Orange: Die kollektive geistliche Leitung im Opus Dei

19/02/2014

Zu diesem Thema lege ich euch vier Abschnitte vor:

1. Das brüderliche Gespräch.

Wenn du dein brüderliches Gespräch machst, erfährt der Numerarier, der sie entgegennimmt, alle intimen Details deines Lebens. Wenn er sich wie ein normaler geistliches Leiter innerhalb der katholischen Kirche verhält, wird er das, was du ihm erzählt hast, in der Gegenwart Gottes erwägen und dir dann den Rat geben, den er für den besten für dein Leben als Christ hält. Leider verhält es sich in der Praxis aber nicht im entferntesten so, sondern er setzt sich mit den Mitgliedern des Örtlichen Rates zusammen und spricht mit ihnen in aller Offenheit über deine Probleme, und zwar nicht um dir zu helfen, sondern um herauszufinden, ob es bei dir irgendein Detail gibt, das mit der Geist und der Praxis des Opus Dei nicht in Einklang steht. Man lässt dich glauben, dass das, was dir anschließend mitteilt, der Wille Gottes für dich sei. Außerdem wird das Gespräch protokolliert und eine Information darüber an die Delegation geschickt…

In der Delegation werden deine schriftlich festgehaltenen Probleme und Gewissensgeheimnisse ein weiteres Mal durchgehechelt und kommentiert. Im Bedarfsfall wird in diesem Zusammenhang eine Aufzeichnungen an die Kommission geschickt, wo sich der Vorgang wiederholt und womöglich eine weitere Information nach Rom geschickt wird. Von irgendeiner Ebene dieser Pyramide wird dir dann ein Hinweis geschickt, den dir dann dein Leiter in der Aussprache mitteilt: Du mögest diesen und jenen Punkt deiner Lebensführung an die im Opus Dei übliche Vorgangsweise anpassen und dir sicher sein, dass dies der Wille Gottes für dich ist. Wenn sich jemand (in spanischer Sprache) näher darüber informieren möchte, möge er jenen Bericht einer Person lesen, die 40 Jahre an verantwortlicher Stelle in den Leitungsstellen des Werkes verbracht hat.

Dieses System, das im Wochenrhythmus abläuft (für Supernumerarier vierzehntägig), bewirkt, dass du nach und nach verschiedene Aspekte deiner Persönlichkeit veränderst oder unterdrückst, deine Erlebnisse, deine Art zu denken werden nach und nach und unmerklich durch den Geist und die Gewohnheiten des Opus Dei ersetzt, die dir als Wille Gottes verkauft werden, denn, mein Kindchen, genau deshalb hast du gepfiffen. Das sollte denen, die beitreten wollen, ebenso eingeschärft wie denen, die die Oblation und die Fidelitas zu machen bereit sind, damit sie sich dessen voll bewusst sind, was sie hier tun, denn schließlich braucht es auch bei jeder Operation die Unterschrift des Patienten, der vorab über die Art und die Risiken des Eingriffs zu informieren war.

Es bleibt zu fragen, ob der Geist und die Gewohnheiten des Opus Dei, die gar so pingelig auch noch die nichtigsten Details des Lebens regeln wollen, tatsächlich so von Gott gewollt sind, oder ob sie nur die Oberen des Werkes, namentlich der Gründer, ihren Untergebenen aufbürden wollten, um sie besser im Griff zu haben. Manche gehrochen diesen Anweisungen blind, ohne nachzudenken. Eine Zeitlang geht das auch gut, aber irgendwann stellt man das System in Frage und verlässt entweder das Werk, oder man harrt aus, enttäuscht und verbittert.

Andererseits gibt es unter den Personen, die das Werk kennen, auch hochgebildete Kirchenleute. Andere waren Mitglieder und haben später andere Zugänge in Theologie und Kirchenrecht gefunden. Die einen wie die anderen sind der Auffassung, dass der Geist des Opus Dei zahlreiche rein menschliche Normen und Gewohnheiten vorschreibt, die einer Revision bedürfen, weil es nicht sein darf, sie die Mitglieder im Gewissen dazu verpflichtet werden. Dazu rät allein schon der gesunde Menschenverstand. Man braucht hier keine Beispiele anzuführen, denn die Liste wäre endlos, und wir kennen diese Dinge ja bereits zur Genüge. Wir besitzen aber keine Nachrichten, dass Jesus seinen Jüngern ein vergleichbares System detailliertester Handlungsanweisungen hinterlassen hätte; er hat aber gepredigt, dass der Geist eher zu beachten sei als der Buchstabe des Gesetzes (vgl. Mt. 23,23).

2) Die sakramentale Beichte.

Im Opus Dei wurde das Recht, dieses Sakrament zu empfangen, vom Gründer dahingehend beschnitten, dass er darauf hingewiesen hat, dass für sie nur ein Priester des Werkes der gute Hirte sein kann, und wenn er sich an einen anderen wendet, so ist das schlecht, weil dieser ein schlechter Hirt wäre.  Darauf müssten die, die beitreten wollen, konkret hingewiesen werden, eil es sich um die Beschneidung ihrer Rechte als Gläubige handelt. Eine andere, höchst fragwürdige Anordnung des Gründers lautete, dass die Mitglieder wöchentlich beichten müssten.  Im besten Fall kann das für einzelne Personen oder für manche in bestimmten Lebensabschnitten gut sein, aber im Allgemeinen pflegt man so die Intimität der Gewissen unter Druck zu setzen und den Empfang des Bußsakraments zur banalen Routine zu degradieren. Erinnern wir uns daran: Wenn ein Mitglied einmal in einer Woche bei seiner Gewissenerforschung keine Grundlage für eine Beichte findet, so muss es eine Nichtigkeit beichten, die keine Sünde ist, oder Sünden, die bereits gebeichtet wurden. So wird das Forum internum verletzt, um der Willkür des Gründers zu entsprechen und dem Mitglied eine Beichte aufzuerlegen, über die er seinem Leiter in der Aussprache Rechenschaft ablegen muss.

Nehmen wir einmal an, dass sich die Priester des Werkes anständig verhalten und das Beichtgeheimnis wahren (denn alles andere wäre sehr schlimm), und zwar nicht nur dem Wortsinn nach, sondern auch, indem sie jede Andeutung strikt vermeiden. Denn da die Beichte ja schließlich ein Sakrament ist, ein sehr wichtiger Bestandteil im christlichen Leben, ein Sakrament, und es wäre meiner Auffassung nach ein Unsinn, es in ein rigides Korsett von Frömmigkeitsnormen mit dazu zu pressen und sie wie eine Praxis unter vielen wirken zu lassen, wie etwa die Preces oder das Gebet des Salve jeden Samstag (es muss am Samstag sein, es kann nicht am Mittwoch sein).

3) Das Gespräch mit dem Priester.

Diese vertraulichen Gespräche finden in Ergänzung zur Beichte mit einem Leiter statt, der Laie ist. Darin pflegen die Mitglieder des Werkes unter anderem auch die Sünden offenzulegen, deren sie sich in der Beichte angeklagt haben. Da all dies nicht dem Beichtsiegel unterliegt, wird es in den Sitzungen des Örtlichen Rates besprochen, und in den schriftlichen Dossiers können dann auch schon Sünden der Mitglieder mit allen Details haarklein aufgelistet stehen. Die Frauen, die dann etwa diese Aussprache zwar außerhalb der Beichte, aber in einem Beichtstuhl bei einem Priester machen, haben keine Ahnung, dass dieser später offen über den Inhalt dieser Gespräche mit Dritten spricht.

4) Geistliche und hierarchische Leitung.

Das Faktum, dass dieses System der geistlichen Leitung die Intimität der Person und der Gewissen der Mitglieder nicht achtet und sich außerdem nicht deutlich gegenüber der hierarchischen Leitung abgrenzt, da fast immer dieselben Personen beide Aufgaben ausüben, ist hinsichtlich der kanonischen Verfügungen sehr bedenklich. Dass sie über die Gewissensangelegenheiten ihrer Mitglieder informiert werden, ist nach wie vor besonders wichtig für die Hierarchen des Werkes, die in Rom leben, und um dies zu verbergen, wurde der  Brief des Prälaten vom 2. 10. 2011 verfasst, weil man Angst vor einer Untersuchung dieser illegalen Praktiken durch die Mutterkirche gehabt hat. Aber das der jetzige Prälat nicht durch seine intellektuelle Brillanz bekannt ist (vgl. den Beitrag von Antonio Esquivias, 3-6-2005), lässt der argumentative Aufbau des Briefs denn doch zu wünschen übrig, wie E.B.E. in seinem Beitrag vom 21. Oktober 2011 gezeigt hat, und sein Inhalt entspricht nicht der Wahrheit (in neun Aspekten), wie Canina bezeugt, eine Person, die ihre Erfahrungen in der Leitung des Werkes gemacht hat; vgl. hierzu auch den Artikel von Gervasio (19-10-2011).

So sieht es also aus, liebe Mitglieder des Werkes. Wem das passt, der kann bleiben, wem das nicht passt, der muss gehen. Tausende haben das bis jetzt getan. Gott sei Dank gibt es innerhalb der Kirche zahlreiche Wege, ein christliches Leben zu führen. Und ihr, die ihr überlegt, ob ihr dem Werk beitreten wollt: Lasst euch eure zukünftigen Verpflichtungen schriftlich bestätigen, bevor ihr den Brief schreibt.

Es grüßt euch herzlich

Orange