Die Kapelle des Generalrats

 

EscriBa, 15. März 2006

Nachdem wir die aberwitzige Privatkapelle beschrieben haben, die sich Escrivá am Zentralsitz des Opus Dei errichten ließ, möchte ich eine andere Ikone der Institution angehen, die „Pfingstkapelle“, das Oratorium des Generalrats.

Zunächst einmal möchte ich aber eine Vorbemerkung vorausschicken, um in die Materie einzuführen. Das Werk wird von Männern regiert, und zwar ausschließlich. Wenn jemand noch daran zweifeln wollte, dass die Frauen im Werk als Wesen minderer Sorte behandelt werden, hier ist der Beweis dafür. Wir wollen sehen. Auf der offiziellen Homepage der Prälatur heißt es:

In der Ausübung seines Amtes stützt sich der Prälat auf die Mitarbeit eines Rates von Frauen, Zentralassessorat genannt, und eines Rates von Männern, des sog. Generalrats. Beide Räte haben ihren Sitz in Rom.

So hat es ein  Beauftragter der Prälatur formuliert, und darin liegt das Problem. Ein Mensch des Opus Dei ist außerstande die Wahrheit zu sagen, sonst müsste er anerkennen, dass er sein Leben auf Lügen aufgebaut hat, und von daher rühren die gewaltigen Gewissens­konflikte, die wir erlebt haben. Die Leitung des Opus Dei ist davon sehr verschieden und noch viel schlimmer, die Potenz der der hartnäckigen Lüge.

Tatsächlich heißen die beiden Gremien unterschiedlich, und das mit Grund. Der Generalrat hat – angeblich – Entscheidungsgewalt, das Zentralassessorat hat hingegen gar nichts, nicht einmal einen Existenzgrund.

Es heißt, „beide Räte haben ihre Sitz in Rom“. Man möchte uns also glauben machen, dass der „Rat der Frauen“ und der der Männer auf gleicher Ebene agieren, gleich wichtig sind, ja, die Frauen werden sogar an erster Stelle genannt.

Tatsächlich werden alle Entscheidungen ausschließlich vom Prälaten getroffen, und häufig delegiert er auch Entscheidungen an zwei oder drei Priester seines Vertrauens. Der Generalrat behandelt die Themen und stimmt nachher ab… aber es geschieht nur das, was der Rat „kollegial“ beschließt, wenn er sich in dem einig ist, was der Prälat möchte, und wenn das nicht klappt, muss das Problem erneut „studiert“ werden, und zwar so lange, bis entscheiden wird, was die zwei oder drei Bonzen vom Dienst vorgesehen haben. Der Rat der Frauen nimmt überhaupt keinen Einfluss; der Generalrat beschränkt sich darauf, dem Assessorat mitzuteilen, was er beschlossen hat, und – nur darüber! – kann das Zentral-Assessorat Vorschläge machen, die den Generalrat aber in keinem Fall verpflichten. Die Arbeit des Assessorats beschränkt sich darauf, der weiblichen Abteilung die Direktiven mitzuteilen, die der Generalrat für das gesamte Werk ausgearbeitet hat.

So beschreibt es auch Carmen Tapia in ihrem großartigen Buch: „Diese Art der Leitung basierte auf der Opus-Dei-Satzung Nr. 320., in der deutlich gesagt wird: „Der Padre besitzt die Macht über alle Regionen, die Zentren und jedes einzelne Mitglied sowie die Güter des Instituts, die er gemäß dieser Satzungen auszuüben hat.“  Ich habe nie­mals den Fall erlebt, dass irgend jemand im Zentralassessorat ein­mal kein Einverständnis mit dem Padre geäußert hätte, und ich frage mich, was wohl passiert wäre, wenn jemand einmal nein zu einem sei­ner Vorschläge oder Anweisungen gesagt hätte. Die Versammlungen des Zentralassessorats waren, wie ich noch einmal betonen möchte, eine „gesteuerte Demokratie“: Noch bevor die Versammlung statt­fand, wurden die Leute für die Angelegenheiten, die Monseñor Escrivá in bestimmender Weise anwies, sensibilisiert.

Selbstverständlich gab es Abstimmungen, aber hauptsächlich nur dann, wenn es sich um die Aufnahme auf Ewigkeit einer Assoziierten, sowohl Numerarierin als auch Auxiliarin, ging, zudem in wenigen an­deren Fällen. Es war natürlich, dass man bei keiner Versammlung der Asesoria eine Gegenstimme zu der des Gründers vernahm. Darüber hinaus muss gesagt werden, dass ein Einwand ohnehin einen Mangel an unidad [Einheit] bedeutet hätte.

Das zeigt sich die Schizophrenie des Werkes in der Dichotomie Kollegialität/Einheit. Das ganze Oratorium von Pfingsten ist ein Denkmal der Einheit zu Lasten der Kollegialität, und „Einheit“ versteht sich als blinde und fanatische Anhänglichkeit an die Anordnungen Escrivás und seiner Nachfolger. Die Geschichte mit der „Kollegialität“ ist eine andere Finte, um ein Bild des Werkes zu erzeugen, das nichts mit der Realität zu tun hat und das ihnen besser passt. So wie ein Blick in die Privatkapelle zum klaren Schluss führt, dass der Gründer einen Sparren hatte, so genügt ein Blick in die Kapelle des Zentralrats, um aus der Anordnung zu erkennen, wer im Opus Dei das Sagen hat.

Dieses Oratorium wurde 1957 geweiht; es befindet sich in der Villa Vecchia, dem bedeutendsten der 8 Gebäude, die Villa Tevere bilden, den Zentralsitz des Opus Dei. Im selben Jahr kam der Tabernakel nach Rom, der das Herzstück der Kapelle bildet. Er war in zweijähriger Arbeit in der Werkstatt „Talleres de Arte Granda“ (Madrid) entstanden – wie immer nach den Anweisungen Escrivás. Der Tabernakel hat die Form eines Renaissance-Pavillons, er besteht aus massivem Silber, das vergoldet wurde. Er sieht dem Tempietto Bramantes in San Pietro in Montorio, Rom, sehr ähnlich.

Drei Stufen, Säulen, eine Kuppel. Bei diesem Tabernakel sind die Säulen aus Amethyst, darunter als Relief die 4 Patrone des Werks in Silber und Email. Das große Türchen weist 10 Reliefs aus Elfenbein auf, in der Mitte Emaillierung, und die übrige Oberfläche ist mit Edelsteinen bedeckt. Das Fries, das die Säulen abschließt, ist aus Malachit und trägt 8 Figuren aus Elfenbein von sitzenden Engeln, die Fische und Brote halten. Die Kuppel ist mit Schuppen aus Lapislazuli ausgeführt, mit Medaillons aus Porphyr und Onyx. Über dem Türchen befindet sich ein Giebel mit dem Siegel des Werkes, das von zwei weiteren Engeln aus Elfenbein bewacht wird. Unter dem Giebel befindet sich ein Kragstein mit den Worten „CONSVMATI IN VNVM“ [Joh. 17,23: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit“]. Ein Kruzifix aus Gold und Rubinen schließt all dies ab. Der Tabernakel verfügt über weitere zwei Kruzifixe für den Giebel, die man austauschen kann, eines aus Platin, Perlen und Diamanten, und das andere aus Gold und Platin, überzogen mit Smaragden, Rubinen und Diamanten.  Der Tabernakel steht auf einem Sockel aus Onyx von Circeo. Das Ensemble misst etwa 80 cm Höhe. Auf ausdrücklichen Wunsch Escrivás wurde auf der Rückseite des Tabernakels ein weiteres Fries angebracht, mit der Aufschrift: “Ut omnes unum sint sicut tu pater in me et ego in te, ut sint unum sicut et nos unum sumus” [Joh. 17,21: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein“]. Das soll also bedeuten, dass alle im Werk wie der Vater (Escrivá) sein sollen, wie Escrivá ihr Gott ist. Das Innere ist mit Engelsdarstellungen ausgelegt: 2 aus punziertem Gold und 2 aus Smaragd, an der Rückwand befindet sich ein Christogramm, ganz aus Rubinen, das Innere der Kuppel besteht aus einer Täfelung aus Gold mit Halbedelsteinen. Die Kapelle hat einen rechteckigen Grundriss; an der einen Seite befindet sich, erhöht, das Presbyterium, an der entgegengesetzten der Sitz für Escrivá. An den Längsseiten des Rechtecks befindet sich das Gestühl entlang der Wand, wie ein Chor, und bildet ein großes „U”. Alle Wände sind mit Glasmalereien ausgelegt; das Licht ist zwar künstlich, aber das merkt man nicht, die Fenster sind also nur scheinbar – die glückliche Idee eines Architekten Escrivás, die hartnäckig im ganzen Haus wiederholt wurde.

Du sahst mich die heilige Messe an einem strengen Altar feiern. Tisch und Altarstein ohne Aufsatz. Großes Kreuz. Kräftige Leuchter, schwere Wachskerzen, zum Kreuz hin aufsteigend. Altarfront in der Farbe des Tages. Weites Messgewand. Kostbar und streng in den Linien der Kelch, die Kelchschale weit. Kein elektrisches Licht. Wir vermissten es nicht. Es fiel dir schwer, den heiligen Raum zu verlassen. Dort war es gut sein. Siehst du, wie die Strenge in der Liturgie zu Gott hinführen kann? (Pkt. 543 im Weg; Hervorhebung vom Verf.). Aber hier gibt es nur elektrisches Licht, das Tageslicht ist künstlich, vorgetäuscht, wie das Opus Dei selbst.

Das Presbyterium befindet sich an einer der Schmalseiten des Rechtecks; sein Boden ist, wie die Stiege, die hinausführt, mit roten Granit aus Assuan ausgeführt. Der Altartisch ist aus altem Marmor, er ruht auf zwei großen Konsolen, und, auf der Vorderseite, vier Engeln aus vergoldeter Bronze, zwei auf jeder Seite. Zwischen den beiden Engelspaaren gibt es eine imposante Urne aus einem einzigen Stück Lapislazuli, mit zwei Löwenköpfen, die Henkel tragen, und in der Mitte das Siegel des Werkes in einem Lorbeerkranz, alles aus vergoldeter Bronze. Sechs üppig verzierte Kandelaber aus vergoldeter Bronze. Das Altarbild besteht aus einer großen Glaswand, die von Säulchen aus afrikanischem Marmor untergliedert und von zwei übergroßen Säulenpaaren flankiert ist, aus italienischem Rosso Collemandina-Marmor, überreich geschmückt mit einer Ornamentik aus vergoldeter Bronze. Der Verbindungstür zwischen dem Presbyterium und der Sakristei ist aus Ebenholz mit Appliken und Verzierungen aus vergoldeter Bronze.

Der Boden der Kapelle besteht aus großen Platten aus zurechtgeschnittenem antiken Marmor, zu geometrischen Mustern angeordnet, in der Mitte ein Stern aus gelbem numidischem Marmor. Zwischen den Fenstern der Seitenwände befinden sich korinthische Säulen. Die Sitzflächen des Gestühls sind aus Marmor, der teilweise mit edlen Hölzern (wie Mahagoni) bedeckt ist. In die „Misericordias“ der Sitzplätze ist die „Geschichte des Esels“ geschnitzt. Die Rückenlehnen aus Alabaster sind mit pflanzlichen Mustern aus vergoldeter Bronze verziert. Die Decke ist eben, mit einer Kassettierung aus Stuck und Gold, alles strotzt von Gold, Girlanden, Fruchtschnüren etc.

Die Wand gegenüber dem Presbyterium ist von zwei Türen durchbrochen; über ihnen, symmetrisch angeordnet, zwei Engel aus Carrara-Marmor. Der eine hält ein Spruchband mit der Aufschrift „Pax”, der andere „In Aeternum”. Zwischen den beiden Türen war der Platz für Escrivá und seine beiden Custodes, der eine rechts, der andere links von ihm. Den Platz, den sich Escrivá hier errichten ließ, von dem aus er dem Pfingstoratorium vorsaß, gleicht viel eher dem prächtigen Thron eines byzantinischen Kaisers als dem Platz, den der Obere in einem Chorgestühl einnimmt. Es handelt sich um drei erhöhte Richterstühle, der höchste deutlich für den Gründer reseriert, aus Carrara mit Intarsien aus altem Marmor und Halbedelsteinen, in einer Apsis geborgen (seit der Antike ein Ehrenzeichen), abgeschlossen mit einem Gewölbe, das mit einem Mosaik aus Gold und farbigem Glas ausgelegt ist und Engel darstellt. Die Wand ist mit kleinen Pilastern untergliedert und mit sieben Glasfenstern geschmückt. Hier thronte Escrivá, wenn er sich in der lila Soutane eines Hausprälaten Seiner Heiligkeit zeigte, mit allem Pomp und aller Würde, die notwendig waren, um seine „Räte“ daran zu erinnern, dass er es ist, der Befehle erteilt und der sich in das Gewand einer göttlichen Autorität gehüllt hat.

Auf diesem Thron fand eine der extravaganten Peinlichkeiten statt, die so typisch für Escrivá waren und die nicht selten die Grenzen der Lächerlichkeit überschritten. Carandell erzählt sie in seinem Buch: „Persönlichkeiten aus der Umgebung von Don Juan de Borbón haben in Madrid erzählt, dass vor einigen Jahren, als der Graf von Barcelona Don Josemaría Escrivá de Balaguer in seiner Residenz in Rom besuchte, der Gründer ihn begleitete, wie er es gewöhnlich bei berühmten Gästen machte, um ihm das Haus zu zeigen. Als das Gefolge die herrliche Basilika innerhalb dieses Gebäudebereichs betrat, mit all dem Luxus, den das Werl an seine Angelegenheiten zu verschwenden weiß, geschah etwas, was den Sohn Alfons XIII. stumm vor Erstaunen ließ. Don Josemaría Escrivá de Balaguer näherte sich dem Chorgestühl aus edlem Holz, setzte sich auf de Platz, der für ihn reserviert war, und begann Don Juan de Borbón zu erklären, dass er sich jeden Tag hierher setze und mit Gott so spreche:

- Herr, Josemaría hat viel für die Kirche getan. Und ich werde noch viel mehr tun...”

(Ein Kommentar erübrigt sich.)

Da ist klar, wer das Opus Dei leitet, wer die Befehle erteilt und wer gehorcht, denn die Leitung hat im Konzept der Kapelle Gestalt angenommen.

Aber in der Leitung der Prälatur gibt es auch Frauen. Wo sind sie? Wenn wir an der Altarseite hinaufschauen, sehen wir auf der rechten Seite des Presbyteriums ein ganz massives, schmie­de­eisernes, verglastes Gitter. Was sieht man zwischen den Gitterstäben? Nichts.

Den Blick hemmt ein dicker und schwerer Vorhang aus granatgrünem Samt. Hinter dem Vorhang befindet sich ein rechteckiger, nüchterner, enger Raum: das Pseudo-Oratorium des zentralen Assessorats. Aller Luxus der Kapelle der Männer verwandelt sich hier in kalte Nüch­tern­heit. An der Rückwand: ein Bild der Muttergottes mit Kind als Relief aus Carrara, die Stufen des Podests bedeckt mit vergoldeten Rosen aus Silber, die alle Regionen des Werks nach Rom schicken mussten. Das Bild ist flankiert von zwei kleinen Fenstern, ebenfalls mit künstlichem Licht, der einzigen Lichtquelle für den Raum. Rechts und links befinden sich zwei Sitzreihen aus Nussbaumholz, die einfache Rückenlehne ebenfalls aus Holz. Bei den Frauen gibt es keine Spur von Marmor, Alabaster und Onyx, wie sie die Männer in ihrem Oratorium haben, die Wände sind in Grau und Blau bemalt, mit geometrischen Mustern. Den Plafond bildet eine Kassettierung in einfachen und kalten Farben, keine Spur von der skandalösen goldenen Decke im Oratorium der Männer. Von diesem Raum aus nehmen die Frauen des Assessorats an der Messe des Vaters teil, und sie schielen in der Hoffnung, einen Blick auf den herrlichen Altar zu erhaschen, durch die wenigen Zentimeter, die die Vorhänge freigeben.

So haben die Frauen den Platz, der ihnen nach der Konzeption Escrivás zusteht: von den Männern abhängig, auch und vor allem dann, wenn es darum geht das Werk zu leiten. Die Lage hinter den Gitterstäben entspricht exakt denen von Klausurnonnen in einem Konvent.

Das ist die Art, das Opus Dei zu leiten und sich in Szene zu setzen; hier ist der Ort, wo Escrivá klar machen konnte, wer er für seine Jünger war und welchen Platz er den Frauen im Opus Dei zumaß.

 

escriBa

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