Kapitel 6: VIER GRÜNDUNGEN

 

WENN SEIT ENDE 1935 die erste Gründung nur für einige Monate hielt, weil im Juli 1936 der Krieg ausbrach, so war sich Escrivá zu Kriegsende, im Jahr 1939, persönlich sicher, dass das Projekt laufen würde, denn jetzt begann die Männliche Abteilung des Opus Dei zu funktionieren und die anderen drei Gründen begannen ein Profil zu zeigen, ein Vorgang, der etwa bis 1950 dauern sollte. Aus historischer Sicht lässt sich sagen, dass die Gründung des Opus Dei 15 Jahre gedauert hat, von 1935 bis 1950, einschließlich des drei Jahre währenden Bürgerkriegs. Abgesehen von Escrivá nahmen an der ersten Gründung für Männer nach dem Bürgerkrieg eine Reihe von Ultrakatholiken teil, die Mitglieder des Opus Dei wurden und sich sowohl um juristische Fragen wie um solche der Bildung kümmerten, während sie Escrivá vor allem das Gebiet der Spiritualität überließen. Es genügt darauf hinzuweisen, dass bis 1956 das oberste Leitungsorgan des Opus Dei, der Generalrat, in Madrid saß, denn ein einzelnen Mann, der Gründer, der seit November 1946 in Rom lebte, war unfähig die ganze Organisation absolutistisch auf Distanz zu leiten.

Es ist freilich klar, dass das Faktum, dass Escrivá seinem Werk einen modernen Charakter geben wollte, in den Zeiten des Faschismus und mit der willkommenen Hilfe einiger seiner Anhänger eine klerikale Organisation mit einer sehr straffen Struktur und einigen modernen Zügen sein musste, die aber zugleich in einer vergessenen Vergangenheit verankert sein musste wie den Kreuzzügen des Mittelalters oder den ersten Christen der ersten Jahrhunderte. Mehr noch, das Opus Dei war nach den Konzepten Escrivás, die nichts weniger als originell sind, als hierarchische Struktur mit säkularem Charakter vorgesehen, nach der Art eines Militärvikariates, mit Hilfe dessen Escrivá als brillanter Kopf und mit der Hilfe seiner geistlichen Würde die Christenheit auf der Parzelle der spanischen Universität regierte, wo die kirchliche Hierarchie bisher wenig zu melden gehabt hatte.

Wenn sich in den ersten Jahren der Nachkriegszeit sich Escrivá um alles gekümmert hatte, namentlich um die Spiritualität, und Albareda um die Erziehung, so war die Gruppe um Álvaro Portillo, Hernández Garnica und Jiménez Vargas für die Organisation zuständig. Diese letzten Gründungsmitglieder hatten ihre Lehrzeit während des Kriegs im Heer Franco absolviert und entdeckten die Effizienz einer militärischen Organisation, bei der Traditionen und Methode in Kraft blieben, die mittelalterlich und bereits überholt waren. Mit anderen Worten, Escrivá und die ersten „Gefährten“ gründeten die Organisation als feudale und militärische Hierarchie.

Das Werk Escrivá wollte vorgeblich auf raschem Weg einige der Probleme des spanischen Nationalkatholizismus lösen, aber es warf neue Fragen auf, denn der Klimbim, der mit der ersten Gründung veranstaltet wurde, führte zu einer extrem hierarchischen Organisation, deren Ungleichheiten so offenkundig sind und waren, dass keine zwei Mitglieder des Opus auf Augenhöhe miteinander leben können: „Wo auch immer zwei Mitglieder des Instituts sind, ist immer eine gewisse Unterordnung einzuhalten, in der der eine dem anderen nach der Rangordnung nachsteht, damit sie sich nicht des Verdienstes des Gehorsams berauben, wenn es nicht eine besondere Delegierung von Seiten der Superioren gibt, und immer ist die Abhängigkeit vom eigenen Superior zu wahren.“, heißt es in Abschnitt 31, § 3 der geheimen Konstitutionen des Opus Dei,  die seit 1950 in Kraft sind.  Das Besondere und Eigenartige des Falles liegt darin, dass der Unterschied, der zwischen zwei lebenden Mitgliedern existiert, bis in den Tod fortgesetzt wird. Die Normen 289 und 290 der Konstitutionen bringen das klar zum Ausdruck, denn für alle verstorbenen Numerarier oder Assoziierte werden abgesehen  von der Begräbnismesse 30 gregorianische Messen gesungen, ebenso eine Messe am ersten Jahrestag des Todes, während für die verstorbenen Supernumerarier lediglich drei gewöhnliche Messen gelesen werden und keine am Todestag. Im komplizierten bürokratischen Netzwerk des Werks war es niemals klar, wem zu gehorchen ist, denn jedes Mitglied hat einen örtlichen, einen regionalen Leiter und einen in Rom. Daraus entstehen gelegentlich Widersprüche zwischen dem, was Leiter der unterschiedlichen Ebenen anordnen. Das verkompliziert auch die Stellung des Priesters, der ebenfalls Ratschläge gibt, die manchmal unmöglich zu erfüllen sind, wenn das Mitglied nicht dabei andere Autoritäten im Werk ignoriert. [Moncada, Alberto, El Opus Dei, una interpretación, Índice, Madrid, 1974, S. 104-106]. Mit anderen Worten, es gibt, wie bei der „Mafia“, nicht nur einen „Capo“, einen „Sottocapo“ und die „Soldati“, sondern auch die „Consiglieri“, die jeden Tag in das Verhalten der Mitglieder des Opus Dei eingreifen.

Die Verhältnisse der Mitglieder des Opus Dei sind je nach ihrer Funktion deutlich durch Über- und Unterordnung gekennzeichnet, es gibt keine Augenhöhe. Konsequenterweise hat im familiären Konzept der „Sohn“, das Mitglied des Opus Dei, „Väter“, hierarchische Vorgesetzte, die ihre Verbote aussprechen. So charakterisieren sich die „familiären“ Beziehungen innerhalb des Opus Dei durch eine ängstliche Unterwerfung unter die Bedürfnisse der „Eltern“ und eine völlige Unterdrückung der Impulse, die ihnen nicht akzeptabel scheinen. Das Leben der Mitglieder im Opus Dei entfaltet sich also in den Koordinaten eines religiösen Fundamentalismus und eines autoritären Faschismus, das im Extremfall die menschliche Persönlichkeit auslöscht.

In dem Schreiben, das Escrivá 1941 an den Bischof von Madrid-Alcalá richtete, um die Approbation als Pia Unio, als diözesane Fromme Vereinigung für das Opus Dei zu erbitten, sagt er eingangs, „das Opus Dei ist eine katholische Vereinigung von Männern und Frauen“, auch wenn noch formell keine weibliche Abteilung im Opus Dei geschaffen war. Tatsächlich verfügten die Anhängerinnen Escrivás am 14. Februar 1941 auch noch über keine permanente Struktur wie die Männer. Bei seiner Gründung, die 1941 Gestalt annehmen sollte, nahm Escrivá direkte Anleihen bei der spanischen Falange. So sorgen die Frauen durch die Weibliche Abteilung des Opus Dei für alle Dienste, vergleichbar der Weiblichen Abteilung der Falange, Escrivá verdammte die Frau dazu, eine an das Werk gekettete Dienstmagd zu sein.

Die Vorgänger der Weiblichen Abteilung des Opus Dei gehen auf den 14. Februar 1930 zurück, laut katholischem Kalender der Valentinstag, aber auch ein Gründungsdatum aus der fantasievollen Geschichte für den internen Gebrauch des Opus Dei. Escrivá behauptet, an diesem Tag eine göttliche Offenbarung empfangen zu haben, als er die Heilige Messe in der Privatkapelle einer alten Marquise feierte, und das war laut seiner Auskunft die Gründung der Weiblichen Abteilung des Opus Dei, auch wenn in der Realität dieses Projekt erst im Jahr 1941 in Erscheinung trat.

Während der Zweiten Republik konnte Escrivá sehr vereinzelt Frauen geistlich leiten, aber als weibliche Gruppe gab es damals nur Treffen oder Gespräche im Haus einer Sympathisantin des Projekts, und an den Sonntagen gingen die Anhängerinnen Escrivás zur Katechese ins Madrider Viertel La Ventilla. Dem Alter nach waren es junge Mädchen, eine Lehrerin an einem Gymnasium, eine andere Krankenschwester und mehrere Angestellte.  Allerdings entfernten sich im Lauf der stürmischen Geschichte der spanischen Republik die von Escrivá für sein Projekt angeworbenen Frauen nach und nach, denn sicherlich war es die Gegenwart von Escrivás Mutter ein bedeutendes Hindernis, die sich in die Entscheidungen Josemarías einmischte. In den Maximen des Büchleins „Der Weg“ entspricht das übertriebene Lob, das der Gründer des Opus Dei den Frauen erweist, einem Trostpreis, das man untergeordneten Wesen angedeihen lässt. In diesem Zusammenhang fällt besonders Nr. 946 auf, eine eindrucksvolle Behauptung über den zweitrangigen Wert, der der Frau zugemessen wird:

„Sie brauchen nicht gelehrt zu sein, es genügt, wenn sie klug sind“.

Die Aufgabe der Frau in der spanischen Gesellschaft der Nachkriegszeit ist klar geregelt, nach den unveränderlichen und angeblich göttlichen religiösen Vorschriften. Bei der vorherrschenden Ideologie des Klerikofaschismus war die Frau von Natur aus für die Unterwerfung, das Schweigen und den häuslichen Dienst geschaffen, oder für die religiöse Zurückgezogenheit. Im Opus Dei nimmt die Unterdrückung der Frau völlig abwegige Formen an, denn abgesehen von der körperlichen Abtötung und dem völligen gehorsam müssen sie beispielsweise sogar um Erlaubnis bitten, wenn sie außerhalb der Mahlzeiten Wasser trinken wollen [Moncada, Alberto, Historia oral des Opus Dei, Plaza &: Janés, Barcelona, 1987, S. 20]. Dennoch sollte das Opus Dei den ersten Anhängerinnen der Nachkriegszeit eine noch größere Attraktivität bieten als die andern katholischen Organisationen, und da es die „Brüder“ waren, die im Familienkreis warben, fehlte es von der Gründung an nicht an Anhängerinnen der Weiblichen Abteilung im Opus Dei.

Es gab einen ersten erfolgreichen Startversuch für die Weibliche Abteilung, als Escrivá im September 1940 Einkehrtage für eine Gruppe junger Frauen aus Madrid hielt, aber erst später, mit der Anerkennung des Werks als Frommer Vereinigung diözesanen Rechts und, vor allem, seit dem Tod der Mutter Escrivás im April 1941 nahmen die Dinge ihren Lauf. Bei diesem zweiten Versuch, der eigentlichen Gründung in der Geschichte des Opus Dei, waren die neuen Anhängerinnen Escrivás die Schwestern der ersten männlichen Mitglieder.

Tatsächlich war die weibliche Abteilung des Opus Dei soziologisch von der allgegenwärtigen Weiblichen Sektion der Falange inspiriert, deren Nationaldelegierter man mit Häme nachsagte, dass sie sich aus dem „alten Hemd“ (eine Metapher für die Falange) ihres Bruders ein Kostüm fürs ganze Leben geschneidert habe. Wenn Pilar Primo de Rivera die Schwester des Gründers der Falange war, so waren die neuen Jüngerinnen Escrivás die Schwestern der ersten Mitglieder des Opus Dei. So treffen wir auf Guadalupe Ortiz Landázuri, die Schwester von Eduardo Ortiz Landázuri, Rosario Orbegozo, die Schwester von Ignacio Orbegozo, Dolores Fisac, die Schwester von Miguel Fisac, Enrica und Fina, die Schwestern von  Francisco Botella, Victoria López Amo die Schwester von Ángel López Amo, Encarnación Ortega die Schwester von Gregorio Ortega, Pilar Navarro Rubio die Schwester von Emilio und Mariano Navarro Rubio, und ebenso auf  María Altozano, Dolores de la Rica, Margarita Barturen, María Teresa Echevarría, etc. Das bewirkte einen doppelten Grad der Abhängigkeit, persönlich ebenso wie familiär, mit Rücksicht auf die Brüder im des Opus Dei.

Diese Jugendlichen waren die ersten Anhängerinnen des Opus Dei, aber einige konnten nicht mithalten und gingen aus verschiedenen Gründen wieder, unter anderem wegen Escrivás Mutter, die noch lebte und deren Kriterien auch für den Gründer des Werks unanfechtbar waren. Andere hielten durch und blieben im Werk, und sie mieteten eine Etage, in der ein gemeinsames Leben begannen, obwohl sie bald in das dreistöckige Haus mit Garten übersiedelten, an der Ecke der Straßen Diego de León und Lagasca, im vornehmen Madrider Viertel Salamanca, wo der Zentralsitz des Opus Dei war, der auch das erste Studienzentrum war und wo auch Escrivá mit seiner Familie lebte. Die Frauen wurden in völliger Trennung von den Männern untergebracht, denn „entre santa und santo, pared de cal und canto“, zwischen einem Heiligen und einer Heiligen muss man Schloss und Riegel anbringen, so wiederholte es Escrivá gerne, in Anlehnung an die heilige Theresia von Avila. Die Gründe, die Escrivá anführte, um die Etage der ersten Aktivistinnen zu verlassen, war, dass es „ nicht klug schien, dass ein junger Priester ständig eine Etage benützt, in der niemand wohnt, um dort ebenfalls junge Mädchen zu bilden“ [Bernal, Salvador, „Monseñor Josemaria Escrivá de Balaguer“, Rialp, Madrid, 1976, S. 149]. Bis 1941 boten die Mutter und die Schwester Escrivás in dieser rein männlichen Organisation einen Hauch von Annehmlichkeit und häuslicher Wärme, Charakteristiken einer Familie und Zeichen all dessen, womit die ersten Mitglieder des Werks von Anfang an angeben sollten, besonders wenn sie noch vor dem Bürgerkrieg beigetreten waren, zwischen 1935 und 1936. Dolores und Carmen Escrivá, die Mutter und die Schwester des Gründers, kümmerten sich um die Verwaltung des beginnenden Opus Dei, und als die Mutter 1941 starb, fiel diese ganze Arbeit seiner Schwester Carmen zu.

Da es im Sommer 1942 schon ein halbes Dutzend Frauen waren, wurde das erste rein weibliche Zentrum des Opus Dei in einem kleinen Chalet in der Calle Jorge Manrique, genau neben dem Sitz des Consejo Superior de Investigaciones Científicas, der vom Opus Dei kontrolliert wurde. Die geistliche Bildung, die apostolische Arbeit, die regeln, Zeremonien und das Gemeinschaftsleben „in der Familie“ waren genauso wie bei den männlichen Mitgliedern, aber mit einem noch strengeren täglichen  Lebensplan für die Frauen. „Im Werk gibt es nur einen Kochtopf“ wiederholte Escrivá unermüdlich, als das Opus Dei neue Häuser eröffnete, immer in eleganten Vierteln der Hauptstadt Spaniens.

Mit der Ausbreitung des Werks und dem Wachstum der Zahl der Zentren wurde eine endgültige Lösung für die Probleme der Verwaltung und die Haushaltsführung gefunden, die sich in den Etagen des Werkes häuften. Die Organisation der weiblichen Abteilung war eine Kopie der männlichen Abteilung, angefangen von der Rekrutierung der Numerarierinnen, einem untadeligen Aussehen und höheren Studien oder deren Gegenwert in Geld, aber hier ging es zuerst einmal darum den Haushalt zu führen. Escrivá entschied sich auf Frauen zurückzugreifen, die sich bei der Hausarbeit abrackerten, und so schuf er die niedrigere Stufe der Auxiliar-Numerarierinnen, die tatsächlich einfache Dienerinnen waren. Aufgrund der Notwendigkeit des Dienstes erweitere sich also die Weibliche Abteilung um Frauen, die nicht studierten, sondern die materielle Pflege des Zentralsitzes und der anderen Häuser des Opus Dei übernahmen, die kochten, wuschen, die Wäsche bügelten etc. Positiv ist bei dieser Gründung anzumerken, dass sich der voluntaristische, asketische, gleichsam kasernenhafte Charakter wandelte, und es begann sich das Zusammenleben der Numerarier Escrivás mit der entsprechenden Ausbreitung der weiblichen Abteilung angenehmer zu gestalten. [Moncada, Alberto, Historia oral del Opus Dei, Plaza &:Janés, Barcelona, 1987, S. 104].

Bei der Art, wie sich die Dienerinnen zu kleiden und bei Tisch zu bedienen hatten, bezog Escrivá die Inspiration aus den Herrenhäusern der Aristokratie. Pedro Ybarra, der Sohn der Marquise von Mac-Mahón, Carolina Mac-Mahón Jacquet, von Freunden und Bekannten familiär Carito genannt, blieb während des Kriegs zusammen mit den ersten Mitgliedern des Werks in den Büros, die General Orgaz in Burgos hatte, und nach Kriegsende ließ sich Escrivá nach Bilbao in das Haus der Eltern von Pedro Ybarra einladen. Als der Gründer des Opus Dei das Herrenhaus der Marquise von Mac-Mahón in Neguri bei Bilbao besuchte, entdeckte er die Raffinesse und die Lebensweise der Magnaten der baskischen Oligarchie, und die erste Reaktion Escrivás war, den häuslichen Stil und die Organisationsform für die ersten Häuser des Opus Dei zu übernehmen. Von da an konnte man in einigen Madrider Häusern das Schauspiel bewundern, wie Mädchen, die sorgfältig schwarz gekleidet waren und mit Häubchen und weißer Schürze ihre Brüder vom Werk mit Grabesstille bei Tisch bedienten.

Escrivá sah auch vor, dass die Oblaten, eine neue, niedere Kategorien von Mitgliedern, die im Vorbeigehen gegründet worden war, den Numerarierin gewisse häusliche Dienste leisten sollten. Obwohl die traditionelle Teilung in Professen und Laienbrüder nicht vollständig durchgeführt ist, mit der die männliche Ordenswelt jahrhundertelang die Probleme der Haushaltsführung in den Klöstern und Konventen gelöst hatte, wurde die Kategorie der Oblaten damals von Escrivá innerhalb des Opus Dei als eine zweite Abteilung für diejenigen eingeführt, die nicht alle Erfordernisse mitbrachten, um Numerarier zu werden, das konnte die körperliche Erscheinung sein, der Mangel an ökonomischen Mitteln oder weil es keine Akademiker waren. Später nannte man die Oblaten Assoziierte. So erfasste die Kategorie der Oblaten diejenigen Mitglieder, die als Angestellte arbeiteten, keine höheren Studien vorwiesen oder einen physischen defekt oder eine chronische Krankheit hatten, das heißt, dass die Hinkenden, die Schielenden und die Diabetiker, die insulinabhängig waren so wie der Gründer selbst, nur hoffen konnten, Oblaten oder Assoziierte zu sein, aber sie konnten keine Numerarier des Werkes Gottes und Escrivás sein.

Die Assoziierten sollten diejenigen Männer oder Frauen sein, die ledig und ungebunden oder als Witwer oder Witwen von Verpflichtungen frei waren, knappe finanzielle Mittel hatten und zur aktiven Mitarbeit im Werk bereit waren, einem Werk Gottes, das für die Schwachen und Kranken keinen Platz als Numerarier hatte. Seit ihrer Gründung wurden die Oblaten üblicherweise von den Numerariern im Opus Dei getrennt, und obwohl sie ein Familienleben führen und das Haus reinigten, sollten sie doch auch Apostolate mit den unteren Klassen entwickeln, die apostolische Arbeit mit den führenden Klassen aber den Numerariern überlassen. Hinsichtlich der Oblaten war angedacht, wenn ihnen schon aus persönlichen Umständen oder Mängeln die Kategorie der Numerarier verschlossen war, dass sie der Elite der Numerarier im Haushalt helfen könnten. Um die Beziehungen untereinander angenehmer zu machen, mussten die Numerarier ihrerseits für die Hilfe dankbar sein, die ihnen die Assoziierten leisteten, falls sie mit ihnen unter demselben Dach und in demselben Heim wohnten, so fixierte es eine interne Anmerkung Escrivás.

Als das Studentenheim Moncloa die Arbeit aufnahm, das als erstes Korporatives Werk des Universitären Apostolates gilt, das heißt, eine der wenigen  Güter, deren Eigentum und Führung öffentlich dem Opus Dei zugeordnet wurde, waren die Ausgaben so enorm und die materielle Erfahrung der weiblichen Abteilung so gering, dass Escrivá die Sache in die Hand nahm und persönlich die Organisation und die Disziplin in der Verwaltung der Zentren des Opus Dei in die Hand nahm, vor allem bei den Studentenheimen. In Bezug auf diese Inspektionsarbeit meinte ein hellsichtiges aktives Mitglied des Opus Dei in dieser Zeit, dass  „in gewissem Sinn der Vater Escrivá mehr die Mentalität eines Örtlichen Direktors als des Präsidenten des Werks hatte“. [Pérez Tenessa, Antonio, Zeugnis. In: Moncada, Alberto, S. 147. 273].

Das Studentenheim Moncloa wurde vom Opus Dei als Erweiterung des ersten Studentenheims der Nachkriegszeit in der Calle Jenner eingerichtet mit dem Ziel, es in ein Colegio mayor zu verwandeln. Deren Tradition geht auf die Zeit der Katholischen Könige und des Goldenen Jahrhunderts Spaniens zurück, und das Regime Francos hatte im Amtsblatt, dem Boletín Oficial del Estado mit dem Datum 1. Oktober 1942 ein Dekret veröffentlicht, dass nun vom Neuem Colegios mayores an den Universitäten zu organisieren seien. Die Diktatur erhoffte sich damit eine neue glanzvolle Epoche unter ihrem Führer Franco. Das Studentenheim Moncloa, später das Colegio Mayor de la Moncloa, war eine gute Ausgangsbasis für die Rekrutierung zugunsten des Opus Dei unter der akademischen Jugend Madrids in der Nachkriegszeit, und hier bildeten sich viele Jugendliche, die sich in Numerariermitglieder des Werkes Gottes verwandelten.

Die weibliche Abteilung kümmerte sich um die Verwaltung des Studentenheims Moncloa in allem, was Betrieb und Erhaltung betraf, von der Dekoration bis hin zur Reinigung und Verpflegung. Die Frauen waren in einem völlig abgetrennten Bereich untergebracht, aber sie mussten auch einige Angestellte aufnehmen. [Gondrand, Francois, „Al paso de Gott“, Rialp, Madrid, 1985, S. 168-169].

Am Beginn des Jahres 1943 gab das Opus Dei bekannt, dass drei junge Ingenieure, Mitglieder des Werks vor einigen Monaten die kirchlichen Studien aufgenommen hätten und sich auf das Priestertum vorbereiteten, und dass sie einem approbierten Plan des Bischofs von Madrid-Alcalá folgte; ihre Lehrer waren Freunde und Sympathisanten. Escrivá wusste noch nicht, wann und unter welchem kirchlichen Rechtstitel die Priesterweihe vor sich gehen konnte [Casciaro, Pedro, „Soñad und os quedaréis cortos“, Rialp, Madrid, 1994, S. 192-193] aber man war daran eine Lösung zu finden.

Als die juristische Lösung noch in Ausarbeitung war, nahm der Gründer einmal mehr beim Übernatürlichen Zuflucht, und er versicherte, dass er am Morgen des 14, Februar 1943, Tag von St. Valentin und der Verliebten, während der Messe im ersten Zentrum der Frauen in der Calle Jorge Manrique eine göttliche Erleuchtung hatte, sodass er nach der Messe das Siegel des Werkes in ein Blatt seines Kalenders skizzieren konnte. Dann ging er frühstücken und beauftragte eines der Mitglieder, der Architekt war, damit, das Siegel ordentlich auszuzeichnen. [Casciaro, Pedro, S. 193]. Das Siegel, das sich einer angeblichen göttlichen Erleuchtung verdankt, bestand einfach aus einem Kreuz, das einem Kreis eingeschrieben war, aber mit einem ziemlich hohen Querbalken, in der Art, wie man es nach wie vor in den Kapellen und auf den Altären des Werkes sieht, denn es wurde zu einem der wichtigsten Symbole des Opus Dei.

Am Tag nach der Erleuchtung fuhr Escrivá mit dem Auto zu dem Chalet in der Sierra de Guadarrama bei Madrid, wo sich, erst seit einigen Monaten, die drei ersten Priesterkandidaten vorbereiteten.  Für Escrivá war die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz die Lösung, die er lange Zeit gesucht hatte, ohne sie zu finden und die vollkommen seinen Träumen und seinem Ehrgeiz entsprach. Die göttliche Inspiration kam freilich etwas spät, da bereits die Vorbereitungen auf die Weihen auf Hochtouren liefen. Escrivá bezog sich später auf das außerordentliche Zeichen dieses göttlichen Siegels, denn jetzt löste sich die Ungewissheit, nachdem er „die juristische Lösung gesucht und nicht gefunden hatte“. Ein Chronist des Opus Dei berichtet mit Ironie, dass „durch eine schmale Ritze das Licht, mit dem Gott sich erneut in sein Lebe einmischte, Escrivá am 14. Februar 1943 traf“ [Estruch, Joan, „Santos und pillos“, Herder, Barcelona, 1993, S. 197] und, ein führendes Mitglied, das Teil des Teams vom Kanonisten war, das ihn beriet, merkte an, dass das Ereignis bereits am 13. Februar 1943 stattgefunden hatte und nicht der 14. war eine der „ephemeren Gründungen“ im Opus Dei. [El itinerario jurídico des Opus Dei, EUNSA, Pamplona, 1989, S. 136, Anm. 69].

Mit der Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz, unter deren Titel die neuen Priester des Opus Dei geweiht werden sollten und das in einer eigenartigen Mischung, die manche Kanonisten schockierte, einen integralen und untrennbaren Bestandteil des Werks darstellen sollte, wurde nun die Priesterweihe der ersten Mitglieder des Opus Dei möglich, die die anderen Jünger Escrivás und die von ihnen ins Leben gerufenen apostolischen Initiativen nun geistlich betreuen konnten. [Casciaro, Pedro, S. 193].

Da Escrivá  mit der bedingungslosen Unterstützung des Bischofs von Madrid-Alcalá und anderer Madrider Kirchenmänner, mit denen er befreundet war, rechnete, bereitete er das Terrain für die juristische Anerkennung der  Priestergesellschaft durch die Ordenskongregation vor, der Dachorganisation im Vatikan, nachdem er Álvaro Portillo aus Madrid geschickt hatte und auch durch zwei andere Mitglieder des Opus Dei, die seit 1942 in Rom lebten, Sondierungen vorgenommen hatte. Nachdem die Vatikanische Kurie erhoben hatte, dass keine Hindernisse vorliegen, wandte sich Escrivá am 13. Juni 1943 offiziell an den Bischof Eijo Garay, damit das Opus Dei als Vereinigung von Gläubigen anerkannt werde, die ohne öffentliche Gelübde in Gemeinschaft lebten, gemäß Canon 673 ff. des Codex Juris Canonici. In seinem Ansuchen bat Escrivá im Wesentlichen um Folgendes: „Wir bitten, dass Eure Eminenz geruhen möge, diese selbe Pia Unio als Gläubigenvereinigung nach diözesanem Recht anzuerkennen, nachdem die Normen des Kanonischen Rechts sorgsam eingehalten wurden, und dieser Vereinigung den Namen Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz zu geben, die einigen Regeln unterworfen ist, deren Grundzüge wir Eurer Eminenz überreichen“. Escrivá unterschrieb den Antrag „in meinem Namen und dem aller und jedes einzelnen einer Gefährten, mit dem Kuss Ihres Hirtenringes und der Bitte um Ihren väterlichen Segen, von dem wir alle Güter erhoffen“.

Die Kongregation für die Ordensleute hatte aus Rom eine zustimmende Antwort geschickt, zuerst in Form eines Telegramms und dann durch ein Dokument mit dem Datum des 11. Oktober 1943, in dem das „nihil obstat“ des Vatikans gewährt wurde. Man weiß nicht, ob die Verzögerung zustandekam, weil Italien im Kriegszustand war, oder weil Escrivá es gewagt hatte, für seine Anerkennung als Gesellschaft des gemeinsamen Lebens nur einen Auszug aus den geheimen Konstitutionen des Opus Dei beizulegen, die „lineamenta generali“, die die wahre, verborgene Dimension  und des Werks nicht zeigte.

Als Escrivá den Inhalt des Telegramms erfuhr, teilte er ihn rasch seinen Anhängern mit, indem er aggressiv zu seiner Verteidigung anfügte: „Ich sage euch, dass jetzt, während einige, denen ich vergebe und die ich liebe, versichert haben, dass die Bischöfe diesem armen Sünder die Amtsbefugnis entzogen hätten, ist aus Rom ein Telegramm gekommen, das an den Bischof gerichtet ist und ihm ankündigt, dass der Heilige Vater dem Werk das „nihil obstat“ erteilt und dass er uns aus ganzem Herzen segnet“. [ „El Itinerario jurídico des Opus Dei“, EUNSA, Pamplona, 1989, S. 130]. Und später, bei einer anderen Gelegenheit, bezog er sich darauf, „wie gut uns der Herr behütet hat, 1943, als wir einige Schritte unternahmen, die providentiell waren, um das Werk warm zuzudecken, ein neues Kind, mit einigen kirchlichen Approbationen „in scriptis“, die für die Weihe unserer Priester notwendig waren, und um uns gegen die Bosheit zu schützen, mit der  einige gegen das Opus Dei wüteten. [Escrivá de Balaguer, Josemaría, Brief vom 25. Januar 1961. In:  „El itinerario jurídico des Opus Dei“, EUNSA, Pamplona, 1989, S. 136].

Schließlich unterzeichnete der Bischof von Madrid-Alcalá das Dekret, um in der Diözese die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz als neue Geseslschaft diözesanen rechts per 8. Dezember 1943 zu errichten. Mit dem Anfangssatz „seit fünfzehn Jahren...“, mit der das Dekret begann, verlegt Eijo Garay einmal mehr die Geburt des Opus Dei ins Jahr 1928, als ob das ein historisches Faktum wäre, das keinen möglichen Zweifel und keine Diskussion zuließe. Der Bischof Eijo Garay merkte auch an dass das Opus Dei „vollkommen den dringendsten Bedürfnissen unserer Zeit und unserer Heimat entspricht. Da alle sagen, dass der Umsturz in Spanien großteils der Tatsache zuzuschreiben ist, dass sich die Intellektuellen zu einem großen Teil von der Lehre und den Geboten Christi  abgewendet haben und viele Jahre lang die akademische Jugend mit zersetzenden Lehren pervertiert haben“. Er erkannte auch an, dass im Opus Dei „Ziel, Verfassung und Vorgehensweise nicht im Sinne einer einfachen Vereinigung gefasst werden können, sondern dass eine weitere und einfachere Form einer wahren kirchlichen Gesellschaft gesetzmäßig errichtet und konstituiert werden müsse (...)“ und dass wir die bisher lobenswerte Fromme Vereinigung, die bereits von Uns als solche approbiert worden ist, als Gesellschaft diözesanen Rechts errichten und unter dem Namen „Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz“ konstituieren (...) Diese Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz ist Uns und Unseren Nachfolgern vollkommen untergeordnet...“.

Es ist nötig, sich kurz beim Bischof von Madrid-Alcalá aufzuhalten, einer markanten Persönlichkeit, die das Approbationsdekret mit den oben stehenden Worten unterschrieb und der während der Nachkriegszeit eine entscheidende Rolle bei der Förderung und juristischen Absicherung des Opus Dei einnahm, wie er selbst anerkennt. Er war Bischof seit den Zeiten der Republik, niemals wurde er Erzbischof, wie er es anstrebte, noch Kardinal, weil er im Vatikan nicht gut angeschrieben war. Franquistischer als Franco, war er Leiter des Spanischen Instituts, Königlicher Prokurator und Rat, außerdem Präsident der der Erziehungskommission des franquistischen Parlaments und Assessor für religiöse und moralische Erziehung bei der Jugendfront, der Jugendorganisation der Falange. Mit seinem Tod 1963 verlor die Diktatur einen einzigartigen Kirchenführer, der Klerikofaschismus einen führenden Ideologen und das Opus Dei eine große Stütze als „Fürsprecher“ in seiner Sache.

Mit dem Dekret des Bischofs von Madrid-Alcalá wurde die dritte der Gründungen des Opus Dei anerkannt, ein sehr wichtigen Faktum in der Entwicklungsgeschichte des Werks. Das Wichtigste war damit erreicht. Schließlich hatte es Escrivá durch ein juristisch recht fragwürdiges Statut, das Schema und das Profil des Werkes Gottes mit den drei Abteilungen Priester, Männer und Frauen. Von besonderem Interesse ist dabei, dass das Opus Dei zwischen 1943 und 1944 die priesterliche Dimension eroberte und das Schema  der drei Funktionen erfüllte, die neue Miliz der Kirche hatte die Kraft, die übrigen katholischen Organisationen im Spanien der Nachkriegszeit zu überleben. [Dumézil, Georges, „Idéologie tripartite des Indo-Européens“, Latomus, Bruselas, 1958].

Das Dekret wurde dringend gebraucht, denn die drei Mitglieder des Opus Dei, die sich auf das Priestertum vorbereiteten, hatten nur einige Monate zur Verfügung, und die kirchlichen Studien dauern Jahre. Aber auch das bedeutete für das Opus Dei kein Hindernis, denn schon nach sechs Monaten, am 25. Juni 1944, wurden die ersten drei Priester des Opus Dei geweiht, die Escrivá bei seiner Aufgabe helfen sollten. Der Schlüssel für diese Beschleunigung lag beim Bischof von Madrid-Alcalá und im Geschick Escrivás, unter den Freunden  des Bischofs und führenden Kirchenmännern der diözesanen Kurie Professoren auszuwählen, die es nicht unpassend fanden, den Kandidaten bei den Prüfungen entgegenzukommen und das Curricuum etwas abzukürzen. Sie hatten ihren Unterricht im Zentralhaus des Opus Dei in der Calle Diego de León und hier wurden sie auch von demselben dreiköpfigen Professorentribunal geprüft, das sie auch unterrichtet hatte, Freunden Escrivás, unter ihnen P. José López Ortiz, dem Werk verbunden durch den Consejo Superior de Investigaciones Científicas und von den Mitgliedern des Opus Dei „Onkel José“ genannt. Da sie in dem belebten Ambiente des Haus des in der Straße Diego de León, wo sie mit der Familie Escrivá zusammenlebten, nicht so studieren konnten, wie sie sollten, fuhren sie vor den Prüfungen in die Umgebung von Madrid, in ein Chalet in der Sierra de Guadarrama, nach El Escorial, oder sie mieteten einige Zimmer in El Encantiño, einer Pension in der Nähe von Torrelodones. Im Mai 1944 machten sie unglaubliche Fortschritte. Am 20. erhielten sie in der Bischöflichen Kapelle in Madrid die Tonsur, am 21. und 23. die Niederen  Weihen, und das Subdiakonat, die erste der Höheren Weihen, am 28. Mai. In der kommenden Woche, am 3.Juni, wurden die drei Mitglieder des Opus Dei zu Diakonen geweiht, und am  25. Juni erhielten sie von Bischof Eijo Garay in dessen Privatkapelle, die feierten ihre erste  heiligen Messen und wurden vom Nuntius des Vatikans in Spanien noch am selben Tag in Audienz empfangen. Im Laufe eines Monats drängte sich für die drei privilegierten ersten Priester des Werks alles zusammen, was sonst den langen Ablauf einer kirchlichen Karriere ausmacht.

Die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz hatte sich auf den Weg gemacht, und, wie damals ein befreundeter Kirchenmann in einer zeitgenössischen religiösen Zeitschrift schrieb, wenn sich „das Opus Dei aus Ingenieuren, Professoren, Architekten, Chemikern und Anwälten zusammensetzt (...) dann müssen aus ihnen notwendigerweise Priester hervorgehen, die eine bewährte berufliche Bildung mitbringen“. Der Schreiber nahm dabei keinen besonderen Bezug auf den priesterlichen Charakter des Werks, sondern sah lediglich mit Sympathie auf das, was das Opus Dei damals war, und auf die Projekte, die sich Escrivá für die nächste Zukunft vorgenommen hatte. Das Opus Dei war damals „eine Gruppe junger Intellektueller“ unter der Leitung eines Priesters, der auch ein Intellektueller war (...“) [Sagarminaga, Ángel, Zeitschrift „Illuminare“, Madrid, Januar-März 1945].

Die dritte Gründung fand 1943 statt und bekam 1944 Gestalt, als es mehrere Priester im Werk gab. Escrivá war nicht mehr allein und konnte mit drei jüngeren Priesterkollegen rechnen, die ihm bei der internen Seelsorge im Werk halfen, aber es waren auch zugleich seine Söhne, denn er war „der Vater“. Mit dieser priesterlichen Gründung klerikalisierte sich das ganze Werk, es entwickelte sich zu einer hierarchischen Ordnung mit dem Gründer an der Spitze, der zusammen mit der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz die absolute Macht im Opus Dei ausübte. Die neue Miliz der Kirche hatte von da an eine geheimere und technokratischere Ausrichtung, aus der der Kirchenmann Escrivá wie ein Giebel aus einem Gebäude hervorstach, das von jungen und ehrgeizigen Ingenieuren dominiert wurde, die sich ganz und skrupellos vor allem dem Funktionieren der messianischen Organisation widmeten, in der sie sich engagierten. Dank dem Opus Dei stieg der Ingenieur bis in die Spitzen der Gesellschaft auf und vertauschte sein Handwerkszeug mit der Manipulation von Menschen, und er baute keine Straßen und Brücken mehr, sondern programmierte Aktivisten und stellte ihr klagloses „Funktionieren“ sicher, von der vollständigen Ausnutzung der Einkommen der ersten Mitglieder bis hin zur technisch komplexen Schaffung anonymer Gesellschaften als Tarnfirmen. Von drei ersten, die geweiht wurden, widmete sich der Architekt vor allem der Weiblichen Abteilung, und von den beiden anderen, die Ingenieure waren, der eine den Finanzierungen an der Seite Escrivás,  und der andere, Álvaro Portillo, verwandelte sich in einen Abklatsch des Gründers, sein Adjutant und sein diskretes „alter ego“, aber ohne die Brillanz und die Rednergabe, die Escrivá auszeichneten. Als Generalsekretär des Opus Dei war Portillo ab 1944 das „Faktotum“ Escrivás und sein Beichtvater, mit der ganz besonderen Eigenart, dass er sogar die Gebete selber sprach, di er seinem Beichtkind auferlegt hatte. Wenn bei der ersten Weihe 1944 drei Mitglieder des Opus Dei Priester wurden und bei der zweiten 1946 sechs. Der dritte Schwung an Priestern wurde zwei Jahre später geweiht, im Jahr 1948, und bei der vierten Weihe 1951 waren es bereits zwölf  neue Priester für das Opus Dei. und es war zwischen der ersten und der zweiten Gruppe von Priesterweihen im Opus Dei 1945, als die ersten öffentlichen Mitteilungen über die neue Gründung in katholischen Zeitschriften mit niedriger Auflage erschienen, und diese ersten Kommentare in der konfessionellen Presse waren für das Opus Dei günstig. [„Catolicismo“, Revista mensual de misiones, Januar 1945; Illuminare, primer trimestre 1945; „Ecclesia“, 23. Juni 1945; Unterschrift, 9, Juni 1945].

Kurz nach der übereilten Weihe der ersten drei Priester richtete Escrivá einen Brief an die Mitglieder des Opus Dei mit folgenden Worten: „heute können wir sagen, dass uns der Herr sei Manna und sein Wasser gereicht hat, um unsren Hunger und Durst zu stillen. Denn es war die besondere Vorsehung unseres Vaters Gott, dass ihr die notwendige geistliche Bildung für eure priesterlichen Seelen erhalten habt, mit dem Eifer und dem Gebet, das dazu führt, dass man die Worte des Propheten Jesus Sirach auf euch anwenden kann (50,9): ich seid „wie Weihrauchfeuer auf dem Speiseopfer, wie ein vergoldetes Gefäß, mit dem Hammer getrieben und mit Edelsteinen besetzt“ . Ich habe viele aufrichtige Gratulationen von Menschen aus allen Milieus zur ersten Weihe von Brüdern von euch erhalten, die zum Priestertum gekommen sind, nachdem sie durch ihre Berufung zum Opus Dei die priesterlichen Tugenden wie ihr alle gelebt haben, und nachdem sie ohne Eile bei einem ausgewählten Professorenkollegium die kirchliche Wissenschaft studiert haben“. Zusammen mit dem persönlichen Jubel Escrivás bietet der Brief einen untrüglichen Beweis, dass es sich um eine klerikale Organisation handelt, denn so präsentierte sich das Opus Dei und stellt sich bis heute so dar.

Mit dieser Übereilung signalisierte Escrivá, das er für sein Projekt auch einen Rückschritt in der Religion in Kauf nahm, sogar bei seiner Konzeption von Gott. Am Anfang war die Gestalt Gottes nicht mit der Güte, sondern mit der Macht verbunden. Es war ein großer Fortschritt, die „Güte“ Gottes zu erkennen. [Eliade, Mircea und Couliano, Joan S., „Diccionario de las religiones“, Paidós, Barcelona, 1992, S. 123]. Der Gründer des Opus Dei war sich allerdings, in Übereinstimmung mit der klerikofaschistischen Ideologie, sicher, dass Gott mächtig sei und Furcht errege, und diese Perspektive hat das Opus Dei bis in unsere Tage beibehalten.

Nachdem das Opus Dei 1947 im Eilzugstempo vom Vatikan das Anerkennungsdekret als Säkularinstitut erhalten hatte [Ynfante, Jesús: „Opus Dei“, Grijalbo Mondadori, Barcelona, 1996, S. 144 ff.],  erweiterte es seine Struktur um die Kategorien der Supernumerarier und der Mitarbeiter. Wenn die Numerarier den „Führungsstab“ bilden, fest bestellt und mit voller Verantwortung für die Gesamtheit des Opus Dei, bildeten die Supernumerarier „den Großteil des Heers Christi“ und wurden als „außerordentliche Mitglieder“ betrachtet. Und wenn der Terminus „Numerarier“ aus dem universitären Bereich stammt, hat „Supernumerarier“ seinen Ursprung  im spanischen Heer. Die Kategorie des Supernumerariers, die schon vorher existiert hatte und sich an Verheiratete richtete, war von da an profilierter; sie waren verpflichtet Almosen zu geben, die Normen und geistlichen Übungen zu verrichten und außerdem die drei Gelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam im Einklang mit ihrem Stand zu einzuhalten. Die Formel, wie Supernumerarier in beiden Abteilungen des Werks, Männer wie Frauen, Mitglieder werden konnten, wurde auch auf die Diözesanpriester in der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz angewendet, denn auch Dorfpfarrer konnten Mitglieder des Opus Dei sein und auf ihrem Platz bleiben, ohne den Gehorsam gegenüber ihrem Bischof und die obligatorische Inkardination in einer Diözese aufzugeben.

Schließlich sollte sich die große Mobilmachung von Menschen und Geldern im Dienst des Werkes, von der Escrivá träumte, um die Wirtschaft und die Politik der Welt zu beeinflussen, durch die Schaffung einer vierten Kategorie ergänzen, die Mitarbeiter, die sogar anderen Religionen angehören oder ungläubig sein konnten, die sich aber verpflichten, das Werk durch ihre Arbeit oder durch Almosen und Schenkungen zu unterstützen

Der Gründungszyklus schien abgeschlossen zu sein. Die erste Gründung, die der Männlichen Abteilung, geschah zwischen 1935 und 1936; die zweite Gründung, die der Weiblichen Abteilung, zwischen 1941 und 1942; die dritte Gründung, die Abteilung für die Priester, zwischen 1943 und 1944; die vierte Gründung, die Sektion der Supernumerarier, wird mehrheitlich durch verheiratete Männer und Frauen gebildet, dazu kamen noch die Mitarbeiter, die gar nicht gläubig zu sein brauchen oder anderen Religionen angehören, fand zwischen 1947 und 1948 statt. Von da an sollte das Werk Gottes seine endgültige Gestalt haben. Es gab freilich nachher noch einige Retuschen an der Fassade, wie die Ersetzung des Namens „Oblate“ durch „Assoziierter“ oder „Dienerin“ durch „Auxiliarin“, aber ansonsten blieb die Grundstruktur  unverändert bestehen bis ins 21. Jahrhundert.

Dem Opus Dei können als Supernumerarier alle Männer und Frauen, verheiratet oder unverheiratet beitreten, die an den Zielen des Werkes teilnehmen und von einer apostolischen Berufung und dem Wunsch nach Vollkommenheit bewegt sind. So widmen sich die Supernumerarier teilweise dem Dienst am Werk und als Mittel zur Heiligung und des Apostolats ihren eigenen Aufgaben und familiären Verpflichtungen, den beruflichen und gesellschaftlichen. Bestimmte Supernumerarier gehen eine besondere Verpflichtung ein, „im Geist kindlichen Gehorsams“ gegenüber Escrivá; vor allem geht es dabei um schwere wirtschaftliche Verantwortlichkeiten, die ihnen von Leitern des Opus Dei aufgetragen werden. Die Supernumerarier müssen in ihrer Stadt und bei ihrer Familie bleiben, die bilden Gruppen zu etwa zehn Personen, die von einem Numerarier geleitet werden, und eine ihrer apostolischen Arbeiten pflegt darin zu bestehen, regelmäßige Treffen mit Personen zu bewerben und durchzuführen, die zu ihrem beruflichen oder sozialen Umfeld gehören, um unter ihnen das zu verbreiten, was im Opus Dei die „rechte Lehre der Katholischen Kirche“ und der „Geist des Werkes“ heißt. Es obliegt auch den Supernumerariern, in zivile, berufliche und gesellschaftliche Vereinigungen einzudringen.

Die assoziierten und Supernumerarier-Priester der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz sind, wie die Assoziierten und Supernumerarier des Opus Dei, in Gruppen zu zehn eingeteilt, aber ihre juristische Situation stellte sich aufgrund des doppelten Gehorsams so konfus dar, dass Escrivá im Jahr 1948 mit seinen Machinationen so weit ging, dass er einige Kardinäle im Vatikan, die seine ideologische Ausrichtung hatten, um Rat fragte, ob er sogar die Präsidentschaft im Opus Dei und seinen Rang als Gründer aufgeben solle, um sich einer neuen Gründung zu widmen, die sich ausschließlich an die Diözesanpriester richtet.

Wenn die Diözesanpriester ein unüberwindliches juristisches Hindernis darstellten, begannen ab 1948 zahlreiche spanische Familien, vor allem diejenigen, die sich bereits in der Katholischen Aktion engagierten, in Scharen dem Opus Dei beizutreten, als sich das Werk als das modernste und erste Säkularinstitut vorstellte, das vor Kurzem vom Vatikan anerkannt worden war [Ynfante, Jesús, S. 148-149]. Als systematische Antimalthusianer widmeten sich die Mitglieder des Opus Dei vor allem der Anwerbung von Familien der spanischen Bourgeoisie, die allgemein eine erschreckend hohe Kinderzahl hatten und von denen man annahm, dass sie die Methode Ogino im gegenteiligen Sinn nutzten, als ob es darum ging, die Diktatur Francos mit sicheren katholischen Keimen um jeden Preis neu zu bevölkern gegen Verseuchung durch jene, die politisch liberal und religiös andersgläubig waren.

Für den formellen Beitritt der ersten Supernumerarier hielt das Opus Dei im September 1948 ein Treffen von über 15 Sympathisanten im Einkehrhaus Molino Viejo bei Segovia ab. Da waren Männer, die Escrivá vor Jahren kennengelernt hatte, vor dem oder während des Spanischen Bürgerkriegs. Einige Persönlichkeiten sollten später auch in der Politik und der Hochfinanz unter der Diktatur Francos eine bedeutende Rolle spielen. Bei der vierten Gründung, zwischen  1947 und 1948, zeigten sich neue Ambitionen Escrivás, denn die Supernumerarier, unterstützt von den Numerarierin, sollten die wirtschaftliche Grundlage für den Triumph des Opus Dei liefern.

Die Gründungsjahre des Opus Dei lassen sich annähernd in vier Jahrfünfte einteilen, und jedes von ihnen hat eine besondere Bedeutung und Geschichte. Wenn die  1927 bis 1931 fünf Jahre der Vorbereitung und des verborgenen Lebens waren, so sahen 1931 bis 1940 das Kalvaria des Kriegs und der Nachkriegszeit. Dann, ab 1940, als der Gründer und sein Projekt abgesichert schienen, begann sich die Männliche Abteilung des Opus Dei tatsächlich zu entfalten,  und die übrigen Gründungen nahmen Gestalt an, ein Prozess, der bis 1950 dauern sollte, auch wenn er nach kaum einem Vierteljahrhundert nach dem Tod Escrivás zum Stillstand kommen sollte.

Die Approbation als erstes Säkularinstitut bedeutete einen starken zusätzlichen Antrieb für das Opus Dei, einen Boom in der Mitgliederwerbung, wie man bei der Analyse der Beitritte feststellen kann. Wenn es 1941 erst 50 Mitglieder gab, so waren es zwei Jahre später, 1943, doppelt so viele, nahezu hundert. Die Rekrutierung von Mitgliedern erfolgte vor allem an der Universität, sie erreichte 1946 die Zahl von 270 Mitgliedern, von ihnen waren 240 Männer, zehn Priester und mehr als 30 Frauen der Weiblichen Abteilung.

Der Boom begann zwischen 1947 und 1950,  als die Zahl der Mitglieder des Opus Dei 2.000 Personen überstieg, die überwiegende Zahl von ihnen Supernumerarier und Supernumerarierinnen, das heißt, in der Mehrzahl verheiratete Leute mit Kindern. In den ersten Monaten des Jahres 1950 erhöhte sich die offizielle Zahl der Aufgenommenen auf 2.954 Mitglieder, von denen 2.404 der Männlichen Abteilung angehörten und 550 der Weiblichen Abteilung. Ca. 2.000 männliche Aktivisten waren Spanier, und 260 Mitglieder gab es in Portugal. Andererseits wiesen Mexiko und Italien, die beiden Länder, in denen das Opus den meisten Erfolg hatte, jeweils annähernd 100 Mitglieder auf. Der wichtigste Umstand an der beträchtlichen Zahl der 2.000 spanischen  Aktivisten war die massive Zunahme der Supernumerarier. Das Opus Dei profitierte, besonders ab dem März 1948, von einem Dokument des Vatikans, dem „Motu proprio Primo Feliciter“, wo den Leitern und Konsiliarien der Katholischen Aktion und anderer Gläubigenvereinigungen „mit väterlicher Zuneigung“ nahegelegt wurde, den Säkularinstitute, besonders dem Opus Dei, Hilfestellung zu leisten, „wahrhaft providentiell seien und mit Freuden ihre Pflicht erfüllten...“. Das Opus Dei verwendete diesen päpstlichen Text missbräuchlich, indem es hemmungslos die Zahl seiner Mitglieder vermehrte, während die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz, auf das das juridische Statut eines Säkularinstituts eigentlich allein zutraf, 1950 erst 23 Priester hatte, und die doppelte Zahl, 46 Mitglieder des Werks, bereiteten sich theoretisch auf Wunsch Escrivás darauf vor, zu Priestern geweiht zu werden, und erst elf von ihnen befanden sich tatsächlich in der letzten Vorbereitungsphase in Rom beim Gründer.

Nach der kanonischen Probezeit von drei Jahren wurde 1950 die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz definitiv als Säkularinstitut approbiert. Das Approbationsdekret, das mit den Worten „Primum Inter“ beginnt, das heißt, „das Erste unter“, wurde vom Vatikan am 28. Juni 1950 offiziell bestätigt.

Unterdessen hatte Escrivá keine Zeit verloren, im März 1948 den Antrag gestellt und vom Vatikan erreicht, dass er den Satz „mit abgekürztem Namen Opus Dei“ in den ersten Artikel der geheimen Konstitutionen aufnehmen durfte, die er pflichtgemäß dem Vatikan abgeben musste, sodass sich ergab: „... Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz und Opus Dei“. Das Faktum, dass die Bezeichnung Opus Dei inkludiert ist, enthüllt die Absichten Escrivás, exzessiven Gebrauch  vom juristischen Statut des Säkularinstituts zu machen, das er 1947 leicht als Priesterliche Gesellschaft bekommen hatte, und auf die gesamte Struktur des Werkes Gottes auszudehnen, wenn auch nur verbal.

Die Approbation der Konstitutionen war sehr wichtig, denn laut Escrivá war es das erste Mal, dass dies in der Kirche zu Lebzeiten des Gründers einer Institution geschah, aber auch, weil sie von der Römischen Kirche als „heilig, immerwährend und unverletzlich“ approbiert worden waren“. Die Konstitutionen waren das geheime Gesetzbuch, das das interne Leben des Opus Dei regelte. Mit einem roten Einband und im Format eines Schulbuchs wurde es zum ersten Mal 1950 herausgegeben. Es besteht aus 479 Normen und ist in lateinischer Sprache geschrieben, und es ist ausdrücklich verboten, es in andere Sprachen zu übersetzen: „Diese Konstitutionen, die herausgegebenen Instruktionen ebenso wie die, die in Zukunft herausgegeben werden können, so wie die übrigen Dokumente, dürfen nicht verbreitet werden; mehr noch. ohne die Erlaubnis des Vaters [Escrivá]  dürfen diese in Latein abgefassten Dokumente nicht einmal in  die Volkssprachen übersetzt werden.“

Allerdings wurden die geheimen Konstitutionen des Opus Dei 1970 als Anhang in dem Buch „La prodigiosa aventura del Opus Dei: génesis y desarrollo de la Santa Mafia“ (Das wunderbare Abenteuer des OD: Entstehung und Entwicklung der Heiligen Mafia) veröffentlicht, geschrieben vom Autor dieser Biografie, und sie erschienen auf Spanisch, aber in Paris. Der Übersetzer war Agustín García Calvo, ein damals exilierter Universitäts-Professor der lateinischen Philologie, der in seiner Anmerkung schrieb, wie ermüdend es sei, „das schlechte Latein ins Spanische zu übertragen, und dazu kam die unendlich kindische Haltung, wie der neugierige Leser erfahren wird, alles bis ins letzte Detail durchzuhecheln. Wir trösten uns teilweise damit, dass dies zumindest der Wahrheit dienen kann, wie man bereits an anderen Beispielen gesehen hat, dem Nationalsozialismus, dem Ku Klux Klan und anderen autoritären, furchterregenden Organisationen: dass die Infantilität der mentalen Strukturen, die typisch ist für Verhaltensmaßregeln sind die man Kinder gibt oder die sich Straßengangs und Räuber geben, nicht nur vollkommen kompatibel mit einem großen gesellschaftlichen Erfolg sind, dem Erwerb von großer Macht und grausamer, blutiger Unterdrückung, sondern dass es sogar zwischen beidem einen tiefen inneren Bezug gibt, der der Untersuchung wert ist; der geneigte Leser möge über die Folgerungen aus einer solchen Beobachtung nachdenken, die sich aus der menschlichen Natur selbst ergibt, ohne sich allerdings allzusehr entmutigen zu lassen und daran zu denken, dass es im Weingarten des Herrn noch mehr Dinge gibt“.

Die Anmerkung des Übersetzers meinte: „Was die Übersetzung betrifft, so ist, abgesehen von ganz vereinzelten Stellen, an denen wir aufgrund der Unzulänglichkeit der uns vorliegenden Kopie ohne größere Schwierigkeiten Ergänzungen vornehmen mussten, aber es ist anzumerken, dass das Original, auch im Kontext eines barbarischen Kirchenlateins besonders rau und unbeholfen ist und auch etliche Grammatikfehler aufweist, und diese stilistische Eigenart konnten wir unmöglich wiedergeben; und wir bekennen, dass trotz unserer Bemühungen diese Übersetzung bemerkenswert unscharf ist, die wir mit Freude und um Gottes Lohn veröffentlichen, entgegen der Vorschrift Nr. 193 der vorliegenden  Konstitutionen“.

Der gesamte Text der geheimen Konstitutionen des Opus Dei sollte nicht nur den eigenen Mitgliedern unbekannt bleiben. sondern sogar den Bischöfen der Diözesen, in denen das Opus Dei arbeitete; auch der  „handgeschriebene“ Text der Konstitutionen des Opus Dei, der im Archiv der Kongregation für die Ordensleute hinterlegt war, verschwand eines Tages auf unerklärliche Weise. Geduldig und machiavellistisch erhielt das Opus Dei außerdem das exklusive Privileg, nicht den ganzen Text der Konstitutionen den Bischöfen auszuhändigen, in deren Diözesen es arbeitete, sondern ihnen nur eine kleine Zusammenfassung anzubieten, die 26 der 479 Normen des Geheimdokuments enthielt, aber darin verbirgt sich das Interessanteste, das heißt, die Hauptregeln des internen Lebens im Werk blieben geheim, als ob sie gar nicht existierten, zumindest bis 1970.

Der Nimbus des Geheimnisses, in den das Opus Dei seine Aktivitäten hüllt, kann die grundsätzliche Sorge erklären, warum man die Konstitutionen weiter geheimhalten will, doch eine bessere Erklärung liegt in den ursprünglichen Zielen des Werkes, als katholische Institution vor allem Intellektuelle anzuwerben, Leitungspositionen in der  Gesellschaft zu besetzen und den Marsch durch die zivilen Institutionen anzutreten, um sie von innen heraus zu verwandeln, indem man vor allem mit den Mitteln und der Hilfe des Staates arbeitet; das verlangt größte Diskretion, um keinen Verdacht zu wecken, und so werden eben auch die Konstitutionen geheimgehalten. Es gibt allerdings einen weiteren, noch viel wichtigeren Grund, warum das Opus Dei wesentlich eine Organisation sein muss, die das Geheimnis liebt und seiner Natur nach unzugänglich bleibt. Der Schleier des Geheimnisses, der den Großteil der Aktivitäten des Opus Dei umhüllt, beginnt beim „Geist des Werkes“, dessen Enthüllung zähe Fortschritte macht, weil die interne Hierarchie eifersüchtig darüber wacht.