Dietmar Scharmitzer: Der Faschismus des Opus Dei I

(15. April 2017)

 

Das Schlimmste, was man dem selbsternannten „Werk Gottes“ antun kann, ist, es beim Wort zu nehmen und es zu zitieren. Wer die dumme Verlogenheit und geistige Selbstbefriedigung der Sekte aus erster Hand kennenlernen möchte, findet sich auf ihrer Homepage opusdei.de trefflich bedient. Der Artikel http://opusdei.de/de-de/article/franco-eingeheizt-und-hitler-fur-verruckt-erklart-was-der-grunder-des-opus-dei-wirklich-sagte-und-meinte/, peppig mit flotten Bemerkungen im stimmbrüchigen Stil einer Schülerzeitung aus den neunziger Jahren garniert, präsentiert sich in der Rubrik „Texte und Dokumente“ mit dem Datum 16. Mai 2006. Der Text ist am Dienstag vor dem ersten Kinowochenende hochgeladen worden, an dem „The Da Vinci Code – Sakrileg“ anlief, er gehört also in die Reihe der apologetischen Schriften und verzweifelten Rettungsaktionen des "Werks", die den Effekt hatten, dass die Mitglieder erst recht und ausdrücklich auf die Diskrepanz zwischen dem nach außen projizierten humanen Image und der nach innen stahlhart (vgl. Der Weg, Nr. 397) exekutierten Arkandisziplin aufmerksam gemacht wurden – und ihre Schlüsse zogen.

 

Nach der Einleitung findet sich unvermittelt der Satz: „Fernando Inciarte war lange Jahre Ordinarius für Philosophie an der Universität Münster.“ Dem unbedarften Leser wird dadurch suggeriert, dass der Herr Professor, auf dessen akademische Würde sich das Werk im Sinn seiner kollektiven Demut nicht wenig einbildet, diese Ehrenrettung verfasst habe, allenfalls gestützt auf seine im Anschluss zitierte Arbeit „Inciarte, Fernando, Die Bedeutung der Freiheit für den seligen Josemaría Escrivá, in: Ortiz, César (Hrsg.), Josemaría Escrivá. Profile einer Gründergestalt, Köln (Adamas) 2002, S. 419–432.“ Peinlicherweise ist Dr. Fernando Inciarte Armiñán aber bereits am 9. Juni 2000 in Pamplona verstorben, wo er alljährlich einer Reihe von Doktoranden, die so wie er Numerarier waren, in den Sattel half. Egal, „nicht zu viel forschen“ hat mir mein seinerzeitiger geistlicher Leiter Dr. Bernhard Augustin als Richtschnur für mein Studium mitgegeben, und dass ein Mann, der im Opus Dei das Gehorsamsgelübde abgelegt hat (ja, das hat er), etwas kraft seiner akademischen Autorität behaupten kann, obwohl er weder Zeitzeuge noch Historiker ist und im Übrigen zum Erscheinungsdatum („aus aktuellem Anlass“) schon sechs Jahre tot war, spricht für sich. Also: Nicht „Fernandito“ (sie werden nicht erwachsen) war der Autor dieses Artikels, sondern ein onanymer Numerarier, ohne Gesicht, ohne Ehre und ohne Sachkenntnis, dem man aus Rom als Quellenbeleg die Nummern von Briefen durchgegeben hat, die er niemals selbst einsehen durfte.

Klopfen wir das taube Gestein auf seinen Gehalt ab:


Franco eingeheizt und Hitler für verrückt erklärt - Was der Gründer des Opus Dei wirklich sagte und meinte

Aus aktuellem Anlass tauchen wieder alte Mythen über den hl. Josemaría Escrivá auf – und werden vom Abschreiben aus den Archiven auch nicht wahrer. Falsch ist zum Beispiel, dass der hl. Josemaría Escrivá mit dem Diktator Franco befreundet gewesen sei oder das Naziregime verharmlost habe. Deshalb bringen wir an dieser Stelle ein paar Buchzitate, die die tatsächliche Haltung Escrivás deutlich machen. Andrés Vázquez de Pradas Werk in 3 Bänden ist derzeit die einschlägige Escrivá-Biographie.


1. Dass Escrivá Franco eingeheizt und Hitler für verrückt erklärt hat, stimmt. Es stimmt genauso, wie es stimmt, dass er laut Eintrag in der Taufmatrik „Josemaría“ und „Escrivá“ hieß, dass er ein spanischer Adeliger war, dass er im Besitz gültiger Papiere in das Priesterseminar von Saragossa eingetreten ist, dass er seinen Eid als Diözesanpriester gewahrt und sich seinem Bischof treu in der Erzdiözese Saragossa als Seelsorger dort einsetzen ließ, wo er gerade gebraucht wurde; dass er keinesfalls schon nach neun Wochen aus seiner Pfarrstelle davongelaufen ist (wie war das mit der ergreifenden Geschichte vom Pfarrer, der sich „aus dem Staube machen wollte“ und sich von einem LKW-Fahrer mitnehmen ließ), dass er nicht ohne Erlaubnis seines Bischofs Jura studierte etc. etc.; ein Lump, der nie in seinem Leben gearbeitet hat, der die Kandidaten seiner Jura-Kurse von Madrid nach Saragossa begleitete, wo sie bei einem Priesterfreund ein präpariertes „Examen“ ablegten, ein Lügner, der weder seinen Bischof noch einen geistlichen Leiter (wie er behauptet hatte) von seiner Gründung informierte, ein Betrüger, der ebenso wie seine beiden Nachfolger akademische Leistungen vortäuschte, ein größenwahnsinniger Narzisst, der die Welt „wie eine Socke umdrehen“ und „mit bedrucktem Papier überschwemmen“ wollte, der es hinter vorgehaltener Hand den dummen Päpsten hineinsagte, die ihn nicht verstehen wollte, ein peinlicher Saukerl, der am liebsten von Hosenladen, vom Pinkeln („wenn die Frauen weinen, ist es gut, dann müssen sie weniger pinkeln“), von Huren und Schlampen sprach, denen man den Schlüpfer herunterziehen und denen man es „in den Arsch“ geben sollte – warum sollte er nicht Hitler elf Jahre nach dessen Tod beschimpft und seinen großzügigen Gönner Franco im kleinen Kreis seiner engsten Anhänger verlästert haben? Schauen wir im Detail nach!

2. Der „aktuelle Anlass“ ist eingangs erläutert.

3. Über die „alten Mythen“ kann nur der Prälat des opus in Rom Auskunft geben, denn er hält sowohl die nett versigelten Quellen in seinen Archiven unter Verschluss (gehört der Heilige nicht jetzt der ganzen Weltkirche, die sich an seinen Lebensdokumenten laben und erbauen können sollte – am besten gleich als Faksimile im Internet?!) wie auch eine Reihe von gestohlenen Dokumenten, die eigentlich der Erzdiözese Saragossa (E.s Personalakt), der Universidad Complutense (das Original von E.s „Dissertation“) oder den Teresianisten gehören?

4. „Was der Gründer des Opus Dei wirklich sagte und meinte“: Es ist wohl ein Freudscher Versprecher, wenn der Redakteur (Ruthard?!!) mit dem vorgeblichen Hendiadyoin „sagte und meinte“ den Finger auf die entscheidende Wunde legte, dass J. E. fast nie das sagte, was er meinte, und fast nie meinte, was er sagte.

5. Escrivá und Franco waren tatsächlich nicht befreundet, denn ein von Gott auserwählter Narzisst hat keine Freunde, nur Jünger, und keine Brüder, sondern nur Sprossen („Der Weg“, Nr. 31). Franco und seine Umgebung wurden seinerzeit hemmungslos angeschleimt und abgezockt (vgl. Escrivá und Franco; Simplicio: Qui s’excuse, s’accuse. Franco und Escrivá (18.11.2015); Simplicio: Antonio Garrigues, Franco und Escrivá (15. 6.2016); Brief Alvaro Portillos an Franco vom 5. Juli 1949; Brief Alvaro Portillos an Franco vom 14. Juli 1952; Audienz Don Alvaros bei Franco, 27. Januar 1955; Brief Escrivás an Franco vom 23. 5. 1958; Josef Knecht: Die Anfänge des Opus Dei und die Blaue Division (13. 1. 2012); im Sinn der orwellianischen Gedächtnislöcher will man heute davon nichts mehr wissen. Wir haben auf dieser Seite zahlreiche Zeugnisse veröffentlicht und werden mit Gottes Hilfe zur Verdemütigung des heiligen Marranen und des fahrlässigen heiligen Kanoniseurs aus Krakau damit fortfahren, sie zu publizieren.

6. E. hat vermutlicht auch nicht das Naziregime verharmlost, es hat ihn einfach nicht interessiert. Deutschland war für ihn sehr weit weg, und er hätte es sich nicht träumen lassen, dass es einmal auffliegen würde, dass sich zahlreiche Nietzsche-Zitate des deutschen Priesters Josef Sellmair, die Paco Botello exzerpiert und Pedro Casciaro redigiert haben dürfte, im „Weg“ wiederfinden!

7. Vázquez de Pradas Biografie ist kein wissenschaftliches Werk, sondern eine tendenzielle Hagiografie voller Auslassungen, Verschleierungen und Behübschungen; auch Vázquez de Prada durfte die Quellen nicht einsehen, die in Villa Tevere wohlverwahrt liegen.

 

Wird fortgesetzt!