Kapitel 7: DER GRÜNDER IN ROM

 

 

IN DEN JAHREN NACH DEM SPANISCHEN BÜRGERKRIEG hielt er Exerzitien für hunderte Personen, das bedeutete eine andere Form der apostolischen Akquise künftiger Mitglieder. Aber sein drängender Wunsch ging nach Macht, Reichtum, Ehren oder Ruhm und begnügte sich nicht mit einem einfachem Apostolat. Escrivá versuchte in das neuralgische Zentrum des Regimes vorzudringen, wo in der Diktatur alle Fäden zusammenliefen, bei Franco, Caudillo von Spanien. Und zu diesem Zweck erreichte er es dank seiner Stellung als Priester 1944, nach der Weihe der ersten drei Priester des Werkes, die Exerzitien zu predigen, die der Diktator Franco und seine Familie jedes Jahr im Palast El Pardo hielten. [Carmona, Francisco J., „La socialización del liderazgo católico en Barcelona durante el primer franquismo“, S. 84. In: Estruch, Joan, „Santos y pillos“, Herder, Barcelona, 1993, S. 216-217].

Escrivá hatte Freundschaft mit dem Kaplan Francos geschlossen, Pater Bulart, und durch ihn gelang es ihm, in dem ehemaligen Jagdschloss der spanischen Monarchen in der Nähe von Madrid, wo sich Franco aufhielt,  vorgestellt zu werden. Der Diktator war nicht erreichbar, vermied unkontrollierbaren Einfluss der „Feinde des Vaterlands“, und er schützte sich so zugleich auch vor dem Ehrgeiz oder unerwünschten Ratschlägen seiner Waffengefährten und Anhänger. Niemand außer seiner Familie, den Personen, die in Audienz empfangen wurden, seinen Ministern und seinem Kaplan durchbrachen die Isolation, in die sich der Diktator in El Pardo zurückgezogen hatte.

Bei den Exerzitien für den Diktator hielt es Escrivá für angebracht, eine Betrachtung über den Tod zu halten. Franco lauschte aufmerksam den Ausführungen Escrivás über dieses Punkt der Betrachtung und sagte, dass er bereits daran gedacht und die notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, und durch diese Antwort zeigte sich, dass der Tod für Franco lediglich ein politisches Problem darstellte. Später löste Franco die dornenvolle politische Aufgabe mit der Ernennung von Juan Carlos de Borbón zum „Kronprinzen von Spanien“ und zu seinem Nachfolger, und dabei rechnete er vor allem mit der Hilfe, die ihm Politiker des Opus Dei leisteten.

Die Hagiografen Escrivás erzählen, dass der Bischof von Madrid-Alcalá von dem Triumph erfuhr, den die Exerzitien für Franco im Palast El Pardo bedeutete, kommentierte er ihm bei der ersten Gelegenheit, als sie sich wieder sahen: „Nun werden Sie in Spanien niemals Bischof werden können...“, und Escrivá antwortete darauf: „Mit genügt es, Priester zu sein... „ [Berglar, Peter, S. 237; Gondrand, Francois, „Al paso de Dios“, Rialp, Madrid, 1985, S. 173. Auch bei Calvo Serer, Rafael, Zeugnis,In: Martí Gómez, Josep und Ramoneda, Josep, Calvo Sere, „El exilio y el reino“, Laia, Barcelona, 1976]. Der Bischof Eijo Garay kannte den Wunsch Escrivás, Bischof zu werden, schon seit 1941, als er ihn um Rat fragte, ob er diese Ernennung annehmen sollte oder nicht, weil er sie für unmittelbar bevorstehend hielt. Da sich Escrivá diese Möglichkeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg „zeigte“, konsultierte er auch seinen Beichtvater, José María García Lahiguera, der der Rektor des Seminars von Madrid war. Die Antwort der beiden Kirchenmänner, Franquisten durch und durch, war ermutigend für Escrivá. Durch diese Annäherung an Franco, der alle wichtigen Entscheidungen für das politische Leben in Spanien traf, mobilisierte Escrivá, der den Ehrgeiz hatte Bischof zu werden, seine Unterstützung, und sein Name schien einige Male auf Kandidatenlisten für ein Bischofsamt auf, die die spanische Regierung vorlegte, aber er fand keine Unterstützung von Seiten des Vatikans. Verärgert, weil er nie zum Zuge kam, obwohl er mehrmals an prominenter Stelle auf Dreiervorschlägen aufschien, die die spanische Regierung in traditioneller Weise dem Vatikan für Bischofsernennungen präsentierte, fragte er nach den Gründen und musste erfahren, dass er nicht auf Initiative der spanischen Regierung, sondern des Vatikans von der Liste gestrichen worden ist. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei“, Plaza & Janés, Barcelona, 1987, S. 93]. Das war eine Offenbarung für Escrivá, da er entdecken musste, dass die künftigen Probleme für das Opus Dei nicht in Madrid, sondern in Rom zuhause waren. Nach der wiederholten Zurückweisung seines Wunsches zum Bischof ernannt zu werden entschied er sich nach Rom zu gehen, wo er sich 1947 mit dem Titel eines Hausprälaten Seiner Heiligkeit begnügen musste; das gab ihm das Recht, mit Monsignore angesprochen zu werden, und er erhielt diesen Titel durch seinen Adjutanten Álvaro Portillo, nachdem er mit Santiago Rom verlassen hatte. verschiedene Mitglieder des Werks befanden sich in der italienischen Hauptstadt und führten juristische und machiavellistische Manöver zugunsten einer Anerkennung des Opus Dei von Seiten des Vatikans durch, und sie suchten für den „Vater“ eine zumindest symbolische Ehrenstellung in der Katholischen Kirche herauszuschlagen. Als er schon in Rom war, ärgerte sich Escrivá erneut und erlitt einen Angriff auf sein Selbstwertgefühl, als 1947 Ángel Herrera Oria, Präsident der Asociación Católica Nacional de Propagandistas (ACNP), der öffentlich für einer der hervorragendsten Laien der Katholischen Kirche Spanien gegolten hatte, dann, nach dem Ende des Bürgerkriegs, 1949 zum Priester geweiht, und Kardinal und Bischof von Málaga wurde.

Es ist klar, dass sich die persönlichen Kontakte Escrivás mit General Franco nicht auf persönliche Ambitionen und geistliche Dinge beschränkten, sondern dass er den Diktator mehrmals besuchte, seitdem er durch die Exerzitien von 1944 einen direkten Zugang zum Palast El Pardo hatte. So besuchte Escrivá beispielsweise einmal den Diktator in den fünfziger Jahren, um ihn um eine bedeutende Summe für die Errichtung des Zentralhauses des Opus Dei in Rom zu bitten, nachdem die Möglichkeiten erschöpft waren, Finanzen aus den „reservierten Fonds“ abzuziehen, die heimlich vom getreuen Carrero Blanco verwaltet wurden, was 1953 zu Angriffen der Falange gegen Mitglieder des Opus Dei führte. Da seine Jünger in Madrid große Angst hatten, reiste  Escrivá aus Rom an, bat um eine Audienz beim Diktator und wurde sofort empfangen, und er bat Franco im Palast El Pardo direkt um Schutz für sich und „seine Kinder“. Escrivá reagierte wie ein Vater, der seine Familie verteidigte und da sich die Nachricht vom Wachstum des Werkes verbreitete, dienten diese Reisen auch seinem Image als „Vater  des Werkes“. Deshalb versicherte auch damals öffentlich, er könne es nicht hinnehmen, dass jemand von einem seiner Söhne sage, er habe keine Familie, da er „die übernatürliche Familie des Werkes hatte, und er betrachte sich als seinen Vater“. [Urbano, Pilar, „El hombre de Villa Tévere“, Plaza & Janés, Barcelona, 1995, S. 257].

Nachdem er Madrid mehr oder weniger im Griff hatte, angefangen beim Diktator in seinem Palast El Pardo, wandte sich Escrivá nach Rom, weil er neue und offenere Horizonte suchte. Spanien war ab 1946 politisch isoliert, von der UNO verurteilt, die Grenzen waren geschlossen, die Botschafter der demokratischen Staates abgezogen. So präsentierte Escrivá Franco die Niederlassung des Opus Dei in Rom als einen geistlichen Ausweg für Spanien, vor allem zu einer Zeit, als das Franco-Regime von den europäischen Demokratien nach dem zweiten Weltkrieg politisch isoliert war.

Das Opus Dei begann im Jahr 1946 mit einem Manöver, das auf den Vatikan abzielte. Im Februar kamen zwei leitende Mitglieder des Opus Dei, von denen sich einer auf Italienisch ausdrücken konnte, nach Rom und mieteten eine möblierte Etage nahe der Piazza Navona, da sie lange bleiben wollten, und bei der Miete war ihnen der spanische Konsul in der Ewigen Stadt behilflich. Die zwei Mitglieder des Opus Dei kamen nach Rom mit Empfehlungsschreiben von spanischen Kirchenfunktionären und Bischöfen, aber vor allem brachten sie einen Antrag mit, mit dem um eine universale juristische Lösung für das Opus Dei nachgesucht wurde. Das Ansuchen war von Escrivá als  „Generalpräsident der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz“ unterzeichnet und trug das Datum des 23. Januar 1946. Darin bat der Gründer des Opus Dei Papst Pius XII., „er möge in einem Dekret die Approbation der Konstitutionen zu beschließen geruhen, die am 2. Oktober 1928 gegründet und als Fromme Vereinigung am 19. März 1941 approbiert worden war“. Escrivá stellte sich in der Schrift als Präsident einer Priesterlichen Gesellschaft vor, ohne das Opus Dei zu erwähnen, aber sonst gab er als Gründungsdatum 1928 an. Das Werk Gottes war ursprünglich die Priestergesellschaft und gab vor, deren untrennbare Grundlage darzustellen, aber wenn man in einem Gesuch an den Papst für die weltweite Anerkennung Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz ebenso wie für das Opus Dei zweideutige, verwirrende Elemente einführte, so bedeutete das eine juristische Manipulation, die zum Scheitern verurteilt war. Wenn der Vatikan die Konstitutionen bestätigte, die ihm das Opus Dei vorlegte, würde es zwei Organisationen approbieren und nicht eine, wie es in dem Antrag hieß. Das Haupthindernis bestand in der Verbindung zwischen den beiden Organisationen und wenn das Opus Dei 1941 als diözesane Fromme Vereinigung approbiert wurde, wurde die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz zwei Jahre später, 1943, als diözesane Gesellschaft des Gemeinsamen Lebens ohne öffentliche Gelübde anerkannt.

Die Argumentation, die das Opus Dei gebrauchte, lief darauf hinaus, dass es darum ging das Gründungscharisma zu schützen, ohne  sich in juristische Spitzfindigkeiten zu verlieren, aber die Aktivisten des Opus Dei konnten ihre Gesprächspartner nicht überzeugen; das Manöver war kompliziert, und sie konnten nicht mit ausreichenden Stützen im Vatikan rechnen. Ein kirchlicher Attaché an der Spanischen Botschaft in Rom, Msgr. Ussía, bereitete die Gespräche vor und half die ersten offiziellen Kontakte zu knüpfen. Um mehr Eindruck zu schinden, trug Álvaro Portillo die Galauniform der Straßenbauingenieure, elegant mit Anklängen an eine militärische Uniform mit einem Federbusch. Der Antrag Escrivás wurde vorbereitet, als wäre es ein Straßenbauprojekt in Spanien, und der Adjutant Escrivás meinte naiv, dass die „Römische Kurie unterentwickelt in methodischem, systematischem Vorgehen sei“. [Moncada, Alberto, „Historia oral del Opus Dei“, Plaza & Janés, Barcelona, 1987, S. 21].

Das Hindernis war für die Mitglieder des Opus Dei offenkundig. Portillo räumte in einem Brief an Escrivá ein, dass er „keinen Ausweg aus diesem Labyrinth fand, und er fürchtete, dass die Angelegenheit stagnieren würde“. [Vázquez de Prada, Andrés, „El fundador del Opus Dei“, Rialp, Madrid, 1985, S. 240]. Der Vatikan schwieg anfangs bis zum Juni 1946, als die Kongregation für die Ordensleute abschlägig antwortete „unter Anmeldung eines Vorbehalts“, der für keine juristischen Zweifel Platz ließ, denn die offiziellen Bezeichnungen können nicht ohne vorhergehende Erlaubnis geändert werden.

In dieser Stimmungslage schickten die frommen Aktivisten des Opus Dei gleichzeitig eine Reihe von Bitten, die nichtssagend wirken, aber Teil derselben Strategie sind: Sie wollten die Anerkennung der Priesterlichen Gesellschaft wie des Opus Dei durch den Vatikan. Es ging darum, die gleichen Ziele zu erreichen, wenn auch durch eine Reihe von unschuldigen Bitten, die zwar anscheinend nichtssagend waren, wie fromme Details, die Gewährung von Ablässen, von Skapulieren. Eine einface Aufzählung dieser Bitten zeigt gut den Sinn dieser neuen Manöver. So baten die Aktivisten des Opus Dei um Erlaubnis für die Priester des Werks, die Mitglieder der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz, mit dem Kreuzzeichnen Rosenkränze und Kruzifixe zu weihen, verbunden mit den üblichen Ablässen; den Kreuzweg in allen Kapellen der Gesellschaft anzubringen; allen Mitgliedern das Skapulier Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel aufzulegen; den Priestern der Gesellschaft den Apostolischen Segen zu erteilen, verbunden mit einem Vollkommenen Ablass für alle, die unter ihrer Leitung Einkehrtage machten; Ablässe von 500 Tagen jedes Mal, wenn sie das Kreuz in den Kapellen der Gesellschaft verehrten; einen vollkommenen Ablass für alle diejenigen, die die Kapelle an den Tagen der Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung besuchten; außerdem diverse Ablässe für die Stunden, die die Mitglieder der Gesellschaft dem Studium widmeten. Und vor allem konnten sie einen Vollkommenen Ablass bei bestimmten Festen im Jahr gewinnen, bei der Ablegung oder Erneuerung der Gelübde und an den Festen der Patrone des Werks; sie konnten die allgemeine Absolution an bestimmten Festen für beide Zweige der Gesellschaft erhalten; und schließlich konnten sie einen vollkommenen Ablass für die Admission, Oblation und Fidelitas erhalten, sowohl in der Priestergesellschaft wie im Opus Dei, auf die gleiche Weise wie die Ordensleute bei der Ewigen Profess.

Das Staatssekretariat des Vatikans, dessen damaliger Beauftragter für Außerordentliche Angelegenheiten der Kardinal Tardini war, gab am 28. Juni 1946 das Breve „Cum Societatis“ heraus, ein Dokument, das dem hybriden juristischen Konstrukt der „Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz und Opus Dei“ alle Ablässe und besonderen Andachten gewährt wurden, um die der Gründer angesucht hatte, und die Mitglieder des Opus Dei waren sehr zufrieden und erreichten außerdem, dass das Dokument als Gründungsdatum den 2. Oktober 1928 nannte. Die Bedeutung des Vorgangs lag darin, das ein Organ des Vatikans wie das Staatssekretariat zu ersten Mal dem Konglomerat Escrivás den Titel „Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz und Opus Dei“ gaben, eine Bezeichnung, die das Werk seit damals lautstark verkündet, auch wenn seine juristische Situation damals keinesfalls geklärt war, da es noch immer eine diözesane katholische Organisation war. Bei dieser Gewährung von Ablässen, die von Experten des Vatikan als „vorschnell“ und „übereilt“ gewertet wurde, zeigte schon die schützende Hand einiger Kardinäle wie der Tardinis, aktiven Verfechtern des Klerikofaschismus und der äußersten Rechten im Vatikan. Die Ziele des Opus Dei in Rom gehorchten der Not und lagen eher darin, „sich der Kirche zu bedienen“ als „der Kirche zu dienen“.

Escrivá wollte direkt intervenieren, nachdem die juristischen Manöver gescheitert waren, die in der ersten Hälfte 1946 unternommen worden waren, und entschied sich nach Rom zu reisen, da der Gründer persönlich bei der Kirchenspitze vorstellig werden wollte und um eine Audienz bei Papst Pius XII. ansuchte. Als Datum für die Audienz wurde der 16. Juli in Rom fixiert. Es sollte sich die Maxime Nr. 520 erfüllen, die Escrivá selbst acht Jahre vorher geschrieben hatte und in seinem Büchlein „Der Weg“ veröffentlicht hatte: „Katholisch, apostolisch, römisch! Es gefällt mir, dass du sehr römisch bist und den Wunsch hast, eine Romreise zu machen, „videre Petrum“, „um Petrus zu sehen“. Vor Antritt der Reise konsultierte er den Generalrat des Opus Dei, der ihm die Zustimmung ersteilte, „denn Gott will es so“. [Vázquez de Prada, Andrés, S. 240]. Deshalb sagte er ihnen: „Ich danke euch, aber ich wäre auf jeden Fall gegangen: Was getan werden muss, muss getan werden“. [Gondrand, Francois, S. 178].

Da es ihm gesundheitlich nicht gut ging, wandte sich Escrivá neben anderen an den Neuropsychiater Juan Rof Carballo, ob es ein neurologisches Leiden als  Folge seiner Erkrankung aus den Kindertagen gäbe. Es scheint, als hätte einer der konsultierten Ärzte formell von der Reise abgeraten, aber er gehorchte nicht. [Bernal, Salvador, „Monseñor Josemaría Escrivá de Balaguer, Rialp, Madrid, 1976, S. 257; Sastre, Ana, „Tiempo de caminar“, Rialp, Madrid, 1989, S. 326]. Wenn die Krankheit der Preis dafür ist, dass die Seele im Körper verweilen darf, so wie ein Mieter für die Wohnung bezahlt, in der er lebt – mit den Worten von Shri Rama Krisna – so zahlte der Gründer des Opus Dei mit einer zarten Gesundheit einen sehr hohen Preis dafür, dass er in einem brüchigen Haus wohnte. Es hatte sich bereits im Februar 1938 eine Erkrankung angedeutet, er verlor die Stimme und blutete aus dem Mund. Im September 1939, als er sich in Valencia aufhielt, bekam er hohes Fieber, und das sollte sich in El Escorial bei Madrid 1944 wiederholen. Die Ärzte untersuchten das Abszess am Hals. Es handelte sich um einen Karbunkel mit allgemeinen und schweren Komplikationen. Klinische Analysen wurden durchgeführt, und aufgrund der Symptome und länger dauernder Missstände wie Erschöpfung, Furunkulose, Fieber und der Neigung zur Fettleibigkeit diagnostizierten sie eine schwere Diabetes. Diese Schwierigkeiten traten ab 1944 häufig auf. Als insulinabhängiger Diabetiker litt Escrivá unter ständigen Erschöpfungszuständen, Sehstörungen und hielt sich nur mit Hilfe von Injektionen und einer Diät auf den Beinen, allerdings mit Ausnahme von Álvaro Portillo und einem seiner engsten Mitarbeiter, wusste sogar innerhalb des Opus Dei praktisch niemand davon. [Berglar, Peter, „Opus Dei. Vida y obra del fundador Josemaría Escrivá de Balaguer“, Rialp,  Madrid, 1988, S. 336.].

Bevor er sich nach Italien einschiffte, dachte Escrivá in Barcelona laut bei der messe vor den Mitgliedern des Werkes nach und richtete einige Worte an sie, die seinen Seelenzustand und seine Sorge wegen des ersten Scheiterns der juristischen Schlacht im Vatikan verraten: „Herr, konntest du zulassen, dass ich guten Glaubens so viele Seelen betrüge? Wenn ich doch alles zu Deiner Ehre gemacht habe und im Wissen, dass es Dein Wille ist! (...) Ich wollte niemals jemanden betrügen. Ich hatte keinen anderen Wunsch, als Dir zu dienen. Sollte sich jetzt herausstellen, dass ich ein Betrüger war?“. [Bernal, Salvador, S. 258; Gondrand, Francois, S. 278; Sastre, Ana, ob. cit. S. 327; „El itinerario jurídico des Opus Dei“, EUNSA, Pamplona, 1989, S. 15; Vázquez de Prada, Andrés, S. 241]. Diese Betrachtung war seine Art, sich gegen Angriffe durch andere Teile des spanischen Katholizismus zu verteidigen, die ihm vorwarfen, fortwährend betrügerische und unerlaubte Kniffe zu verwenden, mit denen er ihnen schadete und die Katholische Kirche in Spanien betrog.

Escrivá war allerdings optimistisch, denn er war vom Papst, dem sichtbaren Haupt der Katholischen Kirche, empfangen worden, und das Opus Dei konzentrierte sich darauf, die rechtliche Schlacht zu gewinnen. Während der Überfahrt nach Genua kam es zu einem zeitweiligen Sturm, den Escrivá dem Bösen zuschrieb, der „seinen Schwanz gezeigt hat“ und der die Reise verhindern wollte. Jahre später kauften Mitglieder des Opus Dei das Steuerrad und den Kompass, als das Schiff von der Compañía Transmediterránea ausgemustert wurde, und die Objekte, die für das Werk kostbar waren, wurden wie Reliquien im Zentralsitz von Madrid ausgestellt. Als er nach Rom kam, so erzählen seine Hagiografen, verbrachte Escrivá die ganze Nacht betend angesichts der Kuppel des Petersdoms und des Lichtscheins in den Gemächern des Papstes. [Gondrand, Francois, S. 176].

Escrivá kam am 23. Juni und blieb in Rom bis Ende August. Er hielt Kontakte mit dem Kardinal Tedeschini, dem ehemaligen Nuntius in Spanien und Verteidiger Francos bis zum Äußersten, der auch Freund und Protektor des Werkes war, und mit mächtigen Männern der Kurie und Repräsentanten des ultrakonservativen Flügels wie Kardinal Tardini, bevor er am 16. Juli in Audienz von Pius XII. empfangen wurde, wo er aber keine Ergebnisse einfahren konnte.

Um nicht mit leeren Händen nach Madrid zurückzukehren, erhielt er einen brief von der Kongregation für die Ordensleute mit dem „Lob der Ziele“ für die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz und Opus Dei, datiert vom 13. August. Der Brief griff eine antiquierte Form eines Dokuments auf, wie es der  Vatikan seit über hundert Jahren nicht mehr gebraucht hatte. Der Brief enthielt einen Glückwunsch an den Präsidenten und an alle Mitglieder des Opus Dei wegen ihres Apostolates und ermutigte sie weiterzumachen. Statt mit einem Anerkennungsschreiben kehrte Escrivá mit einem Schreiben nach Spanien zurück, das die Ziele der Vereinigung lobte, ein schwacher Ersatz für das, worum er gebeten hatte und es war nur eine schriftliche Anerkennung der dritten Gründung, für die Priester innerhalb des Opus Dei 1943. Dennoch war Escrivá zufrieden; sein Ansuchen um eine universale Anerkennung war zwar abgelehnt worden, aber es gab die Möglichkeit, es unter einer neuen Rechtsform anerkennen zu lassen, die gerade im Vatikan studiert wurde und die die Schaffung der Rechtsfigur der Säkularinstitute veranlasste. Mehrmals im Lauf seines Lebens sollte es Escrivá, wie jedem Menschen, geschehen, dass er ein bestimmtes Ziel erstrebte und es dann anders kam. So hatte er fürs erste keine überdiözesane Regelung erhalten und bemühte sich dann um den Status eines Säkularinstituts, das jedenfalls diesem Zweck dienen sollte.

Diesmal kehrte Escrivá mit dem Flugzeug nach Madrid und brachte als Reiseandenken ein Bild mit einer Widmung des Papstes und die Reliquien zweier Kinder mit, Märtyrer des 2. Jahrhunderts, die hl. Mercuriana und den hl. Symphorianus. Bei der Ankunft in Madrid rief Escrivá vor einer Gruppe von Mitgliedern des Werks aus: „Meine Kinder, in Rom habe ich die Unschuld verloren!“. Mit seiner Phrase übersetzte Escrivá auf seine Weise die italienische Redewendung „Roma veduta, fede perduta“: „Rom gesehen, Glaube verloren“.

Es war klar, dass in den vierziger Jahren die Suche nach einem Statut grundlegend für das beginnende Opus Dei war. Die juristischen Anerkennungen von 1941 und 1943 erschienen zu dürftig für eine Organisation mit einer so hartem internen Struktur und einer aggressiven Ideologie, die von Anfang an einen kräftigen Schub und wahrhaft expansionistische Träume zeigte.

Seit über zehn Jahren studierte man im Vatikan eine neue juristische Regelung für einige Gesellschaften, die im Schoß der Kirche entstanden waren, die der Codex des Kirchenrechts von 1917 nicht kannte. Zwei Mitglieder des Opus Dei, die bereits in Rom lebten, wurden als technische Konsultoren in die Kommission aufgenommen, deren Untersuchungen schon weit fortgeschritten waren, und als am 2. Februar 1947 das kanonische Gesetz über die Säkularinstitute promulgiert war, konnte das Opus Dei bereits am 24. desselben Monats diese Rechtsfigur bekommen, wenn auch nur der priesterliche Zweig, für den provisorisch das Decretum laudis als erstes Säkularinstitut päpstlichen Rechts ausgestellt wurde. Drei Jahre später, 1950, erhielt die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz die endgültige Approbation, als die Zahl der geweihten Mitglieder des Opus Dei bereits zwölf betrug.

Auf dem weiten juristischen Feld, das sich zwischen einem religiösen Orden und einfachen Gläubigenvereinigungen erstreckt, erschienen die Säkularinstitute, die einen ausgeprägten klerikalen Charakter hatten, das heißt, dass seit den Anfängen im Jahr 1947 die Rechtsfigur des Säkularinstituts keine völlig neue Entwicklung im Kanonischen recht darstellte, sondern nur eine kleine Anpassung des Bestehenden. Die Katholiken, die sich für progressive Gruppen und Tendenzen der Katholischen Kirche engagierten, blieben enttäuscht; für die Konservativen andererseits bedeutet das eine weitere überragende Leistung, die unter dem Pontifikat Pius´ XII. zustande gekommen war.

Man kann sich leicht ausmalen welchen Gebrauch das Opus Dei von diesem päpstlichen Schreiben machte, um seine Mitgliederzahl zu vermehren, vor allem auf Kosten der Katholischen Aktion, die damals in Spanien etwa 50.000 Anhger hatte. [Guía de la Iglesiae española, edición 1964. En Ynfante,Jesús, La prodigiosa aventura des Opus Dei. Génesis y desarrollo de la Santa Mafia, Ruedo Ibérico, París, 1970, S. 101-102]. Aus dieser beachtlichen Zahl katholischer Aktivisten rekrutierte das Opus Dei nach und nach die Elemente, die ihm am meisten brachten, und sie wurden großteils Supernumerarier. So erweiterte das Werk in dieser Zeit seine Struktur durch die Aufnahme von „Supernumerariern“, die verheiratet sein können und die drei Gelübde des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut im Einklang mit ihrem Stand leben. Die priesterliche Abteilung bekam leicht das juristische Statut als Säkularinstitut, wie, es klerikal organisiert ist, nicht aber der Rest des Opus Dei. Die Anwerbung beruhte nun aber auf dem Betrug, dass das ganze Opus Dei per antonomasian die „Nummer eins der Säkularinstitute sei. So hat das Opus Dei jahrelang straflos ein juristisches Statut benützt, das nur einer kleinen Minderheit seiner Mitglieder zukam, und um das zu verdecken, bezeichnete es sich gleichwohl mit dem generischen Namen „Gläubigenvereinigung“. [Nach der Definition von Karl Rahner über das säkulare Apostolat ist ein Mitglied der Katholischen Kirche nicht säkular, das kraft einiger  Gelübde (wie beispielsweise das Mitglied eines Säkularinstituts) sich nicht ganz in der Welt und ihren Strukturen entfaltet. So kann sich das Mitglied eines  Säkularinstituts aufgrund des Keuschheitsgelübdes nicht anwerben lassen, wenn es verheiratet ist. Rahner, Karl, „Escritos de Teología“, tomo II, Taurus, Madrid, 1961]. Die grundsätzliche Strategie für das Opus Dei war die apostolische Anwerbung mit allen Mitteln, die in seiner Reichweite waren, und der Kampf um die kirchenrechtliche Stellung sah ganz so aus wie ein Mittel wie andre auch, um seine Expansion voranzubringen und abzusichern.

Unterdessen erreichte es Escrivá sogleich nach dem Decretum laudis und der provisorischen Anerkennung als erstes Säkularinstitut, im April 1947zum „Hausprälaten Seiner Heiligkeit“ ernannt zu werden; er hatte das Recht, mit Monsignore angesprochen zu werden und eine mit Purpur paspelierte Soutane und Schnallenschuhe zu tragen. So war er auch ein Würdenträger der Kirche. Er war Päpstlicher Hausprälat, aber er fühlt sich zugleich auf den Spuren seiner Vorgängerin, Jacinta de Navarral, die Äbtissin von Las Huelgas. Mit anderen Worten, Escrivá hatte zwar jetzt die Würde eines Prälaten, aber noch keine Prälatur. Innerhalb des Werks schien die Ernennung logisch zu sein, und Escrivá brauchte einen Titel, wenn er in Rom mit der hohen Geistlichkeit verkehren wollte.

1947 wurde in Rom auch ein gutbürgerliches Haus in der Viale Bruno Buozzi 73 im Viertel Parioli gekauft. Den Ausschlag für diesen Erwerb gab laut Escrivá der Kardinal Tardini, der ihn drängte und meinte, sie brauchten möglichst bald ein repräsentatives Haus“. [Sastre, Ana, S. 339]. Sie suchten in Rom nach einem geeigneten Gebäude und dachten daran, das Gebäude der Botschaft Irlands beim Vatikan zu kaufen, aber es ergab sich die Möglichkeit, die ehemalige Botschaft Ungarn beim Heiligen Stuhl zu erwerben, obwohl in den Wirren der Nachkriegszeit noch einige Ungarn dort wohnten.

Der Eigentümer, ein italienischer Aristokrat, brauchte das Geld und akzeptierte die Bedingungen, zu denen ihm das Opus Dei das Haus abkaufte. Die erste Rate in der Höhe von mehreren Tausend Dollars wurde mit Goldmünzen getätigt, die aus einer „Schenkung“ an das Werk stammten, der Rest in Schweizer Franken. Diese „Handvoll Münzen", wie es Escrivá nannte, bestand aus tausend „Eagles“, goldenen Zehndollarmünzen, die wesentlich mehr wert waren als das Nominale, also damals etwa 50.000 Dollar. Es handelte sich um einen Teil des heimlichen Schatzes des Werks, der aus Spanien stammte. Um die Herkunft zu verschleiern, behauptete Escrivá, dass sie zur Mitgift seiner Mutter gehörten, von der er sich nicht habe trennen wolle. [Tapia, María del Carmen, Tras el umbral, Ediciones B, Barcelona, 1994, S. 241-242].

Während des ersten Jahres lebten die Mitglieder des Opus Dei mit den ehemaligen diplomatischen Angestellten aus Ungarn zusammen in dem Haus, bis diese 1949 auszogen. Der Umbau des Zentralhauses des Werks und Sitzes des Collegium Romanum des Opus Dei sollte 13 Jahre dauern, bis 1960.

Rund um das Bürgerhaus erhoben sich acht Gebäude zwischen der Viale Bruno Buozzi, der Vía di Villa Sachetti und der Vía Domenico Cirillo, die in einem städtebaulichen Gemenge von umstrittener Bauform die verschiedenen Zentralsitze des Opus Dei beherbergen; und man baute so, dass sich die ursprünglichen Gänge und Höfe in winzige Luftschächte verwandelten. [Urbano, Pilar, S. 53].  All das wirkt imponierend, wie ein isolierter Bunker in der Großstadt Rom, der nur für das Werk Gottes geschaffen ist, ein getreues Abbild der Macht, die das Opus Dei von sich bieten will, ein machtvoller Termitenhügel. Denn so wirkt der Zentralsitz, da die gewaltige, komplexe, in sich zusammenhängende  Struktur aus acht Gebäuden gebildet wird, mit zwölf Speisesälen, vierzehn Kapellen, von denen einige unterirdisch sind und deren größte 200 Personen fasst; ein Termitenbau, deren Einwohner mit enormer Disziplin zusamenleben, sich die Arbeit nach streng hierarchischen Kategorien aufteilen, und im Inneren erfüllt jede Termite ihren Job nach einem strengen Programm, ohne sich in die Arbeit seiner Nachbarn zu mischen, und alle verbindet ein starker Instinkt sich zu verteidigen und aggressiv zu reagieren, wenn sie angegriffen werden.

Für die Jünger Escrivás war der Platz allerdings hervorragend. So beschrieb ein führendes Mitglied des Werkes den Zentralsitz, wo der Vater oder Präsident und die übrigen Oberen des Opus Dei wohnten: „In einer breiten, lauten Straße mit viel Verkehr, die in einem Stadtviertel liegt, das per antonomasian ein Villenviertel ist, erhob sich in diesen letzten Jahre eine Gruppe von Gebäuden, die sich in nichts von den übrigen in der Straße unterscheiden. Innen umgeben die belebten Fassaden von unterschiedlicher Höhe eine Art toskanischer Villa vecchia wie aus dem 14. Jahrhundert, die schon vorher da stand, und beim Umbau blieb genügend Platz für Gänge und Innenhöfe. Der Komplex ist dazu bestimmt, das Generalhaus des Opus Dei zu beherbergen.“ [Pérez Embid, Florentino, „Monseñor Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás, fundador des Opus Dei“, Separata del tomo IV de la Enciclopedia „Forjadores del Mundo Contemporáneo“, Planeta, Barcelona, 1963, S. 2].

Bei den Gebäuden am Zentralsitz des Opus Dei fällt der Überfluss an Kapellen auf, eine Obsession Escrivás, der wir im „Weg“ begegnen: „Freust du dich nicht, wenn du auf deinem gewohnten Weg durch die Straßen der Stadt einen neuen Tabernakel entdeckst!?“ (Nr. 270). „Kind, gib deine liebevolle Angewohnheit, Tabernakel zu "bestürmen", nicht auf.“ (Nr. 876). In der Villa Tevere, dem Zentralhaus in Rom, war die Kapelle der Dreifaltigkeit Escrivás Favorit, wo er mit besonderer Andacht betete. Hier brachten seine Söhne die „eucharistische Taube“ an, ein hochverehrtes Objekt im Opus Dei. Die berühmte Taube hängt von der Decke oberhalb des Altars, sie ist aus Gold und Edelsteinen, und in seiner Brust befindet sich ein Türchen, hinter dem die geweihten Hostien für die Kommunion verwahrt werden. Man erzählt sich im Opus Dei, dass Escrivá wenige Minuten vor seinem Tod noch zu diesem wertvollen Stück gegangen sei und es betrachtet habe und dass diesem Gold und den Edelsteinen seine letzten Blicke auf Erden gegolten haben. In dieser Taube, so meinte Escrivá, habe sein Wunsch. Christus zu lieben und sich in ein lebendes Heiligtum zu verwandeln, Gestalt angenommen.

Überreich sind die lateinischen Inschriften im Zentralhaus des Opus Dei in Rom. Gegen Ende der Arbeiten wurde beispielsweise die Kapelle vom hl. Michael eingeweiht; dort liest man am Fuß des Altars die folgende Inschrift: „Joseph María Escrivá de Balaguer pauper servus et humilis, Operis Deí conditor“, das heißt, José María Escrivá ist ein armer und demütiger Diener, der das Opus Dei leitet.

Es ist wichtig anzumerken, dass Escrivá von klein auf vergeblich wünschte, Architekt zu werden. Schon seine Mutter hatte erzählt, dass „José María die Hoffnung hatte, er würde einmal Architekt sein“. Allerdings konnte sich Escrivá in den fünfziger Jahren tatsächlich der Architektur widmen, dank der internationalen Ausbreitung des Werkes Gottes, und von daher kam der Druck, Geld und Finanzierungsmöglichkeiten aus Unternehmungen zu ziehen, die grundsätzlich defizitär waren. [Moncada, Alberto, „El Opus Dei, una interpretación“, Índice, Madrid, 1974, S. 28].

Das Baufieber im Opus Dei erreichte solche Ausmaße, dass man begann, vom Zentralhaus in Rom aus ein Übermaß an Regeln auszusenden begann, wie alle Häuser des Opus Dei zu bauen oder umzubauen seien. Die Instruktionen wurden im Zentralhaus des Opus Dei gedruckt und in einigen Bänden mit dem Titel „Construcciones“ zusammengefasst. [Tapia, María del Carmen, S. 256].

Derecho und Arquitectura (DyA), Recht und Architektur, das waren die apostolischen Ambitionen Escrivás vor dem Spanischen Bürgerkrieg, und da er Jura studiert hatte und ihm nur noch die Architektur und die Berufung zum Architekten fehlte, war der Gründer des Opus Dei entfesselt, sobald das Bürgerhaus in Rom gekauft war, das dazu bestimmt war, das Generalhaus zu werden. Intolerant, wie Escrivá war, konnte er die Meinungen anderer in seiner neuen Berufung zum Architekten nicht akzeptieren. Bereits während der Errichtung des Zentralhauses in Rom brüllte Escrivá den beauftragten Architekten häufig an, und zwar so heftig, dass der zur Erholung nach Spanien geschickt werden musste und nun sein junger Substitut das hemmungslose Geschrei des Gründers aushalten musste. [Tapia, María del Carmen, S. 194]. Miguel Fisac, seinerseits ein renommierter Architekt und eines der ersten Mitglieder des Opus Dei, der sich in seinem Beruf, aber auch in seiner Beziehung zum Werk Gottes weiterentwickelte, skizzierte den Umbau des Hauses in Rom, kollidierte aber mit den architektonischen Vorstellungen Escrivás, der sich im völligen Konstruktionsfieber befand.

Obwohl der faschistische Monumentalismus in der Spanischen Nachkriegszeit insgesamt und gerade auch im Opus Dei herrschte, orientierte sich Fisac an einer architektonischen Einfachheit, ähnlich der skandinavischen Moderne, ohne sich dessen bewusst zu sein, und auf dieser Linie liegen seine Arbeiten, wie das Instuitut für Optik in Madrid oder der Dominikanerkonvent in Valladolid. [Dorfles, Gillo, „Arquitectura moderna“, Seix Barral, Barcelona, 1967]. Da Fisac mit all dem nicht einverstanden war, sagte ihm Escrivá, er solle sich da heraushalten. Später ging Fisac nach Rom und sah alles, was geschah, und kritisierte es bis ins Detail; da verbot ihm Escrivá, nochmals die Stadt zu betreten, solange der Zentralsitz des Opus Dei noch nicht fertig war. [Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei“, Plaza & Janés, Barcelona, 1987, S. 37-38].

In Bezug auf die Tätigkeit Escrivás meinte ein führendes Mitglied des OD, dass man ihn häufig in der Stille seines Arbeitszimmers antreffen konnte, oder von einer Gruppe Studenten umringt in der Ecke eines Hofes, an einem Tisch voller Pläne und Entwürfe, oder bei einer der Kapellen, die es in diesem Haus überall gab“. [Pérez Embid, Florentino, S. 2]. Der Tisch voller Pläne und Projekte im Hauptquartier des Gründers in Rom war kein dekoratives Element, sondern Reflex der Tätigkeit, der sich der Gründer des Opus Dei vollständig hingab, der persönlich die Bauprojekte während des starken Wachstums in den fünfziger und sechziger Jahren überwachte.

Escrivá vergaß mit seiner Hingabe an die Architektur allerdings völlig, was er in der allerersten Nachkriegszeit als Parole ausgegeben hatte, sich fremder Instrumente zu bedienen, wie er in Nr. 844 des Büchleins „Der Weg“ andeutete: „Großartige Gebäude errichten?... Prächtige Paläste bauen?...  Sollen sie errichten..., sollen sie bauen...Seelen! − Seelen lebendig machen... Für diese Gebäude... und für diese Paläste! Was für herrliche Häuser errichten sie uns!“. Diese Maxime hat auch mit der Vorschrift 227 der geheimen Konstitutionen des Opus Dei zu tun, [Ynfante, Jesús, „La prodigiosa aventura del Opus Dei. Génesis und desarrollo de la Santa Mafia“, S. 425. Auch in: Ynfante, Jjesús, „Opus Dei“, S. 577]  zu der ihn die große Mystikerin Theresia von Avila inspiriert hat: „Wir wollen nicht noch mehr Häuser bauen, sondern die verwenden, die schon da sind“. Bei so materiellen Dingen wie Steinen und Gebäuden ging es ab den fünfziger Jahren nicht mehr darum, ob das Werk  aufwändige Gebäude und Paläste nutzen wollte, die schon da standen, so als ob sie ihnen gehörten. Das Expansionsfieber erstreckte sich auch auf Ziegel und Zement, und es wurde noch angeheizt durch die architektonischen Ambitionen Escrivás, der jetzt Gebäude in einer neuen Größenordnung bauen wollte, nachdem er an die Mittel herangekommen war. Aus der Phase, in der man fremde Ressourcen nützte, ging man nach einigen Jahren in die nächste Phase über, in der man sich eigene Instrumente schuf, in der Politik, in der Wirtschaft, nicht zuletzt die Bauten. Im Hinblick auf die reiche mystische Tradition des Christentums, in der Theresia von Avila einen hervorragenden Platz einnimmt, besetzte das Opus Dei in seinem Bauwahn nun die Gegenposition. Die Absicht der heiligen Theresia war es, „niemals das Haus besonders zu schmücken, nur die Kirche“ und als Konsequenz davon richteten sich die ersten Karmeliterinnen in bereits bestehenden Häusern ein, die lediglich für den neuen  Zweck angepasst worden waren.

Was in Rom seine Hauptbeschäftigung war, hatte Escrivá schon im Büchlein „Der Weg“ für architektonische Metaphern benützt: „Gib deine Vorliebe für Grundsteinlegungen auf und setze den Schlußstein hinter einen einzigen deiner Pläne.“ (Nr. 42). „Ohne Architekt kannst du kein gutes Haus bauen, um auf der Erde zu wohnen. Wie willst du da ohne einen Leiter die Burg deiner Heiligung errichten, um auf ewig im Himmel zu wohnen?“ (Nr. 60). „Hast du gesehen, wie sie jenen mächtigen Bau errichteten? − Ein Stein, und noch einer. Tausende. Aber einer nach dem anderen. − Und Säcke Zement, einer nach dem anderen. Und Steinquader, die im Verhältnis zur gesamten Masse wenig ausmachen. – Und Eisenteile. − Und Arbeiter, die Tag für Tag die gleichen Stunden arbeiten. Hast du gesehen, wie sie den mächtigen Bau schufen?... − Mit lauter kleinen Dingen!“ (Nr. 823). „Hetzen, hetzen!... Schaffen, schaffen!... Fieberhafte Tätigkeit... Wunderbauten der Technik... Übernatürlich gesehen: Attrappen, Pappmaché, bunte Kulissen... Hetzen! Schaffen! − Die Leute rennen: kommen und gehen. (...)“ (Nr. 837). Die vorher zitierte Maxime Nr. 844 schließt mit: „Was für herrliche Häuser errichten sie uns!“ und stellt somit einen Bezug zu Gebäuden und zur Architektur her.

Das Baufieber im  Opus Dei, direkte Folge, aber auch Motor der Expansion, blieb innerhalb der architektonischen Koordinaten eines falschen neoklassizistischen Monumentalismus der spanischen Nachkriegszeit, mit seinen faschistischen Einflüssen, wie es Oriol Bohigas gezeigt hat, der in Spanien Bauten wie den Valle de los Caídos schuf, das Madrider Stadtviertel General del Aire en Madrid und die Arbeiterhochschule von Gijón. [Bohigas, Oriol, „Apéndice“. In: Dorfles, Gillo]. Alle bedeutenden Gebäude des Opus Dei tragen die architektonische Handschrift Escrivás, sie weisen pompöse Dekorationen, mit Marmor und reichem Schmuck auf. [Fisac, Miguel, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei, Plaza & Janés, Barcelona, 1987, S. 37]. Sein Eifer, alles nachzumachen, war notorisch. So ist praktisch alles an den Kapellen, Sälen und Galerien im Zentralhaus des Opus Dei in Rom die Kopie einer Kapelle, eines Palastes, von Dörfern oder Möbeln irgendwo in Italien, die Escrivá besucht hatte und von einem der Architekten des Opus Dei, die sein Vertrauen besaßen, kopieren ließ. Sogar wenn er in einem der Filme, die er in der Aula magna sah, ein dekoratives Detail wahrnahm oder etwas, das ihn interessierte, hatte er nicht die geringste Hemmung, dieses Foto herausvergrößern und das Objekt nachmachen zu lassen. [Tapia, María del Carmen, S. 160].

Escrivá war ein ständiger architektonicher Plagiator, um das auszudrücken, was er unter „distinguierter heiliger Kunst“ verstand. So ahmt die Fassade des Zentralgebäudes der Universität von Navarra exakt eine Kirche in Rom nach. Escrivá „inspirierte sich“ für die Fassade der Kirche in Pamplona an der Jesuitenkirche in Rom, auf dem gleichnamigen Platz neben dem  Collegium Romanum, dem Bildungszentrum der Jesuiten, das sich in eine weitere „brillante Idee des Gründers“ verwandelte. Später ließ Escrivá zur Dekoration der imponierenden Gebäude und zur lebendigen Erinnerung an gewisse Momente seines Lebens Gemälde in der reinsten Ausprägung der „Akademischen Kunst“ anfertigen. Eins dieser in Auftrag gegeben Gemäldem das sich in einer der Kapellen am Zentralsitz in Rom befindet, zeigt ein von Flammen umgebenes Herz, von einer Dornenkrone umgeben, alles das mit einem Kreuz ergänzt, und umher lagern Engel. [Vázquez de Prada, Andrés, S. 262].

Während Escrivá in Rom lebte und sich hier mit einem Menschen seines Vertrauens, Álvaro Portillo, niedergelassen hatte, der als Generalsekretär die Autorität und die Macht hatte, Escrivá in seiner Aufgabe als Präsident des Opus Dei zu vertreten, blieb der Generalrat noch zehn Jahre lang, bis 1956, in Madrid. Wegen der tausenden Kilometer Distanz zwischen Rom und Madrid begann der Generalrat eine gewisse Autonomie zu entwickeln, auch wenn Escrivá natürlich informiert wurde und bei seinen Besuchen oder in Briefen Anwweisungen gab und die Mitglieder des Generalrats des Opus Dei regelmäßig von Madrid nach Rom reisten. Dennoch fürchtete Escrivá, in Madrid würden seine Verfügungen nicht ernst genug genommen werden, die er über alle Kanäle aus Rom sandte, und einem seiner treuesten Anhänger gab er folgende präzise Verhaltensmaßregel: „Sobald du siehst, dass ein Aviso oder ein konkreter Hinweis von mir aus Rom gekommen ist, wirst du dieses Blatt nehmen und während der Besprechung (...) niederknien, es dir mit den Händen an den Kopf halten und sagen: Das kommt von unserem Gründer; deshalb kommt es von Gott, und wir müssen es aus ganzer Seele umsetzen“. [Ynfante, Jesús, „Opus Dei“, Grijalbo Mondadori, Barcelona, 1996, S. 151].

Im Bezug auf Rom, den Zentralsitz, von dem aus Escrivá alles steuerte, erinnert sich ein ehemaliger Leiter des Opus Dei: „Ich war sehr von der persönichen Kontrolle beeindruckt, die der Vater über die Hausbewohner in Rom ausübte. Am Abend, beim Nachtmahl brachten ihm die Dienerinnen eine Übersicht, welche Telefonate die Mitglieder des Collegium Romanum an diesem Tag geführt hatten. Dass die Post kontrolliert wurde und die Leiter die ein- und ausgehenden Briefe lesen mussten, war bekannt; die Kontrolle des Telefons war seine Erfindung in Rom“. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, S. 146].  Nach dem Zeugnis dieses ehemaligen Leiters war „das Schlimmste allerdings nicht, wenn Escrivá pesönlich ein Thema studierte und eine Entscheidung traf, sondern wenn die Leute seiner Umgebung in Rom, zumeist junge und unerfahrene Leute, die Entscheidungen fassten, die er nur noch unterschrieb. Die Interventionen erfolgten genauso eng in der Weiblichen Abteilung. Ich erinner mich, dass eines Tages eine Numerarierin zu mir kam und um eine Erklärung bat, denn sie hatte aus Rom den Hinweis erhalten, dass in unseren Häusern niemals Hackfleisch serviert werden dürfe“. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis, S. 147]. Schließlich geschah Folgendes: „Nach und nach füllten die Normen, Reglementierungen, Anmekungen und Avisos, die aus Rom kamen, unsere gesamte Tätigkeit aus. Als er noch in Spanien lebte, sah er nie über etwas hinweg, und er merkte sogar, wenn ein Sessel anders stand. Als er nach Rom ging übertrug sich diese Kleinlichkeit auf eine Flut von Anweisungen, die er in seinen Briefen losließ“. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis, S. 146].

Wie es seine Art war und mehr der Mentalität eines Örtlichen Leiters als der des Präsidenten entspricht, ließ Escrivá im März 1947 ein Heft mit vier Seiten „für den internen Gebrauch“ drucken, in dem die Beziehungen zwischen der Männlichen und der Weiblichen Abteilung im Herzen des Opus Dei präzisiert werden und die sich mit dem Satz der hl. Theresia von Avila zuammenfassen lassen: „Entre santa y santo, pared de cal y canto“; „zwischen einem Heiligen und einer Heiligen müssen immer Schloss und Riegel sein“. In diesem ersten internen Regelwerk zur Verwaltung des Opus Dei heißt es wörtlich, dass „die beiden Abteilungen des Opus Dei in der Realität zwei vollkommen unabhängige Instiutionen sind, eine für die Männer und eine andere für die Frauen“ und dass „die Verwaltung und das Wohnheim so funktionieren, als wären sie Kilometer voneinander entfernt: Niemals gibt es irgendeine Verbindung zwischen denen, die in dem einen und in dem anderen Haus leben“. Die Männer unseres Instituts gehen aber auch niemals, auch nicht auf Besuch, zu den Häusern der Weiblichen Abteilung“. Selbstverständlich musste „der Eingang für die Männer ein anderer sein als der der Verwaltung“; der Zugang zur Administration sollte womöglich von einer anderen Straße aus sein“ und „die Kapelle ist immer getrennt, und wenn das nicht möglich ist, wohnen die Frauen dem Gottesdienst hinter einem Gitter bei, wie es die Klausurnonnen benutzen, wenn ihre Kirchen öffentlich zugänglich sind“. [Ynfante, Jesús, Opus Dei, Grijalbo Mondadori, Barcelona, 1996, S. 152-153].

Im Zuge dieser übergriffigen Reglementierungswut im Opus Dei empfiehlt man auch den Leitern, besondere Verstecke oder sichere Orte für die Leitungsdokumente vorzusehen, die Testamente der Mitglieder, den Text der Konstitutionen, die [abgezählten] Exemplare des „Katechismus“, eine Kurzfassung der Konstitutionen, die Instruktionen, Regeln, die Briefe aus Rom und andere Dokumente. In einigen Häusern hat man sogar doppelte Wände mit verborgenen Verstecken gebaut, in denen man die Dokumente und Archive des Opus Dei aufbewahrt. Damit man untereinander kommunizieren und Informationen an das Zentralhaus in Rom schicken kann, wurde ein Buch mit Codes geschrieben, dessen Titel „San Gerólamo“ („Hl. Hieronymus“) war und das sorgfältig gebunden wurde, um es zusammen mit den andern Büchern in den Häusern des Opus Dei aufzubewahren. Der Inhalts des Buchs bestand aus einer Reihe von Kapiteln ohne Text, der nur einige numerische Chiffren mit einigen Punkten und weiter einigen Worten mit Nummern enthält. In den Chiffren zum „Geist des Werkes“ bedeutet 1) guter Geist; 2) schlechter Geist; 3) geordnet; 4) respektvoll gegenüber den Vorgesetzten; 5) schwere Verfehlungen gegen die Einheit; 6) Verfehlung gegen die Armut etc. Und auf diese seltsame Art, kompliziert und zugleich kindisch, obwohl es wirksam scheint, wahrt man das Geheimnis bei den internen Kommunikationsvorgängen im Opus Dei, einer Organisation, die so mittelalterlich und ge­heim­nis­voll ist, dass sie der Umgang mit der Informatik Ende des 20. Jahrhunderts in ernsthafte Schwierigkeiten brachte.

Im November 1946 übersiedelte Escrivá nach Rom, und zusammen mit seinem Adjutanten Portillo nahm er es in die Hand, den Kurs des Opus Dei, vor allem in wirtschaftlichen Fragen, festzulegen. Ende Dezember kamen die ersten Frauen des Werks nach Rom, um den Männern im Haushalt und bei der Administration zu helfen. Mitte des Jahres 1947 erwarben sie eine Immobilie, die die Ungarische Botschaft beim Heiligen Stuhl gewesen war, die sich später in den Zentralsitz des Opus Dei verwandelte. Da er von einer beständigen und weltweiten Expansion träumte, entschloss sich Escrivá, sein Projekt gleichzeitig von Rom und Madrid aus im darnieerliegenden Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zu beginnen. So konnte der Gründer des OD persönlich in Rom den ersten Italiener umarmen, der im November 1947 um die Aufnahme bat. Einen eigenartigen, aber aussagekräftigen Erfolg brachten die ersten Rekrutierungsversuche des Opus Dei in Rom, als sich die beiden ersten Mitglieder des Opus Dei, die in Rom lebten, mit zwei Kroaten anfreundeten, die für das faschistische Regime von Ante Pavelic gearbeitet hatten und mit der Ankunft der Alliierten in Rom unter dem Schutz spanischer Kirchenfürsten in einem Kloster untertauchten. Dort fanden sie die Zeit, das Büchlein Escrivás, den „Weg“, ins Kroatische zu übersetzen, eine Ausgabe, die Jahre später, 1962, in Lissabon herauskam. Einer der Kroaten bat sogar 1946 um die Aufnahme in das Opus Dei, und später auch sein Kollege, zusammen mit einem anderen faschistischen Landsmann, der aus einem Konzentrationslager der Alliierten geflohen war und ins Opus Dei eintrat. Einer der drei Kroaten schaffte es bis zum Vizedirektior des Instituts für Journalismus an der Universität des Opus Dei in Navarra. Am Ende des Zweiten Weltkriegs fanden sich zahlreiche Flüchlinge aus totalitären Regimes Mitteleuropas in den Reihen des Opus Dei wieder und genossen den Schutz der Diktatur Francos.

Escrivá übersiedelte mit anderen Mitgliedern des Opus Dei nach Rom, um den juristischen Status eines Säkularinstituts zu erhalten, und da die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Tag zu Tag drängender wurden, entstand parallel 1947 eine Delegation des „Consejo Superior de Investigaciones Científicas“ (CSIC) in Rom, der die Aufgabe haben sollte, „die Aufgaben der spanischen Wissenschaft und Forschung in der Ewigen Stadt fortzusetzen und dazu beizutragen, die Arbeit spanischer Forscher in Italien zu entfalten und zu koordinieren.“  Unter den künftigen Aufgaben der Delegation fassten die Urheber des Projekts zusammen: „Die übrigen Forschungseinrichtungen, die in Italien existieren oder eingerichtet werden, wiederherstellen und leiten; Wohnheime für Forschungszwecke, seien es durch Laien oder Kirchenmänner, in Rom einzurichten und zu erhalten...“. Die Eröffnung des CSIC in Rom hatte Gründe, die nur wenig mit Wissenschaft oder Kultur zu tun haben. Bei den Abrechungen des CSIC lassen sich zahlreiche dunkle Punkte finden. Die Etappe der Expansion des Opus Dei in den schwierigen Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs böte, vor allem was die Errichtung seiner Häuser in Rom und anderen europäischen Hauptstädten betrifft, ein interessantes Kapitel für Kapitaltransfer. Es scheint, dass  die Banken teilweise bei dieser Kapitalflucht mitspielten, dank einem Mitglied des Opus Dei, das eine Zeitlang in ihrem Dachverband saß.

Escrivá fühlte sich 1950 sehr krank, als er eine seiner vereinzelten Reisen nach Spanien unternahm, und damals entschied der Generalsekretär des Werks, Álvaro Portillo, dass der Gründer einer „internationalen katholischen Organsiation“ nicht in Spanien sterben könne und ließ ihn rasch nach Rom zurückbringen, um den Erfordernissen des Internationalismus im Werk Gottes Genüge zu tun. Umgekehrt schrieb der Gründer des Opus Dei aus Rom einen persönlichen Brief an den Diktator, der sich im Archiv Francos, Fasz. 178, befindet [Zeitschrift „Tiempo“, Madrid, 11. Februar 1985] der sich auf die Aktivitäten des Werks bezieht, und er erzählte ihm mit Stolz:  „Auch wenn es sich um eine katholische Institution handelt, sieht man hier und überall hinter dem Opus Dei Spanien“.

Das Opus Dei war 1950 keine internationale Organisation, auch wenn sich seine Mitglieder bemühten, diesen Eindruck zu erwecken. Escrivá, der Gründer, erklärte hartnäckig auf die Frage, ob Spanien denn einen besonderen Platz einnähme oder nur ein Tätigkeitsbereich unter vielen sei, dass „das Opus Dei geografisch in Spanien entstanden sei, dass aber seine Zielsetzung von Anfang an universal gewesen sei. Im Übrigen habe ich meinen Wohnsitz in Rom...“. [Guillemé-Brülon, Jacques, „Entrevista con Escrivá“, Diario „Le Figaro“, 16. Mai 1966]. Gegen ein solches unwiderlegliches Argument lässt sich wenig einwenden, denn wenn das Opus Dei vom Moment seiner Gründung im Jahr 1928 an universal war, was machte es dann aus, ob die tatsächliche Expansion etwas früher oder später kommen würde? Wie sagte Escrivá: „Die Werke, die aus dem Willen Gottes entstehen, haben keinen andre Grund als den göttlichen Wunsch, als dass sie Seinem universalen Heilswillen dienen. Vom ersten Moment an war das Werk universal, katholisch“ [Forbath, Peter, „Entrevista con Escrivá“, Time, New York, 15. April 1967]. Wie bei einer anderen Gelegenheit versicherte er mit Nachdruck: „Die apostolischen Werke wachsen nicht mit menschlichen Kräften, sondern unter dem Hauch des Heiligen Geistes“. [Guillemé-Brülon, Jacques, „Interview“,“ Le Figaro“].

Aus den Worten Escrivás lassen sich die beiden entscheidendsten Charakteristiken der Etappe der Expansion des Opus Dei entnehmen, erstens als Escrivá versicherte, dass das Werk „vom ersten Augenblick an universal“ war, es zeigte eine Strategie, die nach alle Richtungen ging, wie die Weltkarte im Vestibül des ersten Studentenheims in Madrid in der Nachkriegszeit, als es ein Pfeilkreuz zeigte, das die Windrose nachahmte. Dass das Opus Dei eine Musterung klerkofaschistischer Eliten außerhalb Spaniens vornahm, ist die zweite Charakteristik der Expansion des Werkes Gottes. Deshalb hatte Escrivá zu einer anderen Zeit versichert: „Bei seiner internationalen Ausbreitung hat der Geist des Opus Dei sogleich in allen Ländern Echo und Aufnahme gefunden“. [Ynfante, Jesús, S. 157-158]. Das war definitiv die Aufgabe, die das Opus Dei bei seiner Ausbreitung zu erfüllen hatte: In einer ersten Phase der Expansion Mitglieder klerikaler Eliten und Relikte des europäischen Klerikofaschismus anzuwerben, um dann gegen­über dem Rest der Welt seriös aufzutreten.

„Für mich kommt nach der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und Unserer Lieben Frau in der Hierarchie der Liebe der Papst“, bemerkte der Gründer des Opus Dei in einer französischen Zeitschrift, die ihm vorab einen Fragenkatalog vorgelegt hatte in der Tageszeitung „Le Fígaro“. [Guillemé-Brülon, Jacques, Entrevista, „Le Figaro“. uch in: Escrivá, Josemaría,  S. 71]. In der Person des Papst, man vergesse das nicht, sind alle Kräfte der Katholischen Kirche konzentriert. Die Beziehungen, die Escrivá mit den drei Päpsten unterhielt, mit denen er zu Lebzeiten zu tun hatte, waren allerdings kalt und wenig herzlich. Ein ehemaliger Leiter des Werks merkte an, dass Pius XII. „Escrivá niemals verstanden hat, den er nur einmal sah, und seine spanische Spontaneität passte schlecht zu dem Umfeld im Vatikan“. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, „Historia oral des Opus Dei“, Plaza & Janés, Barcelona, 1987, S. 25]. Ein anderes Zeugnis aus dem Inneren des des Opus Dei bestätigt, dass Escrivá in Rom mit dem Papst nicht einverstanden war und mit Bezug auf  Pius XII. sagte: „Ich bin an Händen und Füßen gebunden. Dieser Mensch versteht uns nicht, er lässt mir keine Bewegungsfreiheit, und ich bin hier eingesperrt“, und dabei gestikulierte er mit den Händen, als wollte er sagen, das alles sei unverständlich. [Tapia, María del Carmen, „Tras el umbral“, Ediciones B, Barcelona, 1994, S. 190-191]. Mehr als einmal schrieb Escrivá auch über Pius XII.: „Vielleicht erweist uns Gott einen großen Gefallen und nimmt diesen heiligen Mann möglichst früh in den Himmel“. [Tapia, María del Carmen, „Carta a Su Santidad Juan Pablo II“, Hecho n° 5, Santa Bárbara (California), 2. August 1991].

Der Tod Pius XII. im Dezember 1958 bedeutete allerdings einen schweren Schlag für die Vatikanpolitik des Werkes Gott, das bei seinem Nachfolger Johannes XXIII. ein noch größeres Misstrauen fand. Dennoch versuchte das Opus Dei seinen Einfluss im Vatikan zu vergrößern; das war ein wichtiges Ziel der Verwurzelung und der Aktivität des Opus Dei in Rom. Wenn das Opus Dei in Spanien dem Regime gedient hatte, wie das Regime Francos bedient sein wollte, und sobald es die Macht erlangt hatte, wurde es der Römischen Kirche dienen, so wie Escrivá meinte, dass der Kirche gedient sei. Escrivá wiederholte bei verschiedenen Gelegenheiten die Phrase „der Kirche dienen, wie die Kirche bedient sein will“, vor allem wenn es sich um hohe Würdenträger im  Vatikan handelte. Das wiederholte man bei einem der ersten Treffen mit Kardinal Tardini, einem aktiven Vertreter des ultrakonservativen Flügels des  Vatikans, und Escrivá schrieb seinen Jüngern diesen Satz auch in einem der Briefe, die er gelegentlich in einem pontifikalen Stil an die Mitglieder des Opus Dei richtete.

Trotz seiner Approbation als erstes Säkularinstitut begegneten dem Opus Dei vor und nach 1950 gewisse Schwierigkeiten im Vatikan, nachdem sich die Eltern einiger der ersten jungen italienischen Mitglieder dort beschwert hatten, die vom Opus Dei eingefangen worden waren. Einer der Chronisten und Hagiografen Escrivás erkennt das an, wenn er bemerkt: „Die Geschichte wiederholte sich, man säte unter den Eltern einiger italienischer Mitglieder Zweifel und Unruhe, wie dies vorher bei Familien in Spanien geschehn war.“ [Vázquez de Prada, Andrés, „El fundador des Opus Dei“, Rialp, Madrid, 1985, S. 259]. Deshalb überlegte man sich in den römischen Dikasterien einen Plan, Escrivá aus der Leitung des Opus Dei zu entfernen und eine strikte Trennung zwischen der Männlichen und der Weiblichen Abteilung durchzuführen, so als ob es zwei unterschiedliche Organismen wären, abgesehen von der Rolle, die die Priester in diesem Durcheinander spielten. Mit diesem Plan wollte der Vatikan kategorisch die enorme Zweideutigkeit klären, die darin lag, dass man weiterhin drei Zweige hatte, von denen man niemals wusste, wo der eine begann und der andere aufhörte und wo die Grenzen und Verantwortlichkeiten seiner Mitglieder lagen. Die Zweifel des Vatikans erstreckten sich bis auf den „Geist des Werkes“, der sie wie die Lehre von einem katholischen Übermenschen zeigte, und es gab eine ernsthafte Bemühung, die drei Gelübde mit dieser Lebesnform kompatibel zu machen („Armut, Keuschheit und Gehorsam“), denn sie waren bis dahin typisch für Ordensleute gewesen, und das Bemühen der Mit­glieder des Opus Dei, als Laien aufzutreten, verursachte unweigerlich Komplikationen, sowohl auf der juristischen Ebene als auch auf der moralischen, wenn Verantwortung zuzuweisen war. Mit diesem Plan versuchte der Vatikan päpstliche Anerkennung als Säkularinstitut der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz unangetastet zu lassen, der priesterliche Zweig des Werkes, der jurustisch zweideutig war, während er nach außen als Lokomotive dargestellt wurde, die die beiden anderen Waggons des Opus Dei zog.

Das entfesselte unweigerlich eine Krise, die 1951 ausbrach und an die vorhergehende von 1949 anschloss, als der Vatikan die Frage nach der Bindung und dem Gehorsam der Diözesanpriester aufwarf, die sich dem Opus Dei anschlossen. In beiden Fällen war die Reaktion Escrivás unangemessen, und wenn er 1951 ausrief: „Wenn sie mich hinauswerfen, bringen sie mich um; wenn sie mich hinauswerfen, ermorden sie mich“ [Gondrand, Francois, „Al paso de Gott“, Rialp, Madrid, 1985, S. 206]. Zwei Jahre vorher, 1949, hatte er von einer „neuen Gründung“ nur für die Diözesanpriester gesprochen, aber es hätte ihm das Herz eines Vaters und einer Mutter schmerzlich zerrisssen“. [Bernal, Salvador, „Monseñor Josemaría Escrivá de Balaguer“, Rialp, Madrid, 1976, S. 158; Vázquez de Prada, Andrés,  S. 257]. Vor der Ausführung des im Vatikan ausgearbeiteten Plans rettete Escrivá lediglich die direkte Intervention Papst Pius XII., der sich entschloss, diese Reihe von Maßnamen klug aufzuschieben, um das chaotische Itinerarium juridicum des Werks zu entwirren, und die ultrakonservative Franktion im Vatikan mischte bei diesem Aufschub kräftig mit. Der priesterliche Zweig mit allem, was das implizierte, war die Hauptschwierigkeit in diesem Konflikt, und dieser strittige Punkt zog sich für das Opus Dei bis ins 21. Jahrhundert, und die Probleme und Konflikte überlebten sogar die Anerkenung als Prälatur im Jahr 1982. Weit weniger Bedeutung hatte da die Unabhängigkeit des Opus Dei von der Kongregation für die Ordensleute, obwohl es Laien in seinen Reihen hatte, oder dass die Rechtsfigur des Säkularinstituts eine ausschließliche Ordensdimension hatte, beides Dinge, die das Opus Dei nur widerwillig hinnahm; aber mit alledem konnte man die Aufmerksamkeit auf einige Themen abzulenken, die man für sekundär hielt, während es dem Vatikan vor allem um die Aktivität und die Versorgung der Mitglieder der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz ging und seine niemals geklärten Beziehungen zu den anderen Zweigen im des Opus Dei.

Währendessen stützte sich die massive Anwerbung von Mitgliedern Dei in Spanien darauf, dass es eine neuartige Struktur hätte und als erstes Säkularinstitut päpstlichen Rechts anerkannt worden sei. Als es also die Gelegenheit gab, den Nationalen Kongress des Lebens der Vollkommenheit und des Laienapostolats, der in Madrid im Herbst 1956 abgehalten wurde, nahmen die Mitglieder des Opus Dei mit Begeisterung teil und überstürzten sich damit es zu zeigen. Der Kongress bedeutete einen großen öffentlichen Erfolg für das Werk, aber der Schuss ging nach hinten los, und sowohl der Vatikan als auch andere Organisationen der Katholischen Kirche sahen mit scheelen Augen den Hochmut und den Überlegenheitskomplex von Seiten des Opus Dei, das mit allen Mittel die Ernennung der anderen Säkularinstitute kontrollieren wollte, nachdem es in den letzten Vorbereitungssitzungen den Triumph erlebt hatte, das erste zu sein.

Aber Escrivá war bei seinem Vormarsch zu allem bereit, schenkte den Mahnungen des Vatikans zur Vorsicht keinerlei Beachtung, entfesselte eine Anwerbungskampagne nach der anderen, so als handelte es sich um eine Flucht nach vorne. Bestrebt, mit allen Mmitteln voranzukommen, war ihm nur sein Ehrgeiz wichtig, obwohl ihm bereits Hunderte Mitglieder folgten. „Wachsen oder sterben“, pflegte Escrivá damals zu wiederholen, eine Phrase, die als sogar als Slogan und Emblem für den Verlag Rialp diente, der seinen Namen zur Erinnerung an die Berge trägt, die Escrivá während des Kriegs überquerte, bis hin zur bezahlten Werbung für die erste Bank des Werks, des Banco Popular Español.

Durch seine Stellung als Säkularinstitut brauchte der priesterliche Zweig des Opus Dei einen Kardinalprotektor in Rom, ein Vertrauensamt, in das nacheinander die Kardinäle Tedeschini, Tardini, Ciriaci und Antoniutti, Purpurträger, die sich durch ihren extremen Konservatisvismus in der römischen Kurie auszeichneten, bestellt wurden. Der erste war Federico Tedeschini, ein alter Kardinal, der in den Zeiten der Diktatur Primo de Riveras und der Zweiten Republik Nuntius in Spanien gewesen war. Da eine der Obsessionen Escrivás darin bestanden, Unterstützung zu suchen, vor allem im  Vatikan, ernannte er ihn zum Kardinal-Protektor des Werks, denn der Kardinal Tedeschini war einer der führenden Architekten des Internationalen Eucharistischen Kongresses gewesen, der am 28. Mai 1952 in Barcelona abgehalten wurde und der die völlige internationale Isolierung des Franco-Regimes durchbrach, indem der Vatikan der Diktatur Hilfestellung leistete. Der Diktator Franco war ihm so weit dankbar, dass er den Neffen des Kardinals, Juan Bautista Tedeschini, 1954 zum Marquis de Santa María de la Almudena ernannte. Der Spruch, der seinen neuen Wappenschild zierte, war: „Omnibus et in omnibus Christus“. Der alte Kardinal Tedeschini seinerseits dankte Escrivá für die Ernennung zum Kardinalprotektor in einem Brief vom 24. September 1953, in dem er Opus Dei in Ausdrücken, die uns lächerlich anmuten, wenn wir an das fortgeschrittene Alter des Prälaten denken, die aber auch einen Ehrenplatz in einer Anthologie ausgewählter Texte des Klerikofaschismus in Spanien einnehmen können: „Das Werk erlebte tatsächlich seinen Aufstieg während meiner Zeit als Nuntius (...) Ich betrachtete das Opus Dei als die schönste Blume in dieser Periode meines Lebens, als ich Schmerz und Trost erfuhr, in der mich die Vorsehung erkennen ließ, welche Kraft und welche Dynamik sich in der alten und ewig neuen Jugendkraft Spaniens verbirgt. Und sobald wir beide, ich und das Werk, in Rom waren und ich zum Protektor ernannt worden bin, und eine neue Berufung, das heißt, eine neue göttliche Einladung, zu der alten als Nuntius hinzuge­kommen, damit ich sein Schicksal in Spanien nicht aus den Augen verliere (...) Ich werde von Herzen alles dazu beitragen, damit es ein unüberwindliches, ein unerschöpfliches Bergwerk von Aposteln sei, von Laien, wie es die ersten Christen waren, und römisch.“ [Tedeschini, Federico, „Carta a Escrivá“, Rom, 24. 9. 1953. In: „El itinerario jurídico des Opus Dei“, EUNSA, Pamplona, 1989, S. 559-560].

Kardinal Federico Tedeschini, der in Spanien mit Hilfe des Opus Dei Kontakte in den letzten  Jahren seiner Karriere angeknüpft hatte, starb Ende 1959. Ihm folgte Domenico Tardini im Ehrenamt des Kardinal-Protektors der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz und auch des Opus Dei. Die Sympathie, die Tardini gegenüber dem Werk zeigte, geht auf die Zeiten Pius´ XII. zurück, als Escrivá 1946 nach Rom kam, und die enge Beziehung blieb auch nach seiner Erhebung zum Kardinal und bis zu seinem Tod im Jahr 1961 erhalten. Tardini war einer der unnachgiebigsten Kirchenfürsten im Vatikan und unversöhnlich gegenüber der Bewegung der Arbeiterpriester, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich entstanden war. Die Präsenz des Opus Dei in Rom ab 1946 war nützlich für die Ziele der Gruppe ultrakonservativer Prälaten im Vatikan, hohe kirchliche Würdenträger, eifersüchtig auf ihr Amt bedacht und fundamenta­lis­tisch, tief überzeugt von der Unveränderlichkeit der katholischen Lehre. Die Gruppe, an deren Spitze Kardinal Ottaviani stand, bediente sich des Werks Escrivás als Gegengewicht gegen andere europäische katholische Organisationen, die man von Anfang an als verderblich betrachtete. Man zitiert als Beispiel die Mission de France, die 1954 das juristische Statut einer „Praelatura nullius“ erhielt.

Die Sympathie, die Ottaviani und Tardini dem Opus Dei zeigten, erklärt, dass das Werk 1955 vom Vatikan eine Villa in Castelgandolfo, dem Sommersitz der Päpste, für Einkehrtage und Bildungsverqanstaltungen zum Geschenk erhielt. Das erklärt auch, dass das  Opus Dei ein Jahr später eine Praelatura nullius in den peruanischen Anden erhielt. Die Prälatur Yauyos in Peru, an deren Spitze Ignacio Orbegozo stand, einer der ersten Anhänger Escrivás und Priester des Opus Dei, war ein Kompromiss, den Escrivá akzeptieren musste, wenn er seinen Einfluss im Vatikan vergrößern wollte, da er nun einmal eine ambitionierte Politik begonnen hatte. Diese „Praelatura nulllius“ löste keine einzige der anstehenden juristischen Fragen und bedeutete eher eine Schwierigkeit, aber es bedeutete auch eine Auslage, ein Schaufenster des modernen Apostolats der Katholische Kirche auf den peruanischen Hochebenen, und zugleich ein deutliches Beispiel, mit dem das Werk Escrivás angeben konnte, wenn es das Angebot des Vatikans nicht zurückwies. Die Position des Opus Dei verstärkte sich und fand keinen Widerspruch, sondern nur Lob, als die Stunde der Anerkennung der Universität von Navarra als Erziehungszentrum der Römisch-Katholischen Kirche gekommen war. Die Proklamation des dürftigen „Studium generale von Navarra“ als päpstlicher Universität im Jahr 1960 verdankt sich den ausgezeichneten Beziehungen Escriváa und der Mitglieder des Opus Dei in Rom zu den Monsignori des ultrakonservativen Flügels im Vatikan.

Zu diesem Zeitpunkt hielt Escrivá die Gelegenheit für gekommen und konsultierte den Kardinal Tardini in seiner Eigenschaft als Staatssekretär des Vatikans, ob es angebracht sei, offiziell einen Antrag um Revision des juristischen Status des Opus Dei einzubringen. [ „El itinerario jurídico des Opus Dei“, EUNSA, Pamplona, 1981, S. 325-326]. Tardini zeigte Escrivá, dass die Zeit noch nicht reif für ein formales Ansuchen um eine formale Revision des juristischen Status war und „dass es für den Moment besser sei, wenn die Dinge bleiben wie sie sind“. [ „El itinerario jurídico del Opus Dei“.].  Als der Kardinal allerdings im Sommer 1961starb , entschied Escrivá, ungeduldig wie er war, weiterzugehen, und er missachtete die Ratschläge des Kardinals Tardini, den man im Opus Dei sehr gut kannte, da er einer der Prälaten war, die 1960 an der bewegenden Feier der Segnung des Schlussteins am Zentralsitz des Opus Dei teilgenomen hatten.

Im Dezember 1961 wurde Pietro Ciriaci von Escrivá zum Kardinal-Protektor des Opus Dei auserkoren. Der Nachfolger Kardinal Tardinis als „Protektor“ des Werks war  niemand geringerer als der Sekretär der Konzilskongregation, der vorher einer der schärften Kritiker einen neuen Konzils gewesen war und der Öffnung im Vatikan entgegengearbeitet hatte. [Artigues, Daniel, „El Opus Dei en España“, Ruedo Ibérico, París, 1971, S. 135]. Ciriaci war es, der Escrivá geraten hatte, vor der Bitte um eine Änderung der Statuten diese Frage formell Papst Johannes XXIII vorzulegen.

Die einfache und direkte Art Johannes´ XXIII. war genau das Gegenteil dessen, was das Opus Dei vertrat. Die liberale Ausrichtung des Roncalli-Papstes prädestinierte ihn nicht unbedingt dazu, das zu verstehen, was Escrivá und das Opus Dei repräsentierten. Johannes XXIII. hatte bereits zwei persönliche Begegnungen mit dem Opus Dei gehabt.

Als er auf einer Wallfahrt nach Spanien kam, damals als Kardinal und Patriarch von Venedig, hatte er am 23. Juli 1954 im Studentenheim La Estila des Opus Dei in Santiago de Compostela zu Abend gegessen, und er übernachtete auch im Haus Miraflores des Opus Dei in Saragossa. Über diesen Aufenthalt im Studentenhaus von Santiago erzählt ein Leiter des Opus Dei, dass er „mit einigen Universitätsprofessoren zu Abend aß (...) und dann mit etwa hundert Studenten ein Beisammensein hatte; sie erzählten ihm Anekdoten aus dem Universitätsleben in Santiago, stellten ihm Fragen, die er mit Einfachheit beantwortete, wir sangen ihm Lieder vor, unter denen eines nicht fehlen durfte: „Triste und sola se queda Fonseea...“ Wir verbrachten eine sehr angenehme Zeit, und er zeigte sich höchst erfreut“. [López Rodó, Laureano, „Memorias“, Plaza & Janés, Barcelona, 1990, S.158].

Einer der Chronisten des Opus Dei weiß zu berichten, dass er in Santiago de Compostela im Gästebuch von La Estila eine eloquenete Widmung hinterlassen habe. [Vázquez de Prada, Andrés, „El fndador del Opus Dei“, Rialp, Madrid, 1985, S. 328].

Johannes XXIlI. erhielt Anfang 1962 eine dokumentierte Bittchrift von Seiten des Opus Dei, in der formell um die Revision des juristischen Status angesucht wurde. Escrivá wollte für das Werk ein Statut ähnlich der Mission de France, die dieses 1954 bekommen hatte, und das löste im Vatikan Unruhe aus. Der Vorschlag bestand darin, für das Opus Dei eine „Praelatura nullius“ zu errichten, indem der Papst ihm ein Territorium, wenn auch ein symbolisches, überließ, mit weniger als drei Pfarreien, in der die Priester des Werks inkadriniert sein könnten und das zudem ein besonderes Recht erhalten solle, das auf den Konstitutionen basierte, die bereits vom Vatikan approbiert waren. Vom kanonischen Standpunkt aus war dieser Vorschlag eine Mischung zwischen einer Prälatur und einem Militärvikariat, und Escrivá nahm, nunmehr auf der Grundlage einer Bittschrift, die wieder auf das Argument zurückgriff „es sei geistliche Betreuung einiger Laien , die ihre Aufgabe mit einer besonderen Bildung erfüllen, einer apostolischen Avantgarde“. [„El itinerario Jurídico del Opus Dei“, S. 335]. Das schien  nicht überzeugend für die Katholische Kirche. Der Papst schätzte den Vorschlag nicht, und die formelle Bitte Escrivás wurde vom Vatikan abgewiesen, in einem Brief an den Gründer mit dem Datum 20. Mai 1962.

Einige Wochen vorher erfuhr Escrivá von dem geringen Echo, das er gefunden hatte, und er fürchtete das Schlimmste für die geringen Chacen, dass sein Antrag vom  Papst angemommen werden könnte, bezog sich in einem Schreiben vom 20. April auf „die Aufrichtigkeit, die Reinheit der Absicht, die Liebe zur Heiligen Kirche und meine Berufung, die mich dazu bewegen vorzusorgen, dass wir kein Säkularinstitut mehr sind“. Sein Stolz brachte ihn dazu, seine Verantwortung am Scheitern des Versuchs die Statuten zu ändern und die verlästerte juristische Gegenbeit des Säkularinstituts aufzugeben, ein Prozess, den er wie folgt erklärte: „Die Reinheit der Absicht hatte außerdem den Verdienst des Gehorsams (...) und wir haben uns darauf beschränkt dem Kardinal-Protektor zu gehorchen, der uns versicherte, dass er alles voranbringen werde. Ich hätte mich in diesem Moment nicht gerührt.“ [ „El itinerario jurídico del Opus Dei“, S. 337].

Nachdem sich Escrivá Wochen später von der enormen Unannehmlichkeit erholt hatte, die die Ablehnung durch den Vatikan für ihn bedeutete, schrieb er einen Antwortbrief, in dem er wiederholt  seine „vollständige und vollkomene Unterstützung des Heiligen Stuhles“ beteuerte, und regte ein Gespräch mit Johannes XXIII. an, das ihm auch prompt gewährt wurde.  Für solche Anlässe wie eine Papstaudienz und andere wichtige öffentliche Anlässe zog er die Montur eines „Päpstlichen Hausprälaten an“. In seiner rustiklaen Ausdrucksweise sagte er „buntes Gewand“ dazu“ und wenn er das den Mitgliedern des Opus Dei sagte, die ihm mit offenem Mund zuhörten, dass der Ornat eines Prälaten „wie ein anderer Bußgürtel“ sei, so täuschte er nur unter dem Mantel einer angeblichen Demut über seine Liebe zum Pomp hinweg, und wenn er als Prälat herumspazierte, sah er den großen Würdenträgern der Kirche zum Vewechseln ähnlich.

Bei der Audienz vom 27. Juni 1962 kommentierte Johannes XXIII. gegenüber Escrivá mit liebenswertem Verständnis und in zwei Sätzen das spektakuläre Wachstum des Opus Dei und seine Verbindungen zur Macht, die Respekt, Angst oder Erstaunen abnötigten. Johannes XXIII. sagte zum Gründer des Opus Dei: „Als ich das erste Mal über das Opus Dei reden hörte, sagte man mir, das sei eine „imponierende Institution, die viel Gutes tue“. Beim zweiten Mal..., das es eine sehr imponierede Institution sei, die sehr viel Gutes tue.“ [Sastre, Ana, „Tiempo de caminar“, Rialp, Madrid, 1989, S. 456]. Escrivá seinerseits kommentierte eine gewisse Zeit danach: „Pius XII. hat das Werk gekannt und geschätzt...Johannes  XXIII. liebte es sehr und sagte mir, dass er es näher kennenlenen wollte... Eines Tages sagte er bei einem Gespräch zu mir auf Italienisch: „Monsignore, das Werk eröffnet meinen Augen unbegrenzte Horizonte, die ich noch nicht entdeckt hatte.“ [Sastre, Ana, S. 456].

Vor den Mitgliedern des Opus Dei Escrivá sprach er unverblümt, und seine herabsetzenden Kommentare machten auch vor der Person des Papstes nicht halt. Im Hinblick auf Johannes XXIII. belegen Zeugen, dass der gelindeste Ausdruck für ihn „Bauernlümmel“ gewesen sei, [Tapia, María del Carmen, „Carta a Su Santidad Juan Pablo II, Hecho n° 6, Santa Bárbara (California), 2 August 1991] das heißt, ein grober, ungeschliffener Mensch. Aber die liberalen Winde, die im Vatikan während des Pontifikats Johannes XXIII. wehten, waren für das Opus Dei nicht günstig. Die jüngsten Manipulationen waren noch nicht vergessen, mit denen sich Escrivá und seine Jünger exzessiv beim verstorbenen Kardinal Tardini kompromittiert hatten, der über Jahre hinweg die konservative Opposition leitete, die sich jeder Öffnung in der vatikanischen Kurie verschloss und das Opus Dei als Stoßstange nützte. Die Zukunft des Werkes Gottes und Escrivás zeigte schwarze Wolken am Horizont.

Escrivá gewann in Rom nach und nach das Vertrauen der Männer in der Vatikanischen Kurie, durch die alte Technik von Schmeicheleien, Einladungen zu Tisch, durch Geschenke, und das in einer Zeit, als diese Monsiognori bescheiden lebten und keinen Wert auf exzessiven Luxus legten. Er konnte sogar in die vatikanische Bürokratie zwei oder drei Numerarier einschleusen, die ihr Netzwerk knüpften. Ziel war die kanonische Approbation, die sie nich nicht in ihrem Sinn erreicht hatten, und Escrivá konspirierte, um die Einflussmöglichkeiten für das Opus Dei im Vatikan zu erweitern, er erhielt einige Rückschläge in seiner Gier nach Macht, dann aber kam das Ereignis, das das Werk Gottes bis in seine Grundfesten erschüttern sollte: das Zweite Vatikanische Konzil. [Ynfante, Jesús, „Opus Dei“, Grijalbo Mondadori, Barcelona, 1996, S. 316 ff.].

Papst Johannes XXIII. hatte im Januar 1959 unerwartet seine Entscheidung bekanntgegeben, ein Ökumenisches Konzil einzuberufen, das das Zweite Vatikanum heißen sollte. Als der Gründer des Opus Dei davon erfuhr, betete er und ließ alle Mitglieder des Werks „für einen glücklichen Ausgang dieser großen Initiative, des Ökumenischen Konzils“ beten“. [Cejas, J.M., „Vida del Beato Josemaría“, Rialp, Madrid 1992, S.181]. Die Präsenz des Kardinals Tardini als Staatssekretär unter Johannes XXIII. beruhigte während der Vorbereitung des Konzils die Mitglieder des Opus Dei, aber sein Tod 1961 beraubte sie eines seiner wichtigsten Förderer. Escrivá hatte die Freundschaft unter den ultrakonservativen Kirchenfürsten der vatikanischen Kurie gepflegt, aber nachdem Tardini verschwunden war, war sein Nachfolger Ciriaci als Kardinalprotektor des Werks nicht genau das, was Escrivá wünschte. Seine hauptsächlichen Stützen waren von da an Angelo Dell'Acqua, ein bedingungsloser Freund des Werks und persönlicher Freund Escrivás, der damals das Amt eines Substituts des Staatssekretariats für Gewöhnliche Angelegenheiten bekleidete, außerdem Ildebrando Antoniutti, Präfekt der Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute. Escrivá hatte vor, Dell'Acqua eine ähnliche Rolle zuzuteilen, wie sie Tardini gespielt hatte, aber der Vatikan hatte sich seit den fünfziger Jahren verändert. Ildebrando Antoniutti wurde seinerseits Kardinal-Protektor des Opus Dei. Mitte Mai 1962 war Antoniutti zwar nicht mehr Nuntius in Spanien, aber er blieb einer der verständnisvollsten kirchlichen Würdenträger, die das Opus Dei und die Diktatur  Francos hatten. Seine Verbindung zum Werk Gottes war so eng, dann man diesen Prälaten nicht vergessen darf, wenn man den Einfluss des Opus Dei in der Vatikanische Kurie analysieren möchte.  Er kehrte nach Rom zurück, nachdem er Kardinal geworden war, und wurde Präfekt der Kongreation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, und von da an wurde er zu einer einflussreichen Person für das Werk Gottes bei seiner Vatikanpolitik.

Das Zweite Vatikanische Konzil, das Papst Johannes XXIII. einberufen hatte, versammelte über 2000 katholische Bischöfe aus der ganzen Welt. Die zwischen 1962 und 1965 redigierten und veröffentlichten Dokumente deuteten auf eine größere Liberalisierung, und das Modewort war „aggiornamento“, Anpassung an den Tag, wie etwa in der Frage der religiösen Toleranz, der Beziehung zwischen der Kirche und der Welt und den Strukturen der Kirche. Das Konzil  vesuchte besonders die bedeutende Rolle zu betonen, die die Laien spielen sollten. Der Tod von Johannes XXIII. im Juni 1963 zwischen der ersten und der zweiten Session des Konzils bedeutete kein großes Hindernis, und sein Nachfolger, der Kardinal und Erzbischof von Mailand, Giovanni Battista Montini, wurde in einem raschen Konklave zum Papst gewählt, der sich Paul VI. nannte. Der neue Papst war über die Situation des Opus Dei seit seiner Ankunft in Rom im Bilde, denn aufgrund seiner Ämter in der Kurie hatte er sich damit beschäftigen müssen.

Escrivá nahm die Wahl des neuen Papstes mit deutlichem Missbehagen auf. Ein ehemaliger hoher Funktionär des Werks, der damals in Rom anwesend war, versichert, dass „[Escrivá] gegen Montini hetzte, ihn als Freimaurer beschimpfte, und andere Freundlichkeiten. Er war sehr wütend und meinte, alle, die ihn gewählt hätten, würden zur Hölle verdammt werden“. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, S. 27] Die Qualifizierung als „Freimaurer“ im Mund Escrivás lässt sich dadurch erklären, dass sich der Kardinal Montini als Erzbischof von Mailand den allgemeinen Hass der Klerikofachisten Spaniens zugezogen hatte, weil er in einem Telegramm um Milde für die Arbeiter und Studenten bat, die das Regime verurteilt hatte, und zwar zu einer Zeit, als bereits Mitglieder des Opus Dei als Minister in der Regierung Francos saßen. Zwar hatten die Mitglieder des Opus Dei noch keinen besonderen Einfluss, aber sie hatten ihren Papstkandidaten in der Person des Ildebrando Antoniutti, einen der „veständnisvollsten“ Kardinäle, die das Opus Dei und die Diktatur Francos hatten. Über Paul VI. machte Escrivá ähnliche Kommentare wie über Pius XII: „Wir wollen doch sehen, ob er uns einmal in Frieden lässt und ob Gott unser Herr ihn in Seinem unendlichen Erbarmen zu sich in den Himmel nimmt“. was Johannes XXIII. betrifft, so bezeichnete er ihn als „Bauernlümmel“, Paul VI. nannte er öffenlich „Jesuitenknecht“. [Tapia, María del Carmen, „Carta a Su Santidad Juan Pablo II“, Hecho n° 7, Santa Bárbara (California), 2. August 1991].

Man muss anmerken, dass Escrivá die Hierarchie der Katholischen Kirche akzeptierte, muss aber erwähnen, dass er stets hinzufügte: „trotz allem“. Seine Zurückweisung gegenüber jeder Maßnahme oder Haltung der katholischen Hierarchie war überaus heftig, wenn sie das Werk nicht schätzten und die Escrivá die „Oppsoition gegen das Vordringen des Opus Dei“ nannte. Da ihm so viel Rebellion und Umsturz widerstrebte, suchte Escrivá immer mehr die Konfrontation mit den Päpsten als den Schutzherrn des Ökumenischen Konzils, eines Ereignisses, das nicht nur das Opus Dei, sondern die ganze Katholische Kirche bewegte. Er dachte in seinem Wahn, dass sich der Teufel im Haupt der Kirche eingenistet habe. Escrivá und sein Opus Dei dachten anders als der Rest der Katholischen Kirche. „Wir sind der Rest Israels, auserwählt von Gott um die Bekehrung einzuleiten“, pflegte er seinen Jüngern in Anlehnung an einen Bibelvers zu sagen. [Moncada, Alberto, S. 29]. Andererseits betonte er seine Vorreiterfunktion, und er konnte es nicht ertragen, von der Hierarchie der Kirche an den Rand geschoben zu werden, ebeso wenig wie sein Werk. Escrivá nahm an keiner der Kommissionen und Sessionen des Konzils teil, nicht als Konzilsvater, weil er kein Bischof war, und nicht als Konsultor, weil er nicht eingeladen war. Es war aufschlussreich und zugleich beunruhigend, dass sich bei dieser historischen Versammlung der Katholischen Kirche das erste und größte Säkularinstitut zurücknahm oder von der kirchlichen Hierarchie nicht beachtet wurde. Namens des Opus Dei war kein Mitglied in den Konzilsgremien vertreten, auch wenn einige Mitglieder des Werks  traditionellen Kommissionen wie denen über die Ordensleute oder die Disziplin des Klerus mitarbeiteten, aber es war nicht mehr als ein halbes Dutzend. [Estruch, Joan, S. 339-340]. Zwei Numerarier konnten sich in ihrer Eigenschaft als peruanische Bischöfe „Konzilsväter“ nennen“.

Nach den beiden ersten Sessionen des Konzils erhoben sich bereits Stimmen, die meinten, das zahlreiche Aspekte der Lehre des Gründers des Opus Dei nicht vereinbar mit einigen Positionen des Konzils wären, zum Beispiel mit der Religionsfreiheit. Der „heilige Zwang“, wie ihn das Werk propagiert, passte schlecht zu den Anforderungen des Konzils. [Artigues, Daniel, S. 135]  1963, zwischen der ersten Vollversammlung und der Eröffnung der zweiten Session, sammelten progressive Katholiken, die während des Konzils euphorische Momente erlebten, Beweise gegen die Fundamentalisten, die sich für eine Unveränderlichkeit der Lehre stark machten, vor allem gegen das Opus Dei. Besondere Informationen von „Persönlichkeiten der spanischen Kirche“ lenkten die Aufmerksamkeit auf „die Aktivität bestimmter Kirchenmänner und Laien, deren Vorgangsweise das Prestige und die künftige friedliche Entwicklung der Kirche in Frage stellen“. [Artigues, Daniel, Anexo 2, S. 221 ff.].

Aber vor allem erschien es vom rein kanonischen Standpunkt aus sehr bedenklich für den Vatikan, dass manchmal Priester den Laien im Opus Dei untergeordnet waren. Ein weiteres heikles juristisches Problem gab es mit der bischöflichen Jurisdiktion und mit dem doppelten Gehorsam der Mitglieder des Opus Dei, die den Bischof nicht als einzige Autorität in seiner Diözese akzeptierten. Im Oktober 1963 wagte es Escrivá, einen unüberlegten Schritt zu tun; er beging eine juristische Manipulation, die ihm im Vatikan sehr schaden sollte. Wenn er während des ersten Halbjahres 1962 vergeblich versucht hatte, eine Revision des juristischen Statuts des Säkularinstituts zu erreichen, so scheiterte Escrivá ein Jahr später damit, eine geänderte Fassung der „heiligen, immerwährenden und unverletzlichen“ Konstitutionen des Opus Dei vorzulegen. Man weiß nicht, ob Escrivá die Nerven verlor, schlecht beraten war oder die Risiken schlecht einschätzte, stur wie er bei seinem Projekt war. Man sagte damals auch, dass das Opus Dei damals als Speerspitze gebraucht würde und dass es die Monsignori des ultrakonservativen Flügels des Vatikans gewesen seien, die Escrivá angestiftet hättn. Da er nicht mit der Verzögerung einverstanden war und mit allen Mitteln und dem Blick in die Zukunft Änderungen in den Statuten beschleunigen wollte, entschloss sich Escrivá die geheimen Konstitutionen des Opus Dei in diesem Herbst 1963, am Vorabend der zweiten Session des Konzils, zu ändern. Die Gelegenheit schien besonders günstig, und Escrivá nützte die Sedisvakanz nach dem Tod Johannes´ XXIII. und das Vertraue seines Nachfolgers Paul VI., der sein Pontifikat damit begann, dass er sich überfordert fühlte, sowohl bei der Steuerung des Konzils wie bei den spezifischen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls. Ildebrando Antoniutti, Präfekt der Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, blieb als Kardinal-Protektor des Opus Dei bei dem juristischen Manöver nicht untätig, da er sich bemühte, die Veränderung der Konstitutionen rasch durchzuziehen. Außerdem geschahen die Änderungen an den Konstitutionen des Opus Dei genau dann, als die wichtigsten katholischen Organisationen volkommen durch das Konzil in Anspruch genommen waren. Wenn sie aus irgendeinem Grund ein Treffen während des Konzils veranstalten mussten, so wie die Jesuiten, deren General gestorben war, so war dies nun eben zu verschieben, und man musste sich später erneut versammeln, um die Struktur der Organisation mit den Beschlüssen des Zweiten Vatikanums in Einklang zu bringen. [Walsh, Michael, S. 82].

Am 2. Oktober wandte sich Escrivá an Papst Paul VI., wie es vorgeschrieben und üblich war, um die neuen Änderungen an den Konstututionen vorzuschlagen. Bis dahin hatte das Opus Dei kaum mehr als ein dutzend Änderungen für die Konstitutionen von 1950 vorgeschlagen. Die Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, die Antoniutti leitete, antwortete rasch und erteilte ihre Zustimung drei Wochen später, am 24. Oktober, und am 31. Oktober lag bereits die erste Ausgabe der erneuerten Version der Konstitutionen des Jahres 1963 in gedruckter Form vor, und man rechnete mit einem fraglichen „Nihil obstat“ des Vatikans, da sie noch nicht die Approbation ihres Vorgesetzten, also des Papstes, abgewartet hatten. Der Text wirkte nach den Änderungen „entschärft“ und von 479 auf 398 Vorschriften abgeschlankt; das betraf aber nicht die wichtigsten Teile. Freilich, die Realität war eine andere, und die „Reinheit der Absicht“ Escrivás und der Leiter des Opus Dei war in Frage gestellt. Es gab vor allem eine Manipulation im Text, die winzig scheinen könnte, aber einige Konzilsväter unter den mehr als 2000 Bischöfen der katholischen Welt alarmierte, denn sie hatten es gewagt, den § 3 der Norm 76 in den Konstitutionen von 1950 zu unterdrücken, der darauf hinwies, dass „die Erlaubnis des Ortsordinarius notwendig sei“. Das bedeutet, dass die in einer Diözese inkardinierten Priester nicht  mehr verpflichtet sind, den Bischof um Erlaubnis zu bitten, bevor sie sich als Mitglied an die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz inerhalb des des Opus Dei anschließen. Nunmehr musste der Ordinarius nicht mehr informiert werden, was eine rechtswidrige Situation zur Folge hatte, sodass sich das Opus Dei in weiterer Konsequenz der diözesanen Disziplin entziehen konnte und sich zu einer Parallelkirche entwickelte. Nach dem vorschnellen Manöver mit den Änderungen schickte Escrivá am 31. Oktober einen Brief an Antoniutti, zusammen mit einem gedruckten Exemplar der neuen Version der Konstitutionen, und er dankte ihm für sein Vorgehen und drückte einmal mehr seine Sorge um die Zukunft aus: „Ich bin mir bewusst, dass, wie ich Eurer Eminenz gegenüber bereits oftmals ausgedrückt habe, dass noch viel für die endgültige juristische Lösung für das Opus Dei fehlt. Mich tröstet freilich die Gewissheit, dass der Allmächtige Gott nicht verfehlen wird, uns durch seine Heilige Kirche, den Weg zu eröffnen... „. [„El itinerario jurídico des Opus Dei“, S. 349].

Drei Monate später, am 24. Januar 1964, empfing Paul VI. Escrivá zum ersten Mal in Audienz, und die Initiative ging anscheinend vom Vatikan aus. Aus der Art, wie sich Paul VI. anschließend verhielt, lässt sich schließen, dass es eine mündliche Ermahnung des Heiligen Vaters für den Gründer und Generalpräsidenten des Opus Dei gab, der ganz nüchtern in der Audienz empfangen wurde. Es war klar, dass Paul VI. im Bilde über die zahlreichen Kritiken war, die den Vatikan erreicht hatten und die die außerreligiösen Aktivitäten des Opus Dei betrafen, vor allem in Spanien. Escrivá seinerseits wiederholte gegenüber dem Papst seine gewohnte Rede über das Werk, dass es „ein neues pastorales Phänomen“ darstelle, und er beschwerte sich über das ständige Unverständnis, das das Opus Dei innerhalb der Kirche erfuhr.

Am 14. Februar, Tag der Verliebten und ein Gründungsdatum im Werk, übersandte Escrivá das vom Papst gewünschte Exemplar mit der neuen version der Konstitutionen. Er fügte die internen Dokumente bei, die von Paul VI. ausdrücklich verlangt worden waren, und der Dokumentation war ein einschmeichelnder Brief beigefügt, mit einem lateinischen Text und als Unterschrift einem einfachen Josephmaría. Der Brief datierte vom 2. Oktober 1958, auch wenn er nicht nur von Escrivá, sondern auch von anderen leitenden Mitgliedern des Opus Dei verfasst war, und zwar zu einem späteren Zeitpunkt als 1958; einige können hier präzisieren und angeben, er sei zwischen Januar und Februar 1964 herausgekommen. Im feierlichen Ton einer päpstlichen Enzyklika, den Stil des Empfängers nachahmend, beginnt der Brief mit „Ihr wisst sehr wohl, meine geliebtesten Töchter und Söhne“, um dann mit den im Werk bekannten topischen Phrase fortzufahren, Ziel und Mittel seien ganz und ausschließlich übernatürlich, wir seien keine Ordensleute, und man könne uns auch nicht Ordensleute oder Missionare nennen, ihr erfreut euch einer vollkommenen Freiheit, etc. Gerissen erinnerte er auch an den „unwandelbaren“ Geist des Gehorsams gegenüber der bischöflichen Hierarchie, den seine Söhne im Werk Gottes einhalten müssten, und die wichtigste Nachricht war zweifellos die über die juristische Lösung, und der Satz Escrivás im Brief war unterstrichen: „Und zugleich will ich zum Ausdruck bringen, dass wir sehnlichst wünschen, dass sich eine passende Lösung findet, die weder ein Privileg für uns darstellt – das widerstrebt unserem Geist und unserer Mentalität - „noch Änderungen in unseren Beziehungen zu den Ordinarien mit sich bringt“. Wie viele andere intene Dokumente des Opus Dei, die gnadenlos manipuiert sind, erlaubt auch der Brief an den Papst verschiedene Lesarten, und er  enthält eine Reihe indirekter Botschaften an Paul VI., wie durch den angeblichen Brief Escrivás an die Mitglieder des Werks deutlich macht. Escrivá richtete den Brief vom 2. Oktober 1958 nicht an die Mitglieder des Werk, wie interne Quellen des Opus Dei versichern, und er konnte ihn auch nicht in diesem Zeitraum geschrieben haben, mit einer so deutlichen Anspielung auf das Problem, das sich seit langem dahinschleppte, aber der Konflikt brach erst Ende 1963, Anfang 1964 aus.

Nachdem Escrivá die gewünschte Dokumentation zur Verfügung gestellt hatte, beauftragte Papst Paul VI. eine Kommission aus Juristen und Theologen der Kurie, um die Lage zu studiern und drakonische Maßnahmen anzuwenden.  Der Vatikan hatte die Bestrafung des Opus Dei sorgfältig studiert und plante, die Organisation in zwei unabhängige Zweige zu spalten: Eine sollte sich um die Priester formieren, mit dem Statut eines Säkularinstituts, und die andere sollte die Laien umfassen und sich in eine Laienvereinigung ohne einen spezifischen Charakter in irgendeine Richtung verwandeln. [Artigues, Daniel, S. 135]. Das Jahr 1964 bedeutete einen Kreuzweg und eine ständige Belastung für Escrivá und die Mitglieder des Opus Dei im Vatikan; für die Hagiografen Escrivás und Chronisten des Werk sollte es einfach das Jahr werden, „in dem der Gründer begann formale Schritte zu unternehmen, um das Statut des Opus Dei zu verändern“. Ein verräterisches Zeichen, wie ernst die Situation war, bietet das Faktum, dass Escrivá unauffindbar war, und seine Freunde in der Kurie, die darauf vertrauten, dass der Sturm abflauen würde, rieten ihm zu verschwinden, und so verabrachte er den Sommer 1964 außerhalb Roms.

Die Probleme für das Opus Dei veschärften sich im Sommer 1946, als die Winde des Zweiten Vatikanischen Konzils kräftig bis nach Spanien bliesen. Eine Schrift des Bischofs von  Mondoñedo, die im Archiv Francos im Palast El Pardo (Fasz. 29-69) aufliegt, erwähnt zwei Begegnungen in Rom mit dem Gründer des Opus Dei, bei der Escrivá eine ausgesprochene Feindseligkeit gegenüber dem Konzil zeigte. „Im ersten Gespräch“, berichtet der Bischof von Mondoñedo, „sagte er mir, dass wir spanischen Bischöfe uns nicht anders wie die von Guatemala verhielten. In der zweiten versicherte er mir, dass der spaniche Episkopat, der so tapfer, fähig und apostolisch ist, in der Welt wenig gelte.“ Und der Bischof von Mondoñedo meinte in  dem Bericht mit Bezug auf Escrivá: „Wenn ich den besten Willen meines Informanten voraussetze, glaube ich doch, dass diese Ansichten eine Ungerechrtigkeit in sich schließen“. Die Panik­stimmung verbreitete sich vor allem unter den Kirchenmännern, die dem Regime Francos verbunden waren. Das Schweigen der Bischöfe, deren Unnachgiebigkeit große Verwunderung bei ihren Konzilskollegen ausgelöst hatte, vermehrte die Unruhe bei den spanischen Ultra­katholiken. Um den Plänen des Vatikan zuvorzukommen, hielt man innerhalb des Werks den geeigneten Moment für gekommen, um in Spanien eine Junta Civil des Opus Dei zu schaffen, die offziell mit den Beziehungen zum Staat befasst war, und zwar mit der Generaldirektion für Kirchenangelegenheiten im Justizministerium. Man dachte daran, Alfredo López, einen Supernumerarier des Opus Dei und damaligen Unterstaatssekretär, mit der Führung dieser Junta zu beauftragen (der sich später um die Neuverleihung des Adeltitels eines Marquis de Peralta für den  Gründer des Opus Dei kümmerte). Die Entscheidung, die Escrivá geroffen hatte, der mit diesem Plan dem zuvorkam, woran man im Vatikan gedact hatte, rief große juristische Bedenken hervor, vor allem im Generalrat und bei einigen der Strategen des Werks, denn das Vorhaben bedeutete, dass man gewaltsam seine gesetzliche Position definieren und öffentlich anerkennen müsse, dass man nicht ganz ein Säkularinstitut war, ein wichtiger Punkt, auf den sich die Propaganda seit 1947 gestützt hatte. Innerhalb des des Opus Dei entschied man sich die Maßnahme aufzuschieben und bessere Zeiten abzuwarten.

Seit ihrer Anerkennung als Säkularinstitut war die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz der einzige Zweig des Werkes, der seine Mitglieder vor den Ortsbischöfen deklarieren musste, um mit allen juristischen Garantien unter der Hierarchie der Katholischen Kirche arbeiten zu können. Das war die Bedingung, ohne welche die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz kein Apostolat in Spanien ausführen konnte, und sie wurde seit 1948 vom Opus Dei mehr oder weniger skrupulös erfüllt. 1964 hatte die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz 133 Priester offiziell registriert, deren Wirken und Apostolat von den spanischen Bischöfen und der Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute abhing. Die vollständige Liste mit ihren Namen, den Herkunftsdiözesen, Geburtsjahr, Jahr der Weihe, Aufträge, die sie erhalten haben, und ihr Wohnort lagen in den Archiven der Spanischen Bischofskonfernez auf. [Siehe bei: Ynfante, Jesús, „La prodigiosa aventura...“, S. 143-152].

In Rom äußerten zu Beginn  der dritten Session des Konzils im Oktober 1964 einige Bischöfe ihre Verwunderung darüber, dass im Schema über das Apostolat der Laien nichts über die Säkularinstitute gesagt wurde. Ein Mitglied warf diese Frage auf, wies die Konzilsväter auf diese Lücke hin, und die Verantwortlichkeit fiel zum Teil auf das Opus Dei, weil es das größte und erste der Säkularinstitute war. Anscheinend gab es hier zahlreiche Initiativen von Seiten der Konzilsbischöfe, und man sprach von einem öffentlichen Prozess über das Werk Gottes, das heißt, dass der Konflikt über das Opus Dei auch als akutes Thema im Zweiten Vatikanischen Konzil behandelt werden konnte. Es war damals, als sich Escrivá als Opfer einer Verfolgung durch die Katholische Kirche sah und meinte, er wäre „nicht mehr der Mülleimer, sondern der Spucknapf für alle, denn jeder glaubte das Recht zu besitzen, auf diesen Mann zu spucken; und es stimmt, dass sie das Recht dazu hatten du es weiter haben, aber es übten die aus, die sich gut nannten, und diejnigen, die es nicht waren“. [Vázquez de Prada, Andrés, S. 512-513, Anm. 23].

Die strittige Frage war provisorisch beigelegt bei der zweiten Privataudienz, die Paul VI. dem Gründer des Opus Dei am 10. Oktober 1964 gewährte. Paul VI. schenkte  Escrivá einen Kelch aus Elfenbein und Edelmetallen, zusammen mit einem handgeschriebenen Brief, in dem der Papst, in voller Kenntnis des Vorgefallenen, den Beitrag des Opus Dei anerkannte, das er gleichzeitig als eine Injektion von Lebenskraft für die Katholische Kirche bezeichnete. Nun, ein diplomatischer Brief mit Lobesworten ist typisch für die vatikanische Politik, und der geschenkte Kelch erhielt eine tiefere Bedutung, als der Friede durch eine Umarmung besiegelt wurde. Der Brief des Papstes war versöhnlich, und im ersten Absatz bezog sich Paul VI. auf die „kindlichen Gefühle und die Liebe Uns gegenüber, von Seiten aller und jedes einzelnen Mitglieds der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz“, und er fügt hinzu: „In ihren Worten haben wir die Vibration des entzündeten, großzügigen Geistes der ganzen Institution wahrgenommen...“ Anscheinend hatten die Mitglieder des Werks all ihren Einfluss im Vatikan geltend gemacht, und ergänzend stareteten sie eine Kampagne, Bischöfe an Paul VI. schreiben zu lassen, der bewegt antwortete; auch wenn der Papst klar sah, wo das Problem lag, wandte er sich in erster Linie an den priesterlichen Zweig des Werkes, den einzigen, für den das Statut eines Säkularinstituts nach päpstlichem Recht wirkich passte, und dann, in zeiter Linie, an die „ganze Institution“. Paul VI. schien es günstig, den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils abzuwarten, bevor er sich den Problemen stellte, die das Opus Dei aufwarf, und so vermied er einen öffentlichen Prozess für das Werk. Für den Papst musste jede Maßnahme, die das interne Funktionnieren katholischer Organisationen betraf, verschoben werden, bis das Konzil seine Aufgaben erfüllt hätte, dann könnte man alles regeln, im Einklang mit den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils, das sich damals auf seinem Höhepunkt befand. [Walsh, Michael, S. 82].  Allerdings erwähnte Paul VI. in seinem Brief auch, dass sein Apostolat nicht so geheim sein dürfe. Deshalb schrieb der Papst, dass „das Opus Dei „offen sei“ für die Erfordernisse eines modernen Apostolats, das immer aktiver, verästelter und organisierter sei“.

Andererseits erreichte es das Opus Dei noch vor Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die Vermittlung von Kardinal Dell'Acqua, dass Paul VI. an der Eröffnung des Centro ELIS teilnahm, einem Akronym, das „Educazione, Lavora, Istruzione, Sport“ bedeutet, also „Erziehung, Arbeit, Bildung, Sport“, das im römischen Viertel Tiburtino lag. Das Hauptgebäude des Centro ELIS hatte den Nationalpreis für soziale Architektur in Italien erhalten. Das Zentrum verfügte über ein Heim für junge Arbeiter, einen Komplex mit Schulgebäuden und weite Sportanlagen, dazu eine Hotelfachschule für Frauen in einem völlig unabhängigen Gebäude. Daneben lag die Pfarre San Giovanni Battista „al Collatino“, die auch Priestern des Werks anvertraut war. [Sastre, Ana, S. 492]. Die Anfänge des Centro ELIS gehen auf die Zeiten Pius´ XII. und Johannes XIII. zurück. Aus Anlass des 80. Geburtstags von Pius XII.  wurde in der ganzen Welt eine Sammlung veranstaltet, deren Ergebnis ihm überbracht wurde. Pius XII starb, ohne über die Gelder verfügt zu haben, und durch eine günstige Indiskretion erfuhren die Leiter des Opus Dei, dass Johannes XXIII. dieses Geld einem bestimmten Zweck zuführen wollte. Nachdem die Leiter Opus Dei ein detailliertes Projekt ausgearbeitet und präsentiert hatten, erhielten sie den Zuschlag, um die Gelder für die Schaffung des Centro ELIS zu verwenden. Ein kirchlicher Würdenträger erzählte bei verschiedenen Gelegenheiten, dass Johannes XXIII., der ihn eines Tages in Audienz empfangen hatte, zu ihm sagte: „Jetzt gerade sind die vom Opus gegangen; die ganze Zeit haben sie von Geld gesprochen, sodass mir jetzt noch der Kopf schwindlig ist.“ [Estruch, Joan, S. 238]. Bei der Eröffnung des Centro ELIS sprach Paul VI. einige offenkundig lobende Worte über das Opus Dei, und alle Publikatonen des Werks überpurzeln sich darin, dies herauszustellen. Dass die Pfarrei so hieß wie er selbst, Giovanni Battista, ließ Paul VI. ausrufen: „Tutto, tutto qui é Opus Dei...“, „Alles, alles hier ist Opus Dei.“. Vor der Einweihungsfeier wandte sich Escrivá an die Numerarierinnen, die sich in Rom aufhielten, und sagte zu ihnen: „Meine Töchter, sagt euren kleinen Schwestern – so nannte Escrivá die Dienerinnen – dass ich schon weiß, dass sie mich sehr lieben, aber diesmal, wenn der Papst nach Tiburtino kommt, sollen sie ihm mehr applaudieren als mir“. [Tapia, María del Carmen, „Carta a Su HeiligkeitJuan Pablo II“, Hecho n° 7, Santa Bárbara (California), 2. August 1999]. Nachdem der Akt beendet war, sagte Escrivá: „Wenn Paul VI. zehn glückliche Minuten verbracht hat, bin ich zufrieden. Aber damit habe ich zu kurz gegriffen... Denn es waren zwei Stunden für den Besuch vorgesehen, und er ist drei lange Stunden geblieben. Er hatte keine Eile. Er ist glücklich gegangen, sehr glücklich.“ [Sastre, Ana, S. 494]. Ein aufschlussreiches Detail des Verhaltens des Gründers war, dass er den Papst am Eingang des Centro ELIS kniend empfangen hatte. „Ich wollte ihn auf den Knien erwarten – kommentierte er am folgenden Morgen – wie ein Priester, der den Papst und die Katholische Kirche wie verrückt liebt.“ [Casciaro, Pedro, „Soñad und os quedaréis cortos“, Rialp, Madrid, 1994, S. 215]. Die Szene ist dem Stierkampf nachempfunden: Escrivá ahmt die Toreros nach und empfängt den Papst an der Puerta gayola im neuen Zentrum des Opus Dei in Rom.

Nach dem Abschluss der vierten und letzten Periode des Konzils richtete sich Escrivá gewohnt triumphalistisch mit folgenden Worten an die  Mitglieder des Opus Dei: „Wir müssen über den Ausgang des Konzils sehr zufrieden sein. Vor 30 Jahren beschuldigten mich einige der Häresie, weil ich Dinge predigte, die unserem Geist entsprachen, die das Konzil heute feierlich anerkannt hat... Man sieht, dass wir vorangegangen sind, dass ihr sehr, sehr viel gebetet habt.“ [Sastre, Ana, S. 486.  „El itinerario Jurídico des Opus Dei“, S. 327. Artigues, Daniel, „El Opus Dei en España“, Ruedo Ibérico, París, 1971, Cejas, J. M., „Vida del Beato Josemaría“. Rialp, Madrid, 1992, S. 181. Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis. In: Moncada, Alberto]. Der Schuss ging allerdings nach hinten los, und das Panorama einer durch das Konzil verjüngten Katholischen Kirche wurde im Opus Dei höchst negativ aufgenommen. Die „Katastrophe“ beschrieb Escrivá so: „Draußen, in vielen Diözesen der Christenheit, und mit einem kleineren oder größeren Schaden bekommt der Glauben Risse...“ [Vázquez de Prada, Andrés, S. 362] Was die Anwendung der Lehre des Konzils betrifft, so erzählte Escrivá selbst seine Reaktion darauf wie folgt: „Der Vater musste das Böse vor den Seinen verhüllen und verhüten, dass es wie durch Osmose in die Seelen Eingang finde“. [Vázquez de Prada, Andrés, S. 362]. Auch „die Verwirrung in der Lehre, die Flucht aus der Kirche, um nicht auf das traurige Thema der vielen Glaubensabfälle zu kommen, schmerzten ihn sehr“. [Vázquez de Prada, Andrés, S. 265]. Der Gründer des Opus Dei „studierte“, laut einem der autorisierten Chronisten des Werks, „aufmerksam die kirchlichen Verfügungen, und dann übermittelte er, mit höchster Klugheit und Energie, den Zentren des Werk die nötigen Kriterien für ihre gemäße und treue Anwendungen, um möglichen Desorientierungen vorzubeugen“. So „fühlte ich der Situation mit größter Vorsicht den Puls, wie man einem Kranken den Puls fühlt. Anfangs verhüllt und dann sehr sorgsam warnte er seine Söhne vor der Gefährlichkeit gewisser Theorien, die verdächtigerweise überall hervorsprossten“. [Vázquez de Prada, Andrés, S. 362]. Es war unvermeidlich, dass der „Geist des Werkes“ der liberaleren Doktrin des Konzils diametral entgegenlief und Escrivá sich im Werk zu großer Wachsamkeit entschloss. Als Folge davon verbot er intern nicht nur die Lektüre und Kommentierung der Konzilsdokumente, sondern es wurden konträre Maßnahmen ergriffen. So legte das Konzil beispielsweise Nachdruck auf die Muttersprachen in der Liturgie, Escrivá intensivierte die Verwendung des Lateins. [Moncada, Alberto, S. 26]. Die neuen Normen über den Volksaltar wurden im Opus Dei ignoriert, und die Priester des Werkes Gottes und Escrivá zeigten den Gläubigen weiterhin den Rücken. [Walsh, Michael, S. 79].

Alle Leiter des Opus Dei und jene Anhänger Escrivás, die sich auf Kirchenrecht spezialisiert hatten, studierten die Konzilsdekrete und fanden einen Ausweg in der Rechtsfigur der Personal­prälaturen, die man als neue rechtliche Grundlage für das Opus Dei nützen könnte. [„El itinerario jurídico de! Opus Dei“, S. 370-371]. Die neuen Strukturen, die das Zweite Vatikanische Konzil fürdie Kirche geschaffen hatte, bot bessere Möglichkeiten als die „Praelatura nullius“, das dem Vatikan 1962 vorgeschlagene Modell, das und Johannes XXIII. auf keinen fruchtbaren Boden fiel [Siehe  Walsh, Michael, S. 82]. Auf dieser Schiene der Personalprälatur arbeitete man innerhalb des Opus Dei weiter, und während die Kirchenrechtler des Werks konspirierten und das Modell der Personalprälatur studierten, war man im Vatikan des Wartens müde geworden, und da es keine positive Reaktion aus dem Opus Dei über das Konzil gab, entschloss man sich 1969 nunmehr tätig zu werden und im Vatikan eine Kommission mit fünf Mitgliedern zu bilden, um das Opus Dei zu untersuchen und es auf die Erfüllung seiner Verpflichtungen als katholischer Organsiation zu drängen. [Diario „El País“, Madrid, 14. April  1992].

Der Vatikan war nicht bereit, die Unabhängigkeit und Rebellion des Opus Dei zu dulden, das nicht weniger verlangte als eine Ausnahmestellung innerhalb der Kirche, um sich dank eines fragwürdigen Charismas nach eigenem Gutdünken zu bewegen, weil seine Leiter vor allem an die Diktatur Francos gewöhnt waren, in Spanien, wo alles einfach und leicht zu lösen war, weil man eine privilergierte politische Behandlung genoss. Paul VI. beauftragte also Msgr. Giovanni Benelli, solche Abweichungen zu korrigieren. Bveor er vom Papst zum Substitut im Staatssekretariat ernannt wurde, ein Bindeglied zwischen Paul VI. und allen Organen der Vatikanischen Kurie, verbrachte Benelli einige Jahre im diplomatischen Dienst an der Nuntiatur in Madrid, wo ihm von Seiten des Opus Dei eine beständige unverhohlene Feindseligkeit entgegenschlug, denn Benelli kannte die Missbräuche und Manipulationen, die das Opus Dei durchführte, und sein Einverständnis mit dem Franco-Regime, das er für nicht weniger christlich als demonkratisch hielt. [Pérez Pellón, Javier, „Wojtyla, e! último cruzado“, Temas de Hoy, Madrid, 1994, S. 41]. Obwohl sich das Opus immmer den Deckmantel der „kollektiven Demut“ übergestülpt hatte, der sorgfältig seine Aktivitäten verhüllen half, konnte es nicht ertragen, vom Vatikan kontrolliert zu werden, der erfahren wollte, was im Inneren des Werks geschah. Der Kampf in Rom dauerte lange, mehr als 20 Jahre, unter den Pontifikaten Johannes XXIII. und Paul VI.

Der Vatikan ergriff die Initiative, indem er zur Überraschung für Escrivá und die Leiter des des Opus Dei eine Untersuchungskommission schuf. Die Verteidigung des Opus Dei bestand darin, einen Außerordentlichen Generalkongress einzuberufen und sich zu bemühen, die Untersuchungen des Vatikans hinauszuzögern, indem die neu geschaffene Kommission torpediert wurde. Zu diesem Zweck wandt sich Escrivá direkt in einem Brief an den Papst, um über den „geheimen Charakter“ der Kommission zu protestieren, gegen die man nicht berufen könne, und erhob Einwände gegen drei der fünf Mitglieder. [El País, Madrid, 14. April 1992]. Die Reaktion des  Vatikans ließ nicht auf sich warten, und Kardinal Jean Villot, Staatssekretär von Paul VI., übermittelte Escrivá den Unwillen des Papstes über diesen Brief, und damals schrieb der Gründer des Opus Dei sofort einen zweiten als Antwort, um den Papst um Verzeihung zu bitten. Dennoch bat im Januar 1971 Kardinal Villot die Mitglieder des Opus Dei, die in der Vatikanischen Kurie arbeiteten, offiziell um Auskunft, und zwei Jahres später wandte sich Kardinal Villot nochmals mit einem Brief an Escrivá mit der Bitte um eine Garantie, dass die Mitglieder des Opus Dei mit Posten im Vatikan nicht länger das Dienstgeheimnis verletzten, indem sie den Leitern des Opus Dei Informationen über Angelegenheiten weitergäben, die ihnen aufgrund ihres Auftrags in Institutionen der Kirche bekannt wären. Escrivá gab diese schriftlichen Ganantien ab, und seine Reaktion bestand, laut Zeugnissen des „Werks“, darin, „mit aller Kraft für die zu beten, die das Opus Dei nicht verstehen, und besonders Msgr. Benelli“, der, um das Maß für das Opus Dei voll zu machen, Jahre später knapp davor stand, zum Papst gewählt zu werden. Trotz des von Escrivá ausposaunten „Missverständnisses“ war Benelli einer der Kardinäle, die nach dem Tod Escrivás einen Brief mit der Bitte um Eröffnung eines Selisprechungsverfahrens schickten. [Tageszeitung El País, Madrid, 14. April 1992].

Escrivá versicherte dann, er habe den Außerordentlichen Generalkongress einberufen, der offiziell am 1. September 1969 eröffnet wurde und deren erster Teil nur vierzehn Tage dauerte, denn er erlärte sich mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils einverstanden und plädierte für eine Revision der juristischen Verfassung des Opus Dei. In einem Brief an Kardinal Antoniutti mit Datum vom 22. Oktober 1969 präzisierte Escrivá, dass „einige allfällige Änderungen, die noch im Vorschlagsstadium sind, vom Generalkongress aufgegriffen werden könnten“, andere wiederum bedürfen einer Approbation durch den Heiligen Stuhl, so wie letztlich eine weitere Gruppe, die einen Wechsel in der Natur des Instituts mit sich bringen, und sie forderten sugar einen feierlichen Akt vom Heiligen Stuhl, also eine Neuerrichtung des Instituts. [ „El itinerario jurídico del Opus Dei“, S. 380].

Während im Opus Dei Regionalversammlungen abgehalten wurden und sich seine Leiter für eine möglichst breite Teilnahme der Mitglieder entschieden, ohne aber demokratisch zu werden, um den zweiten Teil des Außerordentlichen Generalkongresses vorzubereiten, der seine Arbeit ein Jahr später, am 10. September 1970 aufnahm. Die Vollversammlungen des zweiten Teils des Kongresses dauerten nicht einmal eine Woche. In der Klausur wandte sich Escrivá an die Anwesenden und sagte ihnen: „Aber ihr wisst, dass das nicht heißen soll, dass der Kongress seine Arbeit abgeschlossen hätte. Der Generalkongress bleibt offen“. Im Schlussprotokoll baten die Teilnehmer am Generalkongress, „das institutionelle Problem des Opus Dei definitiv zu lösen, ihm auf der Grundlage der neuen juristischen Perspektiven, die die Verfügungen und Normen für die Anwendung der Konzilsdokumente eröffnet haben, eine juristische Konfiguration zu gewäh­ren, die vom Säkularinstitut unterschieden ist“. [„El itinerario jurídico“, Anhang 55, S. 584-585] Eim Jahr später informierte Álvaro Portillo, nachdem er ihn in seiner Eigenschaft als General­sekretär der Organisation durcheinandergebracht hatte, den Kardinal Antoniutti, Präfekt der Kon­gregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, dass der Außerordentliche General­kongress in eine neue Phase eingetreten sei und „aktuell in den Technischen Kommissionen fortge­setzt“ werde“. [„El itinerario jurídico“, S. 414]. Zwei Jahre später, am 25. Juni  1973, wurde Escrivá von Paul VI. in Audienz empfangen, den er über die langsamen Fortschritte der Arbeiten des Außerordentlichen Generalkongresses informierte, der verlängert wurde und offen blieb. Er sprach auch von der Arbeit der Technischen Kommission, die für die Revision des juristischen Statuts des Opus Dei geschaffen worden war. Der Papst ermunterte ihn, mit der unternommenen Aufgabe fortzufahren, obwohl die Hoffnungen des Opus Dei, die ersehnte Rechtsform einer Personalprälatur zu erreichen, unter dem Pontifikat Pauls VI. keine Chance hatten.

Ein Jahr später, 1974, hatte das Opus Dei neue Konstitutiones ausgearbeitet. Dieser neue Codex bot eine Version light der Konstitutionen von 1950, mit einigen Anpassungen an das Konzil. Es bestand nur mehr aus 194 Normen, es stand weniger drin als in der kontroversiellen Version von 1963, die der Vatikan berits zurückgewiesen hatte, und wie einer der zahlreichen Kirchenrechtler des Werks anmerkte, „war es nur mehr nötig, den rchten Moment abzuwarten, um dem heiigen Stuhl die formaler Bitte um eine neue Rechtsfigur vorzutragen“. [„El itinerario jurídico“, S. 417]. Ein weiteres Jahr später, am 26. Juni 1975, starb Escrivá, ohne dem Vatikan die Beschlüsse des Außerordentlichen Generalkongresses des Opus Dei ausgehändigt zu haben, der seit 1969 einberufen war, ohne den neuen Text der Konstitutionen, und ohne einen Vorschlag, wie der juristische Status zu ändern sei. Escrivá ging aus dieser Welt mit den „heiligen, immerwährenden und unverletzlichen“ Konstitutionen von 1950, während ein Teil des Opus Dei noch immer die unbequeme Stellung eines Säkularinstituts hatte und der Rest überhaupt in der Schwebe hing, mit dem Statut eines Instituts des Gemeinsamen Lebens ohne öffentliche Gelübde, von diözesanem Charakter und seit 1943 von der Erzdiözese Madrid abhängig.

Obwohl es als Hülle andere juristische Formen und soziale Modelle nützte, konstituierte sich das Opus Dei letztlich als anonyme katholische Korporation, und es wies seit den fünfziger Jahren, nach der päpstlichen Anerkennung als Säkularinstitut, die „laikalste“ Form des Kleriko­faschismus und die Extremform einer fundamentalistischen wirtschaftlichen Macht auf, aber es befand sich noch innerhalb der Katholischen Kirche. Es war ein wenig ein „Octopus Dei Incorporated“, in einer wechselnden Form und immer mit einem Team von Kirchenrechtlern an der Hand, die für es die ideale juristsiche Formel suchten, die seinen Zielen am ehesten entsprach und seinen Einfluß möglichst ausdehnen könnte. Diese Verwandlungskünste des Opus Dei, das sich unvermittelt an neue Machtverhältnisse anpasst, scheint gerade seinen Höhepunkt dadurch zu erreichen, dass es den Vatikan infiltriert, und das funktioniert dank der bedingungslosen Unterstützung durch Papst Johannes Paul II., ein Vorgang, den kritische Beobachter als „den letzten Kreuzzug“ qualifiziern, [Pérez Pellón, Javier, „Wojtyla, el último cruzado“, Temas de Hoy, Madrid, 1994.] mit einem Papst aus dem Mittelalter am Beginn des dritten Jahrtausends. Dennoch gibt es Gegenbewegungen an der Spitze der Katholischen Kirche, und wenn sich Papst Johannes Paul II. am Ende des Jahrhunderts den „Geist des Werkes“ auch vollkommen zu eigen gemacht hat, unterliegt das Opus Dei doch der realen Gefahr, von Neuem in Ungnade zu fallen, wenn einmal, unter einem neuen Papst an der Spitze der vatikanischen Politik, liberalere Winde wehen sollten.

Die „juristische Schlacht“, wie Escrivá den Kampf mit der Kurie in Rom nannte, um ein Schlupfloch in den Strukturen der Katholischen Kirche zu suchen, und es bestand darin, das Werk so zu approbieren, wie Gott es inspiriert hatte, den Papst und die Kardinäle zu überzeugen, dass der Weg des Werkes nicht minuziös reguliert werden dürfe, sondern dass man dem Geist die Initiative überlassen müsse, der in ihm, dem „Vater“ des Werkes inkarniert sei. [Moncada, Alberto, „Los hijos del padreer, Argos Vergara, Barcelona, 1977, S. 76]. Paradoxerweise präsentierte sich das Opus Dei, das doch eine Legion von Kirchenrechtlern in seinen Reihen hat, als Opfer eines vatikanischen Missverständnisses, und Escrivá klagte, wie mühsam es sei, der Kurie in Rom den „Geist des Werkes“ verständlich zu machen; denn in Rom, sagte Escrivá völlig unverblümt, gäbe es eine starke Tendenz zum Normativen und zur Rechtmäßigkeit, so als ob diese Elemente nicht auch reichlich innerhalb des Opus Dei vorhanden wären, mit seiner unablässigen Suche nach Macht und der absoluten Kontrolle über seine Mitglieder. Deshalb endete die Gründungsetappe auch nicht mit dem Leben des Gründers, und 1982 erhielt das Werk eine quasi-bischöfliche Jurisdiktion, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. [Ynfante, Jesús, „Opus Dei“, Grijalbo Mondadori, Barcelona, 1996, S. 435-440]. Nachdem einmal eine passende Machtstruktur wie die Kirche erreicht war, und in ihr eine Parallelstruktur, das Opus Dei, präsentierte es sich wie eine totalitäre Macht, und die Mitglieder des Werks wagen es öffentlich anzumerken, dass die Zukunft der Kirche nur im Opus Dei besteht.

Was die Anwerbung von Mitgliedern betrifft, so gebraucht das Opus Dei zur Vemehrung seiner Macht Strategien, die für Sekten typisch sind. [Foundation ODAN, Guía para padres sobre el Opus Dei. The Opus Dei Awareness Networth Inc., Pittsfield, Maryland, EEUU., 1991]. Seit seinen Anfängen in den vierziger Jahren war das Ziel des Opus Dei immer von dem grenzenlosen Ehrgeiz bestimt, eine Kirche zu werden, die wahre Kirche, und diesem Ziel dient alles, dass Gebet, die Selbstverleugnung, bis hin zur Forderung nach einem Leben völliger Hingabe für seine Mitglieder. Letztlich geht es darum, sich, wenn schon nicht in die eine und wahre Katholische Kirche, so doch zumindest in eine „Parallelkirche zu vewandeln“. Oder, wie Escrivá seine Ambitionen in seiner mürrischen Art eines aragonesischen Bauern auszudrücken pflegte, „ein Teilchen der Kirche“.

Ein Manöver, das das Werk 1966 durchführte, zeigte deutlich seine Aktivität als Spaltpilz innerhalb der Katholischen Kirche. Das Opus Dei befand sich damals auf seinem Gipfel, mit einer wachsenden Zahl an Mitgliedern und unaufhaltsamen politischen Erfolgen in Spanien, durch die der Hochmut Escrivás seinen Gipfel erreichte. Freilich wurden die Beziehungen zum Vatikan in dem Maß schlechter, wie es in Spanien politische Triumphe feierte, und da es große Spannngen mit der Kirchenspitze gab, reiste Escrivá, begleitet von Álvaro Portillo, nach Griechenland, um die Möglichkeit zu studieren, das Opus Dei an die Orthodoxe Kirche anzuschließen, da das Zweite Vatikanische Konzil die Katholische Kirche nach der Auffassung des Gründers „in den Ruin treiben würde“. Das Ziel der Reise nach Griechenland wurde von den Leitern des Opus Dei klug verschleiert, denn auf der Rückreise nach Rom brachten sie Paul VI. eine Ikone aus diesem Land mit und eine weitere für Angelo Dell'Acqua, den damaligen Substitut im Staatssekretariat und einer der konservativsten Kirchenfürsten und Beschützer des Werks, um den sich der Gründer des Opus Dei pesönlich bemühte.

Man darf auch die dramatische Entscheidung der Spanischen Bischofskonferenz nicht vergessen, im Vatikan dagegen Einspruch zu erheben, dass das Werk Gottes in eine Personalprälatur verwandelt wurde, denn der Großßteil der spanischen Bischöfe war aufgeschreckt durch die Praktiken, die die organisierte Fraktion des Opus Dei innerhalb der Katholischen Kirche Spaniens entfaltete. [Walsh, Michael, S. 230]. Was das Apostolat mit anderen katholischen Gruppen und Organisationen betrifft, so bezeichnete ein spanischer Kirchenfürst, der es vorgezogen hat, anonym zu bleiben, die Mitglieder des Opus Dei als „Lausbuben, die den anderen heimtückische Dolchstöße in den Rücken versetzen und die nicht vorhaben die Kirche besser zu machen, sondern die Konkurrenz zum Schweigen zu bringen“.