E.B.E: Zum Erfolg berufen

(Die Bedeutung des Erfolgs im Opus Dei)

15. April 2004

 

Vorbemerkungen

Bevor ich beginne, diesen Beitrag zu entwickeln, möchte ich eine wichtige Feststellung treffen: Das Werk, das viele von uns liebten und in das wir unsere Hoffnungen setzten, ist eine Sache; und das Werk, das wir dann als Realität kennenlernten, ist eine ganz andere. Für viele, die den Weg aufnehmen, ist das Opus Dei ein wunderbares Ideal, während bei anderen nichts mehr von diesem Ideal übrig geblieben ist. Ich widme diesen Beitrag dem Werk, das es niemals wirklich gegeben hat, das uns immer nur so vorkam, in das wir unsere Hoffnungen setzten, denn unser Vertrauen hat etwas anders verdient als das Werk, das sich uns jetzt darbietet.  

Eben weil es mir ein Anliegen ist, das Gute, was war, nicht verloren gehen zu lassen, ist es mir ein Anliegen, die Fehler und Ungereimtheiten, die auftreten, mit der größtmöglichen Präzision zu aufzuzeigen, welche das Werk zu etwas so völlig anderem gemacht haben als das, was man uns am Anfang präsentierte.

Es ist notwendig, das Werk einer Kritik zu unterziehen, ohne Übertreibungen, wenn möglich, ohne überbordende Emotionen, denn das ginge auf Kosten der Genauigkeit. Eine Kritik, die übertreibt, bewirkt gar nichts.

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Mir kommt es so vor, als wäre das Werk für viele eine idealistische Epoche ihres Lebens gewesen, fernab der Realität, wie die psychedelischen sechziger Jahre. Die Ideale waren nicht schlecht, sie waren lediglich von einer Wirklichkeit umgeben, die ganz anderen, um nicht zu sagen gegensätzlichen Gesetzen gehorchte, in unserem Fall dem Pragmatismus des Werks; es spielte wohl auch eine gewisse Blindheit mit, die den Idealen  innewohnte und die uns daran hinderte, hinter die Kulissen zu blicken. Das waren die Ideale, mit denen das Werk und eingefangen hat, denn es präsentierte sich uns anfänglich wie eine Verheißung; dann zeigte man uns einige Praktiken, die man uns erklärte und rechtfertigte; der Kreis schloss sich, wir wurden schwindlig und hatten Schwierigkeiten, den Ausgang aus diesem Labyrinth zu finden.

Die Verheißung war das Mystische, der „Geist des Werkes“, von dem wir hofften, dass er sich uns einst in seiner ganzen Fülle enthüllen würde, in dem Maß, wie wir uns selber hingaben.

Die Praktiken fassten die Handlungen, die Gebote und Normen zusammen, durch die wir – angeblich – die Verheißung erlangen sollten.

Die Erklärungen knüpften die Praktiken an die Verheißung, denn rein logisch war das eine nicht mit dem anderen zusammenzubringen. Nur mit Hilfe dieser Erläuterungen war die Distanz zwischen der Verheißung und den Praktiken zu überwinden; durch sie wurde das Leben im Werk zu einem permanenten Ausnahmezustand.

Das Problem begann, wenn sich die Erklärungen als unzureichend erwiesen und weitere Erklärungen erforderten.

Das Problem stellte sich auch, wenn  die Praktiken nicht dazu dienten, die Verheißung zu erlangen, sondern wenn  sie ganz offenkundig anderen Zwecken (den korporativen) diente und die Verheißung nur mehr als Ausrede diente und unser Vertrauen missbraucht wurde; wenn die Praktiken zu Depression und Selbstzerstörung führten, verdunkelte dies die Verheißung. Überhaupt hatten diese Erklärungen mehr den Charakter von Befehlen als den von Vernunftgründen; so konnte der Abstand zwischen der Verheißung und den Praktiken aufrecht erhalten bleiben.

Denn der „Lebensplan“ dient der politischen Planung der Leitung, und die Erklärungen entsprachen der „Legislative“; die Verheißung war sozusagen ein spiritueller Plan. Interessanterweise wird bei der Verheißung oft die Liebe zu Gott geltend gemacht, während die Praktiken und Erklärungen viel eher mit Furcht zu tun haben. Wenn die Ideale sich in Luft aufgelöst haben, bleibt als Trost noch immer die Verheißung, der Gedanke an den Himmel; die Erfüllung verschiebt sich auf die Zeit nach dem Tod. Es wäre auch möglich, darauf zu verzichten, die Verheißung mit den Praktiken zu verknüpfen; erst wer das zustande bringt, findet in die Realität zurück. Aber die Entgiftung braucht ihre Zeit, und man muss viel Geduld mit sich selbst haben, bis die erlittene Frustration überwunden ist.

Der andere Ruf

Ich möchte nun eine Idee entwickeln, die nicht von mir ist, die ich mir nur ausgeborgt habe. Sie hat mir sehr gefallen, weil sie originell ist, aber auch deshalb, weil sie helfen kann, die Dinge aus einem anderen, vielleicht etwas ungewohnten Blickwinkel zu betrachten.

Vielleicht ist es ein Gedanke, den man nicht verallgemeinern kann und mit dem sich viele nicht identifizieren werden; andere hingegen schon. Nun, es gibt einen „Ruf“, der uns bewusst ist und den wir die Berufung nennen. Es gibt aber auch noch einen anderen Ruf, den wir die Verführung nennen können. Jener appellierte an die Ideale der Heiligkeit; die Verführung hingegen war eine Versuchung, die sich an unsere Schwächen wandte, an Gewohnheiten, bisweilen an Pathologien.

Wenn sich das Opus Dei auch darauf berief, und das Bestmögliche zu geben, den Ruf zur Heiligkeit, so konnte es sich doch auch auf das Schlimme in uns berufen - nicht notwendigerweise im moralischen Sinn, auch wenn er eingeschlossen sein mag, sondern im Hinblick auf unsere Schwächen und Defekte. Ich denke, dass hier die „irrationalen Gründe“ zu suchen sind, die uns dazu gebracht haben uns an das Werk zu binden und dieses band aufrecht zu erhalten.

Im Werk werden verschiedene Tendenzen und Defekte „recycelt“, die nicht aufgetreten wären, wenn wir nicht vom Werk gewesen wären; zumindest hätten wir sie als Problem wahrgenommen und wären nicht auf die Idee gekommen, sie zu „heiligen“. Wenn jemand irgendwelche Schwierigkeiten hat, so potenzieren sie sich mit seinem Eintritt ins Werk, denn dort werden sie sakralisiert (heiliger Zwang, heilige Unverschämtheit, heiliges Drängen und viele weitere „Heiligkeiten“). Das Problem dieser Koppelungen besteht in der Contradictio in adjecto: Der Zusatz „heilig“ soll Dinge rechtfertigen, die alles andere als heilig sind. Es wäre eindeutiger, von „Kühnheit“ anstelle von „heiliger Unverschämtheit“ zu sprechen, denn dies bedeutet eine Perversion der Ausdrücke und ein Einfallstor für Verhaltensweisen, die bestimmte manipulative Interessen verbergen.

Diese Tendenzen unterstützen die Funktionsweise des Werks, mit ihrer Hilfe beutet es seine Mitglieder aus; sie sind die Tippen des Gerüsts, die das System tragen. Und wenn jemand diese Tendenzen schon vorher hatte, potenzieren sie sich nun und schaden uns mehr, als wenn wir niemals zum Werk gehört hätten, und das noch mehr, wenn wir die Vorgehensweise des Werkes für gerechtfertigt halten. Deshalb kann der Beitritt zum Werk schlimme Auswirkungen haben, ohne dass sich die betroffene Person dessen bewusst ist, was da mit ihr geschieht.

Das Werk bedient sich, wenn auch nicht ausschließlich, so pathologischer Vorgangsweisen wie der Weckung von Zwangsvorstellungen; die Unsicherheit führt zu einer vollkommenen Abhängigkeit vom Werk, sie schwächt die Persönlichkeit und führt zu Passivität und Mangel an Initiative (die als „Tugend der Fügsamkeit“ verkauft wird); man verlangt immer mehr von sich; Gefühle werden verdrängt, der Ehrgeiz mit dem Hinweis auf übernatürliche Realitäten abgelenkt, aber das Streben nach Macht, Einfluss und sozialem Aufstieg wird gefördert. So entwickelt sich das „heilige Drängen“ als Eifer, in „Dienste Gottes“ Erfolge vorweisen zu können.

Die Suche nach dem Erfolg als „Köder“

Soweit ich die Dinge beobachtet und mit andere diskutiert habe, ist die Aussicht auf Erfolg einer der wichtigsten und attraktivsten Verlockungen bei einer Berufung zum Werk. Dabei lasse ich keinesfalls außer Acht, dass es ein hohes Maß an Idealismus bedeutet, wenn sich ein Aspirant zu einem Leben der Heiligkeit verpflichtet; aber ich nenne es eine Verlockung, weil die „Berufung“ Elemente der Verführung und der Manipulation an sich hat; sie ist eine Falle. Während wir uns nämlich berufen fühlen, unser Leben auf einem Weg der Heiligkeit inmitten der Welt hinzugeben, verführt uns das Werk selbst durch die Idee, diese Welt erobern zu wollen.

Auf eine gewisse Weise war es wie die Conquista, ein Eroberungszug, der an die Evangelisation gekoppelt ist, nur eben Jahrhunderte später. Schon früher hat diese Kombination nicht funktioniert, sie hat die Kirche desavouiert und ihr erhebliche Probleme bereitet. Aber im Opus Dei scheint man nun diese Mentalität wieder aufgreifen zu wollen und erschafft eine streng hierarchische,  hermetisch abgeschlossene Gesellschaft, die lähmend wirkt und in der kein Pluralismus überleben kann, denn „wir haben die Wahrheit gepachtet“, und die anderen sind der Feind, den man bekehren oder bekämpfen muss:

„Dieser Albtraum, die Verantwortungslosigkeit derer, die wachsam sein sollten, hat es zugelassen, dass der Feind so viel Unkraut ausgesät hat Eine  besondere Verantwortung haben hierbei die katholischen Laien, denen in besonderer Weise die Ordnung der zeitlichen Dinge obliegt, die Dinge der Erde, die menschlichen Strukturen.

Hier müssen sie präsent sein und sich betätigen und nicht zulassen, dass sie diejenigen vordrängen, die Gott nicht kennen oder ihn bekämpfen. Die aktuelle Situation – die ich euch soeben dargelegt habe – ist das Zeichen eines furchtbaren Scheitern der Laien bei der Aufgabe der consecratio mundi.Es ist die Hauptsünde der Trägheit, eine selbstmörderische Desertion.

Sagt mir, wie viele wichtige Journale – diejenigen, die von Millionen Menschen gelesen werden und die die öffentliche Meinung beeinflussen – ihr kennt, die von praktizierenden Katholiken betrieben werden: Es gibt kein einziges. Im Gegenteil, diese Presse wird von Protestanten betrieben, von Juden, Freimaurern oder von praktizierenden Marxisten (…)

Überall haben sich die Katholiken beiseite schieben lassen. Wenn die Feinde Gottes nicht schon alle diese Positionen besetzt haben, so nicht deshalb, weil sie dort schon Katholiken angetroffen hätten, die mit Wirksamkeit arbeiten, sondern weil es sie nicht im Geringsten stört, dass andere derartige unwichtige Stelleninnehaben. Sie [die Feinde Gottes]haben alle Anstrengungen darin gesetzt, die neuralgischen Punkte zu erobern, um von dort aus alles zu erobern, und sie lassen den anderen nur jenes Minimum an Bewegungsfreiheit, das notwendig ist um den Anschein eines Pluralismus zu geben, und so verheimlichen sie die Monopolstellung, die sie innehaben (…).

Seid euch dessen gewiss: In dem Maß, in dem sich dieses Apostolat ausbreitet, wird sich die gute Lehre in allen Kanälen verbreiten, die die Strukturen der Gesellschaft heute bieten, die großen Probleme der öffentlichen Meinung  werden gelöst werden, wenn alle diese Aktivitäten von christlichem Geist durchtränkt sind. Es wird ein Kreuzzug für Reinheit und Männlichkeit durchgeführt werden, der die wilde Arbeit derer durchkreuzt und auslöscht, die den Menschen für ein Tier halten. Sie werden die Beziehungen unter den Menschen mit Nächstenliebe erfüllen und den Hass, die Spaltungen, die Bruderkriege beilegen.

Ich will euch keine Angst machen, denn wie schlimm die aktuelle Situation auch sein mag, denkt nicht, dass es kein Heilmittel gibt. Die raue See auf dem Ozean der Welt soll euch nicht einschüchtern. Wünscht nicht zu fliehen, denn diese Welt gehört uns: Wie ist das Werk Gottes, und er hat sie uns zum Erbe gegeben.“ (Brief vom 30-IV-1946, Nr. 37 ff.).

Was mich an diesen Text beunruhigt, ist der Satz: „Die großen Probleme der öffentlichen Meinung  werden gelöst werden“. Worin bestehen diese Probleme? Im Pluralismus? Der totalitäre Charakter dieser Äußerung ist beunruhigend, so als wäre unser Ziel zu sagen: Jetzt gibt es keine öffentliche Meinung mehr. Wahrscheinlich bedeutet auch die Berufung auf die „Ökumene“ in Wahrheit das Gegenteil.

Er entwirft hier einen mentalen – einen ideologischen – Fahrplan. Der Gründer stellt das Werk der Welt gegenüber, und das steht im direkten Widerspruch zu den Idealen, die das Werk verkündet und die es zu seinem Markenzeichen gemacht hat:

… diese Liebe zur Freiheit ist  echt und nicht nur eine theoretische Aussage; wie lieben die notwendige Konsequenz der Freiheit, den Pluralismus (Gespräche, Nr. 67);

„Wir müssen die Freiheit sehr  lieben, sie verteidigen, sie verkünden. Die Freiheit aller – zuerst die eigene, dann unsere eigene (Obras II, 1965, S. 13);

„Diese zutiefst katholische Haltung des  Opus Dei verlangt von uns, ein großes, weltweites Herz zu haben (…) um die zahlreichen mentalen und psychologischen Hindernisse zu überwinden, die die Menschen der Brüderlichkeit der Kinder Gottes entgegenstellen“  (Brief, 11-III-1940, n. 63).

Es bleibt unverständlich, wie ein und dieselbe Person solche widersprüchlichen Texte verfassen konnte. Diese Zweideutigkeiten machen das Werk so wenig vertrauenswürdig.

Das eine sind die Ideale, das andere die Ideologie. Das Werk „fischt“ mit dem Angelhaken der Ideale, aber dann regiert es mit der Ideologie; das tut es aber nicht offen, sondern durch Formen der Indoktrinierung und sogenannter „Kriterien“. Das ist das Gefährlichste an einer Institution wie dem Opus Dei: Nach außen hin ist es lobenswert, nach innen zeigt es eine ganz anders gestrickte Logik.

Bestimmend ist die Ideologie, das was tatsächlich zählt und was bleibt. Die grundlegende Metapher im Werk – wir gehen fischen – hat schon den Charakter der Verführung, sie schließt den betrug mit einem Köder in sich, der wenig mit dem Evangelium zu tun hat. Unter dem Deckmantel eines geistlichen Weges verbreitet das Werk eine allzu menschliche Ideologie – um es mit Nietzsche zu sagen.

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Ich denke, dass der besondere Aufhänger des Werkes die Verknüpfung der Heiligkeit mit dem Erfolg war; es verkündete eine Art katholischen Calvinismus, einen Eroberungskrieg im Zeichen des Evangeliums, eine Art Kreuzzug. Das war die „Erfolgsformel“, die die Einflussnahme (Instrumentalisierung der Freundschaft und der persönlichen Beziehungen für die Zwecke der Gemeinschaft) mit dem Apostolat verquickte. Ich denke, dass dies der entscheidende Punkt ist, wenn man verstehen will, wieso sich der innere Weg jedes einzelnen irgendwann der Ideologie des Werkes zu widersetzen beginnt.

Das Werk ist deshalb attraktiv, weil es die Heiligkeit mit dem Erfolg verknüpft – und der ist nachprüfbar. Die Berufung zum Werk ist eine Berufung zum Erfolg, wie wir sehen. Und namentlich die Berufungen der Numerarier uind Assoziierten bringen den meisten „Ertrag“: hundert zu eins und das ewige Leben. Es ist ein sehr materialistischer Anreiz – wenn er auch aus dem Evangelium stammt. Dabei gibt es gewiss, bei der Ausübung der christlichen Askese, um die Heiligkeit zu erlangen, einen Mangel an rechter Absicht, da man wie gebannt auf den zu erwartenden Erfolg starrt.

Das Bestehen auf der „Wirksamkeit“ hat eine Organisation hervorgebracht, die Heiligkeit und Erfolg vermischt, die den Erfolg, gespalten zwischen Spiritualität und materialistischen Zielen, „in den Rang der Gnade erhoben hat“. Es ist kein Zufall, dass das Opus Dei Business Schools hervorgebracht hat; sie verknüpfen Erfolg und Heiligkeit auf nahezu perfekte Weise.  Dabei kritisiere ich nicht, dass es sie gibt; mir missfällt nur die symbolische Bedeutung, die ihnen zugemessen wird.

Diese Sucht nach Erfolg hat mehr mit Unreife als mit Weisheit zu tun. Ich denke nicht, dass der Erfolg etwas Schlechtes ist; er ist aber nicht genug. Er ist ein Zwischenziel, etwas, an dem es sich zu messen gilt, aber nichts wo man verweilen sollte, und schon gar kein Lebensziel.

Ein Aufruf zum Erfolg im Namen Gottes

„Man muss Christus an die Spitze aller menschlichen Tätigkeiten stellen“ (Brief, 9-I-1932, Nr. 2);

„Das Werk Gottes kommt, um den Willen Gottes zu erfüllen. Deshalb habt die tiefe Überzeugung, dass dem Himmel daran gelegen ist, dass dies hier sich verwirklicht“ (Instrucciones, 19-III-1934, Nr. 47).

„Wir müssen arbeiten wie die besten unserer Kollegen. Und wenn es möglich ist, besser als die besten. Ein Mensch ohne Begeisterung für seinen Beruf nützt mir gar nichts“  (Brief, 15-X-1948, n. 15).

„Ich sage euch: Wenn ihr aufrichtig seid, wenn ihr euch zeigt, so wie ihr seid,(…)  dann werdet ihr und werde ich in jeder Umgebung  sicher sein, wir werden immer von Sieg sprechen können, und wir werden uns Sieger nennen“ (Betrachtung, 6-IV-1965).

„Wenn ihr treu seid, werdet ihr immer Sieger heißen. In eurem Leben wird es keine Schlappe geben. Es gibt kein Scheitern, wenn man mit Lauterkeit der Absicht arbeitet und den Willen Gottes erfüllen will. Mit oder ohne Erfolg, wir werden triumphieren, denn wir haben die Arbeit aus Liebe getan“ (Worte unseres Vaters, Nr. 265).

In jedem Fall ist der Sieg für ein Mitglied des Werkes unvermeidlich. Was für ein Gefühl, auserwählt zu sein!

Die Frage ist, warum man über die Heiligkeit als einen Triumph sprechen muss? Warum rechnet der Gründer die Heiligkeit als „unaussprechlichen Erfolg“?

Dieses Verständnis von Heiligkeit als eines Siegs ist in der Mentalität des Gründers tief verankert, nicht nur als Metapher oder als Vergleich; immer wenn Escrivá von Heiligkeit sprach, verwendete er Ausdrücke von Kampf und Krieg. Dabei kann es kein Scheitern geben: „Mit oder ohne Erfolg werden wir triumphieren“. Das macht stutzig, wenn man die Worte des Gründers tiefer analysiert.

Das Werk verbündet sich manchmal insgeheim mit „allzu menschlichen“ Eigenschaften einzelner Personen, die wenig übernatürlich erscheinen. Stillschweigend werden Attitüden geduldet, die es erlauben, ein Doppelleben zu führen; es gibt die Numerarier, die „ihr eigenes Leben führen“ solange sie nur das Geld zum Unterhalt korporativen Werke zu abliefern.

Das Streben nach Erfolg ist für die Berufung zum Werk unerlässlich; es ist undenkbar, sich diesem Anspruch widersetzen zu wollen. Mehr noch, wer nicht erfolgreich sein will, landet auf irgend eine Weise „draußen“. Es ist notwendig, gegenüber dem Werk zu demonstrieren, dass man ihm nützen kann. Wer nicht nützlich oder „wirksam“ ist, schadet dem Werk. „Alle meine Kinder können und müssen alle Arbeiten des Werkes voranbringen. Wenn sie es nicht getan haben, werden sie nach und nach verrotten und zu unbrauchbaren Werkzeugen werden, die man in die Ecke schmeißt.“ (Tertulia, 26-VI-1972). Das ist nicht nur ein metaphorischer Hinweis des „guten Hirten“. Wenn ein Mitglied schon „unbrauchbar“ werden kann, so ist doch die Frage, wer sie in die Ecke „schmeißt“? Das Werk rechtsfertigt sich damit, seine unbrauchbaren Mitglieder auszusondern. Der Gründer jongliert beständig zwischen Lob und Verachtung, je nachdem, wer gerade in seiner Gunst ist.

Das Werk akzeptiert keine Verluste, so wie es keine Selbstkritik duldet. Das Werk will nichts davon wissen, dass es so vielen Menschen Schaden zugefügt hat, dass es Depressionen verursacht und dass es diese Kranken nicht als seinen „Schatz“ pflegt, sondern es sperrt sie weg und hofft,. dass sie selbst mit de fertig werden, was das Werk verursacht hat.

Kompetenz und Elitebewusstsein

Im Werk fördert man die Haltung, dass jeder „der beste“ in seinem beruflichen Umfeld sein will. Diese Haltung beschränkt sich aber nicht auf die Arbeit; das Werk selbst will sich innerhalb der Kirche bestätigen.

„Wir wollen ganz im Gegenteil, mit der Hilfe des Herrn – der mir diesen Mangel an Demut verzeihen möge – die besten Söhne der Kirche und des Papstes sein“ (Brief, 9-I-1932, n. 1). Im „Weg“ steht freilich das Gegenteil: „Dass ich gut bin, und alle anderen besser als ich“ (Nr. 284). Hierher passt eine Überlegung des Gründers: „Warum sind wir so dumm? Seid immer überzeugt, dass wir das Beste erwählt haben“ (Betrachtung, 25-XII-1972). Bedauerlicherweise steht dieser Satz nicht im Kontext der korporativen Selbstkritik, sondern einer Betrachtung über die Demut, die das „Ich unterwirft“. Zweifellos impliziert die Jagd nach dem Erfolg, dass man mit den anderen in Wettstreit tritt.

Woher kommt diese Notwendigkeit, sich beständig vergleichen und sich dem Rest der Kirche überlegen fühlen zu müssen? Vom Zwang, Erfolge vorweisen zu müssen. Er ist pathologisch. Es gilt, besser als der Nächste zu sein; so wird der Nächste zum Rivalen, zum Feind. Besser sein: nicht um zu dienen, sondern um sich zu distanzieren und sich „unerreichbar“ vorzukommen. Das entspricht einem Elitismus, einem Überlegenheitskomplex. Und wenn man das einmal mitbekommen hat, dann weiß man auch, dass die Ablehnung, die dem Werk entgegenschlägt, hausgemacht ist.

Erfolg und Kindschaft

„Ich versichere euch, dass ihr glücklich sein werdet (…) außerdem verspreche ich euch den Himmel“ (Crónica, 1971, S. 12). Kinder des Gründers zu sein impliziert auch, sein Gefühl der Auserwähltheit zu übernehmen, das er hier auf Erden gehabt hat.

Der eigentliche Grund für die eigene Berufung war der Gründer selbst: Wenn es „der Vater“ so sagte, musste es so sein. Der Erfolg der Berufung war an die Kindschaft zum Gründer geknüpft. Es gab keine rationale Grundlage dafür, das „prophetische“ Wort des Gründers verbürgte den Erfolg. Vielleicht kam von daher unsere starke Neigung anzunehmen, „all das käme von Gott“.

Mit anderen Worten, die Kindschaft ist eine Voraussetzung für den Erfolg, denn in dem Maß, wie man ein gutes Kind ist, nimmt man an dem Triumph teil, der dem Gründer von Gott verheißen ist.

Erfolg und Treue

Das Streben nach Erfolg ist innerhalb des Werkes legitimiert und kann geheiligt werden, vorausgesetzt, es unterwirft sich den korporativen Zielen. Auf keinen Fall darf der Erfolg unbeschränkt sein, dem hat der Gründer seinen Riegel vorgeschoben. Es genügt, wenn er andere anzulocken vermag. Und wenn wir draußen „die Besten“ sein mögen – intern wurden wir dafür noch mehr gedemütigt: „Deine Demut, mein Sohn, ist mehr Fassade als wirkliche Demut. Du hältst dich für etwas Besonderes“ (Instrucción, 9-1-1935, Nr. 292). Manchmal frage ich mich, zu wem er da redet – ist das vielleicht ein innerer Monolog?

Im Widerspruch dazu scheint es manchmal von Vorteil zu sein, wenn man niemals den Erfolg erfahren hat, um nicht dafür bestraft zu werden: „Manchmal hatten wir den großen Freund in der Welt, der dann unser Bruder im Werk war, oder jeder Bruder, der das Werkzeug Gottes war, um uns zu seinem Apostolat zu bringen, der dann schwach wird, nicht der Gnade entspricht...und als Weltbürger in der Welt bleibt. Ein Grund zu schwanken? Nein, ein sehr tiefer Grund, demütig zu sein, denn das bestärkt unsere Berufung, und zu ihr müssen wir angesichts solcher beklagenswerter Fälle unsere Zuflucht nehmen. Sie.. vielleicht waren sie besser als wir: si in viridi ligno haec faciunt, in arido quid fiet? Geschieht das schon am grünen Holz, was soll dann mit dem dürren werden? (Lk 23,31).“ Wenn jemand anfangs auf „Erfolg“ hoffte, so blieb davon oft nur mehr das Fegefeuer über.

Don Alvaro behandelt das Thema des Erfolgs in seinem Brief von 1992, wo er sagt, dass „der Angelpunkt der Heiligkeit die Arbeit ist, nicht der  Erfolg oder der Triumph. (…) Möge in euch nicht der Wunsch nach Selbstbestätigung aufkommen, der Eifer, den anderen euren Wert zu zeigen und andere vergleichbare Versuchungen. Begradigt beständig eure Absicht, indem ihr mit sportlichem Geist der eitlen Absicht entgegenwirkt, Erfolg um jeden Preis zu erzielen, während ihr euch darum sorgt. dass niemand euch in Intensität und Kompetenz eurer Arbeit übertrifft“. Die fett gedruckte Passage ist nicht original; ich wollte damit auf den Widerspruch aufmerksam machen. Man mag die Sucht nach Erfolg kritisieren und abstreiten, aber ich denke, dass sich hier sogar Don Alvaro von seinem Unterbewusstsein leiten ließ, denn die Kompetenz gehört ganz tief zu jenem Modell der Heiligkeit, das das Opus Dei lehrt.

Der Erfolg im Werk ist in dem Maß legitim, als er im Dienste des Werkes geschieht. Der Form nach milder als der Gründer hat Don Alvaro dazu ermahnt, gemäß den Richtlinien des Werkes „besser zu sein“ – als Korporation ja, als Person nein.

Der Erfolg als Ethik

Da man auf der Vollkommenheit aller Dinge besteht, könnte man glauben, dass man mit der Zeit völlig gut wird, „ohne Beimengung von etwas Bösem“. Die Kehrseite der Medaille ist ein vollkommener Mangel an Selbstkritik: „Ich verberge euch nicht, was ich an meinem eigenen Leib erfahren habe, was es kostet, nicht verstanden zu werden. Ich habe mich immer bemüht, mich verständlich auszudrücken, aber es gibt Menschen, die sich darauf versteift haben mich nicht zu verstehen“ (Brief, 9-I-1932, Nr. 67 und Christus begegnen, Nr. 124). „Ich war niemals allein! Das hat mich schweigen lassen, angesichts wahrhaft unerträglicher Umstände: Ich hätte einen schönen Skandal auslösen können. Es wäre sehr, sehr leicht gewesen…  Aber nein, ich habe es vorgezogen zu schweigen, ich habe es vorgezogen, selber zum Skandal zu werden, denn ich habe an die anderen gedacht“ (Betrachtung „Zeichen des inneren Lebens”, 3-III-1963).

Es ist typisch für Diktaturen oder autoritäre Staaten, den Gedanken an Selbstkritik fernzuhalten, um in der öffentlichen Meinung das Bild zu erhalten, dass „alles in Ordnung sei“; außerdem will man niemanden zum Nachdenken anregen.

Dass auf den Optimismus um jeden Preis ein solcher Nachdruck gelegt wird, ist angenehm und verleiht Sicherheit; aber es schwächt das Gewissen, es nimmt die Fähigkeit zur Analyse und weckt eine Neigung zum, Betrug. Diese Haltung bewirkt eine große Insensibilität und fördert eine Leitung, die von niemandem überprüft wird – zumindest hat sich das Werk bis dato gegenüber dem Vatikan damit durchmogeln können.

Der Kommentar von Otaluto (19/02/04) über den Satz „wenn du nicht loben kannst, dann schweige“ hat seinerzeit ins Schwarze getroffen; man könnte diesen Satz auch genau so verstehen: Wenn du nicht gehrochen kannst, dann schweige. Es ist ein so extremer Satz wie „gehrochen oder gehen“. Es gibt keine Zwischentöne wie in der wirklichen Welt. Außerdem bedeutet Schweigen in vielen Fällen zuzustimmen, Komplize einer übergriffigen Autorität zu sein. Aber so funktioniert das Werk, und dieser Satz charakterisiert einen Gutteil seiner Ideologie: Um seinetwillen stellt man sich blind und taub, man schluckt jede Kritik, die in einem aufsteigt, hinunter, denn sonst würde man ausgeschlossen werden, denn im Werk gibt es weder Rechte noch eine „Zivilisation“, sondern nur Hinweise nach Gutdünken. „Loben oder schweigen“ – das ist das Gebot eines arroganten, ichsüchtigen Diktators. Während viele Menschen eine solche Sichtweise unbesehen und ohne nachzudenken für tugendhaft halten, ist sie doch nur der Ausdruck von extremem Hochmut.

Das Werk stellt sich selbst als „Opfer“ dar, wenn es kritisiert wird, und es wirkt wie ein eitler Narzisst, wenn es von sich selbst spricht. Es genügt, die Zitate vom Beginn dieses Kapitels zu lesen. Das Porträt stimmt aber nicht, und sie beschränken sich auch nicht darauf, es zu präsentieren, wenn sie es für notwendig halten, sie zeigen es schon vorab her, wenn sie eine Form von Kritik befürchten zu müssen glauben.

Dieses Prinzip „loben oder schweigen“ begegnet bei den Tragebüchern wieder, die in den Zentren des Werkes als tägliche Chronik niedergeschrieben werden; es gibt hier nur Positives zu berichten, niemals etwas Negatives. So ist auch die Geschichte des Werkes geschrieben worden, eine Halbwahrheit. Der Rest ist schweigen, und was erzählt wird, ist großsprecherische Übertreibung.

Etwas zu hinterfragen untergräbt also den „Fortschritt“, behindert den „Erfolg. Und die „Fügsamkeit“, auf die im Werk so großer Wert gelegt wird, soll ein solches Hinterfragen verhindern, weil es das Klima des Optimismus und der Einheit „zerstört“.

„Die Rebe, die nicht mit dem Weinstock verbunden ist, lebt nicht mehr, sondern ist trockener Abfall, fürs Feuer bestimmt, oder als Gerte, um die Tiere anzutreiben. Meine Kinder, seid sehr verbunden mit dem Weinstock, hängt an ihm, an Jesus Christus, durch den gehorsam gegenüber den Leitern“ (Crónica, VI-1961, S. 13). Ich frage mich, ob es denn notwendig war hinzuzufügen: „damit ihn alle mit Füßen treten“? Damit beschreibt er weder eine Situation noch droht mit einer Strafe, sondern überraschenderweise drückt er seine Missachtung aus und verheißt ein Schicksal.

***

In dieser Ethik des Erfolgs („wir scheitern niemals“, „das wird nie geschehen“) ist die „Unfehlbarkeit“ des Gründers mit eingeschlossen. Seine Worte waren unanfechtbar und der „sichere Weg“, um zum  „Triumph“ zu gelangen: Ihnen schildete man oftmals Furcht und Gehorsam, als wahre Dogmen zeichneten sie kategorisch, was zu glauben war:

 „Ich habe vielen Personen die Tränen abwischen müssen, die auf Abwege gerieten, weil sie nicht rechtzeitig gesprochen haben. Nach vierzehn Tagen haben sie die Schnauze voll, kommen weinend zurück und bereuen. Ich kenne niemanden, der [anderswo] glücklich geworden wäre“  (Tertulia, 17-III-1969);

„Wenn eines meiner Kinder verlorengeht, so ist es nur aus Mangel an Aufrichtigkeit, oder weil ihm die Zehn   Gebote veraltet vorkamen. Und sie sollen mir nicht mit anderen Gründen kommen, weil sie nicht wahr sind“ (Betrachtung „Die Sprachengabe“, April 1972).

„Wenn die Seele in besonderen Umständen eine – sagen wie sorgfältigere – Behandlung braucht, einen geeigneten und raschen Rat, eine intensivere geistliche Leitung, so darf man sie nicht außerhalb des Werkes suchen. Wer sich anders verhält, würde freiwillig vom guten Weg abkehren und sich in den Abgrund stürzen! (Brief, 28-III-1955, Nr. 19).

Der Erfolg kann nur „innerhalb“ des Werkes möglich sein, und deshalb müssen diejenigen, die gegangen sind, notwendigerweise in den „Abgrund“ gehen. In der Sprache der Schrift ist dies ein Synonym für die Hölle, ein evokationsmächtiges Wort. Wer in den Abgrund fällt, verliert nicht nur die Berufung – er gibt sein ewiges Heil preis, für immer und unwiderruflich. Zusammen mit anderen Ausdrücken, die der Gründer gebraucht hat, ist dies eine höchst einschüchternde Vokabel, und es wäre höchst angebracht, dass sich die Glaubenskongregation mit dem Inhalt dessen beschäftigt, was das Konzept von Escrivás „Abgrund“ ist.

Wenn man „draußen“ Hilfe sucht, dort aber nur der Abgrund ist, dann wird verständlich, warum so viele im Werk ausharren, obwohl sie tief unglücklich sind. Wollten sie sich nämlich helfen lassen, würde ihr Weg in den Abgrund führen… Warum sind wir so lange geblieben? Weil uns die Ideale angelockt und die Ideologie uns festgehalten hat.

In anderen Worten, für jedes Mitglied des Werkes ist der Rest der Kirche – der nicht zum Werk gehört – Teil dieses Abgrunds. Wenn der Gründer starke Ausdrücke gebraucht so muss man sie auch im starken Sinne verstehen. Man kann nicht einen starken Effekt suchen und die Mittel dann „sanft“ interpretieren.

Auf die gleiche Weise ist es unzulässig, dass die kanonisierten Heiligen, die ja öffentliche Gestalten mit einer enormen Ausstrahlung sind, wie Eisberge einen großen Teil ihrer Identität und ihrer Geschichte verbergen könnten. Es wäre unredlich, in der Art zu argumentieren: „Er ist zwar heilig, aber fragt bloß nicht nach, wie er das geschafft hat“. Es wäre ein Missbrauch des Glaubens als menschliche und als übernatürliche Tugend.

Das Schlimmste, was passieren kann, ist zu glauben, da er jetzt ein Heiliger sei, müsse einem seine Vergangenheit egal sein. Das wäre zweifellos ein Problem für die Kirche selbst, wenn man da Dinge findet, die sie vorher nicht gesehen hat oder nicht sehen wollte.

Und es geht dabei nicht darum Gott zu spielen und über das Gewissen eines Menschen Gericht zu halten, der für heilig erklärt worden ist, sondern es geht darum zu erreichen, dass seine Handlungen nicht deshalb automatisch von jeder Kritik ausgenommen sein sollten. Es wäre ein falscher Verständnis von Gerechtigkeit, wenn man zuerst selbst Urteile abgibt, um eine Heiligsprechung zu erreichen, und sich des Urteils später enthält, wenn negative Aspekte bekannt werden.

Und darin besteht teilweise der Skandal, den die Heiligsprechung Escrivá hervorruft, denn wenn ihn die Kirche schon als verehrenswürdig und als Modell der Heiligkeit hingestellt hat, dann müssen die Christen das Recht haben, über seine Vergangenheit Bescheid zu wissen, vor allem wenn man weiß, dass der Gründer, wenn aus mit angeblich bester Absicht, seine Biographie vorsorglich manipuliert hat (vgl.  Tertulia, 14. Juni 1972: „Es ist sehr gut, [die Geschichte des Werkes]kennenlernen zu wollen. Ich habe das immer gesagt und geschrieben.  Und ich leide, wenn ich an so viele Erfolge in diesen 44 Jahren denke. Von vielen wisst ihr nichts, denn ich habe dafür gesorgt, dass darüber keine Aufzeichnungen gemacht werden; aber ich sollt so viel darüber Bescheid wisst, dass ihr darüber sehr bewegt seid und Gott Dank sagt“. Er spricht nicht von „einigen“, sondern von „vielen“ und drückt damit deutlich aus, dass die historische Wahrheit ihm untersteht).

Die Tatsache seiner Heiligsprechung hat seiner Person und seinem Werk viel öffentliche Aufmerksamkeit gebracht, aber das hat auch das Bedürfnis drängend werden lassen, alle seine doktrinellen und pastoralen Schriften kennenzulernen, besonders die „internen“, die noch unter dem Radar liegen. Das Eisbergprinzip ist hier moralisch unzulässig.

Erfolg und Verfolgung

Ein Teil dieses Gefühls der Auserwählung besteht darin, dass sich das Werk als Ziel des Neids anderer und der der Verfolgung sieht. Schuld sind immer die „von draußen“, die anderen, und „wir“ müssen die „Größe“ haben, ihnen zu „verzeihen“. 

Darin liegt viel Eitelkeit und Narzissmus, ein ständig sich überschlagendes Selbstlob in dem Bestreben, die Zuneigung des Publikums zu erringen. Und das Reden von Vorherbestimmung hat jedenfalls auch den Zweck, jede Selbstkritik zu unterdrücken und nur die Außenwelt zu hinterfragen.

 „Man darf sich nicht darüber aufregen, dass sich einige verschließen, und auch nicht über die Staubwolke von Kritik und Verleumdungen, die sich erheben. Auch der Herr hat darunter gelitten“ (Don Alvaro, Brief, März 1992)

„Wir haben es gelernt, geduldig zu sein und bereit zu verzeihen, wenn einige, verführt durch den Teufel oder einfach nur irregeführt – uns mit hartnäckigen Kampagnen verleumdet haben“ (Don Alvaro, Brief, 28-XI-1982, Nr. 25)

„Zu dir, o Herr, habe ich meine Seele erhoben: Im Lauf dieser Jahre war das unser Gebet, in den Augenblicken der Intrigen und der verständnislosen, bisweilen brutalen Verleumdungen“  (Brief, 14-IX-1951, Nr. 6).

„Wisst ihr, warum sich das Werk so ausgebreitet hat? Weil sie es behandelt haben wie einen Sack Weizen: Sie haben ihm Schläge gegeben, haben es misshandelt, aber der Same ist so klein, dass er nicht verlorengegangen ist, im Gegenteil: Er wurde in alle vier Himmelsrichtungen zerstreut“ (Crónica, 1972, S. 19).

„Ich habe um den Frieden für das Werk gebetet, damit bestimmte Personen, die uns über Jahre hinweg systematisch verleumdet haben, dem Dienst an Gott widmen und uns in Ruhe unsere apostolische Arbeit machen lassen“ (Tertulia, 9-XI-1959).

„Ihr wisst nicht, dass wir viele Jahre unter der Verfolgung gelitten haben, auch von Seiten der Guten. Ihr wisst es nicht, denn der Vater [Escriva spricht hier von sich in der dritten Person] hat verboten, dass darüber gesprochen oder geschrieben wird. Es war eine Verfolgung, wie sie Jesus von Seiten der Priester und der Führer des Volkes erlitten hat: Verleumdungen, Lügen, Hinterhältigkeiten, Beleidigungen; in der Presse, in den Gesprächen… Wir waren zum Spott der Welt geworden. Alle fühlten sich berechtigt, auf uns herumzutrampeln“ (Betrachtung, 29-III-1959).

Im Allgemeinen redet man nicht von Dingen, bei denen man nicht möchte, dass jemand von ihnen erfährt. Hier wird ein Mystizismus produziert, der neugierig macht, der Erzähler gefällt sich in einer Opferrolle, ohne Näheres preiszugeben. Dies ist aber jedenfalls eine ungerechte Handlungsweise, vor allem denen gegenüber, denen er sich als Opfer präsentiert; denn die Beweise für seine Behauptungen bleibt er auf diese Weise schuldig. So manipuliert ein Narzisst.

Ich denke, im Fall des Werkes geht es darum, sich als Engel und als unschuldiges opfer zu präsentieren. man ist a priori heilig, und gegenüber dem Werk ist dass Gewissen prinzipiell nachsichtig (man verlangt nichts von ihm und hat für alles eine Entschuldigung). Jede Kritik würde nur einen neuen Angriff auf das einzig wahre „Opferlamm“ bedeuten.

Deshalb muss man jeder Kritik zuvorkommen, indem man sich als Opfer präsentiert – ein typisches Modell einer präsumtiven Heiligsprechung, die viel über die nachher tatsächlich erfolgte Kanonisation aussagt.

Das Werk muss immerfort Fortschritte machen, vielleicht deshalb, weil hinter der großen Propaganda, die sie über sich machen, gar nichts ist.

Erfolg und Verschleierung

Es ist Teil des Marketings, die Qualität des Produkts anzupreisen und seine Fehler zu verschweigen; und zur Logik des Erfolgs gehört es, alles wegzulassen, was das Image der „Marke“ beeinträchtigen könnte.

Vor einiger Zeit hat mir ein Freund seine Besorgnis darüber ausgedrückt, dass über bestimmte Vorkommnisse in der Kirche – in diesem Fall ging es um Delikte, die ein Kleriker begangen hatte- und dass sich deshalb viele Menschen der Kirche entfremden oder sich ihr zumindest nicht nähern. Besonders besorgniserregend war sein abschließender Kommentar: In einem bestimmten kirchlichen Milieu weiß man zwar darüber Bescheid, aber niemand denkt daran eine Anzeige zu erstatten, und wenn – dank der Presse – doch einmal etwas nach außen sickert, dann hat „niemand etwas gewusst“.

Diese Mentalität ist innerhalb der Kirche weit verbreitet, etwas „zum Wohl der Institution“ zu verschweigen, um den „Feinden der Kirche“ keinen Angriffspunkt zu geben – so, als könnte es eine Doppelmoral geben, als ob diejenigen, die den Glauben der Katholiken nicht teilen, kein recht hätten zu verlangen, dass sich die Katholiken denselben Pflichten unterwerfen wie alle Staatsbürger. man bekommt den Eindruck, als hätten manche Katholiken das Privileg, sich nicht vor weltlichen Gerichten rechtfertigen zu müssen, als würden sie einem „Staat im Staat“ angehören. Es verhält sich genau umgekehrt: Die Verdunkelung von Delikten korrumpiert die Kirche und stellt sie in Gegensatz zum nichtkatholischen Rest der Menschheit.

Die gleiche Idee wird auch im Werk angewendet: Jede Kritik ist zu unterdrücken du  zu verschweigen; man meldet den Vorfall den Direktoren und hält den Mund. Das Werk und seinen Gründen zu decken ist eine Verpflichtung, die man mit der Fidelitas übernimmt. Wenn es dabei allerdings nur um Fehler ginge, so wäre es verständlich, dass sie unter dem Mantel der Nächstenliebe bereinigt werden.  Da es sich aber um Dinge handelt, die über das Private hinausgehen und die Institution selbst sowie die Gesellschaft betreffen, ist das Verschweigen moralisch verwerflich.

Im Werk war und ist es unmöglich, über diese Finge offen zu reden; wer es dennoch unternimmt, bekommt den Rat, entweder zu widerrufen oder das Werk zu verlassen. Manchmal bleibt einem nichts anderes übrig, als was Emile Zola getan hat: sich in London zu verstecken, damit sich die Wahrheit in Frankreich durchsetzt.

Vom Erfolg in den Abgrund

„Ich kann sagen, dass derjenige, der die Normen erfüllt, der kämpft, um sie zu erfüllen (…) gerettet ist, wenn er bis zum Ende aushält“  (Worte unseres Vaters, Betrachtung, 4-III-1960). Gerettet, nicht mehr und nicht weniger.

Und wenn er nicht durchhält? Dann ist auch das vorherbestimmt, allerdings dass er verloren auf dem Ozean zugrunde geht (vgl. Das Boot des Opus Dei): „Mein Sohn, überzeuge dich davon, einmal für immer, dass es den Tod bedeuten würde das Boot zu verlassen“ (Crónica, IX-1958, S. 7).

Wer Träger dieser Verheißung ist, bringt Frucht, und wer keine Frucht bringt, ist eben nicht Träger dieser Verheißung …

Deshalb ist der Erfolg eine Motivation für die Berufung zum Werk, und das gegenbild ist das Verlassen des „Bootes“: um den Ausstieg aus dem Wertk wird ein Schreckensszenario entwickelt, das in der ewigen Höllenstrafe gipfelt.

Der Erfolg besitzt seinen Sinn und seine Anziehungskraft in dem Maß, in dem das Scheitern vorkommt und wieder jemand verloren geht. Wenn kich mich recht erinnere, so hat Sartre gesagt: „Die Hölle sind die anderen“. Nun, wir wollten um keinen Preis „die anderen“ sein.

Erfolg und Besitz

Es gibt weder Gesetze noch schriftlich fixierte Rechte; das einzige Schriftstück, die Statuten, werden den Mitgliedern nicht zur Verfügung gestellt. Die Kriterien stellt derjenige auf, der die Autorität hat; ihnen hat man zu gehorchen. Sie hat die völlige Kontrolle über die rechtliche Situation der Mitglieder des Werkes, während diese – vermutlich um ihnen den blinden Gehorsam zu erleichtern – keinen Einblick über ihre Situation im Werk haben.

Die Leitung des Werks ist wie eine Art  Geheimdienst; sie arbeitet im Verborgenen, die Mitglieder dürfen nicht wissen, wie und nach welchen Regeln sie arbeitet, sie haben sich lediglich nach den doktrinellen oder asketischen Vorgaben zu richten, die von ihnen ausgearbeitet werden, oder zu gehen.

Ein Niemandsland im Werk ist die Frage nach dem Eigentum: Wem gehören die Dinge, die jeder einzelne benützt? Denn das Werk besitzt nicht, und seine (zölibatären) Mitglieder ebenfalls. Was das Werk benützt, gehört Gesellschaften, die dafür geschaffen wurden, dass das Werk  „nichts besitzen“ kann, auch wenn man sehr wohl weiß, dass das Werk über alle diese Dinge verfügt und dass sich diese Gesellschaften nach seinen Wünschen richten. Eigentlich ist dieser Mechanismus weniger dazu da, die Armut zu schützen, als vielmehr um die wahren Besitzverhältnisse zu verschleiern und durch Strohmänner anonym zu verfügen, so als wäre die Loslösung von den Dingen der Welt nur eine Losung in den Papieren und keine gelebte Wirklichkeit.

Kehren wir zu den Frage zurück: Wem gehören die Dinge, die jeder einzelne benützt? Die Autos, die Häuser – de, Werk? Nein, sicher nicht, denn es wäre eine unendliche bürokratische  Verwicklung, etwa die Wäsche jedes Mitglieds in jährlichen Abrechnungen der Institution aufzulisten. Und wem gehören die „Geschenke“, die man dem Leiter abzuliefern hat? Gehören sie jetzt dem Werk oder dem Leiter? Sie gehören niemandem. Die Hierarchie des Werkes verwaltet sowohl die Dinge, die niemandem gehören, sowie die, die den korporativen Vereinigungen gehören.

Das Eigentum ist also durch willkürliche Zuweisung ersetzt, die sich von dem ableitet, dem „alles gehört“. Anders gesagt, im Werk gehört niemandem etwas: Eigentum als solches ist verboten und abgeschafft. Das widerspricht aber irgendwie dem Konzept des Erfolgs, den das Werk propagiert. Genau genommen ist der persönliche Erfolg nur ein Köder; akzeptiert wird lediglich der „korporative“ Erfolg“.

Das Eigentum ist die Grundlage für den materiellen Fortschritt in jeder kapitalistischen Gesellschaft. Im Feudalismus gab es nur den faktischen Besitz und nicht das Eigentum als Recht. In diesem Sinn ist das Werk eine feudale klerikale Struktur in einer kapitalistischen Gesellschaft, wobei sie sich durch Strohmänner in der zivilen Gesellschaft verankern. Sie brauchen kein „Aggiornamento“, weil sie in vollkommener Isolation leben, aißerhalb der Zeit, und deshalb betreffen sie deren Wandlungen nicht.

Dass es keine klare juristische Definition über das Eigentum gibt, macht die Mitglieder verwundbar und hilflos – vor allem die NumerarierInnen, die ihren Leitern wie zur Zeit des Feudalismus unterworfen sind, den kleinen und den großen, welche die willkürlich über den Besitz entscheiden. Es gibt nur unstrukturierte „Beziehungen eines Mitglieds zu seinem Leiter, aber keine strukturierten Rechtsnormen, die beide Teile verpflichten, das Werk und seine Mitglieder, und die ausschließen könnten, dass das Werk heimliche und willkürliche Manipulationen zulässt.

Mit dem Eigentum hat man die psychologische Möglichkeit, etwas festzuhalten, die Bestätigung, dass man sich selbst bestimmt. Im Werk hat man dieses Eigentum nicht, man bleibt stets an die Autorität dessen gebunden, der die Kriterien darüber festlegt, wie „die Güter zu verwalten“ seien; man unterliegt also gewissermaßen einer Zuweisung von Gütern auf Zeit. Dass es kein Eigentum gibt, oder besser gesagt, keine juristische Zuordnung von Gütern gibt, fördert den verantwortungslosen Gebrauch der Güter, da das, was allen gehört, niemandem gehört.

Es ist keine Unterlassung, dass hinsichtlich des Eigentums nichts verfügt ist, sondern eine bewusste Entscheidung. Wenn  man in der Schwebe belässt, was wem gehört, dann behält das  Opus Dei die beständige Entscheidungsgewalt, und niemand kann sich sicher sein recht zu haben; anstelle einer klaren Regelung versteckt man seine Interessen hinter der Anonymität; die Institution bewegt sich hier völlig ungebunden, ohne irgendwelche Verpflichtungen anzuerkennen. Sie hat alle im Blick, bleibt selbst aber verborgen – eine neurotische Art, die Macht auszukosten.

Konsequenz: der Irrealismus

„Wenn die Jahre vergehen, werdet ihr nicht glauben können, dass ihr all das erlebt habt; es wird euch vorkommen, als hättet ihr geträumt“ (Vom Gründer, Crónica, 1971, S. 12).

Vor kurzem machte Gustavo die treffende Bemerkung: „Es gibt einen auffälligen Unterschied zwischen den Erwartungen, die einem im opus geweckt werden, und dem, was dann tatsächlich geschieht“.

Wir waren erfüllt von unserer „Bestimmung zu etwas Großem“, die uns durch unsere Berufung zum Werk verheißen war. Und auch wenn wir denn Betrug bemerkten: Wie sollten wir von einer solchen Höhe herabsteigen, ohne zu zerschellen? Wie sollten wir es anstellen, nicht zu verzweifeln? Wie zu einem ganz alltäglichen leben zurückkehren? Wir waren Piloten eines Überschallflugzeugs – wie sollten wir da einfach zu Fuß gehen? Wie sollten wir die Fiktion aufgeben, die uns das Werk vorgab? Wie sollten wir auf unsere Größe verzichten? Wie sollte man ohne einen „Auftrag“ leben?

„Für das Werk wird es niemals ein Problem bedeuten, sich an die Welt anzupassen; niemals wird es sich in der Notwendigkeit befinden, sich zu modernisieren. Gott hat sein Werk einmal für immer eingerichtet und hat ihm diese säkulare, laikale Charakteristik verliehen  (...).Niemals wird es die Notwendigkeit geben, sich an die Welt anzupassen, denn wir sind von der Welt; wir müssen uns auch nicht dem menschlichen Fortschritt anschließen, denn wir – ihr seid es, meine Kinder – lebt inmitten der Welt, und ihr bewirkt diesen Fortschritt durch eure gewöhnliche Arbeit“ (Brief vom 9-I-1932, Nr. 92). Es ist klar, dass dieses wiederholte „Niemals“ prophetisch klingen soll, dass es suggestiv die feste Überzeugung vermitteln soll, dass das  Werk niemals ein „Zweites Vatikanum“ notwendig haben wird.

Was man später nur sehr schwer einsehen kann, ist bei vielen, die das Werk verlassen, die Tatsache, dass sie sich nur sehr schwer an die Wirklichkeit anpassen können.

Damit hängt zusammen, dass das Leben im Opus Dei, vor allem bei den Numerariern und Numerarierinnen, die in Zentren der Prälatur wohnen, in einer perfekten Isolation und in einer großen Fiktion verläuft. Man ist in eine Struktur eingebettet, in der für alles gesorgt ist, für die Wohnung, die Mahlzeiten und die Wäsche, alle Abgaben und Dienste werden bezahlt, Strom, Telefon, die Instandhaltung des Hauses. Das Leben läuft ab, ohne dass man die Strukturen durchschaut, in denen man sich bewegt und lebt, und es wissen zu wollen, ist ein „Zeichen schlechten Geistes“, außer man ist der Sekretär des Zentrums, und da ist es dann kein Recht, sondern eine Pflicht, sich darum zu kümmern-

Die Geschichtenerzähler liefern niemals die Wahrheit, sondern Verheißungen, und wenn die Belohnung auf sich warten lässt, erstrecken sie die Frist. Im Werk geschieht dasselbe: Die Verheißungen beziehen sich auf die Zukunft, die Schecks werden niemals eingelöst.

Glauben oder sterben.

Zuerst glauben, dann sterben. Deshalb dehnen sie den Glauben auf  immer mehr Dinge aus, um nicht draufzugehen, weil sie wissen, dass es hinter den spekulativen Versprechungen nichts gibt.

Es ist auch nicht ungewöhnlich, an sich selbst oder bei anderen Personen, die das Werk verlassen haben, ein gewisses Maß an Irrationalität wahrzunehmen. Der „Glaube“ hält an; zäh hält sich die Überzeugung, dass man dazu bestimmt ist, in seinem Leben höchsten Ansprüchen genügen zu müssen.

Eine Konsequenz davon besteht im Fall derer, die das Werk verlassen und deshalb ihren Job verlieren, dass sie sich eine Arbeit zu suchen, die „ihre Erwartungen übertrifft“, und in der Zwischenzeit leben sie von einem Stipendium oder verschulden sich, ohne an die Folgen zu denken, oder sie sind gar nicht erst bereit, eine bestimmte Arbeit zu übernehmen, mit der Mentalität, die im „Weg“ beschrieben wird: „Zahle, was du schuldig bist, auch wenn du schuldig bleibst, was du zahlst“.

Wenn jemand von Ressourcen lebt, die er sich nicht selbst erschafft, dann muss man sich fragen, wer ihn erhält.

Man kann durchaus in einer Einbildung legen, wenn irgendetwas außerhalb dieser Fiktion sie unterstützt – wenn man z. B. eine Erbschaft gemacht hat. Deshalb ist es wichtig zu fragen, „wer meine Phantasien bezahlt“.

Wenn man das selbst ist, ist die Täuschung nicht so intensiv, und eine Heilung ist möglich.

Wenn es sich um jemanden von außerhalb handelt, kann es sich um eine Person handeln, die uns manipulieren will, oder die wir betrügen können, wenn wir uns in „pathologische Schuldner“ verwandeln.

Im Fall des Werkes  wird die Manipulation besonders deutlich, wenn man sieht, wie sie diejenigen hinauswerfen, die ihnen nichts mehr bringen.

Das Werk gab uns eine Fiktion und benützte uns wie die Batterien (im Film „Matrix“).

Vielleicht gibt es diesen selben Aspekt auch bei den Gefühlen; dass man eine (zu) hohe Erwartung an die Person stellt, mit der man eine Beziehung eingehen, die man heiraten will. Die Ehefrau soll dann vielleicht den Verwaltung ersetzen, und der Ehemann – das weiß ich nicht, weil ich keine Frau bin ;) Es ist typisch für diesen mangelnden Realitätssinn, dass man gar so daran hängt und nichts aufgeben will. Es ist so ähnlich, wie wenn man jemanden bittet mit dem Atmen aufzuhören. Es würde wie eine Dummheit wirken.

Der Ausgang

Unsere Überlegung wäre aber unvollständig, wenn sie sich mit der Kritik daran begnügen würde, dass das Opus Dei immer nur den sichtbaren Erfolg sucht und sonst nichts.

Das, was vom „Erfolg“ des Opus Dei übrig bleibt, sind wir; wir bleiben auf der Strecke. Wie soll es jetzt also mit uns weitergehen?

Nachdem wir uns also den Parametern des Erfolgs unterworfen haben, ist es schwierig, noch etwas anderes wahrzunehmen; wenn wir mit jemandem reden, denken wir nur noch daran, wie wir ihn für das Opus Dei gewinnen können; es mag schwierig sein, aber wir versuchen es.

Ich will mit einer anderen Idee schließen (die ich ebenfalls ausgeborgt habe). Jemand sagte mir, es sei wichtig, nicht in der Erfahrung des Scheiterns (in diesem Fall betraf es das Werk) stehenzubleiben. Ich glaube nicht, dass man vor dem Wort „Scheitern“ Angst haben muss, denn das Scheitern ist eine persönliche Erfahrung, die zum Leben dazugehört. In der Mehrzahl der Fälle ist dies weniger ein „Scheitern“ als die „Erfahrung des Scheiterns“, denn es wurde lediglich unsere rechte Absicht betrogen; wir haben voll und ganz einer Institution vertraut,. die uns alles abverlangt und uns mit nichts zurückgelassen hat, denn auf halben Weg hat sie die Ideale gegen eine Ideologie eingetauscht.

Aber man muss achtgeben, dass man sich nicht dort häuslich einrichtet, wo man durch den Heilungsprozess lediglich durchzugehen hat.

Wenn diese Seite ihren Beitrag dazu leisten kann, dass das eine oder andere ehemalige Mitglied wieder zu sich selbst findet und ihr Leben in die Hand nimmt, hat sie ihre Aufgabe erfüllt. Eine Gemeinschaft kann der Heilung dienen, es kann sich aber auch ein Problem daraus ergeben, wenn das Aufrechterhalten der Gemeinschaft die Pathologie einer Lebensgeschichte verlängert. Unsere Homepage scheint mir diesen Zweck zu erfüllen; wir rauchen nicht, damit wir einen Anlass haben einander zu treffen, sondern wir treffen einander, um vom Rauchen loszukommen. Auf jeden Fall gilt es, eine andere „Gemeinschaft“ zu finden als die, die sich als problematisch erwiesen hat.

Es ist nötig, den Fragen auf den Grund zu gehen, wenn man sie lösen will. Wenn man dies nicht tut, würde man dem Problem immer wieder ausweichen; man sucht Ausflüchte, um weiterleben zu können. Dabei unterliegt man aber der Gefahr, beständig das Opfer zu bleiben; man sucht sekundär etwas Gutes in der Krankheit und bestätigt sich damit ihren Zweck, das heißt, die wird zum Selbstzweck.

Was die Lage noch weiter verkompliziert, ist, dass dieser Wunsch, sich nicht heilen zu lassen, weitgehend unbewusst abläuft. Wer sich dessen hingegen bewusst wird, fühlt sich schuldig, auch nur daran zu denken. In jedem Fall, denke ich, hat es nichts mit Schuld zu tun, sondern mit einer Annahme: der Annahme, dass es ein Problem gibt und dass man da durch muss. Die Schuld, die einen daran hindert, geheilt zu werden, ist ein Teil des Problems, nicht die Lösung; sie hilft nicht weiter.

Ein Teil dieser Fiktion besteht darin, dass man der Heilung ausweicht, oder besser gesagt, man will sich nicht der Behandlung stellen; denn dann müsste man auch der Realität ins Auge sehen.