Die Pathologie Escrivás: Warum man sich für das Opus Dei schämen muss

E.B.E. – 24. Oktober 2011



Gervasio trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er sagt, dass es peinlich ist über das Opus Dei zu sprechen. Dass einer Franziskaner oder Dominikaner ist, kann ein historisch interessantes Kuriosum sein für die, die nicht religiös sind, und für die, die es sind, hat es etwas Faszinierendes an sich. Aber die Tatsache, dem Opus Dei anzugehören, ist in höchstem Maß ideologisch befrachtet; man hängt von der Sicht der Dinge ab, wie sie Escrivá hatte  (und die entspricht einer Sekte). Es ist so peinlich, wie wenn man einer rechtsextremen rassistischen Gruppe angehört, die die „Liebe zu niederen Rassen” predigt. Für das Opus Dei schämt man sich, weil man kaum jemals das einlösen kann, was es predigt: Es kommt immer etwas höchst Gezwungenes heraus, obwohl sie einen heilig gesprochenen Gründer haben und von der Kirche bisweilen tatkräftig unterstützt wurden. Je mehr Parfum von außen darüber gesprüht wird, umso heftiger stinkt das Opus Dei selbst.

Deshalb hat das AOP [Apostolado de la Opinión Pública, Apostolat der öffentlichen Meinung] eine eigene Sprachregelung erfunden, um über das Opus Dei zu sprechen ohne vor Scham zu erröten: Nennen wir es „Opus Dei for dummies“, und sie haben einige Methoden entwickelt, über das Opus Dei zu sprechen, ohne vor Scham zu erröten“.

Gervasio meinte: „Auch wenn sich ihre Aussendungen formal an die Öffentlichkeit gerichtet sind, so sind sie doch eher für die Mitglieder bestimmt, denen sie vorzeigen sollen, wie man reden, abstreiten und lügen kann und soll“. Interessant ist dabei, dass sich das Opus Dei offenbar selbst wie eine Obszönität wahrnimmt, die man in der Öffentlichkeit besser nicht erörtert, für die man sich schämen muss, die man versteckt und unter einer steifen Hülle präsentiert, an der nichts spontan ist. So wie die Rechtsfigur der Personalprälatur der „Maßanzug“ ist, den man sich übergestreift hat, um zu verbergen, dass das Opus Dei seiner Natur nach immer noch ein Säkularinstitut ist, so sind auch die Äußerungen der Mitglieder maßgeschneidert.

Es ist ein Widerspruch, dass man theoretisch in der Öffentlichkeit problemlos über das Opus Dei reden können sollte, dass man sich in der Praxis aber dafür schämt, öffentlich über das Opus Dei zu reden, weil es irgendwie obszön ist. Inwiefern ist es obszön? Wir werden sehen.

***

Scham, um besser sündigen zu können

Escrivá selbst hat diese pathologische Scheu davor eingeführt, die dazu geführt hat, dass wir alle miteinander es vermeiden, offen über das Opus Dei zu reden; so konnten die intern üblichen Missbräuche im Zusammenhang mit Gewissensangelegenheiten auch lange Zeit nicht zur Sprache kommen.

„Die Intimität der persönlichen Hingabe an Gott und die Intimität unseres Familienlebens sind nicht dazu bestimmt, auf der Straße ausposaunt zu werden oder die Neugier des erstbesten Schnüfflers zu befriedigen, der an der Tür klingelt“ (Escrivá, Betrachtungen I, S. 447-448)

Was für eine extreme Sichtweise! Schwarz-weiß, ohne Zwischentöne. Das Opus Dei ist nicht so sehr eine Institution, es ist vielmehr eine Intimität, so wie das Innerste unserer Seele, und der  Wunsch, seine Regeln und Statuten kennen zu lernen, müssen die „aggressive Schnüffelei“ eines Eindringlings sein.

Das Schamgefühl ist ein sehr starker Mechanismus, der dazu dient, eine Selbstkontrolle der Mitglieder in Gang zu bringen, denen beigebracht wurde, was sie herzeigen dürfen und was nicht. Escrivá hat auf diesen Mechanismus zurückgegriffen, um sein Opus Dei vor fremden Blicken abzuschirmen, es sollte unterirdisch funktionieren, „nach innen wachsen“, sich wie ein Maulwurf bewegen und eines Tages in Gestalt der Personalprälatur ans Licht treten.

Eines ist an Escrivá tatsächlich barock – seine verschnörkelte Denkweise. Weil er wusste, dass das nicht gut war, was er tat, zum Beispiel der Betrug mit den Berufungen, hat er zur Verschleierung seiner Fehler eine allgemeine Phobie in Zusammenhang mit der Berufung verbreitet, indem er sie als „Intimität“ deklarierte. Auf dieser Weise kommt die Erwähnung des Opus Dei einer „unkeuschen Entblößung“ gleich;  man kann nicht offen über das Opus Dei sprechen, ohne nicht gleichzeitig eine Obszönität zu begehen. Escrivá sprach von „Schraube und Mutter“; innerhalb des Werkes muss alles fest miteinander verklammert sein, damit nichts sich lockert, nichts verloren geht. Man muss daraus eine Sünde machen, dann arbeitet das Schamgefühl für den übergriffigen Missetäter.

***

Darin liegt die Obszönität Escrivás: Er hat zum Intimbereich deklariert, was öffentlich zu sein hat, so wie etwa die Internen Schriften des Opus Dei: Die Konstitutionen und das Ius Particulare in lateinischer Sprache haben den einzigen Zweck, den Inhalt vor der Öffentlichkeit hinter einer toten Sprache zu verbergen; dieser Zaubertrick gefiel Escrivá, der sich angeblich immer verstecken und verbergen wollte. Escrivá versteckte die Dinge vor der Öffentlichkeit, und niemand konnte sagen, er „verberge“ etwas, denn er vollführte seinen Zaubertrick ja vor aller Augen. Das ist der Trick des Opus Dei: Es betrügt in aller Öffentlichkeit.

So, indem er nämlich zum Intimbereich deklariert, was öffentlich zu sein hat,  hat er die Heimlichtuerei in aller Öffentlichkeit zum fixen Bestandteil der Institution gemacht. Er sprach von keiner „Privatangelegenheit“, nein, es war eine „Intimität“, etwas, das man nicht einmal erwähnt. Das Private deklariert man wenigstens öffentlich als privat; das Intime existiert aber für die Öffentlichkeit gar nicht. Man hat uns darauf gedrillt, nicht über das Opus Dei zu reden. So ist es kein Wunder, dass es uns heute Mühe kostet, öffentlich über das Opus Dei zu reden, auch wenn wir diese Organisation schon vor Jahren verlassen haben sollten. So ist auch die AOP darauf dressiert, nur das Notwendigste zu sagen und nicht mehr. Man braucht sich auch nicht zu wundern, wenn viele sich sträuben, einen  Beitrag zu dieser Seite zu leisten; es erscheint ihnen als eine Obszönität, öffentlich über das Opus Dei zu reden, denn diesbezüglich sind sie sehr gut trainiert worden.

***

Das zerstörte Innenleben

Warum hat Escrivá so gehandelt? War das eine Strategie? Das Problem Escrivás und seines  Opus Dei besteht darin, dass seine Strategien in pathologischen Verhaltensweisen münden; es handelt sich nicht um Notlügen, sondern um ein Verhaltensmuster. Es gibt nicht einem einmaligen Verlangen nach, es frönt hier einem Laster. Ein normaler Mensch mit gesunden Kriterien begeht solche Betrügereien einfach nicht, auch nicht aus Bosheit: Wenn er etwas Schlimmes tun will, dann handelt er rational, vielleicht sogar leidenschaftlich, aber nicht pathologisch; und hier kommt noch eine Qualität hinzu. Psychopathen (der entsprechende Artikel auf Wikipedia ist  höchst empfehlenswert) richten Schaden an, und das ist auch ein moralisches Moral), dazu kommt dann noch der psychiatrische Aspekt.

Aber abgesehen davon, dass er die Realität durcheinander bringt um andere zu schädigen und sich zu bereichern, oder um sich an fremdem Schaden zu bereichern, musste Escrivá die Wirklichkeit manipulieren, um  sie seinem Verständnis der Dinge anzupassen. Es verhält sich wie mit dem Selbstporträt des großartigen Künstlers namens Francis Bacon, das oben abgebildet ist: Er wollte keine fotorealistische Abbildung der Wirklichkeit zeigen, sondern seine Interpretation liefern. Man sieht dieses Gesicht und ahnt, dass sich hinter dieser Oberfläche eine ganze, sehr komplexe Welt verbergen muss.

Das Opus Dei ist das Selbstporträt Escrivás: Es ist die Interpretation, dass er „gemacht hat, was er gesehen hat“ (wenn man an den übernatürlichen Ursprung des Werkes glaubt), aber auch, notwendigerweise die Schlussfolgerung aus dem, was auch immer er da gesehen hat. Wenn man das Opus Dei studiert, gewinnt man einen tiefen Einblick in die Psyche Escrivás, und eben das war der Grund, warum Escrivá nicht wollte, dass man offen über das Opus Dei redet: Es wäre genauso gewesen, wie wenn man über ihn gesprochen hätte, und er wollte sich ja „verbergen und verschwinden“.

***

Ebenso hat Escrivá als laikal deklariert, was typisch für die Ordensleute ist (und dabei hat er die Tatsachen verdreht und seinen Gefolgsleuten eine echte Phobie vor den Ordensleuten eingeimpft, damit bloß keine Kontakte entstehen und über dieses Thema auch nicht im entferntesten gesprochen werden soll). Es ist die gleiche Vorgangsweise wie immer – er bringt die Dinge und die Wörter durcheinander. Einmal kann das nett sein, wenn man das öfter macht, riecht es nach einem taktischen Manöver, aber wenn es zu oft passiert, wird es haarsträubend.

Escrivá hatte vollkommen verkehrte Denkkategorien, und er verpflichtete uns, die Dinge mit einem Decknamen zu benennen, und so machte er uns weis, dass wir keine Geweihten oder Ordensleute seien, sondern Laien wie die anderen. Das ist allerdings problematisch für die Psyche, über den taktischen Schwindel hinaus. Uns war der Zugang zur Realität buchstäblich verboten, wir hatten in einer „psychotischen Atmosphäre“ zu leben. Vor den Augen der Welt sperrte uns Escrivá den Zugang zur Welt – ein Zaubertrick. Man konnte ihm nicht einmal irgendwelche Vorwürfe machen, es spielte sich ja „vor aller Augen“ ab; den Trick konnte ihm niemand nachweisen.

Das Opus Dei weist eine psychotische Atmosphäre, eine Aura des Realitätsverlusts auf. Und obendrein versicherte Escrivá, so als wollte er die Pathologie vervollkommnen: „Aber die Ideen sind klar, das Bewusstsein ebenfalls. Was wir nicht machen können, ist, schlimme Dinge zu tun und zu behaupten, dass sie heilig sind“ (Escrivá, Betrachtungen III, S. 715).

Escrivá schuf sich seine eigene Realität, und zugleich leugnete er alles andere ab; er hatte bereits alle Möglichkeiten studiert, alles sicher gemacht. Das, was Escrivá gemacht hat, war ein gewaltiger Knoten, den so leicht niemand mehr entwirren konnte.

Er nahm alle Arten von Kritik vorweg, die irgendwie auftauchen konnten, und ließ uns dadurch wissen, dass sie kommen werden. In Wahrheit sind diese Kritikpunkte alle, durch die Bank, berechtigt und von Anfang an plausibel: Heimlichtuerei, Zwang, Betrug, Manipulation, übersteigertes, elitäres Selbstbewusstsein…, aber wir waren uns dessen nicht bewusst, denn Escrivá hatte sie uns ja ausdrücklich geleugnet. Escrivá sagte uns, dass die Menschen, wenn sie davon erfahren, uns verleumden würden - was er doch für eine Prophetengabe hatte! Nun klar, er war von Gott erleuchtet du  sah die Zukunft voraus, dachten wir einfältig. Im Opus Dei – fuhr Escrivá fort – gibt es eine außerordentliche Freiheit, und deshalb sage ich euch voraus, dass es Verleumdungen geben wird, Lügen, groß wie ein Elefant, die vom Teufel kommen – indem sie sagen werden, dass es keine Freiheit im Opus Dei gibt, und ihr werdet wissen, dass es sich um  Verleumdungen handelt. Was Escrivá gemacht hat, hat er mit vollem Bewusstsein gemacht, und das ist unentschuldbar. Er hat alles kaltblütig geplant und vorausberechnet.

Indem er das Gegenteil leugnete (den Mangel an Freiheit, den Mangel an Säkularität), leugnete er, dass es außerhalb seines Gewissens noch eine andere Wirklichkeit gab, und er stellte seine Fiktion als Realität hin. Ein anderes schlimmes Bild ist das von Schraube und Mutter, das sich in psychiatrischer Analogie auf Escrivá anwenden lässt. Er erzeugte Verwirrung und hielt eine Lobrede auf die Klarheit. Das ist viel mehr als ein bloßes Intrigenspiel; umso etwa gut machen zu können, muss man ein schlechter Mensch sein.

„Conceder sin ceder, con ánimo de recuperar“ – nachgeben, ohne wirkliche Zugeständnisse zu machen, und mit der Intention, das verlorene Terrain wiederzugewinnen. Das pathologische Problem Escrivás war es zu glauben (oder glauben zu lassen), dass seine Vorgangsweise nicht pathologisch sei, sondern eine simple Taktik. Er kam sich wie ein Schlaukopf vor, aber da war noch etwas. Escrivá nannte es eine Taktik (es gibt ein ganzes Kapitel im „Weg“, das so heißt), aber tatsächlich war das eine Pathologie. Er konnte nicht anders handeln als verworren, wenn er uns auch gleichzeitig das Gegenteil versicherte: „Mit Starrheit erreicht man gar nichts; man verliert die Spontaneität und die Initiative, und das Ergebnis sind komplexbeladene Seelen, die gegen ihr Gewissen  handeln und richtige Sünden begehen, die wir barock, kompliziert, unnatürlich nennen könnten. Freiheit, meine Kinder, Freiheit ist der Angelpunkt jener laikalen Mentalität, die wir alle im Opus Dei haben“. (Escrivá, Brief, 29-IX-1957, Nr. 55., zit. in Betrachtungen IV, S. 272-273).

Wie oft haben wir uns gefragt, warum die Dinge nicht einfacher und offener ablaufen konnten? Es gab verschiedene Gründe dafür (Klugheit, Diskretion etc.), aber das Ergebnis war dasselbe: immer kompliziert. Und es ist unvermeidlich, dass man sich für so etwas schämt.

Die Widersprüche im Opus Dei waren derart, dass man sich irgendeine Stütze suchen musste, um psychisch gesund zu bleiben und dass Gefühl zu haben, „auf dem richtigen Weg zu sein“ (ein anderes Bild, das Escrivá gebrauchte). Man kann nicht leben, wenn ständig die Spannung des Widerspruchs in sich selbst aushalten muss.

So versicherte man sich, indem man nicht daran zu zweifeln wagte, dass Escrivá psychisch gesund war. Das Verhalten, das er an den Tag legte, bedeutete nicht so viel, wenn nur die „Grundsätze“, die er gab, stimmig waren.

Aber wenn es dem Gewissen verboten war, die Wirklichkeit zu hinterfragen, waren sehr oft psychosomatische Reaktionen die Folge: Depressionen und Angstzustände wollten uns vermitteln, dass etwas mit der „Welt Escrivás“ nicht stimmte; es war eine Auflehnung gegen den Krampf, den Zwang, die Selbstaufopferung: „Man muss es lernen sich aufzulösen, sich selbst zu zerstören, auf sich selbst zu vergessen; man muss vor Gott brennen, aus Liebe zu den Menschen und aus Liebe zu Gott, genau wie jene Kerzen, die sich vor einem Altar verzehren, bis von ihnen nichts mehr übrig ist (Escrivá, Meditación, 16-II-1964).

Es gibt keine andere Form, sich an die Welt Escrivás anzupassen, denn sonst hätten wir so verrückt sein müssen wie er selbst, und das waren wir nicht. Genau deshalb mussten wir uns allerdings, als wir aus dem Opus Dei weggingen, uns notwendigerweise an die Welt anpassen, an die wirkliche Welt, in der wir jetzt leben, nicht die Welt Escrivás. Und der Grund dafür ist nicht, weil wir „wie die Ordensleute gelebt haben“: Wir haben außerdem in einer Verkehrung der Worte und Dinge gelebt. Wir mussten lernen, mit unseren Augen zu sehen, nicht mit den verzerrten Linsen, die uns Escrivá aufgedrängt hatte. Die Verbindung zum Opus Dei hatte einen einzigen Sinn: Jeder einzige musste sich an Escrivá anpassen, während das Opus Dei selbst niemals auf die Umstände eines einzelnen Menschen  Rücksicht nahm. Deshalb war die Unterwerfung von geradezu „strategischer“ Bedeutung.

Die Aufopferung des eigenen Selbst – hier zeigt sich die Perversion Escrivás, der Schaden, den er angerichtet hat, mit besonderer Intensität; er wollte, dass wir so werden wie er, die Kontrolle über uns verlieren, uns vernichten, zerstören, den Wirklichkeitssinn verlieren und ebenso unser Urteil, bis wir rettungslos verstrickt und krank geworden wären, ohne einen Weg zurück, ein Holocaust, ein Ganzopfer. Er wollte, dass wir so werden wie er, ihm in seiner Psychose Gesellschaft leisten. „Ich werde zulassen, dass man mich besser kennenlernt, besser führen lassen, mich schleifen, herrichten lassen! […] Ich will nicht mein eigenes Kriterium in den Vordergrund stellen, denn niemand kann sich da sicher sein, niemand ist ein guter Richter in eigener Sache, sondern ich will mich dem Urteil der Direktoren unterwerfen“ (Escrivá, Betrachtungen III, S. 225)

Es klingt alles so schön, was er gesagt hat. Das Problem liegt darin, wie es ausgegangen ist. Es wollte, dass sich unsere Seelen wie das Eisen in den Händen des Schmiedes formen lässt. Wenn wir das zugelassen hätten, hätten wir uns völlig ruiniert, und nicht wenige im Opus Dei sind so geendet. Deshalb ist die Kontrolle über die Gewissen so grundlegend: um sie aus der Wirklichkeit herauszuziehen und sie völlig in der Welt Escrivás aufgehen zu lassen.

Das Opus Dei hat nicht nur einen eigenen Codex Iuris Particularis, es hat sogar eine eigene Psychologie, und es wäre höchst notwendig, dass sie einmal von Spezialisten beschrieben würde.

***

Escrivá verkündete die „theoretische Freiheit“ und leugnete zugleich, dass sie in Wirklichkeit gar nicht existierte; er hielt uns „im Netz seines Bootes“ fest. Deshalb ist das Opus Dei auch „vollkommen und ohne Makel“: Escrivá wollte nur einen Teil der Wirklichkeit wahrhaben, nämlich den, den er als real definierte, seine mentale Innenwelt. Nur in der Theorie gab es die Freiheit, die er dekretierte, und damit auch die Abwesenheit von Zwang (das ist dasselbe, nur negativ formuliert) – er akzeptierte einfach nicht, dass es eine Wirklichkeit außerhalb seiner Welt, seines Kopfes geben sollte. Es gibt keinen Zwang, es kann ihn nicht geben, hat ihn nie gegeben, wird ihn nie geben – das sind typische apodiktische Behauptungen Escrivás, der sich als Prophet, als Messias ausgab. Es war eine vollkommene Welt, die er erschaffen hatte.

Escrivá interagierte mit der Außenwelt, aber ohne seinen Bereich zu verlassen; er bewohnte eine Höhle. Was sind Villa Tevere oder Cavabianca schließlich anderes? Es sind vollkommen abgeschottete Welten, und so war auch das Opus Dei eine Höhle. Wie sollte es einem nicht peinlich sein zu behaupten, man wäre von der Welt, wenn man zugleich in seiner Höhle verharrt? Es ist lächerlich; man müsste, um so etwas zu vertreten, eine Maske aufsetzen oder sich hinter einem erlogenen Enthusiasmus verbergen.

Dass es uns peinlich war, ist ein heilsames Symptom dafür, dass wir nicht in die Struktur der Pathologie hineingeraten sind und dass wir noch einen Bezug zur Wirklichkeit hatten. Andererseits zeigte uns Escrivá unter dem Motto der „heiligen Unverschämtheit“ vor aller Augen, wie ein Zauberer, seine Pathologie, seine Schamlosigkeit und ließ sie als Tugend erscheinen. Er hatte kein Problem, die Realität zu leugnen, denn er hatte sich eine für ihn günstige Umwelt geschaffen: den Mikrokosmos des Opus Dei, ein präpariertes Szenario, wo er seine Zauberkunststücke vorführen konnte und wo er sein eingeschworenes Publikum hatte. Escrivá verließ seine Welt nicht – er hatte sich sein Theater geschaffen, in dem er auftreten konnte – und alle, die ihn umgaben, bestärkten ihn in seiner Vision, sie hatten Teil an ihr, weil er es so befahl.

Er wollte, dass wir in Furcht geraten sollten, wenn wir einmal das Opus Dei verließen  – deshalb die Drohungen, unser Leben würde bitter wie Rizinus etc. Vermutlich war eben dies die Beklemmung, die er fühlte, wenn er seine fiktive Welt verließ: Er drohte denen, die sein „Theater“ verließen, bevor er seine Rolle fertiggespielt hatte – die die Heiligsprechung einschloss – denn ohne sein Publikum war das Theater nichts, Escrivá würde einsam zurückbleiben, in jener existenziellen Bedrängnis, die ihn das Opus Dei erfinden ließ. Er brauchte die Bestätigung, die Bewunderung der anderen, sein großes Publikum. Das Opus Dei zu verlassen wäre ein persönlicher Affront gegenüber Escrivá; er nahm es wie einen Angriff auf seine Person, auf seine tiefsten Seelenschichten.

Deshalb waren unsere Tage von Anfang an gezählt; es war unmöglich, die Pathologie dieser Berufung mit mentaler Gesundheit vereinbar zu machen. Es war nicht denkbar, diese Spannung beständig auszuhalten – auch wenn einige Jahrzehnte gebraucht haben, um  sich loszureißen.

***

Diese Art, wortreich zu lügen – den Zwang abzustreiten, sich als „normale Laien“ zu bezeichnen etc. – kennen wir in ähnlicher Form auch bei den Politikern, wenn sie lügen. Das Problem liegt im System; die chronische Unwahrheit ist keine Notlüge mehr, keine Ausflucht, sie ist eine Pathologie.

Wenn jemand schon so viel lügt, zeigt er ernsthafte Probleme mit den anderen zu kommunizieren, und vielleicht fasst er die Wirklichkeit als Feind und als Betrug auf; vor ihr muss er sich in Acht nehmen, sie muss er bekämpfen (Escrivá zog die Verteidigung dem Angriff vor: Sei nicht so feige, „mutig“ zu sein: flieh!  sagte er im „Weg“, und schwerlich bezog er sich damit nur auf die Sexualität. Escrivá lebte im Kampf mit der Wirklichkeit; deshalb musste er sich ständig um Wirksamkeit bemühen, die Realität besiegen, die ihm immer wieder entgegentrat, die sich gegen ihn verschwor. Daher seine Paradoxien: Er sprach von göttlicher Lausbüberei, nannte das Schändliche heilig, den Feigling mutig usw. Das ist reizvoll und originell; wenn es zu einer Maxime des Handelns wird, ist es das nicht mehr.

Und was ist mit seinen paranoiden Wahnvorstellungen? „Sie lieben uns nicht, sie spucken auf uns, sie verfolgen uns“ etc. und uns alle nahm er ein er mit diesen Worten: „Armer Vater, wie sehr sie ihn verfolgen“ – ja, die Wahnvorstellungen. Gewiss hatte er Feinde, wie jede bedeutende Persönlichkeit, aber diese Wahnvorstellungen und diese Verfolgungsmystik, mit der er seine Wirklichkeit einfärbte, sind etwas anderes. Er machte aus sich etwas ganz Besonderes, so wie seine Gründung, die durch seine Vision entstanden waren.

 „Ihr wisst nicht, wie viele Jahre lang wir Verfolgung erleiden mussten, auch von guten Menschen. Ihr wisst es nicht, weil der Vater verboten hat, dass man über diese Dinge redet oder schreibt. Es war eine Verfolgung, wie sie Jesus von den Hohepriestern und den Anführern des Volkes erleiden musste: Verleumdungen, Lügen, Hinterhältigkeiten, Beleidigungen, in der Presse, in der Mundpropaganda.. wir sind zum Gespött der Welt geworden. Alle meinten das Recht zu haben, uns anzuspucken.“ (Escrivá, Betrachtungen, II, S. 381)

Gleichwohl nahm er keinerlei Rücksicht, wenn jemand das gleiche Recht für sich in Anspruch nahm; ganz im Gegenteil, hier konnte er sich ziemlich ungnädig zeigen:

„Wenn sich jemand nicht vollständig hingegeben hat, verstrickt sich sein Verstand bei der erstbesten Schwierigkeit, und es kostet ihn Mühe zu verstehen, was ein Wesen von zehn Jahren kapiert, und er kommt auf den Gedanken, dass er uns nicht versteht. Sprich, mein Sohn, und du wirst sehen, dass sie dich sehr wohl verstehen. Es liegt lediglich an dir, an den augenblicklichen Umständen, dass dein Stolz nicht einsehen will, dass du irgendwie begrenzt bist und deshalb nicht willst, dass man dich versteht? (Escrivá, Crónica, 1972, S. 637.639).

„Wenn irgendjemand im Werk Kummer oder Traurigkeit erlebt, so ist es eine eigene Schuld, denn die Mittel, in Freude zu dienen, sind allen zugänglich“ (Escrivá, Crónica, 1973. S. 644).

„Zu 99% sind die Konflikte, die uns beschäftigen, unsere Einbildungen: Es sind Schneebälle, die wir wachsen lassen, vernünftige Sinnlosigkeiten, ein Betrug, um unsere Begehrlichkeiten zu verstecken. Und wisst ihr, was die hauptsächliche Ursache dieser Konflikte ist? Der Mangel an Demut: der Hochmut. Sie lieben mich nicht, sie kümmern sich nicht um mich, sie nehmen mein Talent nicht zur Kenntnis, sie merken nicht, was ich bin und wert bin. Und so habt ihr eine Seele, die einen wunderbaren Frieden haben könnte, die in Ruhe und in unermesslicher Freude leben könnte, und die sich aus Stolz, weil sie leuchten will, weil sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen möchte, weil sie eine besondere Behandlung möchte, unglücklich und unfruchtbar macht. Denn eine Seele, die diese Wege geht, wird, wenn sie das Herz nicht öffnet und sich nicht demütigt, nicht nur selbst leiden, sondern auch die anderen leiden lassen und auf keine Weise vorankommen können.“ (Escrivá, Betrachtungen III, S. 661)

Escrivá schuf sich seine eigene Realität, nichts anderes (Ich frage mich: War die Vision des 2. Oktober etwas anderes als eine psychotische Episode?). Und er schwor uns darauf ein, das zu sehen, was er sah, an seine Realität zu glauben, in der wir keine eigenen Erfahrungen machen konnten. Auch wenn wir nicht psychotisch waren, mussten wir so handeln: Wir leugneten, was offenkundig war. Sollten wir uns daher wundern, dass es so viele mentale Defekte im Opus Dei gibt? Die Wirklichkeit konsequent zu leugnen reicht doch schon aus, um krank zu werden. Wir schämten uns zwar, öffentlich über das Opus Dei zu sprechen, aber im privaten Diskurs die Wirklichkeit zu leugnen, machte uns keinerlei Probleme.

Escrivá leugnete, dass wir Ordensleute waren, und behauptete, dass wir Laien seien. Tatsächlich waren wir eine Art Mix aus Ordensleuten und geweihten Laien, aber seiner Interpretation nach waren wir Laien wie jeder andere. Es war keine Frage der Taktik, dass er die Realität leugnete; Escrivá hatte generell schwer wiegende Probleme, mit der Realität zurechtzukommen (auch wenn ihn das nicht hinderte, auf seine Weise sehr erfolgreich zu sein, denn er war, wie aus vielen Zeugnissen hervorgeht, ein Meister der Verführung).

***

„Wir müssen durch den Verstand und das Herz des Vaters gehen“, wenn wir mit Christus vereint sein wollen, versicherte Escrivá rundweg. Und das ist auch klar: Die einzige Art und Weise, das Opus Dei psychisch aufzunehmen, ist, seine einzige und wahre Realität aufzunehmen. Vielleicht ist das alles nur Zufall und ich irre mich mit meiner Analyse, aber es gibt allzu viele zusammenpassende Puzzleteile, die Escrivá im Lauf seines Lebens hinterlassen hatte.

Wer betrügt und das auch selber weiß, richtet einen Schaden an, aber er schafft keine Pathologie. Er begibt sich in eine fiktionale Situation und verlässt sie wieder; er spielt eine Person, um seinen Vorteil wahrzunehmen, und dann kehrt er wieder in seine natürliche Existenz zurück.

Umgekehrt lebt der Psychopath in seiner eigenen Welt; er geht hinaus, um seine Natürlichkeit zu beweisen, und kehrt dann wieder heim in sein Schneckenhaus. So entdeckte er seine Fähigkeit, „natürlich zu spielen“, eine Kunst, die er zu seinem eigenen Vorteil ausübte, während er die anderen prellte (er war nämlich ein Meister darin, Vertrauen zu erwecken).

Das Opus Dei ist diese „Innenwelt“ Escrivás, in die sich jeder einzelne von uns begeben musste; es war das Gegenteil von dem, was behauptet wurde, dass nämlich „niemand von seinem Platz entfernt wird“. Statt sich zur Welt hin zu öffnen, erreichte es Escrivá, sich mit dem Notwendigen zu versorgen, um nicht hinausgehen zu müssen.

Escrivá schuf diese gespaltene Wirklichkeit, weil er bereits in ihr lebte, und indem er eine Institution erfand, formte er eine „passende“ – eine zerrüttete - Umwelt, in der er „ruhig“ leben konnte, und in der die anderen – „die, die ihn nicht verstanden“ – die Verrückten waren. Indem wir uns also mit seiner Verrücktheit solidarisch erklärten, machten wir uns mit ihm und für ihn verrückt. Da wir selber aber keine Pathologie hatten, konnten wir zur Normalität zurückkehren, wenn auch mit großen Anstrengungen und unter Mühen.

Berufung zu haben, bedeutete in Wahrheit, eine Pathologie zu haben; von daher rühren die psychischen Schäden, die eine „Berufung“ zum Opus Dei mit sich bringt, der Missbrauch von Psychopharmaka, um unsere „falsche“ Sicht der Dinge zu korrigieren, wie NVLP erzählt. Sein Zeugnis ist ein gültiger Beweis für den psychotischen Charakter des Opus Dei: NVLP ging nach Villa Tevere, um dort ernsthafte Probleme zu besprechen, die er in seiner Region erkannt hatte, und die Direktoren des Opus Dei weigerten sich, diese Probleme zur Kenntnis zu nehmen, sie wandten der Realität den Rücken zu und behandelten NVLP, als wäre er der Psychopath, der neben der Wirklichkeit steht, und nicht das Opus Dei. Wenn noch Zweifel offen bleiben, behandeln sie sie mit Psychopharmaka. Auf diese Weise bestätigten die Vorgesetzten, dass in Villa Tevere ein psychotisches Ambiente herrscht.

Am dritten Tag merkte ich dann, dass es nicht viel Interesse daran gab, mit mir zu reden. Wir sprachen über Fußball, gingen spazieren, weg, an die frische Luft, zur Erholung… Dass ich am anderen Ende der Welt alles liegen und stehen ließ und nach Rom kam, nur um spazieren zu gehen und zu hören, dass die Sonnenuntergänge in Rom bezaubernd sind, erschien mir einerseits romantisch, andererseits als ein Betrug. Nachdem ich einige Anspielungen fallen gelassen hatte, um herauszubekommen, wann wir endlich reden sollten, und mein Gesprächspartner nicht darauf einging, fragte ich ihn direkt: „Reden wir über das wovon ich geschrieben habe?“ Und er sagte: „Nein, über das, was du geschrieben hast, werden wir nicht reden.“

Aus diesem Zeugnis ist deutlich abzuleiten, dass sich NVLP einen sehr starken Realitätsbezug bewahrt hat – mit dessen Hilfe er ja auch die Probleme innerhalb des Opus Dei ausfindig machen konnte – und er half ihm sehen, dass sich eine strukturelle Leugnung der Realität von der Villa Tevere aus verbreitete, die alle anderen Probleme nach sich zog.

Die Berufung verändert unseren Blick auf die Wirklichkeit und hindert uns daran, das Pathologische am Opus Dei und seinem Gründer wahrzunehmen. Sie hindert uns daran, rasch zur Wirklichkeit zurückzukommen; alles wird zu einem endlosen Theaterspiel, das es sehr schwierig macht, das Opus Dei zu verlassen. Es verwundert daher auch nicht, dass unsere Existenzform als „gewöhnliche Christen“ ebenfalls nur eine Zurschaustellung gewesen ist und keine Wirklichkeit. Aber zum Glück ließ uns unser Gewissen ahnen, dass „unsere Tage gezählt“ seien und dass wir eines Tages in die Realität zurückkehren würden.

Escrivá musste seine Umgebung verwirren, um selbst ein „normales Leben“ führen zu können, wie es die innere Ordnung seines Geistes verlangte. Das ist das Dramatische. Es ist kein Zufall, dass er das Werk als „Boot“ verstand und die Welt rundherum als „Ozean“, der einem den Tod bringt, wenn man aussteigen möchte; dieses Angst machende Bild hatte Escrivá in seinem Inneren, und er musste es nach außen projizieren und gegen die anderen richten.

Sein Narzissmus, seine Verfluchungen der Abtrünnigen, die Abgründe, in die er die verstieß, die bei einem fremden Priester zu beichten wagten, die Ungnade und der Widerwillen gegenüber denen, die das Opus Dei verließen, dass er die, die gingen, in der absoluten Mittellosigkeit zurückließ und keinen Finger rührte, um ihnen zu helfen, die Mitleidlosigkeit gegenüber denen, die litten [„sie sollen nur weinen, dann müssen sie weniger pinkeln“], all das zeigt den Terror, den Escrivá ausübte, weil er ihn selbst auf seiner Seele lasten fühlte, den er ausstrahlte und institutionalisierte, als ob er damit die Dämonen in seinem Inneren bannen wollte.

Das Opus Dei braucht, mehr noch als ein Eingreifen des Vatikans, eine tiefe, ihre Struktur erfassende psychologische und psychiatrische Hilfe. Mehr noch: Jede Intervention des Vatikans wäre zwecklos, wenn diese pathologischen Probleme dabei unberücksichtigt blieben. Der Vatikan würde auf der religiösen Ebene agieren, das Opus Dei in seiner anderen Welt. Die Eigenarten des Opus Dei scheinen viel eher in das Gebiet der Persönlichkeitsstörung zu gehören als in das religiöser Probleme.

Dass die Institution selbst prinzipiell niemals einen Fehler macht, ist ebenso auf bemerkenswerte Weise krankhaft; das Opus Dei wirft Menschen ohne die geringsten Skrupel hinaus, indem es sich auf Escrivás „Theologie des Bootes“ beruft, bei der sein Urheber völlig rücksichtslos Flüche und Verdammungsurteile ausstieß.

Es täte Not, dass Spezialisten, Psychologen oder Psychiater, einmal das Seelenleben Escrivá durchleuchten, sein Verhalten  und seine Werke. Nur so lässt sich ein Konzept durchführen, eine Art Feldforschung, und zunächst einmal provisorische Beobachtungen durchführen.

Das Wesentliche, das an dem bisher Gezeigten klar geworden sein dürfte, ist, dass Escrivá in seinen Schriften und in seinen Gedanken, in den Metaphern, die er wählte, in den Entscheidungen, die er bei der Leitung des Werkes fällte, Anzeichen einer starken Pathologie gab, die seine Person beherrschte und die sich der Organisation mitteilte, die er gegründet hat.

***

Man könnte als Schlussfolgerung zu folgender Hypothese kommen. Die innere Welt Escrivás war zerrissen, und ebenso zerrissen präsentiert sich das Opus Dei, seine Bild und Gleichnis. Er musste Kohärenz vortäuschen – die viel beschworene „Einheit -, damit er sich den anderen gleich fühlen konnte, und deshalb erschuf er sich seine eigene Welt, nach den Parametern seines Geistes, damit er sich innerlich eins fühlen konnte.

Für ihn war das Opus Dei kohärent, weil es genauso zersplittert war wie sein Geist; Gründer und Werk passen in vollkommener Harmonie zusammen. Von außen aber springen  die Widersprüche ins Auge. Das konnte – oder wollte – Escrivá nicht sehen, weil es ihn beklemmt, in Verzweiflung stürzte; aber durch die „Brille“ des Opus Dei“ begann er eine andere Wirklichkeit wahrzunehmen, eine, die er sehen wollte.

Escrivá musste sich tatsächlich sehr anstrengen, eine Kohärenz vorzutäuschen, die tatsächlich nicht existiert hat, denn sein Leben wie seine Lehre bestanden nur aus Bruchstücken. Es galt erst alles zusammenzustückeln, und die Bruchstücke ergaben nicht mehr als eine Collage.

Er konnte manche Situationen beschönigen, wiederholen oder vortäuschen; was er nicht herstellen konnte, war die innere Einheit. Deshalb ist es schwer, ein stimmiges Bild des Opus Dei zu entwerfen. Es ist ein zusammengeschustertes Flechtwerk, das nur durch den „Willen des Vaters“, also völlige Willkür, zusammengeklammert wird. Dasselbe gilt für den Brief des Prälaten vom Oktober 2011; die  Spiritualität des „Werkes“ ist Flickwerk, man kann das eine oder das andere behaupten, je nachdem, welche Auflage des Katechismus man zitiert. Die „endgültigen Lösungen“ erweisen sich dann immer noch als vorläufig, und der Widerspruch ist das, was dem Opus Dei den Zusammenhalt gibt.

Wer nicht unter einer Pathologie leidet, kann vielleicht einmal, als Notlüge, versuchen als ein anderer dazustehen, als er ist; er hört (in diesem Moment) auf, er selbst zu sein, und handelt, als wäre er ein anderer (aber dann wird er wieder er selbst, und zwar möglichst schnell). Escrivá musste beständig vortäuschen, „ein anderer“ zu sein, denn in seinem Inneren fühlte er, dass er anders war als die anderen, und später gab er sich dann ein anderes Image nach außen, als wäre er den anderen haushoch überlegen, und sie müssten als Planeten nur noch um ihn als Sonne kreisen, „wenn sie vereint mit Christus sein wollten“ – ein Ausdruck von Größenwahn. Um akzeptiert zu werden, musste er schauspielern, und das zeigt, dass er an die äußere Welt „nicht angepasst war“.

 „Die Lösung“ -  die Rechtsfigur der Personalprälatur  war eine ebensolche Lösung, der Ausweg aus einem Anpassungsfehler, sie schuf und isolierte eine eigene Welt und isolierte sie so, dass sie die, die drin waren, denken ließ, dass die anderen draußen lügen; wer in die Welt Escrivás eintauchte, musste im Umgang mit der Außenwelt zu täuschen lernen. Daher hatte man das Gefühl, in zwei Welten zu leben: interne Zone und externe Zone. Daher kamen Scham und Scheu – weil man nicht dazugehören durfte.

***

Das Opus Dei ist von Natur aus schizophren. Und seine Normalität besteht darin, in Widersprüchen und disparaten Teilen aufzugehen.

Diese Dualität zeigt sich überdeutlich in den Texten Escrivás; sie sind nicht homogen, nicht nur nicht perfekt, sondern zusammenhanglos, widersprüchlich zwischen Theorie und Praxis, in dieser inszenierten Heiligkeit, die sich allerdings als Fragment zeigt, niemals kohärent; und all das endete in einem betrügerischen Heiligsprechungsprozess. Das macht seine Verrücktheit großartig und zugleich auf dramatische Weise beklemmend.

Escrivá spielte seine „Tugendfragmente“ mit solcher Virtuosität vor, dass man ihm sogar die Heiligkeit abnahm. Und zweifellos war es genau das: nicht zu­sam­menpassende Bruchstücke, offenkundige Vollkommenheiten, bewunderns­werte Sätze, alles perfekt in sich, aber zusammen genommen eine Schimäre.

Das zerbrochene Gefäß, das mit Klammern zusammengeflickt worden ist: welche Symbolik liegt darin! Es ist ein Selbstporträt Escrivás und seines Opus Dei.

Es ist ein weiteres Symbol, das Escrivá ausgewählt hat und das das Innere seiner Person so trefflich beschreibt. Die Bilder, die Escrivá auswählt, um sich mit ihnen zu identifizieren, sind höchst verräterisch, nicht nur isoliert, auch im Kontext. In diesem zerbrochenen Gefäß sah sich Escrivá selbst, und er wollte, dass auch wir uns als innerlich gebrochen wahrnehmen, zerstört, als Bruchstücke, die mit Klammern zusammengefügt werden müssen. Ich zweifle sehr, ob es irgendjemanden im Opus Dei gibt, der sich ständig als ein solches Fragment fühlt oder gefühlt hat. (Die Klammern sind nämlich für immer, ohne sie kann die Vase nicht „überleben“.) Nur ausnahmsweise führte der innere Vorgang der Selbstauslöschung, des Brandopfers, des „Holocausts“ des eigenen Selbst dazu, sich als zerstört wahrzunehmen; und in einer solchen Situation helfen auch keine Klammern mehr, man ist nur mehr zerstückelt.

Wer einen Knochenbruch erlitten hat, bekommt ebenfalls Klammern gesetzt. Manchmal werden sie wieder entfernt, manchmal bleiben sie. Wenn man aber einmal aus dem Opus Dei draußen ist, führt der Heilungsprozess zur Vernarbung, die Wundränder fügen sich zusammen, und man braucht keine Drähte und keine Krücken mehr; die inneren Brüche verheilen, außer der Schaden geht ganz tief, der Bruch ist besonders kompliziert. So wollte Escrivá, dass wir uns fühlen, und dass wir für immer in dieser Welt des Opus Dei bleiben, gebunden an das Opus Dei, in dem er selbst lebte und leben musste.

Ebenso kann sich jemand, der Verbrechen oder schlimme Fehler begangen hat, innerlich zerbrochen fühlen – bei der Mehrzahl der Menschen wird das aber wohl nicht der Fall sein. Sie können Wunden davontragen, Narben, aber innerlich zerbrochen zu sein ist doch etwas ganz anderes. Und diese Selbstidentifikation mit einem Gegenstand mag für den Moment, als Geistesblitz im Gespräch hilfreich sein, aber wohl nicht dafür taugen, die Tiefe der eigenen Person darzustellen. Eine Person ist kein Gegenstand. Und dieses Reden, dass man zum „Instru­ment“ wird, mag eine gewisse Tradition in der katholischen Spiritualität haben, in den Händen Escrivás hat sie jedenfalls verheerende Auswirkungen. Wer unter einer schweren strukturellen Pathologie leidet, findet keinen Ausgleich, und Escrivá wollte, dass wir uns so fühlten: dass wir niemals zu uns selber finden, dass wir immer die Klammern des Opus Dei brauchen. Und wenn wir gehen wollten, erwartete uns draußen, in dem unendlichen Meer der Welt, der Tod (denn er sagte uns das nicht wie eine Oma, mit warnend erhobenem Zeigefinger, sondern nachtragend, rachsüchtig, wie eine Verfluchung. Sehr aufschlussreich!).

Es hält der Analyse durch einen Psychologen nicht stand. Einfach gesagt, Escrivá fühlte sich eingesperrt, und so wollte er uns in seinem Opus Dei internieren.

***

Wie sah er das Opus Dei? Indem er Zettel, Fragmente sortierte. Hat er sie mit Eisenklammern zusammengesetzt? So entstand das Opus Dei – er reflektierte über seine Pathologie; es war keine Eingebung von oben, sondern er legte Zettelchen zusammen. Es entstand aus einer Idee; während er seine Aufzeichnungen zusammenfügte, schuf er eine Institution, die seiner Innenwelt entsprach.

Escrivá bestand so sehr auf der „Einheit im Werk“, weil er selbst keine Persönlichkeit aus einem Guss war. Wir mussten alle eng mit ihm vereint sein, weil er mit sich nicht einig war. Von daher kommt die Besessenheit, alles (was draußen ist) durch die „Institution“  zu kontrollieren, um Kohärenz zu schaffen: Denn drinnen, in seinem Inneren, gab es keine Einheit, sondern nur Bruchstücke.

Anscheinend waren wir alle miteinander eine Art Klammer für ihn, denn in seinem Inneren krampfte es sich jedes Mal zusammen, wenn jemand sich losmachen, das Opus Dei verlassen wollte. Er betrachtete diese „Abtrünnigen“ als abgesprungene Klammern, dazu bestimmt, von den Leuten zertreten zu werden, und er bezeichnete sie als trockene Reben, die verbrannt werden mussten. Das sind starke, ja grauenhafte Bilder, die aus dem Bauch kamen, aus seinem tiefsten Inneren.

 „Die Rebe, die mit dem Weinstock nicht mehr verbunden ist, lebt nicht länger, sondern ist ein trockenes Stück Holz, das nur mehr ins Feuer oder den Tieren vorgeworfen werden kann, damit es von allen zertreten wird. Meine Kinder, bleibt eng verbunden mit dem Weinstock, klammert euch an Jesus Christus an, durch den Gehorsam, den ihr euren Direktoren erweist.“ (Escrivá,  Betrachtungen IV, Nr. 354).

Der Weinstock, das ist Escrivá selbst, umso mehr, als er auf Jesus Christus verweist (das ist nur eine weitere Maske, hinter der er sich verbirgt, eine Ausrede oder eine Person, die er vorschiebt), denn wenn wir nicht durch seinen Kopf gehen, können wir nicht mit Christus vereint sein, hatte er vorher erklärt. Escrivá spielte Verstecken, er lebte im Verborgenen, das war sein Bestreben, und das ist auch die Struktur, die er seinem Opus Dei gegeben hat. Es ist mehr als Demut, denn die ist im Kontext des Opus Dei ein schief aufgesetztes Symbol.

„Seine Verhaltensweise hat er uns mit wenigen Worten zusammengefasst: ‚sich verbergen und verschwinden, damit nur Jesus im Licht steht‘“ (Escrivá, Betrachtungen V, S. 498)

Alles, was die „Einheit des Werkes“ zu gefährden schien, brachte ihn dazu, wie ein Verrückter herumzubrüllen; immer gelang es dann  doch nicht, die Pathologie zu vertuschen, denn sie war seine wahre Natur. Das Zusammenfügen der Bruchstücke – darin bestand sein Wesen; die Perfektion war lediglich vorgetäuscht.

Es beeindruckt nachhaltig, ja, es macht Angst, wenn man weiß, dass das Bild, dass am Tag seiner Seligsprechung 1992 den Petersplatz schmückte, nach der Aussage der Direktoren (sie nannten das „Fragmente“) aus verschiedenen einzelnen Bildern „arrangiert“ worden war (Photoshop heißt das in der Zeit der elektronischen Datenverarbeitung), um ein vollkommeneres Bild zu schaffen.. Es ist dies der Archetyp, die Zusammenfassung eines synthetischen, symbolischen Lebens mit einer mit einem fragmentierten Innenleben. Ich denke, dass diejenigen, die dieses Bild zusammensetzten, seine Lehre vollkommen begriffen haben: Die Realität setzt sich aus disparaten Teilen zusammen, die nicht zusammengehören. Sie sind mit Gewalt zu einer „Einheit“ zusammengefügt, nach dem „Willen des Vaters“ Escrivá.

Niemand von euch ist allein, niemand ist ein isolierter Vers: Wir sind Verse desselben epischen, göttlichen Gedichts. Und jeder von uns, ihr wie ich, ist daran interessiert, dass diese Einheit, diese Harmonie nicht zerreißt (Escrivá, Betrachtungen III, S. 670).

Es ist zweifellos möglich, dass alle diese aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate hier auf eine Weise zusammengefügt wurden, dass sie eine verstiegene Theorie rechtfertigen sollen. Das Problem ist aber, dass sich diese Theorie überdeutlich in der Wirklichkeit zeigt. Haben wir die Leiche des Opus Dei noch nicht beerdigt? Sein Gespenst, sein Schatten waren die Pathologie.

***

 

Zwei Gründe, warum man sich geniert

 

Escrivá rief bei seinen Mitgliedern echte Phobien hinsichtlich des Opus Dei hervor, damit sie ja nicht darüber sprechen. Und so verwandelte sich das, was als krank angezeigt hätte werden sollen, in etwas Sakrales, das in die Kategorie des übernatürlichen Geheimnisses fällt. Über das Opus Dei zu sprechen erscheint ihnen wie die Verletzung einer Intimität, wovon man nicht sprechen und was nicht bekanntgemacht werden dürfte, wie etwa ihre internen Zeitschriften und Leitungsdokumente.

Sehr bezeichnenderweise hat Fernando Ocáriz, der zweite Mann im Opus Dei, per 14. Oktober 2011 durch einen Anwalt mitteilen lassen, dass seine Zugehörigkeit zum Opus Dei unter den Schutz der Intimsphäre falle: Das Opus Dei als Institution teilt die Verhaltensstörung seines Gründers Escrivá.

Deshalb können sie den Vatikan anlügen ohne damit ein Problem zu haben: dem Publikum zeige ich meinen Maßanzug, aber meine Intimität zeige ich nur, wem ich will. Damit endet jede Diskussion, die Schizophrenie rechtfertigt alles, und weil diese Haltung pathologisch ist, hinterlässt sie auch keine Gewissensbisse.

In den Augen des Opus Dei ist der Vatikan ein Voyeur, der gar kein Recht dazu hat, sich um die Intimität des Opus Dei zu kümmern, allerdings hat das Opus Dei jedes Recht, davon herzuzeigen, wem und was es will, und sie bieten auch dem Vatikan das, was er sehen will. Der Betrug ist aus der Sicht des Opus Dei durchaus gerechtfertigt: Die eigene Intimität muss ja verhüllt werden.

***

Das gesunde Gewissen lässt sich nicht betrügen: Das Opus Dei kann man nicht offen erklären. Zwei Gründe gibt es, warum man nicht darüber sprechen kann: Man kann nicht darüber reden, weil Escrivá alles, was mit dem Opus Dei zu tun hat, für eine Familienintimität erklärt hat, und darüber zu reden würde bedeuten, dass man ein Geheimnis verletzt hat, gegen den Anstand gehandelt, etwas Ungeheuerliches begangen hat. Diese „maßgeschneiderte“ Künstlichkeit dient dazu, die tatsächliche Obszönität zu verbergen, so wie eben die Personalprälatur über das Säkularinstitut gestülpt wurde.

Man kann nicht offen darüber reden, und wenn man es tut, muss man sich dafür schämen, weil man dann zugibt, dass man sich all dem unterworfen hat; auch wenn man betrogen worden sein mag, so ist es doch peinlich, und man vermeidet es zu erklären, was einem angetan wurde.  Die einzige Erklärung, die man geben kann, ist irrational: Gott hat mich darum gebeten. Aber es ist nicht deshalb irrational, weil Gott mich darum gebeten hat, sondern weil „Escrivá gesagt hat, dass Gott mich darum gebeten hat“ und weil ich das geglaubt habe, anstatt „Wie bitte?“ zu schreien.

Es besteht ein Unterschied, ob man etwas im eigenen Gewissen sieht oder ob Escrivá für einen entscheidet: Letzteres ist irrational. Dass sich Escrivá in deine Intimität eingedrängt hat, ohne um Erlaubnis zu fragen, ist obszön (auch wenn er sich argumentativ hinter seinem Meister Jesus versteckt): „Es geht darum, sich mit Todesverachtung, mit Kühnheit in das Leben der anderen einzumengen, wie sie es bei uns gemacht haben: „Mich“ – so sprach unser Vater – „hat der Herr auch nicht um die Erlaubnis gebeten, sich in mein Leben einzumischen“ (Betrachtungen III, S. 595).

Es ist eine Sache, dass sich Gott in mein Leben einmischt, ohne um Erlaubnis zu fragen, oder ob das Escrivá tut – und Escrivá setzte ganz einfach beide Gegebenheiten gleich.  Und die Manipulation der Gewissen wird damit kaschiert, dass das Werk „die Intimität einer Familie besitzt“. Verrückt, aber es ist so.

Eben deshalb geniert man sich, über das Opus Dei zu sprechen, aber die Gründe dafür sind erfunden, antrainierte Phobien, und es sind konkrete Gründe, weil man sich nicht erklären kann, warum man getan hat, was man getan hat, und vor allem warum man all das mit sich geschehen ließ „wie der Ton in den Händen des Töpfers“, um es mit dem Worten Escrivás zu sagen. Deshalb möchte das Opus Dei aus zweifachem Grund nicht, dass von ihm  gesprochen wird – weil es obszön ist, und weil die psychische Verfassung Escrivás eine Peinlichkeit ist.

Wir haben auf dieser Homepage die Obszönität des Opus Dei und von Escrivá selbst deutlich gezeigt. Dramatisch ist dabei allerdings, dass das Opus Dei selbst seine Geschichte ungeschehen machen lassen will. Das Opus Dei möchte seine Krankengeschichte und die von Escrivá verschwinden lassen, und die beiden sind dieselben.

Die Technik, die Escrivá angewendet hat („wir können darüber unter uns sprechen – oft nur mit den Direktoren – aber nicht mit denen von draußen”), ist dieselbe, wie sie Maciel seinen missbrauchten Kindern erklärt hat: „Das (den sexuellen Missbrauch), was wir tun, tue ich meinerseits dank einer besonderen Erlaubnis durch den Heiligen Vater, weil ich gesundheitliche Probleme habe, aber ihr dürft es niemandem erzählen, weil niemand es verstehen würde.“ Das ist genau die Art, die Maciel angewendet hat, um seinen Kindern den Missbrauch „verständlich“ zu machen – so hat es eines seiner Opfer bezeugt.

Was Escrivá gemacht hat, ist eine raffiniertere und ins System gebrachte Perversion. Es ist klar, dass seine Nachfolger nicht wünschen, dass sich die Mitglieder des Opus Dei über die Perversionen der Vereinigung und ihres Gründers informieren können. Es ist unmöglich, mit den Oberen im Opus Dei einen offenen Dialog zu führen, denn sie bringen die Sache grundsätzlich nicht auf den Punkt. Die Antworten auf unbequeme Fragen dienen ausschließlich dazu, das Gespräch zu beenden, nicht es fortzuführen; dazu sind die Leute vom AOP gedrillt.

***

 

Schlussfolgerungen

 

Immer wenn ich über das Opus Dei schreibe und bei meinen Recherchen auf so viele Zeugenaussagen stoße, die in die gleiche Richtung  gehen, frage ich mich, ob ich mich nicht getäuscht habe, ob hier nicht auch ein Irrtum vorliegen könnte. Denn entweder sind die Anschuldigungen, die hier erhoben werden, ungeheuerlich, oder der Angeschuldigte ist ein Monster. Ein drittes gibt es nicht. Deshalb handelt das Opus Dei auch so polemisch; es kann keine Grautöne geben, und wer kritisiert, attackiert (vor allem wenn es Escrivá betrifft).

Es ist kein Zufall, dass sich das Opus Dei an dieser Homepage reibt. Wir hoffen, dass der Heilige Stuhl hier eingreift, oder besser noch, dass sich das Opus Dei selbst auflöst; bevor der Schaden langfristig noch viel schlimmer wird als der, den Maciel angerichtet hat.

Man hat auch von Maciel gesagt, dass die Anklagen gegen ihn erhoben worden seien, um die Kirche zu zerstören, und tatsächlich hat man damit, ohne diese Behauptung zu beweisen, lediglich die Opfer verleumdet und damit die Sachlage optisch umgedreht. Nunmehr ist hier Stille eingekehrt; ich wünschte mir allerdings, dass die vollmundigen Verteidiger Maciels jetzt einige Artikel schrieben, in denen sie ihre Verurteilung er Opfer zurücknehmen.

Es gibt keine Möglichkeit, das, was Escrivá erwiesenermaßen getan hat, zu verstehen oder zu rechtfertigen – schon gar nicht war dies ein Anlass, ihn zu kanonisieren. Der Beweis dafür sind zahllose Zeugnisse, die eigenen Schriften (viele davon sind geheim), und die internen Leitungsregeln sind, ebenso wie die wie pathologische Physiognomie des Opus Dei, sein Selbstbildnis. Die Sache ist für sich genommen so ungeheuerlich, dass man sich unwillkürlich selbst fragt, ob man sich nicht selbst irrt.

Aber ausschließlich deshalb, weil man es nämlich irgendwie nicht akzeptieren möchte, dass Escrivá ein Psychopath war, ein Monster, das Gewissen manipuliert hat und ohne Schuldgefühl war und dass er Tausende und Abertausende Personen betrogen hat, wie der berühmte Wolf im Schafspelz, und zwar aus dem einzigen Grund, weil er seinen eigenen persönlichen Bedürfnissen damit abhelfen wollte, weil er einen inneren Defekt hatte.

 

Zurück