsunterschiede, wie Josemaría und die Mehrzahl der Seminaristen das Priestertum verstanden hätten. So füllt er fast zwei Seiten und schließt das Kapitel ab. Aber er entfernt sich so weit vom anfänglichen Thema und schreibt mit so viel Eifer an seinem Roman weiter, dass er den Plot vergisst, den er selbst erfunden hat, das heißt, er vergisst, dass er darüber schreiben wollte, dass sich Escriva in einer Krise befand, und verliert sich in einem Gesuch um Auskunft durch den  Rektor des Seminars San Francisco an den Rektor des Seminar von Logroño, im Oktober 1921. Und ich sage das, denn auch wenn diese Gespräche zwischen Escriva und Don Gregorio in Logroño wirklich stattgefunden haben, so wäre es doch ein paranormales Phänomen, dass diese Gespräche zu einer anderen Zeit (zwei Monate später) und an einem anderen Ort (Saragossa) bewirkt haben sollten, dass Don Jose Lopez Sierra den Rektor von Logroño um Informationen gebeten haben soll? Toldra übergeht diese Nachlässigkeit Herrandos, und mit einem anderen Wunder an Einfallsgeist und Phantasie erklärt er uns13:

Don Gregorio beruhigte ihn und machte ihm wieder Mut zu seiner priesterlichen Berufung. Die Frucht dieser Gespräche war die Entscheidung, im laufenden Studienjahr ins Seminar zurückzukehren, und er musste ihm den Rat geben, dass sich der Rektor von Saragossa mit Don Gregorio in Verbindung setzen solle für den Fall, dass noch ein Zweifel auftauchte.

Ende September meldete sich Josemaría in  San Francisco de Paula, um das neue Semester zu beginnen. Der  Rektor musste sehr überrascht gewesen sein, da er nicht mehr damit gerechnet zu haben scheint ihn hier zu sehen. Josemaría musste über seine Gespräche mit Don Gregorio während des  Sommers reden. Tatsache ist, dass  Don Jose Lopez Sierra  zur Feder griff und, mit Datum 17. Oktober, eine Anfrage an Don Gregorio Fernandez Anguiano als den Vizerektor des Seminars von Logroño richtete, ob  Josemaría Escriva für das Priesteramt geeignet sei

Alles dies ist natürlich erfunden und wird dargestellt, als handelte es sich um überprüfte Tatsachen, ohne den Leser zu informieren, dass es sich hierbei nur um eine hypothetische Rekonstruktion handelte.  Übrigens ist die Einleitung zu dieser Passage durch ihre zusätzliche Manipulation ebenso merkwürdig wie verräterisch. Er sagt, dass Don Jose Lopez Sierra die Anfrage an den Vizerektor gerichtet habe, und er nennt den sollständigen Namen, während Herrando auf S. 153 sagt, dass diese Anfrage an den Rektor des Seminars von  Logrono gerichtet gewesen sei, nicht an den Vizerektor, und er nennt keine Namen. Aber Toldra muss hier den Vizerektor einsetzen, denn ausgerechnet der Vizerektor war Don Gregorio, und Escriva hat behauptet, mit ihm gesprochen zu haben, sodass das Argument Herrandos hierauf nicht gepasst hätte. Außerdem geht es bei der erbetenen Auskunft nicht primär um die Eignung zum Priestertum. Man beachte die Worte von Lopez Sierra:

Haben Sie die Güte, mich in der größtmöglichen Kürze über das Moralische, religiöse und  disziplinäre Verhalten Ihres externen Zöglings im von Ihnen würdig geleiteten  Seminar,  D. Jose Ma Escriva Albas, gebürtig aus Barbastro, ehelicher Sohn des D. Jose und der Da Dolores, wohnhaft in Logroño zu informieren, zusammen mit allem übrigen, dass Sie im Hinblick auf seine priesterliche Berufung und seine persönlichen Qualitäten für wichtig halten14.

Aber Lügen haben kruze Beine. Und so sehen wir auf S. 260 des zitierten Buchs von Toldra, dass aus dieser Anfrage ganz unzweideutig hervorgeht, dass ihr Adressat nicht der Vizerektor war, und noch viel weniger Don Gregorio Fernandez Anguiano, sondern der Rektor des Seminar von Logroño, der ohne seinen Namen genannt wird. Das heißt aber, Toldra widerspricht hierin nicht nur Herrando, sondern auch dem, was er selbst auf S. 15 gesagt hat.

Er hat sich für einen sauberen Schwindel hergegeben; und es muss ziemlich wichtig sein, was für die Prälatur bei der Datierung der Krise Escriva auf dem Spiel steht, dass sie ihre Leute in ihrem Gewissen zum Lügen verpflichtet hat, damit sie sie für 1921 ansetzen.

Ich denke also bewiesen zu haben, dass die Hagiographen die Existenz einer Berufungskrise Escrivás im Sommer 1921 konstruiert haben, fü die es nicht den geringsten Anhaltspunkt gibt. Was ist der Grund für diese Berufungskrise Escrivas von 1921? Es wird in der Folge erklärt werden, denn es stimmt, dass Escriva eine solche Berufungskrise hatte.

Jaume García Moles

(wird fortgesetzt)

 

1 Andres Vazquez de Prada, El Fundador del Opus Dei, Bd. I, 6. Aufl., Rialp, Madrid 2001, S. 136.

2 Vazquez, S. o., S. 132.- Ramon Herrando Prat de la Riba, Los anos de Seminar de Josemaría Escriva en Saragossa (1920-1925), Rialp, Madrid 2002, S. 152-159. Jaime Toldra Pares, Josemaría Escriva en Logroño(1915-1925), Rialp, Madrid 2007, S. 205-206.

3 Herrando, S. o.n S. 157. Üblicherweise, wenn auch nicht hier, zitiert Herrando aus den  Informes de los Inspectores sobre la conducta de los Seminaristen de San Francisco de Paula, den Aufzeichnungen über die Seminaristen, von denen er sagt, dass sie im Diözesan­archiv von Saragossa verwahrt werden, unter der Bezeichnung Seminar San Francisco de Paula, Schachtel 1a, Konvolut 2.

4 Herrando, S. o., S. 137.

5 S. o.,  S. 160; deutsche Ausgabe: S. 155

6 S. o., S. 157.

7 Wer war Escriva 1933, dass er den  armen Rektor nennen konnte, der fünf Studienjahre lang sein unmittelbarer Vorgesetzter gewesen war?!  Und um ihn noch mehr zu verspotten, zu behaupten, dass er nur seinetwegen im Seminar bleiben konnte. Man entdeckt hier eine narzisstische Persönlichkeitsstörung.

8 S. o., S. 153.

9 S. o., S. 153-154.

10 Es ist das  dritte Mal, das wir Dokumente aus dem Gesuch Escrivas aus dem Conciliar-Seminar in Saragossa benützten, das trotz seiner enormen Bedeutung von den Hagiographen nicht einmal zitiert wurde. Dabei zählt Herrando (s. o., S. 246) sogar das Matrikelbuch dieses Seminars unter seinen Quellen auf. Es ist also nahezu undenkbar, dass er diese Dokumente nicht kennen sollte. Man sieht, dass die Prälatur ihm ihre Angst eingeimpft hatte, jemand könnte das verräterische und ungültige Dekret der Inkardination Escrivas in Saragossa in die Hände bekommen; vgl. sein Kapitel 3.

11 S. o., S. 158.

12 Er bezieht sich auf Catalina 959, dessen Text am Beginn dieses Beitrags erwähn t ist. Darin wird kein Gespräch Escrivas mit Don Gregorio Fernandez in diesem Sommer angedeutet.

13S. o., S.. 205-206.  

14 Toldra, S. o., S. 259.

15 Die Antwort war vom Vizerektor, Don Gregorio, unterzeichnet, aber das verdankt sich nicht der Intention von Lopez Sierra, sondern einer besonderen Verbindung.  Wie und Toldra mitteilt  (s. o., , S. 50 und 179), wurde am 17. Juli 1921 Don Fidel Garcia neuer Apostolischer Administrator der Diözese Calahorra und ernannte zum Vizerektor  Don Gregorio Fernandez Anguiano und  schickte ihn nach Calahorra als Rektor des Seminars von Logroño, und nahm für sich das Amt des Rektors dieses Seminars, und nahm zu seiner Unterstützung als Vizerektor, Don Gregorio. Das heißt, man könnte denken, dass Don Jose Lopez Sierra noch nicht wusste, wer Rektor und Vizerektor des Seminars von Logroño waren, weil diese wenige Tage oder Wochen zuvor gewechselt hatten. Andererseits beschränkt sich Don Gregorio darauf  ― erwartungsgemäß , da er bereits Spiritual gewesen war ― den Aufenthalt Escrivas im Seminar zu bestätigen, ohne auf irgendeine Wiese nahezulegen, dass er damals oder später irgendeine geistliche Leitung gehabt hätte, so wie es Toldra erfindet.

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