Guillaume: Das Reglamento von 1941 – Escrivás Marschbefehl
27. Januar 2012
Da immer wieder versucht wird, die tatsächlichen Vorgangsweisen des Werks Escrivás zu verschleiern, schien es mir passend, die erste kanonische Norm des Opus Dei bekanntzumachen: das Reglamento mit seinen fünf Anhängen, die der damalige Bischof von Madrid-Alcalá, Don Leopoldo Eijo y Garay, am Tag des heiligen Josef 1941 approbierte, indem er es als Pia Unio errichtete und diese Dokumente, auf Bitten Escrivás, im Diözesanen Geheimarchiv verwahrte.
Es handelt sich um ein Dokument von größten Interesse aus historischer Sicht, denn diese Normen von 1941 sind das erste ernsthafte Dokument, das Escrivá schriftlich über sein Gründungsprojekt anfertigte, denn die Briefe und Instruktionen der Anfangszeit sind zwar in die dreißiger Jahre datiert, wurden aber erst in den sechziger Jahren geschrieben, wie uns Gervasio in Escrivás Briefe geoffenbart hat...
Wie aus der Lektüre ersichtlich ist. hat dieses Statut von 1941 die Marschroute festzulegen, der Escrivá immer gefolgt ist – ebenso in inneren Leben der Institution wie in seinen Beziehungen zur kirchlichen Hierarchie. Und es erlaubt ein Dementi, wenn die Leiter des Werks sich wieder einmal genötigt sehen, Aussagen zu irgendeinem Aspekt der Praxis der Institution richtigzustellen, denn in diesem Dokument von 1941 sieht man deutlich, dass dort, wo etwas schief geht, die Fehler keine Abweichungen vom Gründungscharisma sind, sondern dass sie genau dem entsprechen, was Escrivá festgelegt hat: Wenn beispielsweise, wie es jüngst geschehen ist, die Leiter im Werk den Mitgliedern die Anordnungen der kirchlichen Hierarchie zur geistlichen Leitung verschwiegen haben, so versuchen sie damit nur eine vom Gründer eingeführte Praxis zu retten, die die Kirche klar untersagt hat.
Mit der Veröffentlichung dieses Dokuments ist klargestellt, dass sich das Wesentliche des Gründungsprojekts Escrivás niemals verändert hat; es wechselte, je nach Interessen und Umständen, nur das juristischen Kostüm (Klerikale Gesellschaft des Gemeinsamen Lebens, 1943; Säkularinstitut, 1947; Personalprälatur, 1982); aber die Ziele und die Strategie des Gründers bleiben dieselben. Der einzige Unterschied zu den späteren Satzungen besteht darin, dass er hier noch ganz offen ausspricht, womit er später hinter dem Berg hält; im Reglamento, mit der Naivität seiner 39 Jahre und dem Mangel an Erfahrung, die er erst später, nach seiner Übersiedlung nach Rom, erwerben sollte, spricht er noch Klartext.
Dennoch sorgte Escrivá selbst damals in dieser kanonischen Satzung für Geheimhaltung und erreichte sie: Vor allem die fünf Zusätze, denn der erste Teil, Reglamento, war abgefasst, um ihn den Bischöfen zeigen zu können, und er wurde ihnen in lateinsicher Sprache ausgehändigt. Und wie wir sehen, zeigen diese Dokumente das Werk als eine Art Geheimgesellschaft, sie machen deutlich, dass die Oberen, und nur sie, in den Hilfsgesellschaften, die sich das Werk organisiert, das Sagen haben, und sie enthalten unbestreitbare Aussagen über die spezifische Spiritualität der Pia Unio, die das Lügen straft, was Escrivá später als das Laikale Wesen des Werks verstanden wissen wollte.
Dieses erste Regelwerk zum Werk Escrivás besteht aus sechs Teilen:
1) Reglamento. Das war der einzige Teil, der den Bischöfen – auf Lateinisch – ausgehändigt wurde, nachdem Don Leopoldo der Bitte Escrivás entsprochen und die sechs Teile im Geheimarchiv der Diözese Madrid-Alcalá verwahrt hatte: Siehe die Korrespondez mit dem Bischof von Madrid. Im Buch „El itinerario jurídico del Opus Dei“ erscheint nur dieser Teil, und zwar auf Lateinisch, aber aus den anderen Teilen wird immer wieder zitiert, so dass man ermessen kann, dass authentisch sein dürfte, was hier publiziert wird. Außerdem wurde dieses Reglamento nicht nur den Bischöfen zur Verfügung gestellt, sondern es fand auch Verwendung, wenn diese den zivilen Autoritäten Auskunft über das Werk, seine Natur und seine Funktionsweise zu geben hatten.
An zwei Schnittstellen merkt man, dass dieses Reglamento nicht mehr als eine Tarnung für das ist, was in den andren fünf folgen sollte. Verräterisch ist vor allem der Name Reglamento, obwohl dieser erste Teil nichts aus dem Leben des Werkes regelt, sondern das Leben einer angeblich kaum organisierten Institution schildert, mit Leitungsorganen und Treffen, die es noch gar nicht gibt, die kaum Geld hat und deren Mitglieder einige sehr leichte Verpflichtungen übernehmen; das ist der Kontrapunkt dessen, was dann in den fünf Anhängen folgen soll. An der zweiten Stelle merkt man, dass dieser erste Teil für das Publikum geschrieben ist, denn das Reglamento ist so geschrieben, dass man nicht auf die Idee kommt, es könne irgendwelche Zusätze geben; man hat den Eindruck, dass das hier schon alles ist, das heißt, ein Dokument, das man vorlegen kann und das vom Bischof von Madrid-Alcalá approbiert worden ist, und mehr gibt es da nicht zu sagen…
2) Leitung. Es ist der interessanteste Abschnitt, denn hier ist die Praxis des Opus Dei schriftlich dokumentiert, die es im Lauf seiner Geschichte niemals öffentlich zugegeben hat, mehr noch, es hat alles heuchlerisch abgestritten.: Sein erklärtes Ziel ist es, dem Reich Gottes durch den Eingriff in die Politik zu dienen, durch die Eroberung öffentlicher Ämter und staatlicher Gebäude durch die Schaffung von Gesellschaften: Finanzunternehmen, Verlage, Zeitschriften etc., die von den Direktoren des Werks kontrolliert werden.
In diesem Teil sticht die strategische Obsession des Gründers, das Geheimnis zu wahren, hervor, ebenso wie die erschöpfenden strukturellen Pläne zu einer Zeit, als das Werk erst ganz wenige Mitglieder hatte.
3) Ordnung. Hier erscheint der vollständige Lebensplan wie er heutzutage in den Kurzen Kreisen und in den Studienkreisen vorgelesen wird, sowie mehrere Regelungen zu Zuständigkeiten auf den verschiedenen Leitungsebenen, das Funktionieren der Zentren und das Leben der Mitglieder.
4) Gewohnheiten. Dieser Abschnitt fasst die Gewohnheiten zusammen, die die Mitglieder leben müssen. Das interne Dokument, das diesem Teil entspricht, heißt „De spiritu“; es ist hier verfügbar.
Der Kontrast zwischen der Menge an religiösen Praktiken und Andachtsübungen und der Mangel an einer tiefen Spiritualität fallen ins Auge: sich Gott zu nähern, sich mit Jesus Christus zu identifizieren, die wahre Freiheit der Kinder Gottes zu spüren, den Seligpreisungen zu folgen und Werke der Barmherzigkeit zu üben etc. Das ist die Erklärung dafür, dass das Werk nicht zu Gott führt, sondern zu einer inneren Kompliziertheit und einer normativen Frömmigkeit. Deshalb ist es häufig so, dass diejenigen, die keinerlei spirituelle Erfahrung hatten, bevor sie ins Werk eingetreten sind, überhaupt jede religiöse Betätigung aufgeben, wenn sie gehen, weil sie im Opus Dei nicht gelernt haben, den Umgang mit Gott auf allen Ebenen der Liturgie zu verinnerlichen, im Leben des Glaubens Wurzeln zu schlagen und eine wirkliche theologische Bildung zu erwerben.
5) Geist. Dieses Kapitel entspricht den aktuellen „Experiencias para los consejos locales“ („Erfahrungen für die Örtlichen Räte“). Anders als nach dem Titel erwarten dürfte, ist von Spiritualität kaum die Rede, sondern es geht im Wesentlichen um die verschiedenen Anforderungen im Werk, das quasi ein Geweihtes Leben mit dem Geist einer Miliz verlangt; es geht um die Strategie beim Erlangen von Leitungsfunktionen und von öffentlichen Gebäuden als eine Vorgangsweise, für das Reich Gottes zu arbeiten; und es geht daraum, ein eisernes Stillschweigen darüber zu bewahren und sich den Anschein zu geben, normale Laien zu sein.
Man besteht auf der Bedeutung militärischer Disziplin, mit einem bedingungslosen Gehorsam und einer wilden Aufrichtigkeit gegenüber den Leitern. Und hier zeigt sich schon die Doktrin des guten Hirten, nach der von geistlichen Ratschlägen ausgeschlossen ist, wer nicht zu den zuständigen Leitern im Werk gehört. Man besteht darauf, dass die Häuser des Werks und das äußere Auftreten der Mitglieder des Opus Dei weltlich zu sein hat (denn das Ziel ist, öffentliche Machtpositionen zu erringen); trotzdem ist das Lebenskonzept das von Religiosen. In diesem Reglamento folgt Escrivá dem Konzept der „geweihten Persson“ und des „Standes der Vollkommenheit“, und das blieb auch noch in den ersten Jahren so, nachdem das Opus als Säkularinstitut errichtet worden war (seit 1950), bis zu den Anfängen der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, als in der katholischen Kirche die „Theologie des Laienstandes“ Gestalt annahm, als sich Escrivá zu einer stilschweigenden Reform des Geists des Werkes entschloss und vom Stand der Vollkommenheit zur Theologie des Laienstandes überging. Damals kam auch die Idee auf, dass die Institution aufhören sollte ein Säkularinstitut zu sein und den Status einer Praelatura nullius, später einer Personalprälatur anzustreben. Dahinter stand sein Eifer, Bischof zu werden, zusammen mit dem Wunsch, seine Institution gut aufzustellen, und so entstanden eine Reihe von Initiativen oder Reformen (vgl. Lucas, Beitrag vom 25. April 2011), aber die Lebenspraxis der Mitglieder des Werks blieb immer, bis heute, die geweihter Personen.
6) Ceremonial. Es entspricht dem derzeitigen „Caeremoniale“. In ihm wird beschreiben, wie die Zeremonie des Gebets um Berufungen am Vorabend des Fests des hl. Joseph zu geschehen haben, die Zeremonien der Admission, der Oblation und der Fidelitas der Mitglieder und die Einsetzung der Eingeschriebenen Mitglieder (die damals Numerarier genannt wurden); der Reisesegen, der Kurze Kreis und die Preces.
Es lässt tief blicken, dass eine Terminologie angewendet wurde, die für die Ordensleute typisch ist; das passt so gar nicht zu der Art, wie das Werk später gern von seinem Gründer präsentiert wurde; zuerst stellte er es als das letzte Glied in einer Entwicklungslinie der geistlichen Orden da, dann stellte er genau diesen Gedanken als unzutreffend in Abrede. Was für ein Charisma konnte dieser Mann haben, wenn er solche Haken schlug?
Noch ein anderer entscheidender Punkt ist hier dokumentiert: Nr. 20 des Kurzen Kreises erlegt die Pflicht auf, entgegen dem Dekret Quaemadmodum Leos XIII. und Kanon 530 des damals gültigen Codex von 1917, sich von den Leitern über das persönliche Innenleben ausfragen zu lassen.
In diesem ersten Beitrag soll das Reglamento selbst mit seinen fünf Anhängen kurz untersucht werden. Ich möchte jedoch vorab vier Überlegungen machen:
1) In diesem Gründungsdokument (es gehört zu den ersten, denn die Briefe und Instruktionen aus den dreißiger Jahren wurden, wie Gervasio in seinem Artikel vom 3. 8. 2011 ausgeführt hat, erst viel später verfasst) finden sich Normen, aber keine Spiritualität, wie man es von einem Mann Gottes erwarten könnte;
2) tatsächlich reduziert sich das angebliche Charisma Escrivás auf die Idee, eine Miliz zu schaffen, deren Mitglieder ein Leben wie die Ordensleute führen sollen, aber nach außen nicht so auftreten, mit dem Ziel, sich frei in der Öffentlichkeit zu bewegen und sie durch die Eroberung von Führungsstellen christlich zu beeinflussen: Was hat das mit dem geist des Evangeliums zu tun?
3) von daher rührt die Bedeutung der Geheimhaltung der Häuser des Werkes, deren religiöse Funktion, ja sogar deren Existenz unerkannt bleiben sollen; die Zugehörigkeit der Mitglieder ist soweit zu verheimlichen, dass sie nicht einmal ihre Adressen angeben, sondern die ihrer Eltern, und natürlich ist auch nicht preiszugeben, dass die Direktoren die apostolischen Initiativen leiten. Wie kann eine Organisation von Gott kommen, die so undurchsichtig ist? und
4) die Ähnlichkeit mit den Ordensleuten, die zum angeblich säkularen Geist des Werks in einem eklatanten Widerspruch steht, wird besonders deutlich bei den Numerariern beiderlei Geschlechts, die stets als „Geweihte Personen“ erscheinen. Auch dieser Aspekt gehört zur „Marschroute“, denn die Numerarier/innen haben immer wie die ordensleute gelebt, ganz unabhängig von der Rechtsfigur der Vereinigung (Pia Unio [1941], Priesterliche Gesellschaft des gemeinsamen Lebens ohne öffentliche Gelübde [1943], Säkularinstitut [1950], Personalprälatur [1982].
Konnte jemand, der eine göttliche Inspiration erfahren hatte, in so plumpe Widersprüche geraten? Tatsächlich bringt einen alles dazu anzunehmen, dass das Charisma des Werks Escrivás, das angeblich einer göttlichen Eingebung entspringt, nicht mehr ist als ein absurder Einfall des Gründers, ein Make-up für das Geweihte Leben, voller Vorschläge, die mit dem Evangelium gar nichts zu tun haben.
Grüße,
Guillaume