Oráculo: Die narzisstische Pathologie des Opus Dei

Den Mitarbeitern der Römischen Kurie gewidmet

26 Oktober 2007

 

1. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit sich alle Leser dieser Seite über den einzigartigen Moment bewusst sind, den die Institution gerade Opus Dei gerade ad intra, intern, erlebt, die viele von uns geliebt haben und die viele von uns ruiniert hat, wie der Beitrag von Robb: Wir müssen die Bischöfe informieren vom vergangenen 18. Oktober deutlich macht. Unsere Seite (und vor allem die spanische Schwesterseite www.opuslibros.org) bieten den Lesern einen unschätzbaren Dienst, die die Wahrheit über dieses kirchliche Phänomen erfahren wollen. Ich werde nicht müde das zu betonen; allein die Tatsache, dass die internen Dokumente hier veröffentlicht sind, zeigt den Mangel an Aufklärung, den die offiziellen Seiten der Institution bieten wollen.

Heute melde ich mich wieder in diesem Forum, um einige Informationen auf den Tisch zu legen, in Ergänzung zu anderen Zeugnissen und Themen, denn mit dem Pontifikat Benedikt XVI. dürfte für das Opus Dei die Stunde der Wahrheit gekommen sein. Johannes Paul II. ist bereits Geschichte, wenn es auch nicht lange her ist. Die Organe des Heiligen Stuhls, die sich nunmehr um diese Institution und ihre Aktivitäten kümmern, müssen das Menschenmögliche (aber auch das Unmögliche) unternehmen, um Licht in die Sache zu bringen und zu Entscheidungen zu kommen. Ich werde nicht vorschlagen, welche das sein sollten, das steht mir nicht zu. Aber ich möchte behilflich sein, indem, ich die Aufmerksamkeit auf einige Hindernisse rechte, die im Weg liegen. Deshalb meine Widmung...

Meine Untersuchungen schließen an Fakten an, die in früheren Schriften kommentiert wurden, die zwar von verschiedenen Themen handeln, aber letztlich eines gemeinsam haben. Ich möchte also zumindest an drei meiner Beiträge erinnern: Die Schrift über La devoción al „mito” de José María Escrivá (Die Verehrung des Mythos des J. M. E.), kurz davor ein anderes mit dem Titel Escritos y „pseudoescritos” de José María Escrivá (Echte und unechte Schriften des J. M. E.)und auch an den jüngsten Beitrag über  La historia inmoral del Opus Dei (Die unmoralische Geschichte des O. D.). Es sind nicht die einzigen, aber für den Moment reichen sie aus. Auch wenn ihre Themen ganz unterschiedlich sein mögen, kann man diese drei Schriften doch unter ein und demselben Gesichtspunkt betrachten, nämlich als Belege dafür, dass die Dokumente des Opus Dei „kontaminiert“, verfälscht sind, ein Großteil von ihnen ist manipuliert und soll manipulieren, denn es soll die Fassade einer Geschichte hergestellt werden, die niemals war oder niemals so war, wie die „Dokumente“ dies behaupten.

Ja, ich spreche von Manipulation, und daher auch von einer Verfälschung der Quellen, denn all das ist absichtlich geschehen: Diese Methode wurde oder wird mit Entschlossenheit angewendet, um der Realität ein gefälligeres Aussehen zu verleihen. Und darin hat die berüchtigte Prälatur eine große Erfahrung. Der Beobachter muss also ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit hinsichtlich der „vorliegenden Fakten“ aufbringen, die das Opus Dei zu präsentieren beliebt, denn häufig sind die Dinge nicht so wie sie scheinen, ja, eigentlich sind sie nie so, wie sie bezeigt werden. Die scharfe Feder von Markus Tank (Das Opus Dei - ein völliger Betrug?) hat eine Exegese gegenüber der Vorgangsweise des Opus Dei eingeführt, die höchst zielführend ist. Man muss nämlich offenbar immer vom Gegenteil dessen ausgehen, was gesagt wurde. Nun, da übertreibt er wohl. Sicher ist aber, dass wir die Wahrheit über das Opus Dei herausfinden müssen, auch wenn es nicht leicht ist, unermüdlich und genau, gestützt auf Fakten, denn Vermutungen und Vertrauen sind hier fehl am Platz. Diese Wirklichkeit möchte ich heute nochmals durch die Reflexion über einige Fakten illustrieren, die gut belegt, aber wenig bekannt sind, und ich möchte meine Schlüsse daraus ziehen. Die Fakten haben eine solche Tragweite, dass sie eine generelle Diagnose der Situation erlauben.

2. Beginnen wir mit dem bekanntesten Faktum: Der Theologe Hans Urs von Balthasar (1905-1988) wurde aus dem theologischen Lehrgebäude für die Gläubigen der Prälatur Opus Dei entfernt, als hätte er eine verkehrte, unsichere oder verdächtige Lehre vertreten. Woher kommt die Abneigung gegen von Balthasar in diesem Umfeld? Vor allem erscheint es krankhaft, einem Wissenschaftler dieses Zuschnitts so schwerwiegende Vorhaltungen zu mchen. Allein die Lektüre der Botschaft von Benedikt XVI.  an die Teilnehmer der Internationalen Konferenz anlässlich des 100. Geburtstages des Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar  mit Datum vom 6. Oktober 2005 (Link http://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/messages/pont-messages/2005/documents/hf_ben-xvi_mes_20051006_von-balthasar.html), sollte diejenigen beschämen, die es unternehmen haben, auch nur den Schatten eines Verdachtes auf diesen Mann zu werfen, sich selbst aber perfekte Rechtgläubigkeit bescheinigen. Es ist seltsam, dass einige Aussprüche der Päpste zitieren, wenn sie ihnen genehm sind,  das heißt, wenn sie anscheinend ihren eigenen Standpunkt einnehmen, und sie verschweigen sie, wenn es ihnen nicht passt. Ist das nicht höchst verdächtig? Kümmern sie sich darum, was die Päpste sagen, oder interessiert es sie nur, wenn die Päpste das sagen was sie sagen? Sie messen merkwürdigerweise mit zweierlei Maß.

Ich liefere noch einige Ergänzungen zur Causa „von Balthasar”. Er war es, der tatsächliche am ernsthaftesten die Theologie des „Standes der Vollkommenheit“ kritisierte und der einer Laientheologie den Weg bahnte, den dann auch, unter anderem, Yves-Marie Congar beschritt; so beeinflusste er auch, nicht viel später, einige Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Kritiken oder Anregungen von Karl Rahner waren in diesem Punkt nie so treffend. Balthasar kommentierte exakt die Apostolische Konstitution Provida Mater Ecclesia von 1947 und sogar das Motu proprio Primo feliciter  von 1948, das den Weg freimachte für die endgültige kanonische Lösung für das Opus Dei,  nach einem Ausdruck des Gründers aus dem Jahr 1950. Um an dieser Debatte teilnehmen zu können – Personen oder Persönlichkeiten der späteren Prälatur glänzten hier durch Abwesenheit, denn sie hatten damals andere Wege eingeschlagen – genügt es; Bd. 2 der Ensayos Teológicos del teólogo suizo subtitulado Sponsa Verbi (Edition Cristiandad, Madrid 2001) zu lesen.

All dies geht von Balthasar aus, und ihm folgten hierin auch Ratzinger  und  Johannes Paul II., nicht hingegen Escrivá oder Escriba. Escrivá war immer auf einer Wellenlänge mit dem alten Kirchenbild, und es ist unverkennbar, dass er den innovativen Beiträgen der mitteleuropäischen Theologie dieser Jahre mit völliger Ignoranz gegenüberstand. Und der beste Beweis dafür ist der  Vortrag vom 17. Dezember 1948, dessen Existenz erst durch unseren Beitrag ans Licht gebracht wurde. Will man uns vielleicht weismachen, dass Escrivá etwa damals geheuchelt habe, dass er gelogen habe,  nachgegeben ohne aufzugeben und mit der Intention, das verlorene Terrain wiederzugewinnen? Die Ernsthaftigkeit, mit der sich damals die ganze Führungsgarnitur des Opus daran beteiligte, lassen diese Vermutung nicht zu. Was die theologische Qualität der dort publizierten Ausführungen betrifft, so gestatte man mir allerdings ein Lächeln.

Der Clou der Geschichte liegt darin, dass sich der Gründer wenige Jahre später an die von Balthasar propagierte Modernität anschloss, weil er bemerkte, dass sich das offensichtlich mehr rentierte. Und dann hat er einen monumentalen Betrug vollführt: Ein Berg von Schriften, die berühmten und „noch unpublizierte“ Briefe, die quasi alle zwischen 1964 und 1968 redigiert wurden und die Daten aus den 30er, 40er, 50er oder auch 60er Jahren erhalten haben. Man ´hat auch die redigierten Fassungen manipuliert: Zuerst wurden die spanischen Briefe „nachgebessert“, dann ins Lateinische übersetzt und nach der Vernichtung des spanischen Originals hat man sie aus dem lateinischen ins Spanische rückübersetzt. Das ist eine ungeheuerliche Unterschlagung, die der „Manie“ des Gründers (und das wäre noch die harmloseste Bezeichnung dafür), die „Vergangenheit nach seinem Geschmack umzuschreiben“, folgt, indem Personen und Dokumente manipuliert wurden. Marcus Tank hat uns eine Erklärung gegeben, wie solche Dinge mir (subjektiv) guter, aber pathologischer Absicht geschehen können.

José Luís Gutiérrez könnte uns, neben manchen anderen, die Geschichte mehr im Detail erzählen. Es wäre nicht sehr günstig, wenn ihn die Gaubenskongregation darüber unter Eid befragte.  Man darf nicht vergessen, dass diese Texte für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse Escrivás als „authentische“ Elemente einer Lebensgeschichte vorgelegt wurden – die falsch ist. Und die Sache wird nicht weniger seltsam, wenn man bedenkt, dass eben dieser Gutiérrez Konsultor der Kongregation für die Heiligsprechungen ist oder war. Allein schon deswegen sollte die Glaubenskongregation eingeschaltet werden. Seine Aussage unter Eid wäre interessant; um einerseits die Unterschlagung der historischen Wahrheit aufzudecken, ohne Zweifel, aber vor allem, weil sich die Kirche von heute, von morgen und von übermorgen in ihren Handlungen vom Licht der Wahrheit leite lassen muss, und hier kann es keine Nachsicht mit Lügen geben.

Aber fahren wir fort. Alle diese Fälschungen stehen mit dem Entschluss des famosen Gründer, zwar den „Stand der Vollkommenheit“ hinter sich zu lassen, aber alle Vorteile zu nützen, die ihm die „moderne“ Ordensvariante der Säkularinstitute bot, das heißt,  juridische Autonomie und das Recht der Inkardination von Priestern. Nun beginnt ein ganzer „Roman“, wie die Geschichte der Institution  umgeschrieben wurde, um einen völlig unabhängigen Status zu erlangen, der es erlaubte, das Gründungscharisma (das, was der Gründer wirklich wollte) „frei“ auszuleben. Der Gründer hat es niemals geschafft, Johannes XXIII. oder Paul VI. zu manipulieren; der letztere hat ihn sogar schriftlich ermahnt (auch wenn die Sekte dieses päpstliche Schreiben niemals veröffentlichte), sich mit dem zu begnügen, was er hatte, und wenn er etwas anderes haben wolle, wäre es am besten, zur Pia Unio des Anfangs zurückzukehren. Es ist offenkundig, dass der Papst nicht dumm war und wusste, was er sagte, denn er kannte diese Gründung und ihre Apostolate gut.

Und es ist offenkundig, dass sich der Gründer hoheitsvoll über die Päpste hinwegsetzte uns ein angebliches Charisma niemals einer endgültigen Entscheidung der obersten kirchlichen Autorität unterwarf. Das ist befremdlich, und hier finden seine Versicherungen, sich auf Übernatürliches berufen zu dürfen, ein jähes Ende! Wiederholt hat er den Heiligen Stuhl mit seinen Vorschlägen betrogen, ganz abgehsehen von den geheim gehaltenen internen Schriften, denn niemals hat er die Dinge so präsentiert wie sie sind. Eine solche Vorgangsweise hat nichts „Göttliches“ an sich. Und noch heute leiden viele Unschuldige unter den Folgen, da sie sich von einer Gnosis einfangen ließen, über die die Schrift von Robb berichtet. Deshalb sind die Reflexionen von Marcus Tank über die angebliche „Übernatürlichkeit“ dieser Gründung meiner Auffassung nach höchst zutreffend. Es ist sehr wichtig, die korrekten Fakten der Geschichte zu erfahren, um zu einer Entscheidung zu kommen.

3. Woher aber kommt die besondere Abneigung gegen von Balthasar? Sie hat tatsächlich eine völlig andere Ursache, nämlich die Veröffentlichung seiner Schrift „Integralismus“ (In: Wort und Wahrheit 18(1963) 737 – 744) und seiner treffenden Anmerkungen über die „spirituellen Abweichungen“, die sich in diesem Werk zeigen, sowie über die ekklesiologischen Konzepte seines Gründers in  diesen Jahren der Expansion unter der politischen und finanziellen Schirmherrschaft Francos und seiner Technokraten. Wenn man sich ansieht, wie sich die Institution Opus Dei anschließend entwickelt hat, hat sich seine Diagnose als prophetisch erwiesen.

Wie ich aus allererster Hand von den angeblichen Anstrengungen erfahren habe, mit denen man erreichen wollte, dass Balthasar widerruft, und die vom Generalrat in Rom ausgingen, möchte ich berichten, allerdings entbehrt die Geschichte nicht einiger witziger Momente. Tatsächlich gab es keinerlei wirksame Reaktion, und letztendlich scheitere alles daran, dass die erbrachten Vorschläge wenig Substanz hatten und der Generalrat eifersüchtig darüber wachte, dass ja nichts ohne ihn geschah – also geschah auch nichts. Es blieb bei einer rein akademischen Debatte.

Einer der Protagonisten dieser Geschichte war der katalanische Priester Josef Arquer, der unter den ersten war, die mit der Arbeit des Opus Dei in Deutschland anfingen, wohin ein Jahr später ein anderer katalanischer Priester kam, Alfonso Par, der genauso alt war, aber bereits gestorben ist. Er musste den Artikel von Balthasars „perfekt“ übersetzen, damit man sich in Rom eine mögliche Antwort ausdenken könne. Das zog sich, mit endlosen Korrekturen und internen Dialogen über das, was man sagen könne und was nicht; überstürzte Übersetzungen waren erfordert, und deren Studium zog sich dann wieder hin. Fazit: Als also fast alle das Thema schon wieder vergessen hatten, nahm der Generalrat in Rom die Polemik mit einer unzeitgemäßen Antwort wieder auf, und bemerkenswerterweise erinnerte sich von Balthasar zunächst einmal gar nicht an die Sache. Dennoch antwortete der Schweizer Theologe höflich, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, mit irgendjemandem in eine Polemik über diese Angelegenheit einzutreten.

Unmittelbare Folgerung: Balthasar wurde aus der Lebenswelt Escrivás ausgeschlossen, das heißt, wenn es möglich gewesen wäre, hätte man ihn überhaupt totgeschwiegen. So blieb es dabei, ihn von den Menschen des Opus fernzuhalten, und man erfand eine Geschichte, die von ihnen wie von Papageien nachgeplappert wird, hinter vorgehaltener Hand, im eigenen Ghetto. Über diese Angelegenheit besitze ich den Bericht eines Numerariers, der heute Priester ist und seine eigene Erfahrung bezeugt: Ich erinnere mich daran, dass ich, als ich erst seit kurzer Zeit in Cavabianca war, dass X [eine Person von hoher Autorität im Werk] , dass von Balthasar ein Arschloch sei, aber damals wusste ich nicht, wer das war, ich hatte noch nicht einmal den Namen gehört. Ich erinnere mich, dass ich sehr erstaunt war, als ich erfuhr, dass er ein Theologe war, und besonders dann, als Papst Johannes Paul II. am Ende einer Messe, in der er Priester geweiht hatte, verkündete, dass er 25 neue Kardinäle ernennen, werde, unter ihnen eben auch von Balthasar. Wenn deshalb, selten genug, dieser Schweizer Theologe in den inneren Zirkeln des Opus Dei genannt wird, fragen sich der blauäugige Numerarier bzw. die Numerarierin immer: „Also hat der Mann das zurückgenommen, oder?” Als ob es etwas zum Zurücknehmen gäbe! Aber das war der Eindruck, den die „Gebildeten“ im Opus Dei von Balthasar hatten: Hörensagen und Vorurteile.

Der Schweizer Meistertheologe hat bis zum letzten Tag seine Vorwürfe aufrechterhalten, der zu Recht als einer der wichtigsten Köpfe seines Faches im 20. Jahrhundert gilt, und es kann keinen Zweifel geben, das er von Escrivá beschimpft und zensuriert wurde! Wenn man also seinen Seligsprechungsprozess beschleunigen wollte, war es eine wirksame, vorausschauende Politik, die negative Meinung über das am weitesten verbreitete Buch Escrivás, das mit seiner Person und seiner Spiritualität so eng verbunden ist, zu neutralisieren. In diesem Kontext wirft die postume Veröffentlichung des Buches Im Feuer der Schmiede (Madrid 1987) neues Licht auf das spirituelle Leben des neuen Heiligen.

4. Und nun kommen wir zu einem anderen Faktum, das bis dato völlig unbekannt ist, das wir aber in eine Reihe mit dem bisher Gesagten stellen müssen. Es wird sicherlich überraschend klingen, aber es ist die Wahrheit, und es ist gut, dass sie jetzt ans Licht kommt, wenn die Manipulationen zur Geschichte des Opus Dei und zur Gestalt seines Gründers auffliegen. Kurz gesagt: José María Escrivá ist in keiner Weise der Autor von Im Feuer der Schmiede; es gibt kein mehr oder weniger druckfertiges Manuskript, das er hinterlassen hätte, nicht einmal in Teilen oder unvollständig. Dieses Buch hat jemand anderer im Auftrag von Alvaro del Portillo entworfen und redigiert, und es ist Escrivá lediglich zugeschrieben.

Das ist heftig, denn es ist ein Betrug an den Menschen, an der Kirche und ihrer kanonischen Prozessführung, aber auch an Gott, obwohl man Gott nicht hinters Licht führen kann. Im Feuer der Schmiede wurde zusammengestellt, um einen erwünschten Anschein herzustellen, der mit der Realität oder mit der historischen Wahrheit nichts zu tun hat, denn das Buch wurde als angebliches Originalwerk Escrivás präsentiert und verbreitet, ebenso wie Der Weg, aber eben noch unveröffentlicht, als er starb. Mehr noch, bei der Präsentation der Erstauflage durch Alvaro del Portillo wurde dieser Eindruck noch mit genialem Geschick zu verstärken gesucht.

Tatsächlich zitiert Alvaro del Portillo eine handgeschriebene Anmerkung Escrivás vom 17. August 1931, wo er meint, dass er den Wunsch hat, Bücher aus Feuer zu schreiben, die die Welt wie eine lebende Flamme durchlaufen sollten, und er fügt hinzu: Die Früchte dieses Eifers waren auch Der  Weg, Die Spur des Sämanns und  Im Feuer der Schmiede; auch wenn diese zwei zuletzt genannten Werke postum veröffentlicht wurden, sind sie damals entstanden… Wir haben also anzunehmen, dass sie in den dreißiger Jahren entstanden sind, denn diese Folgerung legt Del Portillo nahe, und auf eine ähnliche Weise wie Der Weg. Tatsächlich muss der Leser den Schluss ziehen, dass dieses Werk nur wenig später entstanden sei, dazwischen müsste dann die Redaktion von Im Feuer der Schmiede erfolgt sein, zusammen mit den intimen geistlichen Anmerkungen des Gründer aus dieser Zeit, und man würde gerne einige Beispiele davon sehen. Ich gebe seine Beschreibung wieder: Im Feuer der Schmiede besteht aus 1055 Punkten zur Betrachtung und ist in 13 Kapitel unterteilt. Viele dieser Punkte haben einend deutlichen autobiografischen Bezug: Es sind handgeschriebene Anmerkungen des Gründers des Opus Dei in einigen geistlichen Heften, die er, ohne dass es ein Tagebuch wäre, während der dreißiger Jahre geführt hat. In diesen persönlichen Aufzeichnungen hat er einige Zeichen für das göttliche Wirken in seiner Seele festgehalten, um sie immer wieder in seinem persönlichen Gebet zu betrachten, und er notierte Erfolge und Anekdoten seines alltäglichen Lebens, denen er immer eine übernatürliche Lehre abgewinnen wollte. Wie es für Msgr. Escrivá de Balaguer charakteristisch ist, wich er der öffentlichen Aufmerksamkeit immer aus, und die Bezüge auf Situationen und Erfolge mit autobiografischem charaktersind immer in der 3. Person beschrieben. Heute, aus der Distanz und in Kenntnis verschiedener neuer Perspektiven, unterscheidet sich unser Profil dieses Menschen doch sehr stark von dem Bild, das Del Portillo zeichnet.

So als ob es noch Zweifel über die Identität des Autor von Im Feuer der Schmiede geben könnte, fügte Del Portillo noch einen weiteren, sehr ausdrucksstarken Absatz hinzu: Viele Male sprach er zu uns, die wir das große Glück hatten, an seiner Seite zu leben, über dieses Buch, das im Laufe der Jahre Gestalt annahm. Ich wollte nicht nur die endgültige Reihenfolge festlegen, langsam jeden einzelnen der Punkte lesen, um mit seiner ganzen priesterlichen Liebe dem Leser zu dienen: Es war nicht sein Anliegen ihm schönzutun, er wollte sich nur an die Intimität der Seelen wenden, und daran glaubte er… Der Herr rief ihn in seinem Inneren. Und so, wie er sie uns hinterlassen hat, erscheinen sie nun öffentlich. Gut, also wenn das wahr ist, dann sollen sie uns das Originalmanuskript des Autors zeigen, so wie die anderen autobiografischen Heft, aus denen das Werk Der Weg hervorgegangen ist.  Ich meinerseits würde diese meine Behauptungen mit dem allergrößten Vergnügen zurücknehmen. Aber sicher ist, dass dieses vorgebliche „Original“ von Im Feuer der Schmiede nicht existiert, da dieses Werk von Alvaro del Portillo konzipiert und von einer anderen Person, Jahre nach dem Tod Escrivás, ausgeführt wurde.

Es ist nicht überraschend, dass man die Schriften, Reden und sogar einen Teil der Korrespondenz einer bedeutenden Persönlichkeit redigiert, das geschieht sogar beim Papst selbst. Aber das ist etwas anderes. Man kann sagen, dass der Geistliche Gesang des heiligen Johannes vom Kreuz vom Erzbischof Carranza verfasst worden ist, um ein Beispiel zu nennen, denn das würde das Bild, das man von diesen Persönlichkeiten hat, völlig verfälschen. Ich möchte über das Verhalten von Alvaro nicht urteilen, denn ich würde gerne nur Gutes über ihn sagen. In diesem Punkt würde ich sagen, amicus Plato, sed magis amica veritas! Gegenüber Alvaro del Portillo empfinde ich eine aufrichtige Zuneigung, und seine Persönlichkeit war herzlich und liebenswürdig; aber „ich liebe die Wahrheit mehr als Alvaro“. Und ich denke, die Zeit ist reif, dass man diese Dinge erfährt und sie auch öffentlich bekannt macht. Solange man dies unterlässt, wird der kollektive Irrsinn, der so viele Betrügereien verursacht und so vielen so sehr geschadet hatte, nicht aufhören. Und das Schlimmste von allem ist, dieser Schaden wird von denen als etwas Gutes verkauft, die den Namen Gottes dazu missbrauchen, um ihre Albernheiten zu rechtfertigen und die Gewissen zu manipulieren.

Ich kann mir vorstellen, dass meine Leser mehr Details über diese Angelegenheit erfahren wollen; ich auch. Am besten ist es aber, den wirklichen Autor von Im Feuer der Schmiede zu fragen, ein Mann, der im vatikanischen Milieu sehr bekannt ist, der Priester Ignacio Carrasco, vormals Rektor der Pontificia Università della Santa Croce in Rom, als diese Institution ihre Pforten öffnete. Ich hege den Verdacht, dass wir hier erst dann etwas erfahren werden, wenn der Heiliger Stuhl offen eine eidesstattliche Erklärung verlangt. Und da sage ich dasselbe wie der wohlbekannte Gutiérrez. Es wäre nicht günstig, wenn die Kongregation für den Glauben Nacho Carrasco offiziell dazu ermahnt, die Wahrheit über jene Vorgänge bekanntzugeben, die ich jetzt zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentliche? Uns alle interessiert das sehr, denn abgesehen davon, dass es gilt, der historischen Wahrheit die Ehre zu geben, ist dieses Faktum so wesentlich, dass es Licht auf viele andere Vorhänge wirft. Man darf nicht vergessen dass die Prälatur Opus Dei einen Heiligsprechungsprozess für Alvaro del Portillo angestrengt hat. Und sobald man gemerkt hat, welche Methoden hier angewendet wurden, scheint mir alles andere ebenfalls verdächtig.

5. Ich will mich heute nicht zu ausführlich darüber auslassen. Mit schein, dass das bereits Gesagte mehr als ausreichend ist. Ich will nur eine Überlegung über die Frage hinzufügen, wie es möglich sein konnte, zu einem solchen Grad von Frivolität und Amoralität zu kommen. In diesem Sinn kommt es mur vor, dass die exzellente Studien von Marcus Tank über Die narzisstische Persönlichkeitsstörung des Gründers des Opus Dei erhellt dieses Phänomen sehr und hilft beim Verständnis dessen, was im  Opus Dei geschah und geschieht. Es scheint so, als hätte sich die narzisstische Pathologie einer Person „institutionalisiert“ oder sei auf die Person übergegangen; man hält sie für in sich gut, weil sie die Vorgangsweise Escrivás nachahmen: Er hat es getan, und weil er gut war, konnte er es tun, und er musste sich so verhalten. Einige Schriften von Gervasio konnten unaufgeregt diese Logik beschreiben, in der alles gerechtfertigt erscheint, weil es nicht ad maiorem Dei gloriam, sondern ad Operis dei gloriam durchgeführt wird. So habe ich es jedenfalls verstanden.

Soweit ich es sehe, ist das Schlimmste, was einer Person – oder auch einer Institution - passieren kann, sich in einer Scheinwelt zu verlieren. Denn genau so funktionieren fanatische Sekten oder psychische Störungen. Und wenn das zu weit geht, so erkennt man hierin immerhin die Ursachen für die Distanz, die hier zum Nächsten gehalten wird, denn in irgendeinem Aspekt kommt man sich dann doch besser als die anderen vor. Es ist das genau Gegenteil von dem, was in 1 Kor. 13 beschrieben wird, und deshalb brechen sie gewohnheitsmäßig Gemeinschaft und Nächstenliebe. Die Fiktion verlangt stets nach dem äußern Schein, während alles, was von Gott kommt, das Herz und die Wahrheit betrifft.

Gewiss, Deus intuetur cor,  Gott sieht auf das Herz, wie der Heilige Geist sagt, im Alten wie im Neuen Testament. Wenn ich das Leben, die Menschen und die Dinge so sehe, unsere eigene Existenz,. dann gewinne ich den inneren Frieden und die Gewissheit, auf dem rechten Weg zu sein, denn unsere Existenz bleibt in der Wirklichkeit verwurzelt, wie die Dinge tatsächlich sind, unabhängig von unserem Zutun. Deshalb scheint es mir angebracht und notwendig, dass sich das verschlossene Milieu des Opus Dei seiner eigenen Wahrheit gegenüber öffnet.

Vor einigen Tagen sagte mir ein guter Freund etwas, mit dem wir durchaus einverstanden sein können: Das Beste am Opus Dei sind die Menschen, jeder einzelne, aber heutzutage ist die Institution ein Gesundheitsrisiko, wie Agustina gelegentlich geschrieben hat. Es ist nicht schwer, diese Urteile zu teilen. Aber ist es nicht schon an der Zeit diesen Unsinn zu beenden? Ist es nicht an der Zeit, dass der Heilige Stuhl diese Dinge aufklärt und mit Hausverstand in Ordnung bringt? Warum lässt man es weiterhin zu, dass der gute Wille so vieler Menschen so vielen Albernheiten einer Gnosis unterworfen bleibt, die sich anscheinend niemals vor ihrer obersten Autorität rechtfertigen musste?