Gervasio: Organische Zusammenarbeit
8/08/2012
Can. 296 — Aufgrund von mit der Prälatur getroffenen Vereinbarungen, können Laien sich apostolischen Werken der Personalprälatur widmen; die Art dieser organischen Zusammenarbeit und die hauptsächlichen Pflichten und Rechte, die damit verbunden sind, sind in den Statuten in angemessener Weise festzulegen.
(http://www.vatican.va/archive/DEU0036/__P10.HTM)
Die organische Zusammenarbeit, von der Canon 296 des gültigen Codex Iuris Canonici spricht, ist ein neu geprägter Begriff. Er begegnet das erste Mal in diesem Gesetzestext und hat keine Präzedenz. Die Kirchenrechtler vom Opus Dei (Vgl. jeweils den Kommentar von José Luis Gutiérrez, EUNSA) behaupten, dass die Laien, die organisch mit einer Prälatur zusammenarbeiten, deren „Gläubige“ seien, ihr „Volk“ bilden. Ein Laie, der sich verpflichtet, organisch mit einer Prälatur zusammenzuarbeiten, ein Laie, der, ohne die Bindung an den Bischof seiner Diözese zu verlieren, Teil dieser Prälatur, insofern er deren Gläubiger ist oder zu deren Volk gehört. Die Kanonisten, die nicht vom Opus Dei sind, verwerfen eine solche Interpretation ausdrücklich. In den Kommentaren zum CIC, herausgegeben von den Professoren der Päpstlichen Universität Salamanca, lesen wir: Man kann nicht sagen, dass die Gläubigen, die in einer Prälatur inkorporiert sind und ihre Begabungen und ihre persönliche Erfahrung zur Verfügung stellen, deren „eigenes Volk“ bilden, denn ihre Anwesenheit in der Prälatur ist nicht das Ziel der seelsorglichen Aktivität (5. Aufl.)
Nehmen wir an, dass der Zweck einer Prälatur die Christianisierung der Arbeiterklasse in einem bestimmten Land ist. Wenn ein oder mehrere Laien organisch mit dieser bestimmten Prälatur zusammenarbeiten, so folgt daraus noch nicht, dass sich diese Laien in Adressaten der Pastoral der Prälatur verwandeln – denn das sind die Arbeiter – sondern in Mitarbeiter an der Seelsorge zugunsten der Arbeiter. Für die Kanonisten des Opus Dei sind die Laien gleichzeitig Adressaten der Mission der Prälatur und ihre Mitarbeiter. Vielleicht gilt das im Fall des Opus Dei, der bisher einzigen Personalprälatur, insofern der Zweck des Opus Dei seine eigenen Mitarbeiter sind. Aufgabe der Prälatur ist die Heiligung ihrer Gläubigen durch die Ausübung der christlichen Tugenden im jeweils eigenen Stand, Beruf und den Lebensumständen, Welt, nach den besonderen Rechtsnormen, gemäß der ihr eigenen Spiritualität, die vollkommen säkular ist. (Statuten 2§1). Unter „der ihr eigenen Spiritualität“ versteht sich die besondere Spiritualität des Opus Dei, nicht die besondere Spiritualität jedes einzelnen organischen Mitarbeiters. Im Schoß einer Diözese, so wie jeder anderen säkularen kirchlichen Struktur, wie etwa der Kurie, haben verschiedene Spiritualitäten Platz. In der Prälatur Opus Dei kann es nur die Spiritualität des Opus Dei geben. Und das hängt damit zusammen, dass das Opus Dei, im Unterschied zu Diözesen, einen Gründer hat. Auch die Orden und Kongregationen haben ihre jeweiligen Gründer, die sie üblicherweise „unser Vater“ nennen. Die Diözese, Territorialprälaturen, apostolischen Administrationen etc. haben keinen Gründer. Sie betrachten uns — beklagte sich der Gründer del Opus Dei— mit dem Vorurteil, dass wir Ordensleute seien und nur unsere Identität verbergen. (Instruktion 8-XII-1941, Nr. 44). Die Instruktion erinnert mich an ein Kind — es heißt Hänschen — das schluchzend nach Hause kam und der Mama erzählte:
— Mama! In der Schule haben sie mich als Schwuchtel beschimpft.
— Kränk dich doch nicht, Hänschen. Wehr dich!
— Ich lasse mir ohnehin nichts gefallen. Ich hab mir einen von den Pumps ausgezogen und dem nächsten den Absatz in die Schnauze gehaut.
Das Ziel der Kirche ist die Rettung der Seelen, „salus animarum”. Das Opus Dei behauptet, dasselbe Ziel zu haben, aber mit ein einer besonderen Nuance: Sie suchen die salus animarun nach dem Geist des Opus Dei, einem Geist, der in Sanktjosemaría Escrivá de Balaguer verkörpert war. Man muss diesen Heiligen nachahmen — der unter anderem Hausprälat Seiner Heiligkeit war. Die Nachahmung geht jetzt allerdings nicht so weit, dass sich die Mitglieder des Opus Dei verpflichtet fühlen müssten, auch Hausprälaten zu werden. Zweifellos ist es eine Spiritualität mit einigen entzückenden Details, und dazu sind sie Crespillos zu zählen, eine Nachspeise, die die Mitglieder jeden Karfreitag im Gedenken an die Mutter des Gründers des Opus Dei essen. Eine andere Besonderheit besteht darin, dass sie jede Woche eine Art „Capitulum culparum“ abhalten, ähnlich wie die Ordensleute. Armes Hänschen!
Das Opus Dei kümmert sich darum, dass alle – auch der Papst, die Bischöfe und die Diözesanpriester – zu ihm gehören oder zumindest nach dem Geist des Opus Dei leben. Die Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz war anfangs nur dazu bestimmt, dass die Numerarierpriester inkardiniert werden können. Seit 1950 kann diese Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz nun auch Diözesanpriester aufnehmen, die bisher nicht dem Opus Dei angehören konnten, weil sie zu einer Diözese gehörten. Das Besondere am Opus Dei ist es nicht, dass sie die Berufungen von Diözesanpriestern fördern, sondern sie kümmern sich, dass die Diözesanpriester dem Opus Dei beitreten. Um es in der Sprache von Félix Rodríguez de la Fuente zu sagen, das Opus Dei ist das letzte Glied in der Nahrungskette. Die Erde bringt Gras hervor, das die Wiederkäuer ernährt. Die Löwen ihrerseits verzehren die Wiederkäuer – Zebras, Gnus, etc. Die Löwen selbst frisst niemand mehr- Sie bilden das letzte Glied in der Nahrungskette. Wenn es also kein Gras mehr gibt, sterben die Löwen aus. Wenn, wie es heißt, der Iberische Luchs im Moment stark zurückgeht, dann deshalb, weil es zu wenig Kaninchen gibt, die seine Hauptnahrung bilden. Obwohl die Myxomatose den iberischen Luchs nicht direkt befällt, sondern die Kaninchen, steht der Luchs vor dem Aussterben, weil er sich keine Kaninchen mehr in den Mund stopfen kann.
Auf dieser Homepage wurde wiederholt das augenblickliche Ausbleiben von Berufungen zum Opus Dei kommentiert. Jemand hat gemeint, dass ein solcher Rückgang keine Rückschlüsse auf den Untergang des Opus Dei erlaube, denn dieselben Erfahrungen machten auch die Mehrzahl der Orden und der Institute des Geweihten Lebens.
Dieser Rückgang an Ordens-Berufungen lässt sich aber nicht dadurch kompensieren, dass es jetzt mehr Berufungen gäbe, Sanktjosephmaria nachzuahmen, denn sie hängen davon ab, dass es der Kirche insgesamt gut geht, und auch dass es Diözesanpriester gibt, die nicht für die typischen pastoralen Aufgaben des Opus Dei arbeiten. Allen, die eine gewisse geistliche Unruhe verspüren, sagen sie:
—Aber du musst, um heilig zu werden, weder Priester, noch Mönch, noch Nonne sein. Geh zum Opus Dei.
Das Opus Dei ist das letzte Glied in der Nahrungskette. Daraus folgt, dass es mit dem Ausbleiben von Priester- und Ordensberufungen auch weniger Leute gibt, die zum Opus Dei kommen. Vielleicht bestünde also die Lösung darin, dass das Opus Dei, statt ausschließlich Proselytismus für die Prälatur zu treiben, sich der Weckung von Berufungen zu Diözesanpriestern und Ordensleuten widmet. Wenn einmal dieses günstige Milieu geschaffen ist, das es ja in Spanien in der Nachkriegszeit durchaus gab, wird es auch leichter sein Studenten zu finden, mit denen man die Studienzentren füllen kann. Aber ich schweife zu sehr ab. Kehren wir zurück zum Thema der organischen Zusammenarbeit.
Can. 296 verfügt: — Aufgrund von mit der Prälatur getroffenen Vereinbarungen können Laien sich apostolischen Werken der Personalprälatur widmen; die Art dieser organischen Zusammenarbeit und die hauptsächlichen Pflichten und Rechte, die damit verbunden sind, sind in den Statuten in angemessener Weise festzulegen… Eine solche Übereinkunft erfordert eine Neubestimmung der Hingabe im Katechismus, denn durch sie verliert man nicht die kirchenrechtliche Stellung in der Diözese und in der Pfarre. Das Opus Dei nennt diese Art von Übereinkunft Oblation, wenn sie der jährlichen Erneuerung bedürfen, und Fidelitas, wenn sie für immer sind. Diese Übereinkünfte entsprechen genau dem Wesen der zeitlichen und ewigen Gelübde der Ordensleute. Armes Hänschen!
Laut Nr. 11 des zitierten Katechismus bewirken die Oblation und die Fidelitas im Fall der Laien die Inkorporation in das „kirchliche Territorium“ Opus Dei. Im Fall der Weltpriester treten sie nicht dieser Teilkirche bei, sondern einem Verein — der Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz – die zufällig als Präsidenten den Prälaten der erwähnten Teilkirche hat. Es bleibt unverständlich, warum sich die Prälatur Opus Dei als „Teilkirche“ versteht, während das Opus Dei gleichzeitig als „Personalprälatur mit weltweitem Umfang“ definiert ist (vgl. Katechismus, Nr. 1). Wenn es weltweitem Umfang hat, kann es schwerlich eine Teilkirche sein. Eine Diözese ist sehr wohl eine Teilkirche; ich kenne allerdings keine weltweite Diözese, aber auch keine weltweiten Teilkirchen, die Diözesen gleichgestellt sind, wie Territorialprälaturen, Abteien, Vikariate und Apostolische Präfekturen (Vgl. Can. 368). Von der Definition her kann eine Teilkirche nicht universal sein.
Das Wort „universal“ lässt sich in zweierlei Hinsicht verstehen. Die Jurisdiktion des Opus Dei hinsichtlich der Crespillos, wann und wie sie zu machen und zu essen sind, ist geografisch gesehen universal. Es dürfte einige Hinweise speziell zu diesem Thema geben. Die Organisationsstruktur des Opus Dei wacht über die Herstellung von Crespillos in der ganzen Welt. Umgekehrt wirkt das Opus Dei nicht sehr universal, insofern es einige eigenartige Besonderheiten aufweist. Eine Diözese oder Erzdiözese umfasst Unbeschuhte, wie die Gefolgsleute der heiligen Theresia, aber auch solche, die Schuhe oder Sandalen tragen. Hierin sind sie universal, wenn sie auch geographisch beschränkt sein mögen. Deshalb kann das Opus Dei nicht Teil der normalen Hierarchie der Kirche sein. Es hat einen Gründer, der sehr ordentlich und sogar heilig ist, aber mit einem eigenen Geist, der sogar „gemeißelt“ ist. Und er kann Crespillos verfügen.
Die Laien, die organisch mit der Prälatur Opus Dei zusammenarbeiten, hören de facto auf, mit der Diözese ihres Wohnorts zusammenzuarbeiten, obwohl sie ihr doch weiter angehören. (Vgl. Das Opus Dei und die Diözesen). Sehr erhellend ist dabei, dass die Numerarier jede Woche bei dem Bildungsmittel, das „Kurzer Kreis“ genannt wird, daran erinnert werden, dass sie ihre Pfarre nicht finanziell unterstützen und nicht einmal ein paar Pfennige in den Kollektenbeutel werfen dürfen. Die Supernumerarier dürfen zwar etwas spenden, aber bloß als Akt der Höflichkeit, aber der Großteil ihrer Beiträge hat an das Opus Dei zu gehen. Ich weiß nicht, ob die ökonomische Mitarbeit eine organische ist, aber ich habe so meine Zweifel, ob man es überhaupt als Mitarbeit bezeichnen kann. Lesen wir Nr. 59 des erwähnten Katechismus: Jeder Gläubige muss wirtschaftlich zum Unterhalt der apostolischen Unternehmungen beitragen. Unter den apostolischen Unternehmungen sind freilich die des Opus Dei zu verstehen, nicht die der Diözese oder der Pfarre. Alle, auch die Assoziierten- und Supernumerarierpriester, sind verpflichtet ihren materiellen Beitrag zu leisten – aber nicht der Diözese, sondern der Prälatur. Die Diözesanpriester tun dies mit dem Gehalt, den sie für ihre Arbeit in der Diözese erhalten. Und abgesehen davon, dass die Diözesanpriester das Opus Dei soweit es geht unterstützen, haben sie dem Opus Dei auch ihren priesterlichen Dienst zur Verfügung zu stellen. Ich könnte nicht sagen, ob diese Zusammenarbeit von Diözesanpriestern mit dem Opus Dei organisch ist oder nicht. In jedem Fall handelt es sich um Zusammenarbeit. Nr. 99 des Katechismus besagt, dass der Beitritt der Assoziierten- und Supernumerarierpriester der Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz auf analoge Weise geschieht wie bei den Assoziierten und Supernumerariern der Prälatur, nämlich durch Admission, Oblation und Fidelitas. Man kann also zusammenfassen, dass sie mit der Prälatur die gleiche Art von Vereinigung bilden wie dort die Laien. Ist das organisch? Ich weiß es nicht.
Es darf daher nicht verwundern, wenn im Katechismus des Werkes betont wird, dass man vermittels einer göttlichen Berufung Mitglied des Opus Dei wird. Diese Berufungen sind für eine Diözese leicht ruinös. Aber klar, wenn der Herr beruft… Im Fall des Sanktjosefmaria, der ein Stipendium für das Priesterseminar in Saragossa lukriert hatte, gaben sie ihm die Erlaubnis, an der Universität Saragossa Jura zu studieren, denn sein Vater in Logroño hätte ihm das nicht finanzieren können. Kaum war er geweiht, hat er einige Wochen für die Diözese als Aushilfspfarrer in Perdiguera gearbeitet, und dann übersiedelte er auch schon nach Madrid, um seine Doktorarbeit zu schreiben. Die Stellung des Opus Dei in den Diözesen ist doch wohl reichlich verquer. Sie besteht darin zu behaupten und zu wiederholen, dass „wir keine Ordensleute sind“, dass man sie nach dem Ordensrecht nicht zu fassen bekommt, denn mit dem Geweihten Leben haben sie nichts zu tun. Das Wort „Exemtion“ stört uns, etc. Auch die Hindus und Muslime sind keine Ordensleute und deren Recht nicht unterworfen. Aber daraus lässt sich noch nicht ableiten, dass sie für die Diözesen da sind. Sie arbeiten kaum mit den Diözesen zusammen. Nur weil es keine Ordensleute sind, kann man noch nicht schließen, dass sie für die Diözesen da sind.
Dank der Zeitung El País kann ich die folgende Passage aus dem Katechismus des Opus Dei: Um Teil des Opus Dei sein zu können, bedarf es einer göttlichen Berufung, die eine spezifische Ausformung der christlichen Berufung darstellt. Diese Berufung entfernt niemanden von seinem Platz in der Kirche und in der Gesellschaft (Nr. 14). Man müsste jetzt allerdings klarstellen, dass das bedeutet, dass die Laien des Opus Dei weiterhin ihrer Pfarrei angehören und ihre Dienste nützen, wenn sie heiraten, ihre Kinder taufen, wenn sie sie den Katechismus lehren oder die Krankensalbung empfangen wollen. Die Priester, die in eine Diözese inkardiniert sind, verlieren diese Inkardinierung ebenso wenig, wenn sie dem Opus Dei beitreten. Wenn sie dem Opus Dei beitreten, hören sie lediglich auf, organisch oder anorganisch in der Diözese mitzuarbeiten und tun dies stattdessen in der Prälatur. Ihre Position innerhalb der Kirche sowie der Gesellschaft ändert sich.