Opus Dei weist folgende Merkmale einer Sekte auf:

 

(Ich wende die Kriterien nach Dr. Robert Lifton, „Die Reform des Denkens und die Psychologie des Totalitarismus" 1989, auf das Opus Dei an, das ich nach neunjähriger Mitgliedschaft und zahlreichen Recherchen doch einigermaßen gut kenne).

 

Die acht Kriterien nach Lifton:

 

1. Kontrolle des sozialen Umgangs und der Kommunikation. Das bedeutet, dass die Kommunikation unter Personen einer Kontrolle unterworfen wird, bis hin zu einer Kontrolle des Umgangs mit sich selbst (es wird keine freie Zeit und Möglichkeit gelassen, dass der „Kandidat“ über sich nachdenkt und mit sich klarkommt).

 

Die Mitglieder unterliegen einer Kontrolle der Lektüre, der Kinofilme und der Zeitungen (vgl. Index der verbotenen Bücher); der Kontakt zu den eigenen Eltern wird minimiert  (Exnumerarierin: Der unmenschlichste Rat (3. 3. 2010)), die Gespräche mit den Freunden werden durch die wöchentliche Pflicht-Aussprache mit dem internen „Leiter“ vorbereitet; nachher muss man Auskunft geben, worüber man gesprochen hat. Man ist in seinem Gewissen verpflichtet, nur mehr bei Opus-Dei-Priestern zu beichten, weil man sonst „keinen guten Geist“ hat, man geht auch nur mehr zu Ärzten, die Opus-Dei-Mitglieder sind (die regen sich nämlich nicht über die Striemen von der Bußgeißel oder die Stiche auf, die der Bußgürtel hinterlässt). Man wird mit Aufträgen überschüttet, neben dem Beruf muss man über zwei Stunden Gebetsverpflichtungen erfüllen. Die Gewohnheit der „Nachtzeit“ (keine Gespräche oder Lektüren zwischen der Gewissenserforschung am Abend und der Danksagung nach der Messe am nächsten Morgen, sondern nur noch Stoßgebete) trägt ebenfalls dazu bei, dass man keinen Augenblick ruhig über sich selbst nachdenken kann. Mir selbst hat Das Opus Dei im September 1991 verboten, Arbeit an einem Benediktinergymnasium anzunehmen.

 

2. Mystische Manipulation. Es wird eine “Spiritualität” generiert, die angeblich spontanes Verhalten fördert, die aber auf einen bestimmten Effekt hin getrimmt ist, der als „geistliche Erfahrung“ erlebt werden soll, ohne dass die Betroffenen sich Rechenschaft darüber anlegen, dass diese Erfahrung vorbereitet war.

 

Der Inhalt des Gebetes ist Gegenstand der „Aussprache“; Vorsätze, die man im Gebet fasst, müssen erst vom „Leiter“ gestattet werden; die Numerarier, die in Gemeinschaft wohnen, benützen zum  Morgengebet verpflichtend das Buch „Meditaciones“, am Nachmittag sehr oft ein Buch des Gründers des Opus Dei oder die interne Zeitschrift „Cronica“ oder „Noticias“. Als ich vom Opus Dei angeworben wurde, wurde speziell für mich ein getürkter Einkehrvormittag veranstaltet: Ungefähr zehn Jungen, alle bereits Mitglieder des Werks, saßen mit mir gemeinsam in der Kapelle und hörten die Vorträge meines Beichtvaters, die exklusiv auf mich zugeschnitten waren. Ich war zutiefst beeindruckt, merkte aber erst viele Jahre später, dass ich betrogen worden war und dass der Vortrag deshalb so genau auf mich passte, weil der Priester das Beichtgeheimnis umgangen  hatte und genau mit dem Leiter vorbereitet hatte, was er mir sagen wollte, ohne dass ich den Trick merkte.

 

3. Neudefinition der Sprache. Die Worte werden neu kodifiziert; dies erleichtert die Kontrolle über das Denken der Personen. Die „Lehre“ bedient sich vereinfachender Konzepte, die das rationale Denken öfter ausschalten als fördern; die „Erleuchtung” hat Vorrang vor der persönlichen Überlegung, nur die „Erwählten“ können verstehen, was sich innerhalb der Gruppe abspielt.

 

Die Mitglieder „pfeifen“, sie sind dann „von zuhause“, schreiben jeden Monat „dem Vater“ nach Rom, die „Unseren“ sind laikal, während uns „die anderen“ nicht verstehen; vgl.  J. M. : Der interne Jargon des Opus Dei (9. 1. 2004) .

 

4. Die Lehre von der Person. Die Erfahrung, die eine Person in der Realität macht, spielt keine Rolle; wichtig ist der Glaube an das Dogma. Die Überzeugung der Gruppe unterdrückt das Bewusstsein des Einzelnen; wenn etwa die Gruppe eine wunderbare Heilung proklamiert, wofür allerdings die wissenschaftliche Beglaubigung fehlt; eine Person, die schwer krank ist, kann sogar selbst versichern, sie sei geheilt. Es ist wichtiger, das Dogma aufrechtzuerhalten als das echte Wohlergehen der Person.

 

Auch das trifft zu; das eigene Gewissen wird dem Gehorsam untergeordnet. „In einem apostolischen Werk muss das der Geist sein: Dass man gehorcht oder geht. Der Weg, Nr. 941.

 

5. Die heilige Wissenschaft. Die Gruppe verfügt über ein absolutes, wissenschaftliches und moralisches Wissen, das nicht in Frage gestellt wird.

 

6. Ein Kult der Beichte. Das öffentliche Schuldbekenntnis dient der Manipulation der Person; persönliche Abgrenzungen müssen fallen, wie sie im kirchlichen wie im therapeutischen Bekenntnis üblich sind. Es handelt sich dabei um einen klaren Missbrauch, mit dessen Hilfe Menschen durch fehlgeleitete Information schlecht gemacht und kontrolliert werden können. Ziel ist, die Identität der Person zugunsten der Gruppenidentität auszulöschen.

 

Vgl. Dietmar Scharmitzer: Das Beichtgeheimnis im Opus Dei (30. 7. 2010)

 

7. Überzogene Forderungen nach Reinheit. Die Forderung nach unerreichbarer Vollkommenheit erzeugt Schuldbewusstsein und Scham; man erreicht dadurch die Bereitschaft, sich gering zu schätzen und selbst zu züchtigen, weil man das Ideal, nach dem man strebt, noch nicht erreicht hat.

 

Vgl. Ladron: Eine unterhaltsame Geschichte. Was die Keuschheit betrifft, so brachte mir mein Beichtvater eine Verhaltensmaßregel im Umgang mit Frauen bei: Wenn sich schon ein Gespräch mit einer Frau gar nicht vermeiden ließe, solle ich meiner Gesprächspartnerin entweder auf die Nasenwurzel sehen oder mir neben ihrem Kopf ein Marienbild vorstellen, das ich gut kannte. Wenn ich die Augenfarbe einer Frau gesehen hätte, dann wäre es an der Zeit, beichten zu gehen, denn dann hätte ich zu genau hingesehen. Nun, wer es schafft, sein Leben auf diese Weise zu verkomplizieren, der lebt dann immerhin wieder problemfrei; und wer in einem der von RAI finanzierten Propagandafilme des Opus die zentrale Direktorin Marlies Kücking beobachtet, die beharrlich am Kameramann vorbeispricht, kann erahnen, wie „natürlich“ ein geschulter Gesprächspartner des Werkes wirken kann.

 

 

 8. Die Auslöschung der eigenen Existenz. Die Gruppe ist es, die die Daseinsberechtigung vergibt. Es gibt keine gerechtfertigte Alternative zur Gruppenzugehörigkeit. In totalitären Regimes rechtfertigt dies die Hinrichtung politischer Dissidenten. Die genannten Mechanismen der Einflussnahme haben psychologische und physiologische Folgen, die genau studiert sind; sie hemmen die Überlegung und schaffen eine hohe Beeinflussbarkeit, die das Verhalten der Gruppe leichter kontrollierbar macht.

 

Augenblicklich wenden viele Ärzte, klinische Psychologen und Soziologen diese Kriterien an, um festzustellen, ob eine religiöse oder anders ausgerichtete Gruppe die berüchtigte „Gehirnwäsche“ anwendet, um das Verhalten ihrer Anhänger zu manipulieren. Die Anwendung dieser Zwangsmechanismen ist für viele Ärzte nunmehr gültiges Kriterium, um eine Gruppe als Sekte zu klassifizieren...

 

Vergiß nicht, was du bist..., ein Kehrichteimer. [...] Demütige dich: weißt du nicht, daß du ein Eimer für Abfälle bist?“ (Der Weg, 592)

 

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Als Gegenargument wird angeführt, dass das Opus Dei doch eine von der Kirche approbierte Personalprälatur sei. Dazu ist zu sagen:

 

-          Johannes Paul II. war ein großer Verehrer der Institution, wenn nicht sogar ein heimliches Mitglied (er betete etwa vor seinen Messen genau 30 Minuten, wie das die Mitglieder tun). Deshalb hat er das OD auch gefördert, wo er nur konnte, und es war ihm egal, ob dabei alle kirchenrechtlichen Vorschriften eingehalten wurden.

-          Beim Heiligsprechungsprozess wurden keine Kritiker zugelassen.

-          Der Status einer Personalprälatur wurde dem OD trotz der Kritik des damaligen Kardinals Ratzinger zuerkannt; eine Personalprälatur kann aber als ordentliche Mitglieder nur Priester haben, und es kann keine bestimmte Spiritualität oder vorgeschriebene Gebete haben, es ist lediglich eine kirchliche Organisationsform.

-          Die Kirchenleitung wurde systematisch betrogen; der Vatikan bekam nur die lateinischen Statuten ausgehändigt, er hat aber erst durch die Anzeige ehemaliger Mitglieder erfahren, dass es geheime interne Schriften gibt, dass die Mitglieder durch die „Geistliche Leitung“ ausgehorcht und manipuliert werden und dass das Beichtgeheimnis nicht eingehalten wird.

 

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