Markus Tank: Die Versuche des heiligen Josemaría Escrivá de Balaguer, Bischof zu werden

Eine niemals erzählte Geschichte (3)

28. März 2014

Im vorigen Kapitel sagten wir, dass Escrivá beinahe zu einem Ortsbischof in Spanien ernannt worden wäre. Wir wollen in der Folge einige Dokumente vorstellen, die diese Angelegenheiten behandeln. Die Vorgangsweise bei Bischofsernennungen im Spanien Francos war sehr einfach. Die Regierung arbeitete eine Liste mit sechs Kandidaten für die vakante Diözese aus, die besetzt werden sollte, eine „Seisena“ (Sechservorschlag). Dieser Sechservorschlag wurde dem Nuntius des Papstes in Spanien überreicht, der ihn an das Staatssekretariat im Vatikan schickte. Der Heilige Stuhl erstellte im Allgemeinen aufgrund der Vorschläge der spanischen Regierung  eine Liste mit drei Kandidaten in der Reihenfolge seiner Präferenz. Von diesen drei Namen wählte Franco den ersten aus oder welchen er wollte. Wenn es andere Namen als auf dem Sechservorschlag gab, die Franco missfielen, lag das Problem beim Nuntius, und das Procedere der Vorschläge wurde wiederholt, bis ein Einverständnis hergestellt war.

Die Sechservorschläge wurden unter Berücksichtigung der Informationen ausgearbeitet, die die Generaldirektion für Nationale Sicherheit über die Eignung der Kandidaten erstellt hatte, (vgl. der vorigen Beitrag), bei denen unter anderem der ideologische Einklang mit dem Francoregime und den Prinzipien der Nationalen Bewegung in Betracht gezogen wurden. In Rede stand auch die kirchliche Eignung der Kandidaten, wofür die Nuntiatur die Verantwortung trug.

Wir bringen die Sechservorschläge, die von der Regierung für die Diözese Vitoria ausgearbeitet wurden, in denen Escrivá als Kandidat aufscheint. Aufgrund des von Hand dazugeschriebenen Datums lassen sich die nachfolgenden Treffen fixieren, bei denen die Sechservorschläge bearbeitet wurden und die Reihenfolge sich änderte. Bemerkenswert ist, dass alle Kandidaten für diese Diözese bereits Inhaber eines anderen spanischen Bischofsstuhls waren, mit Ausnahme von Escrivá.

Sechservorschlag für die Diözese Vitoria

In der ersten erschien als Kandidat Nr. 1 Arturo Tabera (Barbastro), und er wurde gestrichen. In einer handgeschriebenen Notiz wurde angemerkt, dass im Arbeitszimmer Seiner Exzellenz (also Franco), die Entscheidung getroffen wurde, Herrn Bueno Monreal an die erste Stelle zu setzen; sein Name wurde unterstrichen und mit einem handschriftlichen Einser versehen.

Man beachte, dass Escrivá an zweiter Stelle steht. Und man beachte ferner, dass alle anderen Kandidaten außer Escrivá nachher Bischöfe wurden, in der Diözese, die in Klammern steht.

Das handschriftliche Datum lautet 5. Januar 1950.

Beim zweiten Sechservorschlag vom 10. Januar 1950 war Bueno Monreal nach dem Willen Francos bereits an die erste Stelle gerückt. Zwei Kandidaten wurden gestrichen, der Bischof von León und der von Jaén. Es wurde drei weitere Kandidaten hinzugefügt: Arturo Tabera, López Ortíz und Muñoyerro, mit den Nummern 3, 4 und 6. Die Nr. 2 vor José Mª Escrivá scheint nicht mehr auf, da in Klammer von Hand dazugeschrieben ist: “por no ser episcopable”, „weil er nicht für die Bischofswürde geeignet ist“.

Die Nr. 2 ging an Francisco Blanco Nájera, Bischof von Orense in Galizien. Dieses Dokument ist grundlegend. Was geschah mit Escrivá, dass er aus der Liste herausfiel? Dass sich ein Kandidat von einer Woche auf die andere als nicht würdig herausstellt, muss einen schwerwiegenden Grund haben; ein Skandal muss bekannt geworden sein, oder ein Faktum, dass ihn als ungeeignet für dieses Amt darstellt. Da keine Skandale bekannt geworden sind, neigen wir dazu anzunehmen, dass die Regierung von kirchlicher Seite Informationen erhielt, dass Escrivá aus psychologischen Gründen nicht für die Bischofswürde geeignet war. Das ist am wahrscheinlichsten, wenn man in Rechnung stellt, was Giancarlo Rocca in diesem Zusammenhang über Escrivá in seiner Arbeit Los estudios académicos de San Josemaría Escrivá y Albás (Die akademischen Studien des Hl. Josemaría Escrivá) schreibt (Claretianum, vol. XLIX, 2009, 241-297): „Die Fragestellung ist aber nicht so einfach, denn Escrivá hatte sich bereits 1945 (d. h., da war er 43 Jahre alt) beworben und war mit einem dilata abgewiesen worden. Den gleichen Erfolg hatte eine zweite Kandidatur im Jahr 1950 um die spanische Diözese Vitoria, die ebenfalls mit einem dilata zurückgewiesen wurde, aufgrund der Bildung der Priester im Opus Dei, den Polemiken über das Werk und problematischen psychologischen Aspekten beim Gründer etc.- die bei einer dritten Kandidatur nur schwer überwunden werden konnten. Wenn man annimmt, dass Escrivá 1955 an eine dritte Kandidatur als Bischof dachte, müsste man darauf schließen, dass er in Bezug auf die laut gewordenen Vorwürfe nicht auf dem Laufenden war; jedenfalls steht nichts darüber in der Biographia documentata, bei Prada oder Francesc Castells i Puig. ” (270-271).

Es ist evident, dass die spanische Kirche über einen Akt zur Person Escrivás verfügt haben muss, der bei seiner Kandidatur zum Bischofsamt  (Untersuchungen, Informationen etc.) eine Rolle gespielt haben muss, und zwar sicherlich in der Diözese in der er geweiht worden war (Saragossa). Aber wir wissen, dass der Akt Escrivás aus dem Archiv des Sekretariats dieser Diözese gestohlen wurde.

Schließlich wurde dieser dritte und endgültige Sechservorschlag für am 23. Januar 1950 modifiziert, Ramón Sanahuja wurde herausgenommen und Escrivá an die sechste Stelle gesetzt, mit einer handgeschriebenen Zusatzbemerkung: „anotado (o añadido) el 23/1/50” – die spanischen Bezeichnungen bedeuten „angemerkt“ oder „hinzugefügt“

Ausgehend von dieser Dokumentation lässt sich einschätzen, dass Escrivá nicht auf Initiative der spanischen Regierung oder Francos selbst nicht in den Sechservorschlag für Vitoria kam, sondern dass dies auf Betreiben kirchlicher Institutionen geschehen sei, die Gründe hatten, die logischerweise schwerwiegend waren.

Warum wurde er am 23. Januar 1950 an sechster Stelle hinzugefügt? Gewiss aufgrund des Drucks, den Escrivá selbst auf Minister Ibáñez Martín ausgeübt hat, wobei diesem bewusst war, dass diese Kandidatur nicht von der kirchlichen Autorität in Betracht gezogen werden würde, die ihn aus den angedeuteten Gründen als ungeeignet für dieses Amt einstuften.

Im folgenden Beitrag werden wir den Sechservorschlag für die Diözese San Sebastián behandeln und berichten, wie man in Bezug auf beide Diözesen verblieben ist.