Novaliolapena: Villa Tevere (7)

1. Mai 2017

Ich denke, ich habe hier schon einige konkret dargestellt. Nun wollte Andrómeda wissen, was bei der internen Arbeit geschieht. Also, ich werde versuchen, es möglichst detailliert zu schildern. Aber ich beginne zuerst mit ihrer anderen Frage: „Wer entscheidet über den Austritt eines Mitglieds? Wer hat das letzte Wort? Wenn die Entscheidung kollektiv ist, gibt es dann auch Wahlen wie in den Klöstern?“

Zu Beginn ist festzuhalten, dass jeder einzelne Fall besonders gelagert ist. Wie fast immer, gibt es einige generelle Regeln, nennen wir sie Statuten oder sonstwie, die für die meisten angewendet werden. Und in bestimmten Fällen folgen sie vielleicht anderen Kriterien, aus ganz unterschiedlichen Motiven. Ich werde versuchen, Beispiele zu finden...

Im Prinzip haben die Regionalvikare oder die Vikare der Delegationen eine abgeleitete Gewalt vom Prälaten erhalten. Um beispielsweise entscheiden zu können, ob ein Numerarier die Oblation oder die Fidelitas machen kann, bedarf es des Gesprächs mit dem Defensor oder seinem Vertreter.

Einige Entscheidungen sind einzig dem Prälaten vorbehalten, z. B. die Ernennung des Mitglieds des Rats einer Delegation oder Kommission, die Ernennung des Direktors eines Studienzentrums, wenn er noch nicht 30 Jahre alt ist, oder die Ernennung eines Eingeschriebenen Mitgliedes.

Das heißt, verschiedene Entscheidungen werden notgedrungen in Rom getroffen, nämlich die wichtigsten. Und die erfordern die Unterschrift des Prälaten oder dessen, der ihn vertritt, wenn er nicht im Rom ist.

Du fragst dich, wie der Vorgang war, als du entlassen wurdest. Gut, ich werde versuche, es dir möglichst gut zu erklären, obwohl ich nur die Variante bei der Männlichen Abteilung kenne. Ich nehme an, dass es bei der sf (sección femenina, weibliche Abteilung) ähnlich sein wird, ausgenommen bei den Auxiliarinnen, die vielleicht von einer anderen Direktorin abhängen.

Nehmen wir an, dass du schon die Admission, die Oblation und die Fidelitas gemacht hast und dass du aus einem bestimmten Motiv gehen willst. Zuerst werden sie versuchen, dein „Problem“ im Zentrum zu lösen, du die Delegation informieren. Sie werden einen detaillierten Bericht schreiben, warum du gehen willst, was sie getan haben, dass du nicht gehst, welche Lösungen sie sehen oder vorschlagen etc. Wir erleben hier einen Einschnitt. Die Direktoren behaupten, dass sie solche Informationen nicht mehr weitergeben; Gottseidank weiß ich das aber nicht mehr aus erster Hand. Ich kann nur das sagen, was ich in meiner Delegation selbst erlebt habe, dass diese Informationen die Grundlage jeder wichtigeren Entscheidung bilden. 

In diesem Dossier werden sie über dein inneres Leben sprechen, das du in der Aussprache offenbart hast, von der du angenommen hast, dass sie geheim und vertraulich ist, über deine Tugenden, die Dinge, von denen sie meinen, dass du sie gut oder schlecht gemacht hast, etc., also kurz gesagt, über alles. Denn die Personen, die das lesen, sollen ein klares Bild davon bekommen, wer du bist und was sich machen lässt.

In der Kommission werden sie dein Dossier studieren, sie werden dein Foto dazugeben, das du abgegeben hast, als du die Oblation machtest, oder jenes andere zehn Jahre später, damit sie ein aktuelles haben. Ein solches Foto haben sie in der Kommission und eines in Rom. Das Foto kommt in einen Akt, in dem dein Alter und andere Daten aufscheinen. Du hast eine Nummer, die deine Region ausweist, und die Zahl der Personen, die vor dir in deinem Jahr die Oblation gemacht haben. Wenn du aus Spanien bist, ein Numerarier, der als erster im Jahr 1998 die Oblation gemacht hat, bekommst du den Code: 11-n 1/98 Der Elfer bedeutet die Region Spanien, die manchmal auch mit H abgekürzt wird (Hispania auf Lateinisch). Die 1 steht dafür, weil du der erste bist, der in diesem Jahr die Oblation gemacht hat. In Rom gibt es einen Angestellten, der damit beauftragt ist.

Das Dossier, das sie in deinem Zentrum über dich angelegt haben, bekommt der Leiter deiner Delegation oder Kommission und wird sie an den Beauftragten für die Numerarier weitergeben, den sogenannten Vokal von St. Michael. Er wird es lesen, einige frühere hinzufügen (falls es welche gibt, früher Ämter, die du innehattest etc.) und eine Niederschrift vorbereiten. Die Niederschrift ist ein Papier für die Approbation, das die Unterschrift verschiedener Direktoren trägt. Darin steht eine Kurzmitteilung, worum es geht und welche Vorgangsweise empfohlen wird. Und er wird es zum Unterschreiben an andere Direktoren weitergeben, zuletzt an den Vikar der Delegation.

Nehmen wir an, dass du Numerarier in einem Zentrum von St. Raphael bist, also werden der Vokal von St. Raphael, vielleicht der Studienpräfekt der Defensor etc. unterschreiben, und dazu kommt noch die Unterschrift des Direktors der Delegation.

Die Antwort wird mit konkreten Hinweisen an das Zentrum gehen. Und wenn man es für notwendig hält, wird man auch Rom informieren, etwa um Orientierung zu erbitten oder Ähnliches. Wenn du die Fidelitas gemacht hast, wird dir der Vater die Dispens erteilen. Ich glaube mich erinnern zu können, dass das auch im Fall der Oblation gilt. Wenn sie sehen, dass du an der langen Leine bleibst, kann es sein, dass sie in Rom wegen weiterer Instruktionen nachfragen.

In Rom geschieht das Gleiche wie in der Kommission. Das lesen zumindest diese Personen.  Wenn es der Direktor für nötig hält, wird er dein Dossier einem Sachbearbeiter geben, der eine Antwort vorbereitet. Wenn sie mehr Information benötigen, werden sie sie von der Kommission anfordern, und wenn sie sagen, dass etwas nicht ordentlich gemacht worden ist, werden sie es sagen. Die Antwort, die an die Kommission gegeben wird, wird dann auch dem Zentrum mitgeteilt, und sie werden mit dir sprechen. Das heißt ja, die Dinge kommen nach Rom, und Information und Antwort nehmen einen strikt hierarchischen Verlauf.

Damit will ich sagen, dass der Direktor deines Zentrums nur ausführende Gewalt hat. Er ist das Werkzeug, aber er kann letztlich nichts entscheiden. Diejenigen, die über deine Zukunft entscheiden, sitzen in der Kommission und in Rom. Der Vater ist in jedem Moment über alles informiert.

Aus gutem Grund ist man in Rom in Fragen der Kommunikation sehr vorsichtig. Einige Beispiele:

1. Nachrichten per E-Mail werden verschlüsselt, und wenn es besonders heikel ist, gehen die Nachrichten persönlich von einem Numerarier zum, anderen.

2. In Villa Tevere gibt es keine Schnurlostelefone, sondern Pager. Wenn dich jemand sprechen will, summt das Gerät und zeigt dir die Nummer, die du anrufen sollst; das ist die Nummer des Raums, in dem sich die Person aufhält. So wird immer über Kabel kommuniziert. So vermeidet man, dass aufgeschnappt wird, was in VT gesprochen wird.

3. Auf den Computern wird UNIX verwendet, weil es sicherer und komplizierter als Windows oder Apple läuft. Wenn jemand zu arbeiten beginnt, braucht er ein wenig Zeit um zu lernen, wie alles geht.

4. Die Maler und Handwerker in VT werden nie allein gelassen, sondern immer von einem Numerarier kontrolliert, der normalerweise aus dem Collegium Romanum kommt. Manche Maler arbeiten schon seit 10 oder 20 Jahren hier und haben immer noch jeden Tag ihren Schatten.

5. Wenn in der Villa Vecchia, dem Haus des Vaters und der Direktoren, Arbeiten durchzuführen sind, so sagte uns der Vater vor einigen Jahren dass er befürchtete, dass man uns ein Mikrofon oder etwas Ähnliches unterjubeln könne und dass wir die äußersten Vorsichtsmaßnahmen treffen müssten, um so etwas zu vermeiden.

6. Die Eingangstore zur Straße sind gepanzert, es gibt Alarm und Videokameras an bestimmten Stellen. Wie man sieht, ist man sehr, sehr vorsichtig.

Ein weiteres Beispiel. Ein Zentrum, das vom Generalrat abhängt, heißt Colonnata. Es handelt sich dabei um ein Zentrum, das seinem Sitz auf vatikanischem Territorium hat, und es wurde geschaffen, damit man Wirtschaftsdaten des Werkes, Bankauszüge etc. dort deponieren kann, wo die italienische Justiz aufgrund der Lateranverträge keinen Zugriff hat. Sie haben an alles gedacht...

Andrómeda: Du schreibst, dass sie dir Sachen aus dem Koffer gestohlen haben, bevor du gingst; das ist vollkommen illegal, und du hättest die Polizei oder einen Anwalt verständigen müssen. Vielleicht kannst du das ja nachholen. Auch wenn wir schon wissen, dass sie in diesen Fällen lügen müssen, tun sie das problemlos. Dieselben Leute, die einige Tage davor gesagt haben, dass sie ihr Leben für dich geben würden, werfen dich so hinaus. So sieht Nächstenliebe vom Feinsten aus.

Gut, wenden wir uns wieder der Arbeit in VT zu. Jemand hat mich gebeten darüber zu sprechen, wie die Mitglieder einer Kommission oder Delegation ausgewählt werden. Grundsätzlich sind diese Ämter für 5 Jahre vorgesehen. Wenn diese Zeit abgelaufen ist, schicken die Kommissionen Vorschläge nach Rom, wer diese Aufträge übernehmen könnte. Die Mitglieder der Kommission können informell untereinander darüber reden, aber jeder einzelne verschließt den Zettel mit seinen Vorschlägen in einem Kuvert mit seiner Unterschrift. Bei manchen Gelegenheiten werden der Regionalvikar und der Defensor oder der Delegierte ihre Position dazu getrennt darlegen. Was nach Rom kommt, wird studiert, man fasst die Bitten zusammen und übermittelt sie dem Vater, damit er sie approbiert oder etwas ändert. Diese Wünsche sind eine Meinung; der Vater entscheidet, wie er will. Und wenn er etwas anderes vorschlägt, müssen sie andere Lösungen finden, in der Kommission müssen sie dann eben nochmals darüber nachdenken etc. Und am Ende entscheidet dann ohnehin der Vater das, was ihm angebracht erscheint.  Man bereitet einige Dokumente mit den Namen der Personen vor, mit den Aufträgen und dem Übrigen, und dann wird die Kommission informiert.

Damit habe ich die Frage von Andrómeda so gut ich konnte beantwortet, denn es hängt sehr davon ab, in welcher Abteilung jemand sitzt.  Wenn sie beispielsweise für die pi arbeiten (publicaciones internas, das sind die internen Zeitschriften Crónica, Noticias, Obras...), werden sie Artikel für diese Publikationen schreiben. Rom fordert die Artikel von den Kommissionen an: „Wir benötigen soundso viele Artikel für das kommende Jahr“, zum Beispiel. In den Kommissionen suchen sie dann interessante, positive Dinge, die man einschicken kann. In Rom wird das alles retuschiert. Ich erinnere mich daran, dass es in VT den Gruppenkalauer gab (die brüderliche Zurechtweisung inklusive), weil sie sagten, dass in Crónica immer die gleichen Ausdrücke stünden: Alt+F6 „die Glocke ertönt, und ich erinnere  mich daran, wie es war, als ich das erste Mal ins Zentrum kam“; Alt+F7 „die Früchte des Baumes reifen wie die Jungen, die kommen... und bald wollen wir die Früchte ernten....“. Sie widmen sich also der Aufgaben, aus den einlangenden Fotos du texten Artikel zu fabrizieren. Ich erinnere mich, dass einer zu mir gesagt hat: „Das Problem ist, dass sie einen Cronica-Artikel schreiben wollen, aber nicht wissen, wie es gemacht wird. Besser ist es, wenn sie uns die Daten schicken, und wir machen hier gleich alles selbst“ (sic!). Klar, dass alle Artikel gleich klingen.

Wenn jemand umgekehrt beispielsweise für den Vokal von St. Michael arbeitet, wird es darum gehen, neue Territorien zu approbieren (Regionen oder Delegationen), Länder zu suchen, in denen allenfalls die Arbeit beginnen könnte, es werden persönliche Probleme von Numerariern behandelt, wie bei dem jetzt akuten Missbrauchsfall in einem Gymnasium in Bilbao, denn es wird eine Stellungnahme geben, die in Rom vorbereitet wird), Austritte aus dem Werk, allgemeine Hinweise für die Numerarier (man sieht nur einen Film im Monat in den Zentren, der wöchentliche Spaziergang ist einzuhalten etc.), Angelegenheiten der Zentren, die vom Generalrat abhängen (ihre Jahreskurse, ihre Reisen, die Stundenpläne der Zentren, ihre Örtlichen Räte etc.), Ernennungen in den Kommissionen und Delegationen, Sendung von Numerariern in andere  Länder etc.

Beispielsweise habe ich bereits mitgeteilt, wie die Entscheidung zustande kommt, dass sehr junge Numerarier zum Studium ins Ausland fahren.

Wenn jemand beispielsweise für den Studienpräfekten arbeitet, kümmert er sich um das Studium generale (die internen Prüfungen für Philosophie und Theologie), die Gymnasien (diejenigen, die korporative Werke sind, und diejenigen, die es nicht sind) und ihre Bildung, um die Numerarier, die in das Collegium Romanum übersiedeln, um sich auf ihre Weihe vorzubereiten etc. Es hängt also alles davon ab, in welcher Abteilung man arbeitet.

Schließlich muss eines klar sein: In Rom weiß man über alles Bescheid. Und du kannst sicher sein, dass in Villa Tevere jemand das liest, was wir hier schreiben. Eine Umarmung für dich in Bruno Buozzi, der uns liest. Herzliche Grüße! ;-)